Luminarische Krieger - Band 2 von "Welt ohne Erde", auch separat lesbar - Lu C. Ohm - E-Book

Luminarische Krieger - Band 2 von "Welt ohne Erde", auch separat lesbar E-Book

Lu C. Ohm

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Beschreibung

Die Raumschiff-Pilotin Anna ist auf der mysteriösen Forschungsstation Altorek gefangen. Sie steht vor einer gewaltigen Herausforderung: Wie kann sie die eine Million Jular erbeuten, die als Kopfgeld auf Takeru ausgesetzt sind, während er verwundet in einem Kokon liegt? Als wäre das nicht genug, wird sie hier auch noch als Feindin der Apsids festgehalten und von Longbart, einem verrückten Laborassistenten, mit seltsamen Warnungen und virtuellen Brettspielen geplagt. Aber Anna wäre nicht "Anna Apokalypse", wenn sie nicht in Windeseile einen Ausweg finden und noch mehr Chaos stiften würde. Plötzlich kämpft sie auf einer lebensgefährlichen Mission und muss die gesamte Morton-Galaxie retten...

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Seitenzahl: 407

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Lu C. Ohm

Luminarische Krieger

Welt ohne Erde

Band 2

Dieser Science-Fiction-Roman

ist Teil der »Welt ohne Erde«-Reihe.

Er ist die Fortsetzung von »Anna Apokalypse«,

kann aber auch separat gelesen werden.

Lu C. Ohm

Luminarische Krieger

Welt ohne Erde

Band 2

Science-Fiction-Roman

© 2023 Lu C. Ohm @bente_amlandt_autorin

www.rodiwana.de

Covergrafik von Matthias Lange

Erschienen unter dem Label des Chaos Books Syndicate

ISBN

 

Softcover:

978-3-384-11435-8

Hardcover:

978-3-384-11436-5

E-Book:

978-3-384-11437-2

Druck und Distribution im Auftrag der Autorin:

tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist die Autorin verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne ihre Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag der Autorin, zu erreichen unter: Telse Gunhild Weinreich, Bollbrügg 10b, 23570 Lübeck, Germany.

Inhaltsverzeichnis

Cover

Halbe Titelseite

Titelblatt

Urheberrechte

Prolog: Der Traum

TEIL 1: SPIELFIGUREN

Kapitel 1 - Viviana de Wrêst - auf Altorek

Kapitel 2 - Longbarts Spiel - auf Altorek

Kapitel 3 - In der Wildnis - auf Altorek

Kapitel 4 - Ziele - von Altorek nach Luminares

Kapitel 5 - Tyras Trauben - auf Opzalon

Kapitel 6 - Auf zur Wabe! - auf Luminares

Kapitel 7 - Geheimdienst - auf Luminares

Kapitel 8 - Cole Karnan - auf Katull

Kapitel 9 - Zwischen den Zeilen - auf Luminares

Kapitel 10 - Im Erden-Salon

Kapitel 11 - Inka Munk - auf Luminares

TEIL 2: MILLA RYSA

Kapitel 12 - Drachengrütze - auf Luminares

Kapitel 13 - Jacks Kampfkasten - auf Luminares

Kapitel 14 - Die Crew - auf Luminares

Kapitel 15 – Exkurs: Königin Oriana auf Solaz

Kapitel 16 - Tyra und Loraine - auf Opzalon

Kapitel 17 - Milla Rysa nimmt Kurs auf Solaz

Kapitel 18 - Königin Oriana - auf Solaz

Kapitel 19 - Das Isistris-Wurmloch

Kapitel 20 - Cole Karnan auf Katull

Kapitel 21 - Das Drachenrennen auf Luminares

Kapitel 22 - Zu Besuch auf Opzalon

PERSONENVERZEICHNIS

Luminarische Krieger

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Prolog: Der Traum

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Prolog: Der Traum

Es dauerte einen Moment, bis ich im Körper der Sternenretterin angekommen war. Ich hatte das Gefühl, an einem Seil über einer Kulisse zu schweben. Wurde hier ein Film mit mir gedreht? Jetzt begab ich mich in die Figur hinein. Dabei glitt ich ihr langsam bis in die Fingerspitzen, über die sich die roten Handschuhe spannten. Ich war einem Comic entsprungen. Und so fühlte ich mich auch an: künstlich und straff. Selbst mein Haar schien nicht natürlich zu sein, sondern aus Plastik zu bestehen. Wahrscheinlich waren die Umrisse meiner dunklen Haare beim morgendlichen Kaffee schnell mal auf ein Grafiktablett gezeichnet worden. Und nun hing ich hier herum, bemalt, bunt und untätig.

Als ich im nächsten Moment aufblickte, war das Seil verschwunden. Die Erkenntnis, von nichts und nieman-dem mehr gehalten zu werden, erschreckte mich so sehr, dass ich zusammenzuckte und fiel. Es zog in meinem Bauch. Ich fiel mit ausgebreiteten Armen wie bei einem Fallschirmsprung. Mein Körper wirbelte herum, bis ich ihn anspannte. Kurz drehte ich mich noch einmal, dann schwankte ich hin und her. Schließlich verlagerte ich mein Gewicht und blieb in einer Luftschicht hängen. Endlich! Das rasante Fallen hatte ein Ende. Alles blieb stehen. Die Wolken und sogar drei Möwen klebten wie virtuelle Figuren am Himmel. Jemand hatte auf »Pause« gedrückt, dachte ich.

Jetzt musste ich meinen Auftrag erfüllen. Ich atmete tief durch und sah nach unten. Schließlich griff ich mit beiden Händen nach meinem roten Umhang und gab mir einen Ruck. Kopfüber verließ ich meine Position und schoss wie ein Pfeil auf die Welt unter mir zu. Ausnahmsweise ging es heute nicht ins All, sondern hinunter in die Welt der Schwerkraft. Je tiefer ich kam, desto wärmer wurde es. Wolken streichelten mein Gesicht, feuchte Schichten klatschten gegen meine Wangen wie Wasser beim Tauchen. Ich blickte auf die Hügelketten unter mir, für die jemand die ganze grüne und braune Palette seines Tuschkastens verwendet haben musste. Es war eine Landschaft, in der sich Trolle herumtreiben oder Schlachten für einen Mehrteiler gedreht werden könnten. Alles sah so echt aus, als würde ich über Neuseeland fliegen. Aber ich wusste, dass die Welt unter mir ein riesiges Spielbrett war. Und ich war die Spielfigur, die ich mir ausgesucht hatte.

Im nächsten Moment sackte ich noch steiler ab, wie jemand, der tauchen wollte. Plötzlich sah ich etwas Seltsames in der Landschaft.

Am Fuße der Berge schimmerte ein länglicher, ovaler Kasten. Er sah aus wie ein künstlicher Kokon. Hatte hier ein Außerirdischer ein Ei gelegt?

Der Kokon war durchsichtig. Und in ihm lag etwas. Entweder ein ungeborenes Leben oder ein Opfer, das sich jemand für die nächste Mahlzeit aufsparte, vermutete ich.

Da ich offensichtlich über besondere Fähigkeiten verfügte, konnte ich das Bild vergrößern und in den Kokon hineinschauen. Mit Erstaunen stellte ich fest, dass sich darin kein Tier befand, sondern ein Mensch. Jemand, den ich kannte. Es war Takeru.

Der japanische Pilot lag unter einem weißen Tuch. Sein Kopf war bandagiert. Ich erkannte ihn nur an seinem Gesicht, das gerade noch herausschaute. Kurz darauf merkte ich, dass ich immer noch in der Luft war. Takeru war wieder weit unter mir, als ob die Kamera, mein eigener Blick, wieder in die Vollbildansicht zurück-geschwenkt wäre.

Jetzt zweifelte ich an dem, was ich gerade gesehen hatte, fragte mich, ob das wirklich Takeru war oder nur eine optische Täuschung. Vielleicht war dieser Mann auch nur eine Vision, die sich gleich in eine Almhütte, einen Strand oder einen Luftballon verwandeln würde. In irgendetwas, das in diese Landschaft passte und sich doch von ihr abhob.

Aber er blieb. Je näher ich ihm kam, desto größer wurde der Kokon. Schließlich landete ich neben ihm und sah hinein. Jetzt war die Scheibe beschlagen. Vorsichtig wischte ich mit der rechten Hand darüber, um wieder hindurchschauen zu können.

Unter dem durchsichtigen Schleier war erneut Takeru zu erkennen. Sofort schlug er die Augen auf und sah mich wütend an. Laut und deutlich hörte ich ihn sagen:

»Das wurde aber auch Zeit, Anna!«

Wie so oft hatte er diesen vorwurfsvollen Unterton, der mich normalerweise sofort dazu animiert hätte, ihm etwas zu erwidern und mit ihm zu streiten. Aber jetzt, angesichts seiner so schwachen Position, verzichtete ich darauf. Wer diskutierte schon mit einem Sterbenskranken? Man konnte froh sein, wenn er überhaupt durchkam. War ich das?

Mein Gott, er war doch nicht mein Freund! Er war nur ein Weggefährte, mehr nicht. Als ich im Traum neben diesem Kokon stand, wurde mir bewusst, dass ich träumte und innerlich mit mir rang, ob ich ihm helfen sollte oder nicht. Ich fragte mich, ob er mein Freund oder mein Feind war. Dabei spürte ich diesen Widerspruch wie einen Magenschmerz in mir und wusste nicht, was ich tun sollte. Ich hatte ein unglaublich schlechtes Gewissen. Und dann hörte ich wieder und wieder seine Stimme. Viele Stimmen sprachen jetzt gleichzeitig, und doch war alles Takerus Stimme. Verwirrt sah ich mich um. Mein Herz schlug bis zum Hals. Ich spürte, wie eng die Stiefel meines Kostüms waren. Warum zum Teufel hatte ich keine andere Spielfigur gewählt? Dort hinten flitzte King Kong einen Abhang hinunter, und rechts von ihm erstreckte sich ein atemberaubend schöner Dschungel. Hier vorn, direkt vor mir, wuchs eine riesige Eiche aus dem Boden. Aus ihren Blättern sprossen lange, seidige Fäden wie Lianen.

»Das ist der Baum des Wissens«, erklärte mir Longbart.

»Du darfst ihn nicht berühren!«

Erneut hörte ich die vielen Takeru-Stimmen. Jetzt riefen sie um Hilfe. Ich ging an der Seideneiche und an Longbart vorbei auf den großen Heilkokon zu, der sich wie von selbst von mir entfernt hatte. Je näher ich ihm kam, desto weiter entfernte er sich von mir. »Ja, ich helfe dir!«, rief ich.

Doch als ich Takeru in seinem Kokon endlich ein Stück nähergekommen war, bemerkte ich etwas Erstaunliches. Mehrere Versionen von ihm waren über das Feld verstreut, alle sahen anders aus.

Da blickte ein kurzhaariger Takeru mit einem frechen Grinsen durch die Ähren eines Weizenfeldes. Links schwang ein diabolisch dreinblickender Takeru sein Schwert unter der Seideneiche, deren lange Fäden er durchtrennte. Und direkt vor mir saß Takeru als alter Mann auf einem Traktor. Er winkte mir zu und rief: »Aus dem Weg! Weg da!«

Als ich zurückwich, hörte ich etwas vom Himmel auf mich zurasen. War das eine Pursuiter? Nein, es war ein kleines Shuttle. Es war so klein, dass es in eine Handtasche gepasst hätte. Und darin saß ein Takeru. Verwundert starrte ich diesen Mini-Takeru an, der um meinen Kopf kreiste. Er sah wütend aus und trotz seiner geringen Größe enorm gefährlich. Was war hier los? Ich bekam es mit der Angst zu tun. Verdammt, was sollte das? Ich versuchte herauszufinden, welcher Takeru der echte war.

Auf einmal stand eine Doppelgängerin vor mir. Eine Frau, die genauso aussah wie ich. Eine andere Anna in einem Sternenretterin-Kostüm. Ihr Anblick verwirrte mich zutiefst Sie sagte nichts und sah mich nur an.

Aggressiv fragte ich sie: »Was soll das?«

Sie tat es mir gleich und fragte ebenso aggressiv:

»Was soll das?«

Wer war sie? Und warum war sie hier?

Plötzlich wachte ich mit einem Ruck auf. Der Urwald verschwand, die schöne Seideneiche, King-Kong und vor allem Takeru. Alle Versionen Takerus. Die zweite Anna war zum Glück auch fort. Jetzt war ich wieder hier, in der Wirklichkeit. Und doch war der Traum noch so frisch in mir, als wäre er die Wirklichkeit und dieses karge Hotel-zimmer nichts als ein Traum. Ich musste an Longbarts Spiel denken. Und daran, wie alles angefangen hatte.

TEIL 1: SPIELFIGUREN

Kapitel 1 - Viviana de Wrêst - auf Altorek

Viviana de Wrêst hatte es geschafft. Sie hatte ein Antigen hergestellt, das aus mehreren Proteinen bestand. Schon seit Jahren hatte sie gewusst, dass Fusionsproteine eine stärkere Schutz-wirkung haben konnten als einzelne Proteine. Endlich könnte sie einen Impfstoff gegen das tödliche Kobaltvirus produzieren. Cole Karnan würde ihr gratulieren. Seine Jular würden ihr eine ganze Etage im Villenkomplex auf Lumares bescheren. Und sein Medikament würde ihre Mutter heilen. Viviana sah zur Tür. Longbart und die Verrückte schliefen noch. Hier war niemand, mit dem sie feiern konnte. Und das wäre auch gar nicht möglich gewesen, denn sie musste es erst einmal für sich behalten. Nur Cole sollte es natürlich sofort erfahren.

Nachdem Viviana das Reagenzglas mit dem Antigen zurück in die Kühlbox gestellt und diese in ihrem Spezialraum verschlossen hatte, ging sie in ihr Büro. Dort setzte sie sich an ihren Schreibtisch und steckte sich den Kommunikator ihres Cleverphones ins rechte Ohr. Cole ließ nicht lange auf sich warten.

»Viviana?«, fragte er. »Hast du es geschafft?«

»Ja. Ich habe das Antigen aus zwei natürlichen Proteinen gewonnen und ein gentechnisch modifiziertes hinzugefügt. Das erste Protein stammt aus der Haut eines Plutarchen und das zweite aus einem Lupibar. Gentechnisch manipuliert habe ich ein Protein aus dem Gelbkorn der hellen Schwefelschildblume, die du mir geschickt hast und dann habe ich… «

»Stopp! Erzähl mir nicht weiter, wie du es gemacht hast, sondern schick mir die Formel! Schreib sie einfach in deinen Zentralrechner und speichere sie im Ordner 'Cole' ab.« Viviana bejahte. Dabei betrachtete sie ihr Spiegelbild im Fenster, das zum Labor zeigte. Ihre Haut schimmerte elfenbeinfarben im Licht.

»Gut« sagte sie dann. »Schickst du es mir nun?«

»Ja, aber sie muss zuerst ihr Fieber auskurieren. Sonst wirkt das Antidementivum nicht. Du erhältst es, sobald ich deine Formel hier einsehen kann. Ich werde es dir durchs Portal schicken. Und verabreiche es ihr immer nur in kleinen Dosen.«

»Danke«, antwortete Viviana. Sie hätte viel lieber die Formel für das Antidementivum erhalten, aber sie wusste, dass er ihr diese niemals geben würde. Sie war sein Gold. Eins seiner vielen Goldstücke.

Wie immer beendete er das Gespräch mit einem »Bis dann, Viviana.« Sie hatte sich ein wenig mehr Euphorie erhofft. Aber dass Cole Karnan jemals in Jubel ausbrechen würde, war unwahrscheinlich. Dieser Mann, den manche auch den »Magier« oder den »Zauberer« nannten, lebte schließlich in der Silverton-Galaxie. Und dort schienen Gefühls-ausbrüche nicht angebracht zu sein. Das sagte sich Viviana, als sie an die Bewohner der Nachbarplaneten Katulls dachte. Diese kennen zu lernen, wäre allein schon eine Reise durchs Portal wert gewesen. Aber Coles geheimes Portal war momentan nur zum Transportieren der Geijsir-Schwärmer und der Impfstoffe gedacht. Außerdem hatte Viviana hier zu tun. Sie wurde hier gebraucht. Würde sie nicht bald mit der Produktion des soeben gefundenen Impfstoffes beginnen, dann würde das Kobaltvirus die Apsids und andere Bewohner der Morton-Galaxie töten.

Nun diktierte Viviana die Formel zur Herstellung des Antigens in ihren Computer. Dieser produzierte daraufhin grün leuchtende Zeichen, die vor ihr in der Luft tanzten. Anschließend speicherte sie alle Bilder, und Ergebnis-reihen mit wenigen Handbewegungen im Cole-Ordner ab. Dabei fühlte sie sich wie eine Dirigentin, die die Zukunft aller Raumstationen und Planeten der Morton-Galaxie in ihren Händen hielt.

Noch einmal betrachtete sie ihre Formeln, die für jeden anderen wahrscheinlich nur ein kryptisches, tanzendes Heer von Buchstaben und Zahlen gewesen wären. Für sie war es die Krönung ihrer zehnjährigen Forschungsarbeit. Zufrieden lehnte sie sich zurück. Plötzlich hörte sie ein Geräusch im Labor. Sie schaute nach unten, konnte aber nichts erkennen. Dennoch war sie sich sicher, etwas gehört zu haben.

Das verdammte Alarmsystem funktionierte nicht mehr. Auch die Kameras in den Gängen und auf dem Landeplatz hatten Steuerungsprobleme. Nur die Drohnen auf der mittleren Landebahn waren noch in Takt. Sie konnten wenigstens einen kleinen Teil des Geländes absichern. Und das war auch nötig, denn einige Plutarche und Lupibars waren entkommen. Die gefährlichen Tiere streunten nun über die Felder der Anlage und konnten eine Gefahr für die Arbeiter, Neuankömmlinge und sogar für die Roboter auf den Traktoren darstellen. Viviana wollte die eifrigen Hansmänner gleich morgen darauf ansetzen, sie wieder einzufangen. Und Longbart wollte sie damit beauftragen, noch einmal Techniker von Luminares anzufordern. Vielleicht hätte er mehr Glück als sie und würde mehr Gehör finden. Immerhin hatte er einmal für den Präsidenten gearbeitet.

Was war hier nur los? Warum hatte Zero Title ihr nicht schon längst die Techniker geschickt, die sie bereits vor Tagen angefordert hatte? Sie war eine Chemikerin, aber keine Elektrikerin oder Geheimdienstmitarbeiterin. Wer oder was auch immer die Störung verursacht hatte, sie musste dringend behoben werden. Viviana hatte die Nacht durchgearbeitet. Zumindest die Stunden, die hier als »Nachtruhe« angezeigt wurden.

Nun war sie vollkommen erschöpft und freute sich auf ihr Bett. In den nächsten Tagen würde sie endlich das ersehnte Antidementivum erhalten. Ihre Mutter würde sich wieder erinnern. Und vielleicht würde bald alles wieder so sein wie früher. Wie schön wäre das! Und noch schöner wäre es, wenn Cole ihr die Mittel oder Formeln schicken könnte, mit denen sie selbst ein Medikament gegen Altersdemenz herstellen könnte. Aber das gehörte leider nicht zum Deal. Und mit Cole Karnan war nicht zu spaßen, das wusste hier jeder. Sie musste genau das tun, was er sagte, sonst würde sie den Kürzeren ziehen. Im schlimmsten Fall würde er sie einfach aus dem Weg räumen. Dazu brauchte er nicht einmal eine Waffe. Cole tötete Menschen mit einer Mücke.

Der »Zauberer« hatte in seiner Galaxie einfach bessere Mittel als sie hier. Schließlich hatte er den »Weißen Hund« an seiner Seite, einen Planeten, aus dessen exotischer Flora und Fauna er Substanzen und Heilmittel gewann, die den ihren weit voraus waren. So weit, dass Viviana sie schon »magisch« nannte. Nur gegen das Kobaltvirus hatte er nichts gefunden. Es kam Viviana so vor, als müsste ein Mensch aus der Zukunft auf ihre »primitiven«, natürlich oder gentechnisch hergestellten Impfstoffe zurückgreifen, um einen Krankheitserreger in den Griff zu bekommen, der für ihn eigentlich längst keine Rolle mehr spielen sollte. Warum interessierte er sich überhaupt für die Krankheiten und Seuchen der Morton-Galaxie? Wahrscheinlich wollte er die Impfstoffe als Druckmittel benutzen, dachte Viviana jetzt. Es war bekannt, dass er sich mit Königin Oriana überworfen hatte. Und es war auch bekannt, dass sie einmal ein Paar gewesen waren. Aber was auch immer die Motive des »Zauberers« Cole Karnan für diesen Deal gewesen sein mochten, solange er in seiner Galaxie blieb und sie in ihrer, würde hier niemand erfahren, wem sie die Formel zuerst geschickt hatte. Sobald das Medikament für ihre Mutter hier eintraf, würde sie Zero Title in Luminares informieren und natürlich auch Inka Munk. Viviana war nur selten in der Zweigstelle in Luminares. Aber sie kannte Inka gut genug, um zu wissen, dass sie die Entdeckung eines Impfstoffs gegen das Virus, das den tödlichen Kobaltbrand auslöste, feiern würde, als hätte sie ihn selbst gefunden. Inka war nicht nur ehrgeizig, sie war besessen von ihrer Arbeit. Und darin unterschied sie sich nicht von Viviana. Aber Viviana war nicht auf Ruhm aus, sondern darauf, so viele Menschenleben wie möglich zu retten.

Sie ließ die grünen Lichterketten verschwinden, indem sie »Ausschalten« sagte. Wieder hörte sie etwas. Sie drehte sich um. Ihr Herz setzte für einen Moment aus, als sie die Person erkannte, die jetzt eintrat. Sie hatte einen ebenmäßigen dunklen Teint, braune Augen, hoch-gesteckte Haare, trug einen weißen Kittel und auf ihrem Namensschild stand: »Viviana de Wrêst«.

»Was zum Teufel…?«

»Gut gemacht«, sagte die andere. Viviana zweifelte an ihrem Verstand. Denn die Frau, die jetzt mit erhobener Laserpistole auf sie zukam, war sie selbst.

Kapitel 2 - Longbarts Spiel - auf Altorek

Das kann doch nicht wahr sein! Warum habe ich hier denn keinen Empfang?« Ich stand auf der Pritsche und hielt Longbarts altes Cleverphone in die Höhe.

Longbart grinste. »Weil Fuller Title das so will. Er hat den Zugang gesperrt. Ich habe es dir doch gesagt. Hier kommt niemand ins Netz. Zumindest nicht wir beide. Fuller oder Viviana sagen uns schon Bescheid, wenn es etwas Wichtiges gibt. Aber ehrlich gesagt bin ich auch mal ganz froh, keine Nachrichten zu sehen oder zu hören. Auf Luminares läuft ständig die Kriegsberichterstattung. Mich macht das nur nervös.«

Ich antwortete: »Nervös? Also mich macht es nervös, wenn ich eingesperrt bin und nichts davon mitbekomme, was da draußen passiert!«

»Draußen. Was meinst du damit? Diese Station oder Luminares?« Longbart sah mich vom Tisch aus an. »Oder meinst du vielleicht Opzalon? Die letzte Raumstation von euch Erdlingen?« Ich antwortete ihm nicht, weil ich seine ewigen Sticheleien satthatte. Frustriert setzte ich mich wieder auf mein Bett. Ich fühlte mich, als wäre ich in ein dunkles Uhrwerk gefallen oder in den Rumpf einer Maschine aus dem 19. Jahrhundert. Wie konnte eine Forschungsstation wie Altorek nur so alte Bauteile haben? War das ein Scherz des Erfinders?

Ich fuhr mir durch die wirren Haare. Heute wusste ich wenigstens, wo ich war.

Ein paar Tage lang hatte ich aufgrund einer leichten Gehirnerschütterung die Orientierung verloren, aber jetzt war alles wieder klar: Ich wusste, dass Takeru und ich gemeinsam von Opzalon aufgebrochen waren, weil er dort gesucht wurde. Bei unserer Bruchlandung auf Altorek hatte Takeru sich schwer verletzt. Nun lag er unter einem Heilkokon und wurde künstlich beatmet. Ich hatte keine Ahnung, wie es ihm ging, denn ich saß seit Tagen hier fest.

In diesem Jahr hatte ich, in Erdenjahren gerechnet, meine zweite Bruchlandung auf einer mir fremden Raumstation überlebt. Wenn das nicht an ein Wunder grenzte! Wenn man mich so sah, konnte man mich für eine Rebellin halten, die im Untergrund kämpfte. Ich schlang die Arme um die angewinkelten Beine und stützte das Kinn auf die Knie. Jetzt fühlte ich mich wie eine Soldatin, die in einem Fabrikkeller auf die angreifenden Truppen wartete. In meiner Fantasie zog ich mein Gewehr, rannte hinaus und kämpfte. Wenn ich doch nur eine Waffe hätte! Damit würde ich mir den Weg freischießen und fliehen.

Nun befand ich mich also auf Altorek, einer Forschungsstation unserer Feinde. Ich war im Reich der Apsids gelandet. Das waren auch Menschen, aber sie waren im All geboren und nannten sich die »Allgeborenen«. Wir waren für sie so etwas wie Dinosaurier, Relikte einer untergegangenen Welt. Einige von uns dachten noch in irdischen Währungen und nicht in Jular, in Stundenkilometern und nicht in Licht-geschwindigkeit. Aber egal, in welcher Einheit ich die Temperatur hier messen würde, es war verdammt kalt hier. Die einzige Wärme kam vom zentralen Generator hinter dem Terrarium. Heute Morgen hatte ich mein Bett in seine Nähe geschoben. Und jetzt, nach meinen Klimmzügen an dem Rohr über mir, saß ich auf dem Bett und fing wieder an zu frieren. Also joggte ich noch einmal um die Mitte der Anlage. Longbart stöhnte genervt. »Das macht meine lieben Krabbeltiere ganz nervös«, erklärte er mir. Ich blieb vor den Würmern und Käfern in dem großen Terrarium stehen und joggte auf der Stelle weiter.

»Also, ich finde nicht, dass sie nervös aussehen«, sagte ich und grinste. Aber dann setzte ich mich doch lieber wieder auf mein Bett. Longbart hatte heute gute Laune. Natürlich wollte ich es mir nicht mit ihm verscherzen. Ich strich über meine dunkle Hose. Sie gehörte zu einer Apsid-Uniform, die Longbart mir geschenkt hatte, und sie war schon so abgetragen, dass sie sich wie Leder anfühlte. Er hatte mir auch ein T-Shirt geschenkt. Es war orange und darauf stand in rot-oranger Schrift in einem kreisförmigen Emblem »Apsid forever«. Ausgerechnet ich lief mit so einem T-Shirt herum und machte Werbung für meine eigenen Feinde oder deren Superdroge.

Anscheinend fror Longbart nie. Ich betrachtete die anderen Wollpullover über der Spüle. Er hatte mir erklärt, ich könnte mich da bedienen. Das hatte er auch vom Kühlschrank gesagt. Und das war fantastisch. Obwohl ich hier wie eine Ratte in einer dunklen Kammer lebte, so speiste ich wie die Königin Oriana persönlich. Denn alles, was in den Kühlschrank kam, stammte direkt von der Kleinen Erde, auf der sie hier Getreide, Obst und Gemüse anbauten und neue Sorten züchteten.

Jetzt blickte ich zur rechten Wand. Mein Blick blieb an den vielen Rohren und Lüftungsschächten hängen, die von hier aus in die anderen Räume führten, vermutlich in die Laborräume. Professor Fuller Title leitete Altorek und Viviana de Wrêst hatte hier einen Forschungsauftrag. Das war alles, was Longbart mir erzählt hatte. Ich konnte ihn schlecht einschätzen.

Der Longbart, der mir vor ein paar Tagen Takerus Kokon geöffnet hatte, war mir jünger vorgekommen. Er hatte auch keinen Bart gehabt. Aber sein Name war auch »Longbart« gewesen. Manchmal fragte ich mich, ob es zwei Versionen dieses Mannes gab, denn der Longbart, der jetzt mit mir im Maschinenraum saß, war ungefähr sechzig Jahre alt und trug einen grauen Bart. Jetzt passte sein Name perfekt zu ihm. Ich schätzte ihn auf Mitte sechzig. Er hatte ein schmales Gesicht und trug T-Shirts mit aufgedruckten Sprüchen. Oft schlurfte er in seinen flachen Schuhen wie ein Museumswärter über den frisch gefeudelten Boden. Sein Gesicht mit den wachen blauen Augen, der geraden Nase und den ausgeprägten Wangen-knochen sah so interessant wie das eines älteren Filmstars aus. Wahrscheinlich wusste er gar nicht, wie cool er aussah. Meiner Ansicht nach hätte er als Model für irgendein hippes Produkt arbeiten können. Aber so etwas wäre für ihn bestimmt nie in Frage gekommen. Longbart legte keinen Wert auf Äußerlichkeiten und er besaß noch nicht einmal ein Cleverphone. Er meinte, Fuller oder Viviana würden es ihm schon sagen, wenn es etwas Wichtiges gäbe.

Manchmal machte er mir auch ein wenig Angst. Dann war er nicht ansprechbar und notierte sich seine Gedanken und Ideen auf Zettel, die er mit Magneten an ein Rohr über seinem Bett heftete. Dabei murmelte er vor sich hin. Wahrscheinlich hatte er Angst davor, abgehört zu werden, oder er hatte einen Verfolgungswahn.

Der Wasserhahn tropfte. Wie dumm von Longbart, ihn nicht zu reparieren, denn hier war das Wasser knapp, jedenfalls für uns. Auf den Feldern draußen verschwen-deten sie Tausende von Litern am Tag. Aber hier blinkte ein rotes Licht, sobald ich mein Limit erreicht hatte.

Plitsch, platsch, plitsch, platsch. Ein Gurgeln drang aus dem U-Rohr unter dem Waschbecken. Es machte mich wahnsinnig.

»Longbart?«

»Hm?«

»Kannst du das nicht reparieren?«

»Was denn?«

»Na, den Wasserhahn.«

»Der ist überdreht. Da kann man nichts machen. Wenn ich ihn noch weiter zudrehe, kommt nur noch mehr Wasser raus.«

»Na, super!«

Ich sprang auf und ging zum Waschbecken.

»Lass die Finger davon!«, rief Longbart.

»Ich meine es ernst! Lass die Finger davon!« »Gib mir wenigstens eine Zange, damit ich es versuchen kann.«

»Nichts! Ich gebe dir gar nichts!« Er blickte von seinem Cowboyhut auf, an dessen Krempe er gerade eine Gummifledermaus befestigt hatte. Jetzt setzte er den Hut auf. »Chick!«, sagte ich.

»Komm mal her, Anna! Kennst du schon ‚Die Außerirdischen von Sandorkant‘?«

Er hatte wieder eins seiner Brettspiele auf dem kleinen Metalltisch aufgebaut. Um ihn nicht zu sehr zu verärgern, fragte ich höflich: »Auch selbst erfunden?«

Er nickte stolz. Dann holte er eine Schachtel aus dem Regal. Natürlich! Seine heiligen Figuren!

Diesmal war es eine Schachtel, die ich noch nicht kannte. Während ich zu ihm ging, tropfte der Wasserhahn weiter. Okay, dachte ich, wenn ich das verdammte Tropfen aus meinem Kopf bekommen wollte, dann musste ich mich ablenken. Notfalls würde ich die ganze Nacht über spielen.

Ich setzte mich an den Tisch. Das Spielbrett sah bunt aus. Ich sah Berge und Täler, Kreuze, Punkte und Kreise. Es war ein interaktives Brett, und doch sah es auf den ersten Blick aus wie ein einfaches Brett aus Pappe oder Holz. Das war das Besondere an Longbarts Spielen: Sie wirkten altmodisch und modern zugleich.

»Und was kann dieses Brett?«, fragte ich ihn.

»Das kommt darauf an«, antwortete er.

»Auf deine Züge und dein Ziel. Er kann vieles. Die Klaue ist gut oder der Vulkan. Manche Figuren hat es nie wieder ausgespuckt und«, er beugte sich vor und sah mich verschwörerisch an, »manche sind auch nie wieder raus-gekommen.«

»Oh!«, erwiderte ich nur und blickte auf das Brett.

Ein kleiner Baum ragte hinter einem Feld hervor.

»Das ist die Seideneiche«, erklärte mir Longbart.

»Sie wird im Laufe des Spiels immer größer. Dann ist es der Baum der Weisheit.«

In diesem Moment hatte ich ein Déjà-vu-Erlebnis. Ich fragte mich, wo und wann ich das schon einmal von ihm gehört hatte.

»Was ist los? Geht es dir gut, Anna? Hörst du mir zu? Also, die Seideneiche hier, die wird richtig groß, wenn du auf ihr Feld kommst.«

»Das ist cool. Und gibt es in deinem Spiel auch Tiere?«

Er grinste und zuckte mit den Schultern. »Wer weiß?« Jetzt reichte er mir einen alten Holzbecher, der mit Leder überzogen war. »Du wirst sehen, es wird dir Spaß machen!« Sein Cowboyhut mit der Fledermaus darauf sah lustig aus. Heute roch es hier nach Motoröl und nach dem vergorenen Gerstensaft, den Longbart immer trank. Der sollte nicht nur gut für die Verdauung sein, sondern auch die Konzentration fördern. Ich mochte das Zeug nicht.

»Wasser?«, fragte er mich gut gelaunt.

Ich nickte.

Er schenkte mir ein Glas Wasser ein und schob es über den Tisch. Gierig trank ich ein paar Schlucke. Dabei machte Longbart ein so lässiges Gesicht, als hätte er mir Whisky eingeschenkt. Ich hatte das Gefühl, wir würden gleich eine Partie Poker beginnen.

»Ich spiele nicht gern«, sagte ich.

»Papperlapapp! Komm schon! Jetzt würfeln wir!«

Ich schaute in den Becher. Natürlich erwartete ich Würfel. Aber ich traute meinen Augen kaum: Drei oder mehr leuchtende Würmer wanden sich darin.

»Sind die aus dem Labor oder sind das deine?«

Longbart beugte sich über das Spielbrett und funkelte mich mit seinen grünbraunen Augen an.

»Hast dich erschreckt, was?« Er lachte und schlug mit einer Hand auf den Tisch. »Du solltest mal dein Gesicht sehen! Du bist kreidebleich! Ich hab's Viviana ja gesagt: Anna kann mit Robotern und Cyborgs umgehen, aber vor Würmern hat sie Angst! Und schon wieder habe ich eine Wette gewonnen!«

»Du spinnst. Ich habe überhaupt keine Angst vor deinen blöden Leuchtwürmern. Im Gegenteil, ich finde sie sogar ganz niedlich! Und nie im Leben hast du mit Viviana gewettet. Die interessiert sich nicht für deine blöden Spielchen.« Ich nahm einen der Leuchtwürmer aus dem Becher.

»Hey, lass die Holldocks in Ruhe, sonst sprühen sie dir Persefoné in die Augen. Und das willst du nicht, glaub mir!«

Schnell ließ ich den Leuchtwurm wieder los. Longbart nahm mir den Becher aus der Hand, stand auf und schüttete die Leuchtwürmer in das Terrarium. Dann griff er in seine alte Uniformjacke und holte ein paar Würfel heraus. Er warf sie in den Becher und gab ihn mir.

»Du musst mindestens eine Sechs würfeln, dann darfst du durch das Knochentor gehen und mit deiner Spielfigur weiterziehen. Wenn du das Shuttle erreichst, ziehst du eine Ereigniskarte. Bei dem Spiel geht es darum, was du erreichen willst. Es ist ein Realitäts-Integrationsspiel. So nenne ich es.«

Ich zog die Augenbrauen hoch, was er wohl als Kompliment auffasste, denn er lächelte.

»Also, Anna, was willst du erreichen? In deinem Leben, in deiner Realität?«

»Ich will einfach nur hier raus«, sagte ich.

»Ich weiß«, antwortete Langbart.

»Den Professor und Viviana kannst du vielleicht für dumm verkaufen, aber mich nicht!«

Mein Puls beschleunigte sich. »Warum?«, fragte ich.

»Ich weiß, wer das ist, der da im Heilkokon liegt. Das ist kein kleiner Fisch. Wenn man ihn mit den Tieren eurer zerstörten Erde vergleichen würde, würde ich sogar sagen, dass du einen Wal gefangen hast. Den fettesten und teuersten Wal, den du in der Morton-Galaxie überhaupt nur finden konntest! Er wird gesucht, dein kleiner Apsid.«

Ich sah ihn an und versuchte, cool zu bleiben.

»Und nicht nur das! Sein Vater Zero Title bietet dem ehrlichen Finder sogar noch eine Million Jular. Aber warum bist du mit ihm hergekommen? Wolltet ihr zusammen durchbrennen?«

Bevor ich verneinen konnte, sagte Longbart:

»Das geht natürlich nicht mit dem Präsidenten von Luminares. Das lässt der sich nicht gefallen.«

Ich sah ihn erstaunt an. »Der Präsident?«, fragte ich. »Ist Zero Title der Präsident von Luminares?«

»Ja, natürlich.«

Erstaunt erwiderte Longbart meinen Blick.

»Sag bloß, du wusstest das nicht?« Er grinste. »Wie auch immer. Jetzt wird gespielt!«

Er deutete auf das Brett. »Nun, entsprechend deiner Realität sollte es dein Ziel bei diesem Spiel sein«, er legte eine kleine männliche Spielfigur in die Mitte des Brettes, »diesen verletzten Takeru hier aus seinem Kokon abzuholen und für ihn beim Präsidenten von Luminares eine Million Jular für ihn zu kassieren. Für den Präsidenten nehme ich«, er kramte in der Schachtel und holte einen kleinen Gummikaktus heraus, »den hier«.

Longbart stellte den Kaktus-Präsidenten ganz rechts auf das Spielbrett. »Das ist dein Ziel. Du musst Takeru aus der Krankenstation holen und hier abliefern.«

Dann reichte er mir die Kiste. »Wer bist du? Zieh dir eine Figur heraus! Hey, das macht man normalerweise mit geschlossenen Augen!«

Ich hörte nicht auf ihn und zog die größte Figur heraus. Sie hatte nackte rosa Beine, einen roten Umhang, einen blauen Badeanzug und einen Stern auf dem Kopf. Longbart sagte: »Das sieht dir ähnlich! Die Sternen-retterin! Gut. Dann setz sie auf deinen Planeten Nummer eins! Wenn du es vor mir schaffst, hast du gewonnen.«

Nachdem ich die Sternenretterin auf ihre Startposition gestellt hatte, fragte ich: »Okay, und was ist dein Ziel?«

»Nun, das können zwei Dinge sein«, erklärte er.

»Erstens kann es sein, dass ich dich unterstütze, dann nennt man das ein ‚Unterstützungsspiel‘. Und zweitens kann es sein, dass ich gegen dich arbeite und dir in den Rücken falle.«

»Und dann nennt man das ein Arschlochspiel?«

»Nein, dann sagt man: Jeder spielt sein Spiel«, ant-wortete er.

Ich fragte ihn: »Wie ist eigentlich dein Vorname?«

»Ich habe keinen.«

»Was soll das heißen, du hast keinen Vornamen?«

»Jetzt würfle schon!« Er sah seinen King Kong an.

Es war, als könnte das Plastiktier es nicht mehr ertragen, am Spielfeldrand zu stehen und gelangweilt mit den Armen zu rudern. Wahrscheinlich war es ein Mini-Roboter.

»Gut, ich würfle!« Und zack: eine Sechs! Nachdem ich meine Sternenretterin zur Seideneiche geführt hatte, die immer größer wurde, schüttelte ich den Würfelbecher noch einmal. Schließlich knallte ich ihn auf den Tisch. Eine Fünf. Damit hatte ich das rote Kreuz erreicht. Als ich mit meiner Figur das Feld erreichte, riss die Karte blitzschnell auf. Eine Klaue schoss aus dem Tisch und meine Sternenretterin war im Nu verschwunden.

»Hey, was soll das?«, rief ich.

Longbart lachte. »Du bist auf der Krankenstation gelandet. Da musst du jetzt bleiben, bis dich einer der Alfos rausholt.«

»Wer oder was ist ein Alfo?«

»Das ist eine Spielfigur, die einer von uns gewinnt, wenn er den Impfstoff gegen das Höhlenblut findet«, erklärte er mir. Dann hielt er inne.

Ich fragte lieber nicht, was das Höhlenblut war. Nun war Longbart an der Reihe. Mit fünf Sprüngen landete sein King Kong auf einem Asteroiden. Longbart zog eine Karte und las laut vor: »Du musst das Passwort verraten, um deinem Mitspieler bei seinen Plänen zu helfen! Zieh eine Schicksalskarte, um zu erfahren, was in den nächsten Tagen passieren wird!«

Longbart wurde ganz blass. »Oh nein! Das auch noch!« Er starrte seinen King Kong an. Dann legte er die Ereigniskarte wieder umgedreht unter den Stapel.

»Was für ein Passwort?«, fragte ich.

»Die Karte ist für eine spätere Spielrunde, für ein höheres Level.«

»Eins mit Passwörtern«, fügte ich hinzu.

»Ja, genau.«

Sein King Kong hatte aufgehört, mit den Armen zu wedeln. »Und?«, fragte ich, »willst du keine Schicksals-karte ziehen?«

Jetzt sah er wehleidig aus. Schließlich riss er sich zusammen und mischte die roten Karten. Dann breitete er sie verkehrt herum auf dem Spielbrett aus. Mit der rechten Hand fuhr er lange hin und her, bis er über einer Karte hängen blieb, sie zog und umdrehte.

Auf der Karte war eine blaue Wolke zu sehen.

»Scheiße!«, rief er laut.

»Aber Herr Longbart, so etwas sagt man doch nicht«, wies ich ihn amüsiert zurecht.

Dann fragte ich ihn: »Was bedeutet das?«

»Das ist der Kobaltbrand. Die Geijsir-Schwärmer, die Kobaltbrand übertragen. Es ist eine Warnung. Ich glaube an Schicksalskarten. Und seit ich dieses Spiel spiele, musste ich nur dreimal eine dieser Karten ziehen, aber noch nie die Kobaltbrand-Karte. Das ist ein schlechtes Omen. Es fängt wieder an.«

»Hey, Longbart, das ist doch nur ein Spiel!«

»Nein, ist es nicht. Verstehst du denn nicht? Das ist ein realitätsintegrierendes Spiel. Das heißt, wir bringen unsere Realität in das Spiel ein. Und das Spiel bringt automatisch einen Teil unserer Realität wieder aus dem Spiel heraus.«

»Ach? Und wenn da steht, dass der komische Kobalt-brand kommt, was auch immer das ist, dann müssen wir uns vor ihm in Acht nehmen?«

»Genau. Kobaltbrand ist eine Seuche.«

Als ich lachen musste, warf er mir einen wütenden Blick zu. Ich fragte: »Und wie soll das gehen? Diese Karten muss jemand vor langer Zeit geschrieben haben. Wahrscheinlich hast du das selbst gemacht?«

»Diese Karten«, erklärte Longbart und drehte sie um, »sind nicht beschriftet, wie du siehst.«

»Aber …?«

»Erst wenn du sie berührst und dir eine aussuchst, erscheint eine Aufschrift darauf.«

»Echt? Cool. Wie funktioniert das? Ist das so eine Art Cleverphone-Beschichtung?«

»Das kann ich dir nicht erklären. Das würde jetzt zu weit führen. Aber ich arbeite schließlich nicht umsonst auf einer Forschungsstation. Hast du geglaubt, Zero Title würde Dummköpfe nach Altorek schicken?«

»Nein, natürlich nicht. … Sag mal, Longbart, wie viel Apsid am Tag ist eigentlich noch normal und wie viel ist schon zu viel?«

»Was soll das? Ich denke, wir spielen jetzt? Aber wenn du schon mit mir über Apsid sprechen willst, dann kann ich dir nur raten, sie auch mal zu nehmen! Dann wärst du vielleicht nicht immer so eiskalt, Anna. Ihr letzten Menschen, ihr habt euch eure Gefühle ja vollkommen abtrainiert.«

»Was meinst du damit?«

»Wir Allgeborenen sind sozialer als ihr ehemaligen Erdmenschen. Euch fehlt Apsid und somit der soziale und emotionale Kitt.«

»Wie bitte?«

»Du bist zum Beispiel ein ganz typischer, ich würde sagen, klassischer Erdenmensch. Du würdest bestimmt sogar deine eigene Großmutter verkaufen, wenn du genügend Jular für sie bekommen würdest.«

Ich stand wütend auf. »So ist das also? Dann spiel dein blödes Spiel doch allein!«

Longbart grinste. Dann würfelte er. »Und die Tatsache, dass du jetzt beleidigt aufstehst, passt auch dazu.« Er schaute die Würfel an und hüpfte dann mit seinem King Kong weiter. »Hast du jetzt lange genug geschmollt? Können wir jetzt endlich weiterspielen?«

Plötzlich kam ich mir albern vor. Also setzte ich mich wieder zu ihm.

Longbart fügte hinzu: »Vielleicht lernst du es noch und merkst eines Tages, dass du nicht alles in deinem Leben alleine machen kannst.«

»Amen«, unterbrach ich ihn. »Wars das jetzt?«

Er nickte. »Spielst du weiter mit mir, wenn ich dir ein Geheimnis verrate, Anna?«

»Schieß los! Du bist ein Alien?«

»Nein, aber mit Viviana stimmt etwas nicht. Sie ist so anders. Früher kam sie alle drei Tage, um mit mir zu spielen, und jetzt sitzt sie in ihrem Büro und nennt mich nur noch »Herr Langbart«! Ich bitte dich! Wer sagt denn so was? Zuerst dachte ich, sie will mich auf den Arm nehmen. Aber sie meint es ernst. Das muss ein Fehler im System sein. Langbart statt Longbart. Außerdem hat sie mich sonst immer »Hansano« oder »Hansi« genannt. Aus Quatsch. Das war mein Spielername bei »Ferien von Lachness«. Also, Viviana ist ausgetauscht worden. Verstehst du? Vivi ist nicht mehr Vivi. Und das hat mich neugierig gemacht. Ich habe ein bisschen herum-geschnüffelt.« Er sprach leiser und beugte sich vor. »Und dann habe ich es herausgefunden. Ich glaube, sie hat einen Impfstoff gefunden. Sie hat es uns nur noch nicht erzählt. Sie arbeitet für jemand anderen, weißt du.«

Hatte ich bisher nur vermutet, dass Longbart unter Verfolgungswahn litt, so war ich mir in diesem Moment sicher. Aber wie sollte ich auf so etwas reagieren? Ich sah ihn an und dachte mir, dass es wohl das Beste wäre, ihn ausreden zu lassen und so zu tun, als würde ich die Sache ernst nehmen. Also wartete ich ab, und tatsächlich sprach Longbart weiter: »Ich glaube, sie hat einen Impfstoff gegen das Kobalt-Virus gefunden. Und für wen sie auch immer arbeitet, die Ergebnisse gehen nicht nach Luminares. Sie umgeht Zero Title. Das wäre nicht ungewöhnlich, wenn das Ergebnis noch nicht feststünde. Fuller Title betont das immer wieder. Aber warum habe ich es dann in der grünen Akte gefunden? In der sind alle Erkenntnisse gesichert.

Ich habe die Formel aufgeschrieben. Und du wirst lachen: Ich habe sie in Takeru gespeichert.«

Ich räusperte mich. Sein Wahnsinn nahm jetzt wirklich überhand. Mein Gott, er drehte völlig durch. Ich fragte ihn nun mit sanfter Stimme, wie man mit kleinen Kindern oder Geisteskranken spricht: »Ach, und wie hast du die Formel in Takeru gespeichert?«

»Ich habe sie ihm auf seinen Rücken geschrieben.«

»Interessant. Klingt nach einem guten Plan«, sagte ich, um überhaupt etwas zu sagen. Longbart wurde wohl immer verrückter.

In diesem Moment grinste er. Jetzt zeigte er auf King Kong. »Pass auf, Anna! Denn jetzt werde ich mir deinen geliebten Takeru schnappen. In zwei Schritten bin ich bei ihm.«

»Tu, was du nicht lassen kannst! Ts! Sozial nennst du das?«

Jetzt kam er mit King Kong zu der Spielfigur, die Takeru darstellen sollte. Als er mit dem Gorilla auf ein gelbes Feld trat, flog Takeru plötzlich durch die Luft. Ich rief: »Hey, was machst du denn?«

Verwundert sahen Longbart und ich der Spielfigur hinterher. »Das ist noch nie passiert«, stellte Longbart verblüfft fest. Dann stand er auf und suchte nach Takeru. Mein Blick fiel auf den Schraubenschlüssel an seinem Hosenbund. »Ich finde ihn nicht«, jammerte Longbart. »Komm und hilf mir suchen!«

Ich blieb auf meinem Platz. »Jetzt müssen wir wohl aufhören«, stellte ich amüsiert fest. »Wenn es das Ziel meines Spiels war, Takeru zu entführen und das Lösegeld von Herrn Kaktus-Präsidenten zu kassieren, kann ich nicht weitermachen. Außerdem steckt meine Sternen-retterin auch noch in dem Spielbrett fest.«

»Ja, aber Takeru geistert hier irgendwo herum.«

»Ernsthaft? Machst du dir jetzt Sorgen um eine Gummifigur?«

Wütend sah Longbart mich an. »Begreifst du es denn nicht? Das ist mehr als ein Spiel!«

»Ja, klar!« Ich trank einen Schluck Wasser. »Und ihr Apsids habt eure Gefühle also im Griff? Na, das sieht man ja bei dir!«

»Nun werd nicht wieder frech! Ich diskutiere nicht mehr mit dir. Wir müssen Takeru finden, sonst passiert etwas Schlimmes.«

Ich zuckte mit den Schultern. »Zum Glück ist mir das als gefühlskaltem Erdling vollkommen egal.«

Longbart schimpfte in sich hinein.

Immer noch krabbelte er auf allen vieren vor dem Terrarium und dem Generator herum. Doch plötzlich griff er sich an seinen Rücken und kam hoch. Dann strich er sich über seine Knie und wischte den Staub von der Hose.

»Elende Dreckskammer!«, schimpfte er.

»Sag ich doch! Es hat keinen Zweck, hier überhaupt zu putzen.«

»Mit so einer Einstellung kommst du nicht weit!«, sagte Longbart. »Kein Wunder, dass die Erde untergegangen ist!« »Ha, ha, sehr witzig!«

Er setzte sich wieder zu mir. Erneut verzog er sein Gesicht und bewegte seine Schulterblätter nach hinten.

Es knackte. Ich riet ihm: »Du solltest auch mal ein paar Klimmzüge machen.«

»Nein, danke. Ich bin ein Mann der Wissenschaft und kein Idiot, der seine Zeit sinnlos damit verbringt, etwas zu trainieren, was sowieso dem Untergang geweiht ist.«

»Soll das heißen, du gibst lieber schon vorher auf?«

Verärgert sah er mich an. Dann griff er sich plötzlich an den Kopf. Anschließend nahm er seine silberne Dose, öffnete sie, schaute hinein und roch an seinen Pillen. »Wenn uns wirklich eine Kobaltbrand-Seuche bevorsteht, dann müssen wir alle warnen.«

Auf einmal fiel sein King Kong vom Tisch.

»Heribert«, sagte Longbart plötzlich.

»Und was soll das sein?«, fragte ich.

»Na, mein Name. Mein Vorname. Schlimm, was?«

»Ja. Übel. Geht es dir nicht gut? Du siehst so blass aus.« Er nickte. »Ich weiß auch nicht. Mir ist auf einmal ganz schwindelig. Ich lege mich wohl besser ein bisschen hin.« Longbart stand auf. Er schwankte. Ich begleitete ihn zu seinem Bett. Es schien ihm sehr schlecht zu gehen, denn er protestierte nicht, sondern ließ mich machen, als wäre er ein alter Mensch in einem Heim und ich seine Pflegerin. Bevor ich ihn bitten konnte, seinen schweren Gürtel abzulegen, nahm er ihn selbst ab und ließ ihn von der Pritsche gleiten. Kurz darauf griff er nochmal nach meiner Hand, sah mich eindringlich an und wiederholte:

»Heribert! Vergiss das nicht!«

Dann drehte er sich um und schlief ein. Das ging so schnell, dass ich zuerst dachte, er würde nur so tun. Aber Longbart schlief wirklich. Das Apsids musste ihn umge-hauen haben. Jetzt schnarchte er sogar. Ich wartete eine Weile. Dann bückte ich mich und hob den Gürtel auf. Anschließend öffnete ich den Karabiner, an dem der Schraubenschlüssel hing.

Normalerweise funktionierte hier alles per Code und Computer. Aber die Tür zum Labor war mit einem alten Schloss verschlossen, bei dem man drei Schrauben lösen musste, um den Griff öffnen zu können. Longbart hatte gesagt, dass sie bei einem Stromausfall sonst nicht mehr rein und raus kämen und dass Vivianas »dumme Viecher« inzwischen Türen öffnen könnten. Das hatte ich nicht verstanden. Aber ich hatte beobachtet, wie man diese U-Boot-Tür mit dem Schraubenschlüssel öffnete. Ich ging am Terrarium vorbei und betrachtete ein letztes Mal die leuchtenden Würmer, den schillernden Käfer und den Schmetterling mit den sechs Flügeln. Langsam schritt ich auf die rote Tür zu. Gleich war es Abend, gleich würde das Licht ausgehen und die Alarmanlage anspringen. Das Einzige, was ich in diesem Moment hören konnte, war das Rascheln des Schmetterlings. Longbart schnarchte nicht mehr. Lag er im Koma? Es musste zu viel Apsid gewesen sein. Ein Knistern drang an meine Ohren. Wahrscheinlich hörte ich schon die Leuchtkäfer am Küchenpapier knabbern!

Beim nächsten Schritt trat ich auf etwas Hartes. Erstaunt sah ich nach unten. Es war Takeru. Die Spielfigur. »Da bist du ja!«, sagte ich und steckte sie schnell in die rechte aufgesetzte Tasche an meinem Oberschenkel, die ich mit dem Reißverschluss verschloss. Die Hose war wirklich praktisch. Ich hätte leicht noch mehr Figuren oder Werkzeug mitnehmen können, aber