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Niemals hätte CJ geglaubt, in einem Job als Assistenz der Geschäftsführung in einem der größten Medienunternehmen des Landes zu arbeiten. Doch der Job lag ihm, machte Spaß und Mr. Sparks Senior war ein grandioser und sanftmütiger Chef, welcher viel Wert auf die Meinung seines jungen Assistenten gab. Dann geht Mr. Sparks Senior in den wohlverdienten Ruhestand und überlässt die Firma seinem Sohn. Eine Umstellung für CJ, denn Gideon Sparks lebt einen ganz anderen Führungsstil als sein Vater vor ihm. Ein Umstand, der zu Spannungen führt. Nicht nur aufgrund der unterschiedlichen Meinungen, die CJ und Gideon in den meisten Belangen haben, sondern vor allem auch, weil CJ nicht umhinkommt zu bemerken, dass Mr. Sparks Junior mehr als nur gutaussehend ist. Längst erloschen geglaubte Empfindungen sprühen erste Funken und stürzen CJ immer weiter in ein Chaos der Gefühle, stellen ihn dadurch immer wieder vor neue Herausforderungen. Er ist fest entschlossen, seine professionelle Distanz zu wahren und Gideon Sparks nur als das zu sehen, was er ist: sein Chef. Nicht der wandelnde Adonis im Anzug, der mehr und mehr für schlaflose Nächte sorgt.
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Seitenzahl: 394
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Loving Mr. Sparks
Wenn die Liebe Funken schlägt
Ava Patell & Kim Pearse
Gay Romance
Ava Patell & Kim Pearse
c/oCarina Neppe
Kirchstraße 4
15370 Fredersdorf
Texte: © Copyright by Ava Patell & Kim Pearse
Umschlaggestaltung: © Copyright by Carina Neppe
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https://www.facebook.com/kipearse/
Alle in diesem Buch geschilderten Handlungen
und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten
mit lebenden oder verstorbenen Personen wären
zufällig und nicht beabsichtigt.
Inhalt
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*** Epilog ***
»Wo bleibst du denn, CJ? Es geht gleich los!«
Mit diesen Worten wurde er begrüßt, als er sich durch die Menschen hindurchgeschoben hatte, die hier alle in der großen Versammlungshalle zusammengekommen waren. Alle standen um die Stehtische herum, Gläser mit Sekt oder Orangensaft vor sich und sahen zur großen Bühne, die jetzt von einem Mann betreten wurde.
»Tut mir leid. Der Verkehr ist eine Katastrophe. Die Straßen sind glatt und die Busse kommen nicht durch.«
Seine Kollegin Ayla schob ihm ein Glas mit Orangensaft hin. »Du solltest dir endlich ein eigenes Auto kaufen. Meine Güte.«
Dankbar griff CJ nach dem Glas und nippte an dem kühlen Saft. Auch wenn seine Wangen noch von der Kälte brannten, war er dankbar für die Erfrischung. Das hier war ein wichtiger Tag in der Geschichte des Unternehmens. Und in der Geschichte seines Chefs.
Seines ehemaligen Chefs, rief er sich in Erinnerung, denn Mr. Sparks würde sich mit dem heutigen Tage aus dem aktiven Betrieb zurückziehen und das Zepter an seinen Sohn übergeben. Sein Sohn, der wie ein Mythos seit Wochen über dem Unternehmen schwebte. Man kannte ihn nur von Bildern, von flüchtigen Blicken, wenn er mit seinem Vater über die Flure gehuscht war. Kaum jemand hatte mehr als einen Augenblick mit ihm gehabt. Selbst CJ kannte ihn nur aus der Ferne, vom Sehen.
Es war irritierend. Und doch würde er ab jetzt seine Position unter seinem alten Chef aufgeben und nahtlos für den neueren, jüngeren arbeiten. Er war nervös. Er sollte es nicht sein und doch war er es. Veränderungen waren irritierend, gingen ihm nahe. Was ein Paradoxon war, wenn man bedachte, was er beruflich machte. Und das auch noch sehr gut.
»Autos sind teuer«, meinte er leise zu Ayla, während Mr. Sparks Senior auf der großen Bühne hinter das schneeweiße Rednerpult trat und mit seiner Rede begann.
Eine Rede, an der CJ nicht ganz unbeteiligt war. Er kannte jedes Wort auswendig. Leise seufzte er. Mr. Sparks würde ihm fehlen. Drei Jahre hatte er für ihn gearbeitet. Für diesen großen, stolzen Mann mit dem grau melierten Haar und der aufrechten Haltung. Und dem Schalk im Blick. Es war eine Freude gewesen, für ihn da zu sein und ihm das Leben leichter zu machen. CJ fragte sich, wie es unter seinem Sohn sein würde.
»Außerdem würdest du mit einem Auto genauso im Stau stehen. Und du müsstest einen Parkplatz finden, was hier in der Gegend nahezu unmöglich ist. Es sei denn, du mietest hier einen Parkplatz. Ich habe mal nachgefragt. Du willst gar nicht wissen, was die monatlich an Miete verlangen für einen Stellplatz. Wenn du keinen Manager-Posten hier hast oder aus gutem Hause kommst, dann kannst du das vergessen.« Berry, aus der IT, sah Ayla streng an. »Das solltest du eigentlich wissen. Du machst doch diesen ganzen Buchhalter-Kram. Die Preise müsstest du doch gesehen haben.«
Doch Ayla winkte ab. »Jetzt seid still. Ich will die Rede hören.«
CJ lächelte in sich herein. Ayla und Berry waren seine Freunde und Kollegen. Berry arbeitete als Systemadministrator in der IT-Abteilung. Was genau er da trieb, das wusste CJ nicht. Aber bisher hatte er noch jedes technische Problem, welches CJ begegnet war, lösen können. Er war etwas untersetzt, hatte eine hohe Stirn und trug einen Pferdeschwanz der sich in seinem Nacken kringelte.
Ayla arbeitete in der Buchhaltung, wo sie mit Zahlen jonglierte. Sie war kleiner als CJ und in jedem Sinne schmal. Schmale Hüften, schmale Taille, kleine Brüste und eine flache Nase. Ihre Augen trugen eine leichte Mandelform, die von väterlicher Seite herrührte. Ihre Lippen hingegen hatten die perfekte Herzform, voll und schön. CJ hasste sie dafür. Warum das so war, war er nicht bereit zu ergründen.
Beide waren herzensgute Menschen und wann immer er konnte, verbrachte er die Pausen oder freie Zeit mit ihnen. Was äußerst selten der Fall war. Er liebte seinen Job. Bisher. Kurz schloss er die Augen und schickte ein Stoßgebet zum Himmel. Er hoffte wirklich, dass es so blieb. Dass er auch unter einem neuen Vorgesetzten so weiterarbeiten konnte wie bisher. Dass er das machen konnte, was er am besten tat.
Erst jetzt wendete er seine volle Aufmerksamkeit der Bühne zu. Sah über all die Köpfe hinweg. Mr. Sparks Senior beendete seinen Teil der Rede und streckte einen Arm zur Seite. Eine einladende Geste und dann gab es Applaus.
CJ blinzelte, schluckte. Da war er. Mr. Sparks Junior. Das, was er auf der Bühne sah, konnte er auch noch einmal auf den ganzen Monitoren betrachten, die im Saal aufgebaut waren. Kameras fingen diesen historischen Moment ein.
Die Männer auf der Bühne waren gleich groß. Die gleiche Haarfarbe, bei dem älteren Mann von Grau durchzogen. Bei dem jüngeren fand sich keine Spur davon. Auch in der Haltung waren sie sich sehr ähnlich.
Doch CJ fiel etwas auf. Mr. Sparks Junior hielt sich anders. Es war etwas in der Haltung der Schultern. Wie er sich bewegte. Selbstsicherheit, Entschlossenheit. Die Art von Auftreten, die man nur erreichte, wenn man von dem überzeugt war, was man tat und wenn man Unmengen an Geld besaß. Schwer schluckte CJ, als ihm noch etwas bewusst wurde. Er erkannte es, selbst auf die Entfernung zur Bühne hin. Wenn er auf die Monitore blickte, dann wurde es nur noch deutlicher.
»Das ist der attraktivste Mann, den ich jemals gesehen habe«, murmelte er zu seinen Freunden und beide sahen ihn an.
»Was?«, fragte Berry und Ayla nickte.
»Ich kann dir nur zustimmen. Der sieht ja verboten gut aus.« Sie nahm einen großen Schluck Sekt. »Und du arbeitest für ihn. Ich hasse dich, weißt du das? Das ist doch nicht fair.«
Sie lauschten den Worten, die jetzt der neue Vorsitzende des Unternehmens Sparks Media an seine Mitarbeiter richtete. Eine Stimme, so dunkel und wohlklingend wie teurer Whisky. Warm und weich. Fest. CJ schauderte.
Er wusste nicht, was die Zukunft bringen würde. Aber er wusste, dass er gut in seinem Job war und immerhin würde sein neuer Chef nett anzusehen sein. Er hatte ganz offensichtlich sehr viel von seinem Vater. Doch in einer Sache unterschieden sie sich ganz enorm. Die Augen. Wo Mr. Sparks Seniors Augen dunkelbraun und warm waren, waren die Augen seines Sohnes graublau und kühl.
Zumindest wirkte es so auf den ersten Blick, als Mr. Sparks Senior seinen Sohn, deutlich später an diesem Tag, durch die Chefetage führte. Dieses Mal keine Hektik. Kein schnelles Vorbeihuschen. Lange standen sie in dem großen Eckbüro mit der grandiosen Aussicht und den Glaswänden. Das Büro, welches ab sofort einen neuen Chef beherbergen würde.
CJ war gespannt, wie sein neuer Vorgesetzter es einrichten würde. Welche kleinen Details nun darin Platz finden würden. Die Sonderausgaben gerahmter Schallplatten an den Wänden waren verschwunden, auch der signierte Baseballhandschuh der Exeters. Die Grundausstattung war geblieben. Der große Schreibtisch, die schweren Stühle. Die Sitzecke, der kleine Konferenztisch für sechs Personen.
Von seinem Platz hatte CJ einen guten Blick in das Büro hinein. Solange niemand der beiden Chefs nach der kleinen Fernbedienung griff, welche das nun durchsichtige Glas in eine undurchsichtige, weiße Wand verwandeln würde. Technologie war etwas Faszinierendes.
Doch keiner von beiden dachte offensichtlich daran. Sie standen lange nebeneinander, sahen nach draußen auf die herbstgraue Stadt und unterhielten sich. In Statur und Haltung so ähnlich, dass es CJ ganz kribbelig machte. Er presste die Lippen aufeinander, griff nach seinem Handy und schoss kurzerhand ein Foto von diesem Bild. Nur für sich. Es war nicht sonderlich gut, der Zoom viel zu schlecht für die Entfernung, aber für die Erinnerung war es wichtig.
Dann schließlich setzten sich die beiden Männer in Bewegung und CJ hätte einiges dafür gegeben zu wissen, was sie besprochen hatten. Als sich die Bürotür öffnete, lächelten beide leicht. Die gleiche Art zu lächeln. Nur war das eine Lächeln von deutlich mehr Erfahrung und Lebensweisheit geprägt als das andere. Dennoch war eine Familienähnlichkeit nicht abzustreiten. Vaterschaftstest absolut unnötig.
Mr. Sparks Senior führte seinen Sohn zu den drei Arbeitsplätzen, die sich hier im Vorraum befanden. Die Arbeitsplätze der drei Sekretärinnen, die hier das Regiment über den Informationsfluss führten. CJ hatte einen Heidenrespekt vor diesen Frauen und noch mehr vor Mr. Sparks, da er in dieser Position Frauen arbeiten ließ. Keine Männer. Sie trugen nur den Titel Sekretärin, doch sie waren deutlich mehr als das.
Mrs. Garner war Ende 30 und kümmerte sich um alle Informationen und Aufarbeitungen aus der Vermarktung, Verkaufs- und Marketingabteilung. Mrs. Nahel hielt alle Fäden in der Hand zu Finanzen, Aktienkursen und Personal. Mrs. Orchard war die jüngste der drei, erst seit zwei Jahren auf ihrer Position und doch schon die Herrin über alles, was mit der Technik, der IT und Elektronik des Unternehmens zusammenhing, sammelte zusätlich Informationen zu den Sendeplänen und Abläufen der Sendeanstalten. Sie war ein Ausnahmetalent mit ihren 25 Jahren.
CJ wollte mit keiner der dreien tauschen. Nie im Leben. Was diese Frauen leisteten, war übermenschlich. Aufmerksam betrachtete er, wie Mr. Sparks Senior seinen Sohn diesen Damen vorstellte, wie sie plauderten. Höflichkeiten austauschten und ihm wurden die Hände feucht, weil er wusste, was als nächstes kam. Tief atmete er ein und aus. Und dann kamen sie auf ihn zu. Mit diesem breiten, warmen Lächeln deutete Mr. Sparks Senior auf CJ und der erhob sich.
»Und das ist der Mann im Unternehmen, ohne den ich komplett untergehen würde«, meinte er freundlich und legte CJ kurz die Hand auf die Schulter. »Mr. Sears. Mein Sohn, Gideon Sparks.« Er streckte die Hand aus. Wie schon zu Mr. Sparks Senior musste er zu seinem neuen Chef aufsehen. »Es freut mich sehr, Sir.«
»Mich ebenfalls.« Gideon Sparks griff nach CJs Hand und erwiderte den Händedruck. »Mein Vater hat hin und wieder von Ihnen gesprochen und Sie in den höchsten Tönen gelobt. Welche Position haben Sie offiziell inne?«
CJ sah zu Mr. Sparks Senior und sie beide grinsten. »Offiziell? Persönlicher Assistent«, sagte CJ und Mr. Sparks Senior lachte leise.
»Lebensmanager wäre die bessere Bezeichnung. Aber diesen Job gibt es offiziell nicht. Ohne ihn wäre ich nicht nur einmal verloren gewesen.«
Bei diesen Worten kribbelte es leicht in CJs Magengegend. Es fühlte sich gut an, so ein Lob. »Ich hoffe, ich kann Ihnen in Zukunft genauso behilflich sein wie Ihrem Vater vorher, Sir.«
»Das hoffen wir alle, Mr. Sears.« Mr. Sparks Junior lächelte, doch es erreichte seine Augen kaum. Kühl, genau wie sein Blick. »Wie hat Ihnen unsere kleine Feierlichkeit gefallen?«
»Sehr angemessen. Es war eine gute Rede.« CJ sah zu Mr. Sparks Senior. »Ich habe übrigens den Tisch für Sie reserviert, Sir. Um 18 Uhr im Terrace. Ihr Fahrer wird dann um halb sechs unten auf Sie warten.«
Mr. Sparks Senior nickte dankbar und sah zu seinem Sohn. »Das passt dir doch?«
»Sehr gut sogar«, antwortete der. »Aber lass uns danach den Abend hier ausklingen lassen. Gemeinsam. Ich wollte sowieso noch etwas mit dir besprechen.«
Mr. Sparks Senior lachte auf. »Du bist ein schlimmeres Arbeitstier als ich.« Er sah zu CJ. »Daran werden Sie sich gewöhnen müssen, Mr. Sears.«
»Ich stelle mich gerne neuen Herausforderungen, Sir.«
»Sie sind jetzt seit drei Jahren im Unternehmen und mit Ihren 28 Jahren bereits unverzichtbar für meinen Vater«, erklärte Mr. Sparks Junior und offenbarte damit zum ersten Mal sein Wissen über die Unternehmensstrukturen. »Ich hoffe, das wird sich bei uns so fortsetzen. Mein Vater und ich haben noch ein paar Stationen vor uns, daher müssen wir uns für jetzt verabschieden.« Damit hielt er CJ seine Hand hin.
»Wir sehen uns dann morgen, Sir.«
Wieder schob CJ seine Hand in die deutlich größere seines neuen Vorgesetzten und schüttelte sie, lächelte ihn an. Und er hatte sich nicht getäuscht. Auch aus der Nähe, von Angesicht zu Angesicht, war Mr. Gideon Sparks ein unverschämt gutaussehender Mann.
Dreitagebart, kastanienbraunes Haar, graublaue Augen, eine markante Nase, volle Lippen, breite Schultern, sportlich. CJ sah den beiden Männern nach und verfluchte das genetische Roulette, welches bei der Familie Sparks ganz offensichtlich für Gewinne gesorgt hatte. Bei ihm selbst hingegen? Er rümpfte die Nase. Nun ja, aber er musste ja auch kein millionenschweres Imperium führen. Mit einem Seufzen ließ er sich auf den Bürostuhl fallen und machte sich an die Arbeit.
Dunkelheit hatte sich über die Stadt gelegt, die sich unter ihnen ausbreitete wie ein Patchwork aus Licht, Menschen und Bauwerken. Die Straßen und Schienen zogen sich wie Adern hindurch, bereit, Leben auch in den letzten Winkel zu bringen.
Gideons Blick glitt zu seinem Vater, der vor der gläsernen Gebäudefront stand, stolz und aufrecht, die Hände auf dem Rücken verschränkt, den Blick aus dem Fenster gerichtet. Die Schultern nicht mehr ganz so breit wie früher, das Haar ergraut, die Haut nicht mehr so straff wie auf dem großen Foto, das aus dem Gründungsjahr von Sparks Media an der Wand neben dem Schreibtisch hing. Und doch war Gideon beeindruckt von der Würde und der Haltung, mit der sein Vater den heutigen Tag bestritten hatte.
Schon einmal hatten sie heute hier gestanden, doch jetzt war das Gebäude beinahe menschenleer und die Atmosphäre eine andere. Nicht mehr das geschäftige Treiben, das hier tagsüber herrschte. War es Wehmut, die von seinem Vater zu ihm schwappte oder Erleichterung? Vielleicht eine Mischung aus beidem, dachte Gideon.
Er trat auf den Getränkewagen zu, griff nach einer der Karaffen und goss die bernsteinfarbene Flüssigkeit in eines der bereitstehenden Gläser. Es plätscherte leise und nach all dem Trubel der letzten Stunden klang dieses Geräusch unangenehm laut in die Stille.
»Wie hat dir meine Rede gefallen?«, fragte Gideon, verschloss die Karaffe mit dem gläsernen Stopfen und griff nach einer runden Originalflasche mit Korken.
»Du hast viel von Veränderung gesprochen.«
»Nein.« Es ploppte leise, als Gideon den Korken aus der Flasche zog. Mit zusammengezogenen Augenbrauen sah er über seine Schulter. »Ich habe viel von Weiterentwicklung gesprochen. Und ja, das wird Veränderungen mit sich bringen. Aber wir haben darüber gesprochen. Du wirst das alles hier auch in 10 Jahren noch wiedererkennen.«
»Hm.«
Mit beiden Gläsern trat Gideon neben seinen Vater. Er hielt ihm den Whisky hin und lächelte ihn an. »Bereust du deine Entscheidung etwa schon?«
»Oh, um Himmels Willen, nein!« Ephraim Sparks lachte auf. »Nein, es wird Zeit für mich, Platz zu machen und dir die Leitung zu überlassen. Ich bin sicher, du wirst das gut machen. Lass dir und allen anderen nur etwas Zeit, sich an die neue Situation zu gewöhnen. Übereile es nicht mit deiner Weiterentwicklung.«
»Dad …«
Lachend hob Ephraim Sparks die leere Hand. »Schon gut, schon gut.« Er wandte sich seinem Sohn zu. »Es sind nur gut gemeinte Ratschläge, das weißt du.«
»Und du weißt, dass ich sie gern anhöre. Aber wir haben schon so viel darüber gesprochen. Für heute genügt es.«
Eine Weile lang nippten sie an ihren Getränken, ohne etwas zu sagen. »Was wirst du aus dem Büro machen?«
»Ach, du weißt schon. Das neueste Multimedia-System. Neue Beleuchtung.« Gideon grinste. »Basketball statt Baseball.«
Sein Vater schnaubte. »Das wird mir ein Rätsel bleiben, wie du quietschende Sportschuhe in einer lauten Halle meinem Sport vorziehen kannst.«
»Dein Sport, so so!« Sie grinsten sich an und lachten dann gemeinsam und zum ersten Mal an diesem Tag waren sie nur Vater und Sohn und nicht zwei Geschäftsmänner, die einen Führungswechsel vollzogen.
Leise klopfte CJ an die Bürotür und trat hinein. Vor gerade einmal fünf Minuten war Gideon Sparks angekommen, war hineingegangen und hatte sein Jackett abgelegt. Saß jetzt am Schreibtisch vor dem PC. CJ lächelte.
»Guten Morgen, Sir.« Er trat näher und stellte dann die Kaffeetasse auf dem Tisch ab. Ein Schuss Milch, kein Zucker. Er hatte seine Hausaufgaben gemacht.
»Guten Morgen«, antwortete sein neuer Chef ohne aufzusehen. Ein Mobiltelefon nach dem anderen legte Gideon Sparks auf den Tisch, bis schließlich drei identisch schwarze Geräte auf dem Tisch lagen. »Ich habe Ihnen den Zugang zu meinem Kalender gesendet. Überprüfen Sie, ob es kollidierende Termine mit dem Kalender meines Vaters gibt, ja?« Blind griff er nach der Kaffeetasse und nahm einen Schluck - und sah dann zum ersten Mal auf.
»Natürlich, Sir. Ich habe Ihnen den Tag heute frei gehalten, damit Sie sich in Ruhe organisieren können.« Dann legte er einen Zettel auf den Tisch. »Das ist meine Nummer. Speichern Sie sie bitte ein. Wann immer Sie etwas benötigen, rufen Sie mich an. Egal wann.«
»Hm.« Mit dem Zeigefinger tippte Gideon Sparks auf den Zettel. »Können Sie mir ein Meeting planen mit …« Einen Moment überlegte Mr. Sparks Junior. »… Mr. Duez und Mrs. Blanchet? Wenn es geht, noch vor dem Mittagessen. Ich möchte heute die Bürogestaltung in Angriff nehmen und nach Möglichkeit nicht zu viel Zeit damit vergeuden. Und ich brauche noch jemanden aus dem Einkauf.«
CJ nickte sofort. »Betrachten Sie es als erledigt, Sir.«
»Sie hatten eindeutig schon mehr Kaffee als ich.« Gideon Sparks widmete sich seiner Tastatur, tippte darauf herum und trank seinen Kaffee in einem Zug leer. »Bringen Sie mir noch so einen.«
»Gern. Eine Frage, Sir. Haben Sie irgendwelche Allergien?«
»Sie wissen, wie ich meinen Kaffee trinke, aber das konnten Sie nicht herausfinden?«
»Es gibt Informationen, bei denen ich mich nicht auf Quellen verlasse, Sir. Diese gehört dazu.«
»Meeresfrüchte«, antwortete Mr. Sparks Junior. »Was sagen Ihre Quellen dazu?«
CJ lächelte. »Deckt sich. Ich hole Ihnen den Kaffee.« Beschwingt verließ er das Büro. Im Gehen zog er sein Handy hervor und machte ein paar Anrufe. Mit einer frischen Tasse kam er zurück ins Büro, stellte das dampfende Getränk auf dem Schreibtisch ab, zusammen mit einem Tablett mit einer Flasche Wasser und einem frischen Glas. »Ich habe das Meeting auf 10 Uhr gelegt, Sir. Konferenzraum 3. Ich sende Ihnen gleich noch einen Termin.«
»Gut. Gibt es sonst noch etwas?«
»Nein. Es sei denn, Sie haben noch etwas?«
»Nein.« Gideon deutete auf die Bürotür ohne aufzusehen, schon ganz auf seinen Email-Account fokussiert. Kaum war die Tür ins Schloss gefallen, da griff er nach der kleinen Fernbedienung auf seinem Tisch und drückte den Knopf, der dafür sorgte, dass er die Privatsphäre bekam, die er brauchte. »Anstrengend«, murmelte er und meinte damit weder die Arbeit, die vor ihm lag, noch seine Mails.
Das nächste Mal erhob er sich, da war es kurz vor 10 Uhr. Mit einem zusammengerollten Bogen Papier in der Hand verließ er das Büro. Konferenzsaal 3 lag am anderen Ende des Flurs, war einer der kleineren. Er wunderte sich nicht, dass die Verantwortliche für den Bereich Facility und der Abteilungsleiter für die Reinigungsabteilung bereits anwesend waren.
Mrs. Miller aus dem Einkauf stieß zu ihnen, da breitete Gideon gerade den Grundriss auf dem Tisch aus. Er hätte ihn auch digital zur Verfügung gehabt, aber noch kannte er die Mitarbeitenden nicht so gut, dass er sich darauf verließ, dass sie alle mit Technik gut klarkamen.
Es dauerte keine Stunde, da hatte er deutlich gemacht, was er sich für den Raum vorstellte. Eine grundlegende Neuorganisation des Kabelsalats unter dem Schreibtisch, den sein Vater hinterlassen hatte. Indirekte Beleuchtung hinter dem Wandregal. Zwei Wände mussten neu gestrichen werden. Der Einbau von neuen Lautsprechern, ein neuer Beamer, eine entsprechende Rückwand für Videocalls. Dazu eine Grundreinigung bis in die letzten Ecken.
»Ich habe es gern sauber und aufgeräumt«, erklärte er. »Strukturiert. Das schafft Platz im Kopf und den brauche ich.« Er lächelte gerade in die Runde, als die Tür aufging.
Herein kam Mr. Sears, ein Handy in der Hand. »Bitte entschuldigen Sie die Unterbrechung, Sir. Ein dringender Anruf. Mr. Mansfield ist am Telefon, der CEO von Grayfield Enterprises. Er möchte dringend mit Ihnen sprechen und schätzt es gar nicht, wenn man ihn zurückruft. Daher …« Er wackelte mit dem Telefon in seiner Hand.
Gideon erhob sich, entschuldigte sich und nahm im Vorbeigehen seinem Assistenten das Telefon ab. Erst im Konferenzraum nebenan hob er die Stummschaltung auf. Er achtete nicht darauf, dass er durch die gläserne Wand gut zu sehen war.
»Mr. Mansfield!«, begrüßte er den Mann am anderen Ende. Im nächsten Moment zuckte er zusammen. Mr. Mansfield hatte eine Stimme wie ein Reibeisen und war dadurch mehr als schlecht zu verstehen.
Es dauerte einen Moment, bis Gideon begriff, dass der Mann ihm eine Sendung für ihre Streamingplattform Sparkling verkaufen wollte. Irgendetwas mit Kampf ums Überleben, Frauen in der Hauptrolle. Mr. Mansfield benutzte Wörter wie bildgewaltig und beeindruckend, seine Stimme schnarrte nur so vor Komplimenten, doch Gideon blieb zurückhaltend. Eine Hand locker auf einer der Stuhllehnen abgelegt, stellte er nur zwei oder drei Fragen und bat dann um ein Portfolio. Er stutzte, als er aus der Tür trat und Mr. Sears davor wartete. Der streckte die Hand nach seinem Handy aus.
»Denken Sie darüber nach, das Angebot anzunehmen?«
»Haben Sie gelauscht?«
»Nein. Aber Mr. Mansfield versucht seit Monaten, seine großartige Idee an Ihren Vater zu verkaufen.«
»Und weshalb hat mein Vater bisher nicht zugesagt?«
»Weil die Sendung Mist ist. Sie ist sexistisch und frauenfeindlich.«
»Mr. Sears. Wenn Sie all das wissen, wieso musste ich dann dieses Gespräch gerade führen?«
»Weil Mr. Mansfield nicht mit Assistenten spricht. Das ist unter seiner Würde.«
Ausdruckslos sah Gideon in das schlanke Gesicht vor sich. Zum ersten Mal nahm er es mehr als flüchtig wahr. Das helle Haar, dessen Farbe schwer auszumachen war. Helle, braune Augen, ein breites Kinn - und abgesehen von letzterem absolut durchschnittlich.
»Leiten Sie mir das Portfolio weiter, sobald es ankommt.«
Mr. Sears nickte. »Ja, Sir.« Dann griff er nach dem Handy und lief den Flur hinunter.
Gideon schüttelte den Kopf, verschwendete keine Zeit damit, ihm nachzusehen. Er gewann den Eindruck, dass Mr. Sears sich nicht durchsetzen konnte und hoffte inständig, dass er sich irrte, was das anging.
»Bitte entschuldigen Sie die Unterbrechung. Wo waren wir?« Er sprach noch etwa 20 Minuten mit der Einkäuferin, dann beendete Gideon das Meeting. Ein Blick auf seine Armbanduhr sagte ihm, dass es Zeit fürs Mittagessen war. Er stoppte an Mr. Sears Schreibtisch. »Meetings nehmen immer so viel Zeit in Anspruch. Würden Sie mir ein Mittagessen besorgen?«
»Klar. Möchten Sie etwas Bestimmtes?«
Der Anblick des Schreibtischs lenkte Gideon von seiner Antwort ab. Die Ordnung darauf war kaum als solche zu beschreiben. Zettel lagen durcheinander. Notizzettel klebten an den Trennwänden des Schreibtisches, ein kleines Plüschtier stand auf dem Fuß eines Monitors.
»Fleischlos. Nicht zu schwer. Bekommen Sie das hin?«
Der junge Mann lachte. »Nichts leichter als das, Sir.«
»Gut. Ist Ihnen die Dienstreise in zwei Wochen in meinem Kalender aufgefallen?«
»Ja, Sir. Ich kümmere mich um alles.«
»Hm.«
Noch einmal ließ Gideon seinen Blick über den Schreibtisch schweifen. Voll gekritzelte Listen, auf denen kein Mensch mehr etwas entziffern konnte, durchgestrichene Wörter, bedruckte Seiten, Telefonnummern und Flyer. Alles lag durcheinander. Ein einziges Chaos. Als Gideon einen Restaurantführer entdeckte, wandte er sich ab.
»Den letzten Kaffee trinke ich halb fünf«, sagte er und betrat kopfschüttelnd sein Büro.
Drei Wochen waren wie im Flug vergangen, dachte CJ, als er an diesem Tag seinen Arbeitsplatz betrat und sich an den Schreibtisch setzte. Heute stand eine Menge auf dem Programm und er würde Mr. Sparks zu einigen wichtigen Terminen begleiten. Die Umhängetasche wog schwer mit all den Unterlagen, die er darin verstaut hatte, und er war wirklich auf alles vorbereitet. Die Stimmung zwischen ihm und Mr. Sparks hatte sich jedoch in den letzten Wochen nicht wirklich verbessert.
Es war kühl zwischen ihnen und CJ fragte sich, woran das lag. Er kam einfach nicht dahinter, warum der Mann ihm gegenüber so reserviert war. Er hatte kaum ein Lächeln für ihn übrig. Ganz anders für die Sekretärinnen. Diese bekamen häufiger mal ein Lächeln des schönen und steinreichen Mannes geschenkt. CJ schnaubte. Kurz fragte er sich, warum er sich diese Fragen stellte, waren sie doch für seinen Job überhaupt nicht relevant.
Nur wenig später kam Mr. Sparks Junior aus seinem Büro. Er sah auf eines seiner Handys statt in CJs Gesicht. »Bereit?«, fragte er in die grobe Richtung, in der CJ saß. Als wäre er eines Blickes nicht würdig.
»Natürlich, Sir.«
Gemeinsam stiegen sie in den Fahrstuhl, der sie ins Erdgeschoss brachte. Mr. Sparks war noch so in das vertieft, was er da auf seinem Mobiltelefon las, dass er nicht bemerkte, wie schweigsam er war. Oder aber er sah ganz einfach keinen Sinn in einer Unterhaltung.
Vor dem Gebäude wartete der Fahrer auf sie. Frank, ein brummeliger, aber gewissenhafter Mann, hatte bereits für Mr. Sparks Senior gearbeitet. Er liebte das Autofahren, kannte die schnellsten Abkürzungen, die Ampelphasen und Fahrpläne der öffentlichen Verkehrsmittel auswendig und kam so immer überpünktlich ans Ziel. So auch heute und noch während er am Straßenrand vor dem großen, glänzenden Bürogebäude hielt, holte CJ Luft.
»Mr. Panham liebt seinen Goldfisch. Er vergöttert ihn geradezu. Der Goldfisch heißt Little Boy, warum auch immer. Falls er also anfängt, von seinem Little Boy zu sprechen, wundern Sie sich nicht, Sir.«
Als CJ den Blick hob, sah er in das typische, ausdruckslose Gesicht von Mr. Sparks. Aber er wusste inzwischen, dass hinter dem Blick weit mehr Gedanken steckten. Nur welche, das erschloss sich CJ nicht. Da musste er warten, bis Mr. Sparks Junior redete. Doch das passierte während ihres ersten Treffens kaum.
Auch als sie auf dem Weg zu ihrem nächsten Treffen waren und CJ erklärte, dass die Tochter von Mrs. Shore letztes Wochenende geheiratet hatte, sah ihn Mr. Sparks nur mit diesem Blick an. »Judy und ihre Frau Sandra hatten eine kleine, private Feier. Nichts Großes, wovon Mrs. Shore anfangs nicht so begeistert war, aber inzwischen kann sie nur noch schwärmen.«
»Wissen Sie, ich bin froh, dass Sie die Drehbücher eingepackt haben«, erwiderte Mr. Sparks Junior jetzt.
CJ blinzelte. »Verzeihung?«
»Ich bin froh, dass Sie über all diesen Recherchen die Drehbücher nicht vergessen haben.«
»Also … Das …« CJ war irritiert. Er wusste wirklich nicht, was er dazu sagen sollte. »Nun, das gehört zum Job eben dazu. Ich würde nie die Drehbücher oder andere wichtige Unterlagen vergessen, Mr. Sparks.« Er klopfte auf die Tasche neben sich. »Aber eine wichtige Sache noch. Mrs. Shore wird Sie darum bitten, die Getränkeauswahl zu übernehmen. Das tut sie immer. Bestellen Sie keinen Rotwein, egal, wie gut er zum Essen passt. Sie hasst Rotwein. Bei ihrer Hochzeit hat man ihr welchen auf ihr Hochzeitskleid gekippt und ihr damit um ein Haar den schönsten Tag ihres Lebens versaut. Deswegen … Kein Rotwein.« Fest sah er den Mann vor sich an, der das alles nicht wirklich ernst zu nehmen schien.
»Aha«, machte Gideon Sparks und CJ war sich nicht sicher, ob das hieß, dass er ihn verstanden hatte oder ob er genau das Gegenteil von dem machen würde, was er ihm geraten hatte.
Sollte er das tun, würde der Abend nicht so entspannt verlaufen, wie CJ ihn geplant hatte. Genau die richtige Speisenauswahl war vorbestellt. Er seufzte leise. Ob es in einem Desaster endete, das musste Mr. Sparks jetzt selbst entscheiden.
Doch obwohl Gideon Sparks nach wie vor einen weiten Bogen um private Themen während eines geschäftlichen Treffens machte, wählte er an diesem Abend Weißwein und stilles Wasser zum Essen. Ob es daran lag, dass CJ ihm vorher eingeschärft hatte, keinen Rotwein zu bestellen oder an einer privaten Vorliebe von Mr. Sparks Junior selbst, das wusste CJ nicht.
Er war dennoch überrascht von dieser Entscheidung und auch sehr erleichtert, denn es lenkte das Treffen in die richtigen Bahnen. Mr. Sparks Junior musste sich nach seiner Firmenübernahme erst einmal einen Namen bei denen machen, die seinem Vater bereits vertrauten. Natürlich genoss er Dank ihm einen Vertrauensvorschuss, doch nun war er es, der diesen Vorschuss nutzen musste.
CJ versuchte alles, um ihn dabei zu unterstützen. Immerhin hatte er das Mr. Sparks Senior versprochen. Er würde seinem Sohn genauso zur Seite stehen wie vorher ihm selbst. Das hatte er geschworen.
So saß er hier. Jeden Tag, an dem auch Mr. Sparks im Büro war. War vor ihm an seinem Tisch und ging erst, wenn auch Mr. Sparks das Gebäude verließ. Genau so, wie er es mit seinem Vater getan hatte. Nur war es deutlich zermürbender.
Mr. Sparks redete nur wenig mit ihm. Gab ihm wenig Informationen und das machte ihm seinen Job nicht einfacher. Immer wieder tauchten Termine im Planer auf, die nicht abgesprochen waren. Und immer häufiger brach Mr. Sparks zu Terminen auf, ohne ihn mitzunehmen oder gar darüber zu informieren.
Es wurde zunehmend frustrierender. Aber CJ würde nicht aufgeben. Er hatte ein Versprechen gegeben und das würde er halten. Vielleicht brauchte es einfach nur Zeit. Doch die empfundene Abgeschnittenheit nagte an ihm.
»Bruderherz!«
Er liebte es, wenn sie ihn so nannte. Im nächsten Moment bekam CJ kaum noch Luft. Ellie umarmte ihn so fest, dass er drohte zu ersticken. Doch er erwiderte die Umarmung genau so fest. Es kam so selten vor, dass sie sich sahen, seit sie das Studium begonnen hatte und sie fehlte ihm unendlich. Andersherum schien es genau so zu sein. Schließlich schob er sie von sich und sah ihr in das Gesicht.
Dieses wunderschöne Gesicht mit den feinen Zügen. Sie hatte die grünen Augen ihrer Mutter geerbt, von denen CJ selbst nur ein paar Funken abbekommen hatte und diese entdeckte man auch nur bei genauem Hinsehen. Ellie hingegen trug die ganze Ladung Grün.
Dazu das blonde, glatte Haar, das ihr beinahe bis zu den Hüften reichte. Die kleine Stupsnase, die runden Wangen. Sie war schön. Und er war so unendlich stolz auf seine kleine Schwester, die anders als er selbst einen sehr guten Schulabschluss hingelegt hatte. Die jetzt studierte. Medizin. An einer wirklich guten, aber auch wirklich teuren Universität.
Sie setzten sich an den Tisch in der kleinen Nische des Italieners und bestellten Pizza und Getränke.
»Also, erzähl mir alles. Wie läuft es mit deinem neuen Chef? Deine ganzen Sprachnachrichten klangen jetzt wenig begeistert. Und wie geht es Mr. Sparks?«
CJ seufzte tief. »Soweit ich es mitbekommen habe, genießt er seinen Ruhestand. Aber ganz raus ist er nicht. Ich sehe, dass er sich immer noch einloggt und die Mails verfolgt.«
Seine Schwester kicherte und strich sich eine Haarsträhne hinter das Ohr. »Und dein Chef?«
CJ fuhr sich durch das Haar, ließ es wirr zurück. »Es ist schwierig. Er ist so ganz anders als sein Vater. Er ist so distanziert. Ich bekomme kaum einen Eindruck von ihm. Er redet nicht mit mir. Ich gebe mir wirklich alle Mühe, ihn über alles auf dem Laufenden zu halten, aber ich habe auch keine Ahnung, was seine Erwartungen an mich sind. Er lässt nichts nach außen dringen und die meiste Zeit habe ich einfach nur das Gefühl, dass ich ihn nerve. Aber das ist doch mein Job. Ihm Informationen zu verschaffen, die ihm helfen können.«
Bedächtig nippte Ellie an ihrer Cola. »Wenn es dir keinen Spaß mehr macht, CJ, dann kannst du dir doch etwas Neues suchen. Oder erst mal kündigen. Ich bekomme die Studiengebühren schon irgendwie zusammen und …«
Er unterbrach sie sofort. »Vergiss es. Darüber denkst du nicht einmal nach. Du konzentrierst dich voll und ganz auf dein Studium. Hast du schon vergessen, womit du mir am meisten hilfst?«
»Das Studium in der Regelzeit beenden, damit du nicht noch ein halbes Jahr mehr bezahlen musst«, murmelte sie leise.
CJ nickte. »Ganz genau. Also halte dich daran und zerbrich dir nicht meinen Kopf. Ich bekomme das schon hin. Es braucht vielleicht einfach seine Zeit. Das ist ja im Grunde wie ein Jobwechsel. Eine neuer Chef.«
Ellie griff über den Tisch und richtete sein Haar. »Ich weiß, wie sehr du so was hasst. Du Kontrollfreak.« Er lachte und sie bedankten sich, als die Pizza kam. »Sei einfach nett und höflich und gib weiterhin dein Bestes. Mr. Sparks war immer so zufrieden und dankbar für deine Arbeit. Wieso sollte das bei seinem Sohn anders sein? Er wird schon noch drauf kommen, wie sinnvoll das ist, was du machst. Diese ganze Zauberei mit diesen Informationen. Die Leute sagen, es ist schwer, Ärztin zu werden, aber ich könnte nie das machen, was du da tust. Ich kapiere nicht einmal, wie genau du das alles machst. Dieser ganze Hokuspokus.« Sie wackelte mit den Fingern.
Lachend deutete CJ auf seine Brusttasche, wo sein Handy steckte. »Das ist das Herzstück meiner Zauberei. Gepaart mit Freundlichkeit, ein paar schmeichelnden Worten und einer Menge Gefallen. Da ist nichts Magisches dran.«
Sie schüttelte den Kopf und schob sich ein Stück Pizza in den Mund. »Für mich ist das Magie, mein lieber Bruder. Ich könnte das nie.«
»Nein. Du schneidest lieber Menschen auf.«
Sie lachte. »Das ist viel einfacher als ständig am Telefon zu hängen und Menschen zu lesen und Informationen über sie zu bekommen. Wie gesagt, ich kapiere nicht mal, wie du das machst. Und wie du Mr. Sparks jeden Wunsch erfüllt hast, so dass er sich selbst am anderen Ende der Welt im Hotel wohlgefühlt hat, weil die einfach mal sein verdammtes Duschbad in sein Zimmer gestellt haben. Wie bekommt man raus, welches Duschbad der eigene Chef benutzt?!«
CJ wackelte mit dem Stück Pizza in seiner Hand. »Die Haushälterin.«
»Und wie kommt man bitte an die Haushälterin heran?«
Schnaubend kaute CJ. »Ich bitte dich. Sie steht auf der Gehaltsliste. Sie hat eine Personalakte im System und da steht ihre Telefonnummer. Eine Einladung auf ein Stück Kuchen und einen Tee und wir haben uns ganz angeregt unterhalten. Danach hatte ich viele wichtige Informationen. Es ist wirklich nicht schwer.«
Sie schauderte. »Diese Vorstellung, stets und ständig neue Menschen treffen zu müssen.«
Fragend sah er seine Schwester an. »Du studierst Medizin. Du wirst in deinem Leben noch ganz viele Menschen sehen.«
Grinsend winkte sie ab. »Als Chirurgin sehe ich die meisten Patienten, wenn sie in Narkose liegen. Also habe ich das Problem nicht.«
Das brachte ihn zum Lachen. »Vielleicht solltest du in die Pathologie gehen, da wird dir ganz sicher keiner auf die Nerven gehen.«
Sie lachte mit ihm. »Ich denke ernsthaft darüber nach, Bruderherz. Der Gedanke kam mir nämlich auch schon.«
Vorsichtig löste Gideon Sparks den Deckel von dem Pappbecher und sah prüfend auf den Inhalt. An manchen Tagen hatte er einfach einen Jieper auf dermaßen gesunden Kram, dass er glaubte, sein Körper schrie danach, weil er genau das gerade brauchte, um nicht in eine Mangelernährung abzurutschen.
Da er allerdings keine grünen Säfte mochte, hatte er das Mr. Sears auch mitgeteilt und prompt etwas anderes bekommen. Etwas, das ihm so gut schmeckte, dass er nun nachsehen musste, welche Farbe es hatte. Gelb-orange mit einem Stich ins Lilafarbene schwamm der Saft in seinem Becher umher, wartete darauf, dass Gideon ihn austrank. Was auch immer da drin war, so gut hatte ihm lange kein frisch gepresster Saft mehr geschmeckt.
Gerade wollte er den Deckel mit der kleinen Trinköffnung wieder auf den Becher drücken, als auf seinem Tablet eine neue Pushnachricht aufploppte. Er rollte mit den Augen, als er sah, dass Jen ihm eine Mail geschrieben hatte. Mit Anhang. Gideon verzog das Gesicht und rief die Mail auf, während er ohne hinzusehen den Deckel auf den Saftbecher drückte.
Auf den elendig langen Text, den Jen in der Mail schrieb, hatte er keine Lust. Ihn interessierte der Anhang. Die Scheidungspapiere ihrer Anwältin. Natürlich konnte sie es nicht lassen, sie selbst zu senden, statt es über die Anwälte laufen zu lassen.
Er war sich sicher, dass ihre Anwältin Jen davon abgeraten hatte, aber wie immer ging es ihr darum, möglichst viel Schaden in Gideons Leben anzurichten. Schnaubend öffnete er die Datei, begann zu lesen. Nach einer Weile griff er nach dem Saft und lehnte sich mit dem Tablet in der einen und dem Becher in der anderen Hand zurück.
»Unglaublich«, murmelte er an einer Stelle, schüttelte den Kopf und hob den Becher an seine Lippen.
Noch während er ihn kippte, löste sich der Deckel. Saft ergoss sich über Gideons Hals, die Weste, das Hemd. Scharf zog er die Luft zwischen den Zähnen ein, setzte sich erschrocken auf und das Desaster nahm seinen Lauf. Saft ergoss sich nun auch über seine Hose und den Sessel.
»Verfluchte Scheiße!«
Er rammte den tropfenden Becher auf den Tisch, schüttelte den Saft von seiner Hand. Das Tablet flog auf den Tisch, hatte zum Glück nur ein paar Spritzer abbekommen - ganz im Gegensatz zu der hellen, grauen Weste und seinem weißen Hemd, die in einer wundervollen neuen Farbe glänzten.
»Mr. Sears?!«, rief Gideon sehr laut, ohne den Blick von sich nehmen zu können.
Es dauerte nur ein paar Sekunden, da stürzte der Gerufene ins Büro. Dem Gesichtsausdruck nach zu urteilen rechnete er mit dem Schlimmsten. »Mr. Sparks?« Dann stutzte er. »Oh …«
Langsam hob Gideon den Kopf und zum ersten Mal seit er den Platz seines Vaters eingenommen hatte, war er sprachlos. Er öffnete sogar den Mund, doch es kam nichts raus. Er hielt nur die Hände nach oben, unfähig, etwas anderes zu tun. CJ legte den Kopf schief.
»Hübsch.« Er deutete auf den immer größer werdenden Fleck, der sich durch die Fasern fraß. »Ziehen Sie das aus. Ich bin gleich wieder da.«
»Hübsch?«, krächzte Gideon, sah seinem Assistenten nach und begann dann, mit spitzen Fingern die Knöpfe von Weste und Hemd zu lösen. Es begann bereits jetzt zu kleben und das Gefühl an seinen Fingerspitzen bereitete ihm eine Gänsehaut. »Verfluchter Mist«, murmelte er. »Ausgerechnet vor dem Termin mit Mr. Lee.«
Es dauerte einen Moment, bis CJ wiederkam, doch er kam nicht mit leeren Händen. Über dem Arm trug er einen geschlossenen Kleidersack, in der rechten Hand ein noch frisch verpacktes, blütenweißes Hemd und in der anderen Hand ein offensichtlich feuchtes Handtuch. Dieses reichte er an Gideon weiter.
Den Kleidersack hängte er an ein Regal und zog den Reißverschluss herunter. Darunter befand sich ein nachtblauer Dreiteiler. Das Hemd legte er auf die Couch. Dann trat er zu Gideon und half ihm ohne zu zögern aus den klebenden Sachen.
»Ich hole Ihnen gleich noch die passenden Schuhe dazu.«
Überrascht sah Gideon an sich hinab. Seine schwarzen Schuhe passten perfekt zu dem grauen Anzug, wären jedoch eine Katastrophe zu dem blauen Stück. Sie standen vor der Couch und dort würden sie heute wohl auch stehen bleiben.
»Wo zum Henker haben Sie das alles her?« Mit dem feuchten Handtuch rieb sich Gideon den Saft vom Oberkörper und von den Oberschenkeln. Nur in Boxershorts und Socken stand er vor seinem Assistenten, der nicht einmal mit der Wimper zuckte angesichts dieser grotesken Situation.
Stattdessen packte er das Hemd aus und faltete es auf, schüttelte es aus und beäugte es kritisch. »Ich glaube, ich bügele es noch schnell auf«, murmelte er. Dann sah er zu Gideon. »Ich habe Ihnen das schon so oft gesagt. Das ist mein Job. Und es scheint genetisch zu sein. Ihr Vater hat sich mindestens einmal im Quartal die Sachen versaut.« Er legte das Hemd über die Couchlehne und griff nach der Hose, die auf dem Bügel hing, reichte sie an seinen Chef weiter. »Bin gleich wieder da.«
Er schnappte sich das Hemd und verschwand wieder. Mit einer Selbstverständlichkeit, die einfach nur überraschend war. Diesmal dauerte es wieder ein paar Minuten, doch als er zurückkam, sah er aus wie ein verdammter Herrenschneider.
Das Hemd jetzt absolut faltenfrei, ein paar brauner, dunkel glänzender Lederschuhe in der Hand, die Gideon sehr bekannt vorkamen. Das waren seine eigenen! Wie kamen die hierher? Über die Schulter hatte er sich zwei Krawatten geworfen.
Er stellte die Schuhe ab, schüttelte das Hemd auf und hielt es so, dass Gideon hineinschlüpfen konnte, strich es ihm dann über den Schultern glatt.
»Kleckern liegt bei uns in der Familie.« Gideon knöpfte das Hemd zu, schob es in die Hose und wunderte sich schon fast nicht mehr, als sein Assistent ihm nun auch noch einen passenden Gürtel reichte. »Will ich wissen, wie Sie an meine Schuhe gekommen sind?«
»Sie haben einen Haushälter.« CJ hielt ihm auch noch die Weste hin. »Welche?«, fragte er dann und hielt die beiden Krawatten hoch. Eine in einem hellen Taubenblau, die andere in Silber.
Gideon griff nach der taubenblauen Krawatte. Mit einem Griff und einem verbissenen Gesichtsausdruck, der deutlich machte, wie wenig ihm gefiel, was er gerade hörte. Selbst wenn es ihm den geschäftlichen Arsch rettete. Er klappte den Hemdkragen hoch, legte sich die Krawatte um, schätzte die richtige Länge ab und mit wenigen Handgriffen hatte er sich mit zusammengezogenen Augenbrauen einen gut sitzenden, gleichmäßigen Knoten gebunden. Er musste dringend ein ernstes Wort mit seinem Haushälter sprechen. Beinahe konnte man das Knirschen seiner Zähne hören.
»Entspannen Sie sich. Er hat mir nur die Schuhe gegeben.« CJ begann, die dreckigen Sachen einzusammeln.
Die brummende Antwort klang mehr wie das Grollen eines Wolfes als nach einer entspannten Erwiderung. »Wann ist der Wagen da?«
»In 15 Minuten.« CJ sammelte auch noch das Handtuch ein und legte alles zu einem Stapel zusammen.
Gideon griff nach dem Tablet, sperrte den Bildschirm und hielt es CJ hin. »Schauen Sie bitte, ob es Schaden genommen hat. Ob in die Steckplätze oder Anschlüsse Saft gekommen ist.«
»Okay.«
CJ wollte gerade das Büro verlassen, als Gideon in das Jackett schlüpfte. Der Anzug passte wie einer seiner eigenen, hatte genau seine Maße. Wo hatte CJ sie her? Sein Haushälter? Oder sein Herrenausstatter? Er schüttelte den Kopf und sah auf. »Danke, Mr. Sears.«
Lächelnd sah CJ ihn an. »Gern, Sir. Falls Sie noch etwas brauchen, geben Sie Bescheid. Und denken Sie an das Essen nachher mit Ihrem Cousin.«
Gideon nickte. »Bis morgen, Mr. Sears.«
»Bis Morgen, Mr. Sparks.« Damit zog er die Tür hinter sich zu.
Das Herbae war an diesem Abend so gut besucht wie eh und je. Seit sieben Jahren hielt es sich nun schon in der Innenstadt, in der es Restaurants und Bars wirklich nicht leicht hatten. Es gehörte zu Gideons Lieblingsrestaurants. Im privaten Rahmen, nicht für geschäftliche Treffen. Und obwohl er oft mit Jen hier gewesen war, konnte er nach wie vor hier essen und die frischen Speisen mit den duftenden Kräutern genießen, die dem Restaurant seinen Namen gaben.
Gideon schlüpfte aus seinem Mantel und sah, dass Danny es ihm gleichtat. Der Kellner brachte ihre Mäntel zur Garderobe und führte sie dann an ihren Tisch. Ein schöner Tisch, etwas abseits vom größten Trubel gelegen, mit Blick auf die belebte Fußgängerzone vor dem Fenster. Der Kellner brachte ihnen die Speisekarten, doch Gideon lehnte dankend ab. Er wusste schon genau, was er nehmen würde.
»Stört dich doch nicht, wenn ich noch einen Blick in die Karte werfe?«, fragte Danny und Gideon schüttelte den Kopf.
»Ganz und gar nicht, mach nur. Nach dem heutigen Tag brauche ich sowieso noch einen Moment, um anzukommen.«
Fragend sahen die buschigen Augenbrauen Daniels über der Karte hervor. »Hm? Wieso, was war denn los?«
»Du glaubst es nicht, aber ich hätte heute beinahe nackt zu unserem Treffen kommen müssen«, erklärte Gideon und sah mit Genugtuung, wie Danny die Karte nach sinken ließ und ihn mit großen, blauen Augen ansah. Gideon musste lachen, als er den Blick sah. »Du siehst aus wie Tante Margaret, wenn ich ihr erzählte, dass ich eine Schnecke auf dem Weg zu euch gefunden habe.«
Das brachte Danny zum Lachen. »Ja, mit Getier hat es Mum nicht so. Aber nun erzähl schon!«
Während Gideon seinem Cousin von seinem Saftunglück erzählte, lachte der sich darüber halb schlapp. Mit seinen 35 Jahren war er nur ein Jahr jünger als Gideon. Sie waren in derselben Straße aufgewachsen, nur einen Katzensprung voneinander entfernt und waren als Kinder so unzertrennlich gewesen als wären sie Brüder.
Obwohl Danny noch einen Bruder und eine Schwester hatte, die für Gideon ebenfalls wie Geschwister waren, war es Daniel, mit dem ihn am meisten verband. Auch heute spürte Gideon diese Verbindung noch, vor allem an einem Abend wie diesem, an dem sie gemeinsam lachten und sich von den Erlebnissen des Tages erzählten.
Manchmal telefonierten sie auf dem Nachhauseweg miteinander, nutzten die Zeit, die sie im dichten Verkehr zubrachten. Oder sie trafen sich bei Geburtstagen und auf Familienfeiern, zogen sich teilweise stundenlang zurück, nur um zu reden.
Es hatte auch Zeiten in ihren Leben gegeben, da hatten sie sich wochenlang nicht gehört. Doch diese Abwesenheit hatte ihre Beziehung nicht verändert - im Gegenteil war sie dadurch noch stärker geworden. Zumindest empfand Gideon das so, der jetzt auch von seinem Termin mit Mr. Lee erzählte.
»Wie läuft es denn überhaupt in der Firma?«, fragte Danny neugierig und Gideon erzählte weiter. Von den anfänglichen Schwierigkeiten, den vielen, vielen Treffen und Geschäftsfahrten, dem Händeschütteln, den vielen Menschen, die er kennenlernte.
»Ist schon nicht einfach, so ein Multikonzern, was?« Grinsend nippte Daniel an seinem Tonic.
»Ganz und gar nicht«, pflichtete ihm Gideon bei. »Aber lass uns von was anderem reden. Ich mag ein Arbeitstier sein, aber jetzt gerade habe ich ausnahmsweise genug davon. Erzähl mir lieber was von dir. Wie läuft es mit dieser … Wie war ihr Name gleich?«
»Oh, Maria?« Gideon schüttelte den Kopf. »Nein, warte. Ich glaube, du denkst noch an Tina.«
»Ja, Tina! Ist das schon wieder vorbei? Wie lange haben wir uns nicht gesehen? Oder hast du einfach nur deinen Spaß mit sehr vielen Frauen?«
»Ich glaub letzteres«, grinste Danny und erzählte dann von seinen Dates, bevor sie auf Jen und die Scheidung zu sprechen kamen und von dort den Bogen zu Dannys geschiedenen Eltern und seinen Geschwistern schlugen und zurück zu Jen und Gideon.
Die Kellner, die ihnen zwischendurch ihr Essen brachten, wunderten sich sicherlich über die fliegenden Themenwechsel, die von der Vertrautheit der beiden Männer und ihrer jahrelangen Freundschaft zeugten.
Als Gideon an diesem Abend die Tür zu seiner Wohnung aufschloss, fühlte er sich zum ersten Mal seit Wochen etwas leichter. Die neue Arbeit wog schwer auf seinen Schultern. Nicht einmal die Arbeit an sich, sondern die Verantwortung, die damit einherging und der Wunsch, seinen Vater stolz zu machen.
Er beschloss, sich wieder öfter mit Daniel zu unterhalten. Es tat ihm gut. Dannys fröhliche, humorvolle Art, die Dinge zu sehen, und die Leichtigkeit, mit der er durchs Leben ging. Das war genau das, was Gideon jetzt brauchte.
»Darauf müssen wir anstoßen. Dass du mal einen vernünftigen Feierabend hast, kommt ja wirklich nicht so oft vor«, motzte Ayla und sie stießen mit den kleinen Gläschen mit Sake an. Vor ihnen auf dem Tisch stand eine große Auswahl an Sushi aller Formen und Farben.
»Wie kommt es?«, fragte Berry und griff nach den Stäbchen.
»Er geht heute mit seiner Mutter essen. Und danach steht nichts mehr an. Nun ja, zumindest nichts, von dem ich weiß.«
Ayla runzelte die Stirn und sah ihn lange an. »Wow, das klang so richtig niedergeschlagen. Was ist los?«