Lustvolle Nächte - Fünf erotische Liebesromane - Annette Broadrick - E-Book
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Lustvolle Nächte - Fünf erotische Liebesromane E-Book

Annette Broadrick

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Beschreibung

DIE PURE VERSUCHUNG

Dass Dan Crenshaw nicht ganz nüchtern ist, als sie ihn in der Strandbar trifft, kann seiner atemberaubend männlichen Ausstrahlung nichts anhaben - und wie erwartet, hat Shannon sofort wieder Schmetterlinge im Bauch. Seit sie denken kann, ist sie in den umwerfend attraktiven Bruder ihrer Freundin Mandy verknallt, auf deren Wunsch hin sie dem Aussteiger bis auf diese Insel gefolgt ist. Ob sie Dan zur Rückkehr in die Heimat bewegen kann, bleibt abzuwarten. Dass sie die Zeit in seiner Nähe aber nutzen wird, steht fest. Und weil das Haus, in das sie Dan später begleitet, eine ordnende Hand gebrauchen kann, ist ein Vorwand, zu bleiben, auch schnell gefunden. Der Abend ist noch nicht vorbei, als Dan sie das erste Mal küsst - und er vor Verlangen ebenso brennt wie sie. Während seine Hände über ihren Rücken gleiten, suchen seine Lippen erneut ihren Mund. Und sein hungriger Kuss verspricht Shannon das aufregendste Abenteuer ihres Lebens …

EIN UNWIDERSTEHLICHES ANGEBOT

Zum Greifen nah ist Shannons größter Traum - hätte sie nur einen reichen Sponsor, um ihr Filmprojekt zu realisieren! Da steht eines Tages Devin vor der Tür, schmerzhaft vertraut ist er ihr. Seit dem tragischen Verlust ihres Babys geht das Paar getrennte Wege: Ihre Liebe scheiterte an dem verlorenen Glück. Jetzt macht Devin ihr ein verführerisches Angebot: Wenn Shannon zu ihm zurückkehrt, will er ihren Film finanzieren. Für ihn kein Problem, denn er schwimmt in Geld. Es ist Erpressung, und Shannon fällt nur ein Mittel ein, um zu verhindern, dass ihr Herz gebrochen wird: zusammen leben - Ja, Sex - Nein ...

MIT JEDEM GLÜHENDEN BLICK

Jake war immer wie ein großer Bruder für Ashley. Bis zu der Nacht, in der sie ihm mit einem heißen Kuss beweisen wollte, dass sie eine Frau ist - und zurückgewiesen wurde. Jahrelang trennten sich ihre Wege. Doch jetzt benötigt Jake plötzlich ihre Hilfe. Und plötzlich ist da diese unwiderstehliche Anziehung ...

VERFÜHRT!

Helden? Nein danke! Skylers Vater, ihre Brüder - alle bei der Feuerwehr, bei der Polizei, allesamt Lebensretter! Aber wie das so ist: Als Skyler beim Versuch, ein Kätzchen zu retten, auf einen Baum klettert und stürzt, fällt sie direkt in die starken Arme eines Feuerwehrmannes. Es ist Liebe auf den ersten Blick, und es wird schnell Lust auf mehr zwischen Jackson Tesson und Skyler, die ihm vorkommt wie ein hinreißender blonder Engel ...

WIE FEUER UND EIS

Zwei wie Feuer und Eis: Bronte liebt das Land, Heath die Stadt. Und auch sonst könnten die rothaarige Schönheit und der attraktive Internet-Unternehmer aus London nicht gegensätzlicher sein. Und jetzt hat ausgerechnet er ihr geliebtes Anwesen in Yorkshire geerbt und will es abreißen lassen! Bronte ist schockiert. Während sie leidenschaftlich gegen Heaths Vorhaben kämpft, ertappt sie sich dabei, dass sie ihn mit der gleichen Leidenschaft begehrt. Aber wenn sie seiner magischen Anziehungskraft nicht widersteht, hat sie schon verloren - oder?

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Seitenzahl: 1010

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Annette Broadrick, Daphne Clair, Wendy Etherington, Susan Stephens

Lustvolle Nächte - Fünf erotische Liebesromane

IMPRESSUM

Die pure Versuchung erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Ralf MarkmeierLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 1999 by Annette Broadrick Originaltitel: „Tall, Dark & Texan“ erschienen bei: Silhouette Books, New York Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe TIFFANYBand 893 - 2000 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Christian Trautmann

Umschlagsmotive: GettyImages_KatarzynaBialasiewicz, Allusioni

Veröffentlicht im ePub Format in 03/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733746049

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

Dan Crenshaw bemerkte sie, kaum dass sie die verrauchte Bar betreten hatte. Er war nicht der Einzige. In ihrem provozierenden trägerlosen, mit tropischen Pflanzen bedruckten Kleid und ihren schwarzen Haaren, die bis über ihre Schultern herabreichten, fiel die Frau wie eine exotische Blume in einem Beet voller Unkraut auf.

Obwohl sie klein war, hatte sie nichts Kindliches an sich. Das Kleid umschmiegte so verführerisch ihre Kurven, dass sie die Blicke sämtlicher Männer auf sich zog.

Ihr Erscheinen in der kleinen Bar verhieß Ärger, und das war das Letzte, was Dan wollte.

Die Glanzzeiten der heruntergekommenen Bar lagen über vierzig Jahre zurück. Sie befand sich in einem alten Gebäude, das eine Aussicht auf die Bucht bot, und dessen verwitterte Fassade und Schild nicht viele Urlauber anlockte, die zum ersten Mal auf die Insel kamen. Dan war sich ziemlich sicher, dass die Frau nicht zu den Ortsansässigen gehörte.

Ein lokaler Radiosender spielte Oldies, deren Lautstärke selbst die lauteste Unterhaltung an der Bar fast übertönte. Für einen Wochentag herrschte ziemlich viel Betrieb. Auf den Barhockern am Ende der Theke saßen die Stammgäste und redeten über die Ereignisse des Tages. Nachdem alle die Frau begutachtet hatten, setzten sie ihre Gespräche fort.

Dans Stammplatz war seit seiner Ankunft auf South Padre Island der hinterste Tisch des Raumes. Er kam gern hierher, weil man ihn in Ruhe ließ. Genauso wollte er es.

Eines Morgens vor ein paar Wochen hatte er plötzlich seinen Glauben an sich selbst verloren und seine Ranch in Hill Country ebenso wie sein Computerunternehmen in Austin hinter sich gelassen. Er hatte sich auf den Weg nach Süden gemacht, und diese Insel war der südlichste Punkt, an den er gelangen konnte, ohne Texas oder die Vereinigten Staaten zu verlassen.

Jetzt saß vor seinem Drink und fragte sich, wieso ein Frau, die so aussah wie sie, einen solchen Ort besuchte. Er rechnete damit, dass sie jeden Moment ihren Irrtum erkannte und wieder ging. Stattdessen schaute sie sich in Ruhe um und schlenderte auf die Tische im hinteren Teil der Bar zu.

Die Theke war von bunter Neonreklame beleuchtet, wohingegen der übrige Raum im Dunkeln lag. Sturmlaternen mit kleinen Kerzen standen auf jedem der acht Tische und bildeten winzige Inseln des Lichts.

Sie setzte sich zwei Tische entfernt von ihm und legte ihre Handtasche neben sich auf den Stuhl. Dan konnte ihr Profil sehr gut erkennen – die hohe Stirn, die aristokratische Nase, die sinnlichen Lippen, das sanft gerundete Kinn und den langen schmalen Hals.

Laramie, der Barkeeper, stolperte in seinem Eifer, zu ihr zu gehen, über seine eigenen Füße. Und dann beugte er sich zu ihr, um ihre Bestellung entgegenzunehmen.

Dan trank aus und winkte Laramie mit seinem Glas, damit er ihm einen neuen Drink brachte. Als er erneut aufsah, stellte er fest, dass die Frau ihn anblickte. In der verräucherten, schwach beleuchteten Bar schimmerten ihre Augen wie polierte Obsidiane, in deren schwarzen Tiefen sich das Kerzenlicht spiegelte. Dan hob sein leeres Glas und prostete ihr zu.

Sie musterte ihn einen Moment mit unbewegter Miene, ehe sie wieder zur Bar sah, hinter der Laramie gerade mit Gläsern in beiden Händen hervoreilte.

Dan nahm seinen Scotch und nippte vorsichtig daran. Es erstaunte ihn nicht im Geringsten, dass sich die junge Frau brüsk von ihm abwandte. Wahrscheinlich sah er aus wie ein Pirat, der vor Kurzem an den Strand gespült worden war.

Nachdenklich rieb er sich das Kinn, ohne sich erinnern zu können, wann er sich das letzte Mal rasiert oder seine zerzausten dunklen Haare gekämmt hatte. Keiner seiner Angestellten würde ihn jetzt erkennen. Wahrscheinlich würde ihn so nicht einmal seine eigene Schwester erkennen.

Mandy. Verdammt. Sie hatte ihm heute Abend am Telefon reichlich zugesetzt, weil er sich weigerte, nach Hause zu kommen.

Sie verstand einfach nicht, wie verführerisch das Leben auf der Insel sein konnte. Er schlief, wann er wollte, aß, wann er wollte, trank, wann er wollte. Es war das erste Mal seit Jahren, dass er in dem Apartment wohnte, das er vor einigen Jahren billig gekauft hatte, als der mexikanische Markt einen Kurssturz erlebte und die Wirtschaft entlang der Grenze zwischen Südtexas und Mexikos litt.

Sein Apartment befand sich im höchsten Gebäude auf der Insel und bot einen eindrucksvollen Blick auf den Golf von Mexiko und die Bucht, die die Insel von Port Isabel trennte.

Nein, er hatte absolut kein Verlangen, die Insel zu verlassen. Was ihn betraf, so hatte er sein neues Zuhause gefunden. In Gedanken stieß er darauf an und trank einen langen Schluck.

So, ich habe ihn gefunden, dachte Shannon. Und was jetzt?

Sie trank vorsichtig einen Schluck vom Wein des Hauses und nahm sich zusammen. Sie hatte den Verdacht, dass in dieser Bar nur sehr selten Wein bestellt wurde.

Shannon widerstand dem Impuls, am Oberteil ihres Kleides zu zupfen. Sie hatte es an diesem Nachmittag in einer der Inselboutiquen in der Hoffnung gekauft, damit Dans Aufmerksamkeit zu wecken. Leider hatte sie nicht mit den anderen Männern in der Bar gerechnet.

Na schön. Sehen wir den Tatsachen ins Auge, sagte sie sich. Ich bin keine Femme fatale. Eher das Gegenteil. Shannon hatte den Großteil ihres Lebens mit der Nase in Büchern oder vor einem Computerbildschirm verbracht. Ihr war nie daran gelegen gewesen, durch ihre Kleidung das Interesse der Männer zu wecken.

Abgesehen davon hatte ohnehin kein Vertreter des anderen Geschlechts je Notiz von ihr genommen, außer in ihrer Schulzeit, wenn sie Hilfe bei ihren Hausaufgaben brauchten. Und später, wenn … aber darüber wollte sie nicht nachdenken. Sie musste ihre jüngste Erfahrung mit Rick Taylor einfach ihrer mangelnden Kenntnis der männlichen Psyche zuschreiben. Von ihren zwei Brüdern mal abgesehen, hatte sie privat nicht viel mit Männern zu tun gehabt.

Als sie den Plan für diese Unternehmung fasste, hatte sie sich überlegt, dass sie etwas tun musste, damit Dan sie überhaupt bemerkte. Daher das neue Kleid.

Gut, er sah sie also an. Sein Blick hatte ihren Puls beschleunigt. Aber er hatte sie nicht erkannt.

Das hatte sie auch nicht erwartet. Schließlich war das der Sinn dieser Übung. Wie ein Schmetterling, der aus seinem Kokon schlüpft, hatte Shannon beschlossen, für sich eine ganz neue Identität zu erschaffen.

Vielleicht war es keine glückliche erste Wahl gewesen, in jenen paar Monaten mit Rick auszugehen. Aber nach dem Gespräch mit Mandy McClain letzte Woche war sie entschlossen, sich von ihrer Enttäuschung nicht wieder in ihren einsamen Lebensstil zurücktreiben zu lassen. Sie wollte ihrem Herzen folgen. Endlich wollte sie ihre Jugendträume verwirklichen.

Dan Crenshaw war seit ihrem dreizehnten Lebensjahr der Liebhaber ihrer Träume gewesen. Damals war er im Abschlussjahr der Highschool gewesen. Ein Footballstar. Beliebt, klug und attraktiv.

Sie hingegen hatte noch mit dem zu kämpfen, was ihre Mutter liebevoll Babyspeck nannte. Babyspeck? Mit dreizehn? Was auch immer es war, sie fühlte sich dick und schwerfällig zwischen ihren Freundinnen. Die dicken Brillengläser hatten es nicht gerade besser gemacht.

Natürlich sah sie seit Jahren nicht mehr so aus. Schon als sie das College besuchte, war sie schlank und trug Kontaktlinsen. Dennoch hinterließen diese frühen Jahre eine Narbe in der Psyche eines Menschen. Es gab Zeiten, da fühlte sie sich übergewichtig und hässlich, ganz gleich, was sie im Spiegel sah.

Das Kleid sollte ihr Selbstbewusstsein stärken. Stattdessen machte der freizügige Schnitt sie nervös.

Sie hörte, wie ein Stuhl zurückgeschoben wurde, und drehte sich langsam um.

Dan stand auf! Oh nein! Nicht jetzt! Sie hatte doch noch gar nichts unternommen. Erst jetzt registrierte sie, dass er nicht zur Tür ging, sondern zur Bar schlenderte und mit dem Barkeeper sprach, der in ihre Richtung sah und lachte. Danach ging Dan den Gang hinunter zu den Toiletten.

Shannon atmete erleichtert auf. Sie hatte also immer noch die Gelegenheit, ihn anzusprechen.

Was ihr nicht leicht fallen würde. Sie hatte keine Ahnung, wie er vor seiner Ankunft hier ausgesehen hatte. Durch den Aufenthalt auf der Insel hatte seine Haut jedenfalls eine sehr attraktive Bräune angenommen. Er trug ein ärmelloses T-Shirt und eine abgeschnittene Jeans, die seinen festen Po und seine muskulösen Beine zur Geltung brachte. Seine Füße steckten in Gummisandalen.

Nicht gerade die übliche Kleidung für den Chef eines Unternehmens.

Mandy hatte recht. Es musste etwas unternommen werden. Und Shannon hatte nicht vor, bei ihrer neuesten Mission zu versagen – sie würde Dan Crenshaw vor sich selbst retten.

Als Dan von den Toiletten zurückkehrte, hatte Laramie ihm an der Bar einen neuen Drink bereitgestellt. Dan trug das Glas zwischen Daumen und Mittelfinger zu seinem Tisch.

Die Frau nippte noch immer an ihrem ersten Drink. Wein – das passte.

Er setzte sich und lehnte sich, den Stuhl auf zwei Beinen balancierend, an die Wand. Heute Abend war er in besonders schlechter Stimmung. Warum nur hatte er den verdammten Telefonhörer abgenommen?

„Was ist?“, hatte er gebrüllt, nachdem das Telefon schon den ganzen Nachmittag immer wieder geklingelt hatte.

„Meldet man sich etwa so am Telefon?“, erwiderte Mandy.

„Was willst du?“

„Du brauchst nicht so grob zu sein.“

„Und du musst nicht jeden verdammten Tag anrufen, um sicherzugehen, dass ich mich noch nicht vom Balkon gestürzt habe.“

Es folgte Stille in der Leitung, ehe Mandy schließlich sagte: „Das ist nicht besonders komisch, Dan. Und zufällig habe ich dich seit drei Tagen nicht mehr angerufen.“

„Tatsächlich? Dann hast du ja einen neuen Rekord aufgestellt. Ich schicke dir eine Medaille.“

Diesmal dauerte die Stille noch länger an. Viel länger. Endlich hörte er ein Seufzen. „Wir müssen uns unterhalten“, sagte Mandy.

„Das tun wir gerade.“

„Über DSC.“

„Ich habe dir schon gesagt, dass ich nicht über die Firma reden will.“

„Oh ja, das hast du mir deutlich genug zu verstehen gegeben, großer Bruder. Es fiel dir nicht schwer, einfach zu gehen und zu erklären, dass du Schluss machst. Aber die Welt dreht sich weiter, auch wenn du beschlossen hast, nicht mehr mitzuspielen. Du hast immer noch Verträge einzuhalten und Produktionsquoten zu erfüllen. Wenn ihr beide fort seid, du und James, gibt es niemanden mehr, der die Firma leiten kann. Du hast Rafe als Chef des Sicherheitsdienstes eingestellt. Er hat überhaupt keine Ahnung, wie er dein Unternehmen für dich leiten soll.“

„Darum hat ihn auch niemand gebeten.“

„Aber irgendjemand muss es tun! Eine nationale Arbeitsvermittlung hat sich gemeldet. Sie sagten, du hättest Kontakt mit ihnen aufgenommen, und jetzt wollen sie wegen der Bewerber Termine mit dir vereinbaren. Niemand weiß, was wir ihnen sagen sollen. Rafe ist für Einstellungsgespräche nicht qualifiziert. Sehen wir mal von den möglichen Umsatzeinbußen durch deine Abwesenheit ab, brauchen wir immer noch jemanden, der dafür sorgt, dass die bereits unterschriebenen Verträge eingehalten werden. Geschieht das nämlich nicht, wirst du mit Klagen überzogen werden. Ich kann mir jedoch nicht vorstellen, dass es dir Spaß machen würde, wieder vor Gericht zu stehen.“

„Das ist unfair, Mandy.“

„Du findest momentan alles unfair. Aber ich habe es allmählich satt, dich mit Samthandschuhen anzufassen. Rafe würde dir das niemals sagen, aber jemand muss es tun. Du musst aufhören, nur über deine Schmerzen, deinen Verlust und deine Qual nachzudenken und dir zur Abwechslung mal Gedanken über andere machen. Hast du eine Ahnung, wie viele Stunden Rafe in das Unternehmen investiert, um dich zu retten? Ich sehe ihn kaum noch. Er kommt selten vor elf nach Hause und verschwindet um sieben am nächsten Morgen schon wieder. Das ist doch keine Art zu leben. Ich weiß, dass James dich verletzt hat …“

„Verletzt? Verdammt, Mandy, hier geht es nicht um meine verletzten Gefühle. Er hat alles versucht, um mir seine Taten in die Schuhe zu schieben! Wenn Rafe nicht den Beweis für seine Beteiligung gefunden hätte, dann säße ich jetzt im Gefängnis, und nicht James.“

„Genau das sage ich ja! James war dein Freund, und er hat dich verraten. Er hat dich viel Geld gekostet und beinah die Firma ruiniert. Schön und gut. Aber er war nicht dein einziger Freund. Rafe war immer für dich da, und wir anderen haben unser Möglichstes getan, damit dir die Sache nicht so zusetzt. Du kannst nicht einfach abtauchen und dich um nichts mehr kümmern. Die Dinge erledigen sich nun einmal nicht von selbst.“

„Wieso ruft Rafe mich nicht an und sagt mir das alles?“

„Wann sollte er denn dafür Zeit haben?“

Darauf fiel Dan keine schlagfertige Entgegnung mehr ein. Er wusste, wie viele Stunden Arbeit die Firma von einem forderte. Er hatte jahrelang seine ganze Zeit investiert, unterstützt von seinem alten Studienfreund und Partner James Williams. Der sich als mieser Dieb entpuppte …

Dan wollte sich nicht daran erinnern. „Ich werde mit Rafe reden“, murmelte er schließlich.

„Wann?“

„Bald.“

„Wie bald?“

„Hör auf, mich zu drängen, Mandy. Ich sagte, ich würde mit ihm reden. Und jetzt gib Ruhe.“

„Du kannst manchmal ein solcher Idiot sein, Dan.“

„Ich liebe dich auch. Gib Angie einen dicken Kuss von ihrem Onkel Dan.“

„Gib ihn ihr selbst!“, fuhr sie ihn an und knallte den Hörer auf die Gabel.

Er versuchte, das Gespräch mit Mandy zu vergessen und konzentrierte sich wieder auf das Geschehen um ihn herum. Er konnte sich nicht erinnern, dass seine Schwester jemals so wütend auf ihn gewesen war. Er hob seinen Drink an die Lippen, um die Erinnerung fortzuspülen.

Das Problem war nur, dass Mandy recht hatte. Er war ein Idiot gewesen. Wieder einmal war Rafe für ihn eingesprungen. Er fragte sich, ob sein Freund – und jetzt auch Schwager – es nicht irgendwann satthaben würde, ihn zu retten.

Das Geräusch eines Stuhls, der auf dem Zementfußboden zurückgeschoben wurde, weckte seine Aufmerksamkeit. Dan sah von seinem Drink auf. Die Frau in dem sexy Sarongkleid stand vor seinem Tisch und schaute auf ihn herunter. Als sein Blick endlich ihr Gesicht erreichte, schenkte sie ihm ein verführerisches Lächeln.

„Du solltest hier nicht ganz allein sitzen“, sagte sie mit sinnlicher Stimme. Ohne auf eine Erwiderung zu warten, setzte sie sich ihm gegenüber und trank langsam einen Schluck Wein, wobei sie ihn nicht aus den Augen ließ.

Er stieß sich von der Wand ab, sodass sein Stuhl wieder auf allen vier Füßen stand. Er nahm einen schwachen blumigen Duft wahr, und dachte, dass der glatt von den Blumen auf ihrem engen Kleid kommen konnte. Dan blinzelte und fragte sich, ob er vielleicht eingeschlafen war, ohne es zu merken.

Aus der Nähe erkannte er, dass ihre Haut fast wie die einer zarten Porzellanfigur schimmerte. Na schön, offenbar träumte er tatsächlich. Zugegeben, er war schon eine ganze Weile nicht mehr mit einer Frau zusammen gewesen. Möglicherweise war der Alkohol schuld daran, dass er glaubte, seine Traumfrau stehe live und in Farbe vor ihm.

Er legte die Hände auf den Tisch, umfasste sein Glas und lächelte ihr zu.

Für einen kurzen Moment wirkte sie erschrocken. Dann trank sie erneut einen Schluck aus ihrem Weinglas und fuhr sich mit der Zunge nervös über die Unterlippe, eine Geste, die seine Aufmerksamkeit ganz auf ihre verlockenden Lippen lenkte.

„Ich habe Sie hier noch nie gesehen“, sagte er schließlich und hätte über diesen flachen Spruch beinah laut aufgestöhnt. Ja, er war eindeutig eingerostet, was das Flirten anging.

Sie beugte sich vor und legte ihre Hand an seine Wange. Er zuckte zusammen und wich abrupt zurück.

„Sind dir die Rasierklingen ausgegangen?“, erkundigte sie sich.

Er deutete zur Bar. „Die Rasierten finden Sie dort drüben, wenn Ihnen die lieber sind.“

Ihre Stimme klang jetzt noch sinnlicher. „Wieso sollten die mir lieber sein, Danny, wo ich doch deinetwegen den ganzen weiten Weg gekommen bin.“

Ja, er hatte entschieden zu viel getrunken. Das war die einzige Erklärung für das offenkundige Interesse dieser schönen Fremden an ihm. Die ganze Szene musste Einbildung sein. Aber woher kannte diese Frau seinen Namen?

Er musterte sie mit zusammengekniffenen Augen und fragte: „Wer zur Hölle sind Sie?“

Sie lehnte sich mit einem Lächeln zurück, das sogar Heilige in Versuchung geführt hätte. „Aber Danny, erkennst du mich denn nicht? Ich bin dein schlimmster Albtraum.“

„Oh, das glaube ich kaum“, erwiderte Dan und registrierte vage die Reaktion seines Körpers auf sie.

Die Frau betrachtete ihn eine Weile schweigend. Dann sagte sie, als würde sie mit sich selbst sprechen: „Ich denke, wir sollten dich nach Hause bringen.“ Sie stand auf und nahm seine Hand. „Gehen wir.“

Die Unterhaltungen an der Bar verstummten. Dan bemerkte, dass die meisten Gäste in seine Richtung schauten. Wieso auch nicht? Diese umwerfend attraktive Frau bat ihn, sie mit nach Hause zu nehmen. Er war noch immer nicht ganz sicher, wie er zu der Ehre kam, aber er würde auf keinen Fall ablehnen.

Langsam stand er auf und lächelte schief. „Ganz wie Sie wünschen, Süße“, sagte er.

„Mein Name ist Shannon. Kannst du dich daran erinnern?“ Sie legte ihm den Arm um die Taille und bugsierte ihn zur Tür. Er lachte. Irgendetwas musste er wohl richtig machen.

Er stieß die Tür auf und trat hinaus. Eine angenehme Brise strich vom Golf her über die Insel. Dan atmete tief ein und genoss die frische Luft nach der schwülen Hitze in der Bar.

Am Himmel leuchtete ein Halbmond und spendete genug Licht, um die Umgebung zu erkennen.

„Eine großartige Jahreszeit für einen Aufenthalt auf der Insel, nicht wahr?“, meinte er beschwingt.

Shannon trat zur Seite und beobachtete ihn, als würde sie damit rechnen, dass er hinfiel.

Er nahm ihre Hand. „Ich hatte keine Ahnung, dass der Oktober die beste Zeit auf der Insel sein würde. Nur wenige Touristen sind hier, das Wetter ist herrlich. Was kann man mehr verlangen?“

„Es ist November“, korrigierte sie ihn, führte ihn zu einem kleinen Sportwagen und öffnete die Beifahrertür. „Steig ein. Ich fahre dich nach Hause.“

Er gehorchte. „Gute Idee. Es ist ein langer Weg zurück. Normalerweise gehe ich gern zu Fuß, aber Sie scheinen es heute Abend ja eilig zu haben.“ Er lehnte sich in den Sitz zurück und schloss die Augen.

Shannon ging um den Wagen und stieg auf der Fahrerseite ein. Sie sah Dan an und schüttelte den Kopf. Oh Dan, was machst du nur mit dir? dachte sie. Jetzt, wo sie hier war, verstand sie Mandys Sorge.

Zum Glück konnte sie ein wenig Urlaub gebrauchen. Dan hatte recht, was die Jahreszeit betraf. Die jahreszeitlich bedingten Regenfälle hatten noch nicht begonnen, und für die Wintertouristen war es auch noch zu früh.

Mandy hatte ihr erklärt, wo sich das Apartment befand. Sie hielt am Tor. „Wie lautet der Sicherheitscode?“ Sie wartete. „Dan?“

„Hm?“

„Der Sicherheitscode.“

„Oh.“ Er ratterte die Zahlen herunter. Sie hoffte, dass es die richtigen waren. Doch das Tor schwang auf, sobald sie die Zahlen eingetippt hatte. So weit, so gut. Sie fuhr auf den Parkplatz und wandte sich erneut an Dan.

„Okay, großer Junge. Jetzt musst du mir helfen.“

Dan öffnete die Augen, setzte sich auf und schaute sich um. „Ich schlafe dauernd ein. Oder ich wache dauernd auf.“ Er sah sie an und grinste breit. „Oh ja. Sie gehören eindeutig zu meinem Traum.“

Shannon versuchte nicht die Augen zu verdrehen. Sie stieg aus und ging auf seine Seite. Es gelang ihm, allein auszusteigen. Er nahm ihre Hand und zog sie förmlich zum Eingang des Gebäudes. Ein Wachmann erkannte ihn und öffnete ihm die Tür.

„Guten Abend, Mr. Crenshaw“, begrüßte ihn der Mann.

„Ebenso“, erwiderte Dan. Er marschierte zu den Fahrstühlen und drückte den Knopf. Die Tür ging sofort auf. Mit der ihm eigenen Höflichkeit bedeutete er Shannon einzusteigen und folgte ihr.

„Welches Stockwerk?“, fragte sie.

„Das oberste.“

„Hm. Das muss eine tolle Aussicht sein.“

„Ja, nicht schlecht.“

Sie schwiegen, bis sich die Türen wieder öffneten. Dan ging voran und kramte in den Taschen seiner kurzen Jeans nach dem Schlüssel. Nachdem er die Tür aufgeschlossen hatte, vollführte er eine einladende Geste mit der Hand. „Willkommen in meiner bescheidenen Bleibe.“

Bescheiden war diese Bleibe keineswegs zu nennen. Sie funkelte von Chrom, Glas und Spiegeln. Ein großer Berberteppich erstreckte sich über den gesamten Fußboden. Shannon sah einen langen Balkon, der sich um das ganze Apartment zog.

„Was möchten Sie trinken?“, wollte Dan wissen.

Sie drehte sich um. Dann stand hinter einer Hausbar und hielt eine Flasche hoch. Sie lächelte und war trotz der Umstände amüsiert. „Nein danke. Vielleicht später.“

Er schenkte ihr erneut ein charmantes Lächeln, von dem sie weiche Knie bekam. „Möchten Sie auch die anderen Räume sehen?“

Sie faltete die Hände in Höhe ihrer Taille und nickte. „Gern.“

Er führte sie rasch durch das Esszimmer und die luxuriös ausgestattete Küche. Shannon warf einen kurzen Blick in den Kühlschrank und die Speisekammer. Beide waren leer.

Es gab drei Schlafzimmer, jedes mit einem eigenen Bad. Nun, das wird die Dinge ein wenig leichter machen, dachte sie und folgte ihm ins Hauptschlafzimmer.

Die Aussicht von dort war spektakulär. Er konnte im Bett liegen und den Mond beobachten, wie er am Himmel seine Bahn zog.

Dan schloss den Lamellenvorhang und drehte sich zu ihr um. „Wie sagten Sie, ist Ihr Name?“

„Shannon.“

„Hübscher Name.“

„Danke.“

„Woher kennen Sie meinen Namen?“

„Das war nicht schwierig, da ich dich schon fast mein ganzes Leben lang kenne.“ Sie ging zu dem zerwühlten Bett und strich die Decke glatt, bevor sie sie aufschlug. „Wieso legst du dich nicht ein wenig hin? Wir unterhalten uns morgen weiter.“

Er ging schwerfällig auf sie zu und sagte: „Ich glaube nicht, dass wir beide viel Schlaf bekommen werden, oder?“ Er umarmte sie und presste seinen Mund auf ihren.

Damit hatte sie nicht gerechnet. Sie versuchte, ihn wegzuschieben. Der Kuss veränderte sich und ging in ein zärtliches Erkunden ihres Mundes über, und Shannon entspannte sich in seinen Armen.

Schließlich war es Dan. War dies nicht seit Jahren eine ihrer Fantasien? Aber das brauchte er nicht zu wissen. Und sie würde nichts tun, was ihn glauben ließ, dass er sie erfolgreich verführt hatte.

Sie entwand sich seiner Umarmung und wich zurück. Sie versuchte ihre Fassung wiederzugewinnen und zu Atem zu kommen. Er sollte nicht wissen, wie wenig Erfahrung sie in solchen Dingen hatte.

Durch ihre plötzliche Flucht verlor er das Gleichgewicht. Zum Glück fiel er vorwärts und landete mit dem Gesicht auf dem Bett.

Er rührte sich nicht mehr.

Vorsichtig näherte sie sich ihm. Er lag ausgestreckt auf dem Bett, den Kopf in den Kissen. Ein Fuß ragte über die Bettkante hinaus. Er hatte seine Gummisandalen verloren. Sie betrachtete ihn einen Moment und beschloss dann, ihn dort liegen zu lassen. Sie breitete eine leichte Decke über ihm aus, verließ das Zimmer und schloss leise die Tür hinter sich.

Im Wohnzimmer entdeckte sie das Telefon. Jetzt war eine gute Gelegenheit, mit Mandy Kontakt aufzunehmen. Sie nahm das schnurlose Telefon mit auf den Balkon, setzte sich in einen der bequemen Sessel und wählte Mandys Nummer.

Als Mandy sich meldete, sagte sie: „Hallo, hier ist Shannon. Mission erfüllt. Ich habe Dan heute Abend gefunden.“

Mandy seufzte erleichtert. „Dem Himmel sei Dank. Wie geht es ihm?“

Shannon grinste. „Er scheint sich den Einheimischen angepasst zu haben. Er mag zwar nicht bis in die Südsee gelangt sein, aber er sieht aus wie ein typischer Strandräuber.“

„Ist er dünner geworden?“

„Das kann ich dir nicht sagen. Immerhin habe ich ihn seit einigen Jahren nicht gesehen. Ich finde, er sieht ganz gesund aus.“

„Ich habe mir solche Sorgen gemacht. Es ist mir heute im Lauf des Tages gelungen, ihn zu erreichen. Aber wir hatten einen furchtbaren Streit.“

„Mir hat er keine Schwierigkeiten gemacht. Ich habe ihn in einer Bar aufgespürt und vorgeschlagen, zu ihm zu fahren.“

„Gut. Hat er dich wieder erkannt?“

„Soll das ein Witz sein? Er hat nicht die leiseste Ahnung, wer ich bin oder weshalb ich hier bin. Ich fürchte, morgen früh wird er nicht mehr so glücklich sein, mich zu sehen.“

Mandy seufzte erneut. „Ich weiß wirklich nicht, was ich noch machen soll. Rafe ist auch keine Hilfe. Er sagt, jeder im Unternehmen hat Verständnis für die Situation. Zum Glück gibt es gute Abteilungsleiter, die selbstständig arbeiten können.“

„Ich verstehe deine Besorgnis. Schließlich habe ich selbst zwei große Brüder. Wenn einer von ihnen so den Halt verlieren würde, wäre ich auch krank vor Sorge.“

„Ich kann dir gar nicht sagen, wie dankbar ich dir dafür bin, dass du dich für mich um ihn kümmerst.“

Shannon lachte. „Ich fürchte, der Job wird morgen früh erst richtig schwierig. Aber ich werde schon mit ihm fertig. Wie ich schon sagte, ich bin es gewohnt, mit meinen Brüdern zurechtzukommen.“

„Ich hoffe, du kommst auch dazu, die Insel zu genießen.“

„Das habe ich vor. Schließlich war ich seit fünf Jahren nicht mehr hier. Ich werde mich ernsthaft dem Sonnenbaden widmen.“

„Ich bin sicher, dass Dan dir danken wird für das, was du für ihn getan hast, sobald er sich wieder gefangen hat.“

„Da bin ich mir nicht so sicher. Aber ich hätte noch immer gern eine der freien Stellen in seiner Firma. Wenn er also wirklich so dankbar sein sollte, kann er mich einstellen.“

„Aha“, sagte Mandy lachend, „da kommen also deine wahren Motive zum Vorschein.“

„Absolut. Allerdings wird er mich nach diesem kleinen Ausflug vermutlich nicht mehr ansehen wollen. Aber das macht auch nichts. Als ich anbot, dir zu helfen, war ich ohne Job. Er kann mich nicht feuern, da er mich nicht eingestellt hat.“

„Er wird wütend sein, wenn er herausfindet, dass ich dich zu ihm geschickt habe.“

„Von mir wird er es nicht erfahren. Wir bleiben in Kontakt. Pass auf dich auf. Ich melde mich bald wieder bei dir.“

Shannon beendete das Gespräch, suchte den Apartmentschlüssel und ging hinunter zu ihrem Wagen, um ihr Gepäck aus dem Kofferraum zu holen. Der Wachmann half ihr dabei, die Sachen in den Fahrstuhl zu tragen.

Auf der Fahrt nach oben fragte sie sich, was der Mann wohl dachte, da Dan nicht mit hinuntergekommen war, um ihr zu helfen. Vielleicht sollte sie sich ihm als Dans Schwester vorstellen. Nicht dass es eine Rolle spielte, was er dachte. Es sei denn, Dan wollte seinen Ruf wahren.

Zurück im Apartment entschied sie sich für eines der Gästezimmer und packte ihre Sachen aus. Anschließend duschte sie und machte sich fertig zur Nacht. Morgen würde sie als Erstes in den Supermarkt gehen. Nun, vielleicht nicht als Erstes. Ihre Lieblingsbeschäftigung bei ihren Aufenthalten auf der Insel war es, im Morgengrauen aufzustehen und zur Mole zu gehen, um den Sonnenaufgang zu beobachten.

So früh würde Dan sich vermutlich noch nicht rühren. Danach würde sie anfangen, ihm seinen Aufenthalt auf der Insel zur Hölle zu machen.

Wofür hatte man schließlich Freunde?

2. KAPITEL

Ja, das habe ich an der Insel vermisst, dachte Shannon am nächsten Morgen, als sie am Strand entlangschlenderte. Ein paar Frühaufsteher waren ebenfalls unterwegs – manche joggten, andere suchten nach Muscheln. Sie atmete tief ein und genoss den frischen Geruch des Meeres.

Shannon hatte in den letzten drei Jahren in St. Louis gearbeitet und den Winterurlaub auf den Skipisten Colorados verbracht. Die sinnliche Erfahrung, barfuß über feuchten, festen Sandstrand zu gehen, hatte ihr gefehlt.

Bei ihrem Einkaufsbummel gestern hatte sie sich einen Bikini mit einem dazu passenden T-Shirt gegönnt. Bevor sie an diesem Morgen das Apartment verließ, hatte sie sich die Zeit genommen, ihre Haare zu einem schlichten Zopf zu flechten. Beim Blick in den Spiegel hatte sie festgestellt, dass sie zu blass war. Sobald sie ihre Aufgaben für heute erledigt hatte, würde sie sich ausgiebig sonnen.

Bis dahin begnügte sie sich damit, besonders schöne Muscheln zu suchen. Als sie die Mole erreichte, hatte sie eine hübsche Sammlung zusammen.

Sie kletterte auf einen der Granitblöcke, aus denen die Mole bestand, damit sie die Fahrrinne zum Hafen überblicken konnte. Pelikane und Silberreiher fischten im Wasser.

Sie entdeckte auch Männer, die ihre Angelruten zu beiden Seiten der Mole ausgeworfen hatten. Shannon ging das kurze Stück hinaus und fand einen Platz, wo sie sitzen und den Sonnenaufgang beobachten konnte. Sie genoss den Anblick zutiefst.

Doch irgendwann wurde es Zeit für sie, den Tag zu beginnen. Widerstrebend und mit dem Vorsatz, zum Sonnenuntergang wieder hier zu sein, stand sie auf und konzentrierte sich auf den Grund ihres Besuches auf der Insel – Dan Crenshaw.

Als sie das Apartment wieder betrat, lauschte sie. Doch in seinem Zimmer war alles ruhig. Vorsichtig öffnete sie die Tür, spähte in die Dunkelheit hinein und sah, dass Dan noch schlief.

Gut. Eines nach dem anderen. Shannon schrieb rasch eine Einkaufsliste und ging zum Supermarkt. Nachdem sie das Nötigste eingekauft hatte, kehrte sie zum Apartment zurück. Dan rührte sich noch immer nicht.

Shannon kochte Kaffee, briet Speck und kochte Kräutertee, da er heute Morgen vermutlich Kopfschmerzen haben würde.

Die Sonne stand inzwischen in voller Pracht am Himmel und durchflutete das riesige Wohnzimmer mit Licht. Shannon klopfte leise an Dans Tür. Da er nicht antwortete, trat sie in sein Zimmer.

Er lag auf dem Rücken, die Arme von sich gestreckt. Er sah sehr gut aus, zumindest soweit sie es in dem Dämmerlicht erkennen konnte.

Sie stellte den Becher mit dem dampfenden Tee neben das Bett und ging zum Fenster.

„Was zur Hölle … Machen Sie die Vorhänge zu!“, fuhr Dan sie an. „Was soll das?“

Sie drehte sich um. Dan saß im Bett, die Ellbogen auf die angewinkelten Knie gestützt, die Hände vor dem Gesicht.

„Guten Morgen!“, rief sie gut gelaunt. „Ich habe dir etwas zu trinken gebracht.“

Beim Klang ihrer Stimme hob er abrupt den Kopf. „Wer … was tun Sie hier?“

Sie verschränkte die Hände hinter dem Rücken und erwiderte grinsend: „Na ja, du hast mich eingeladen zu bleiben. Erinnerst du dich denn nicht mehr?“

Statt zu antworten, stöhnte er nur.

Sie nahm die Tasse. „Hier. Das müsste helfen.“

Mit zitternder Hand griff er danach. Er roch daran und verzog das Gesicht. „Was ist das?“

„Mein Spezialrezept gegen feuchtfröhliche Nächte.“

„Ich verbringe keine feuchtfröhlichen Nächte“, entgegnete er.

„Freut mich zu hören.“ Sie wandte sich ab. „Das Frühstück ist fast fertig.“

„Gütiger Himmel, das Zeug schmeckt ja entsetzlich! Wollen Sie mich etwa vergiften?“

Sie blieb an der Tür stehen und schaute über die Schulter. „Das wäre eine Idee. Wenn du so zimperlich bist, dann trink es nicht.“ Sanft schloss sie die Tür hinter sich.

Dan fühlte sich wie in einem Albtraum. Er konnte sich an den gestrigen Abend in der Bar nicht mehr genau erinnern. Er konnte sich auch nicht daran erinnern, wie er zurück in sein Apartment gekommen war. Und schon gar nicht konnte er sich an die Frau erinnern, die gerade sein Schlafzimmer verlassen hatte.

Sie trug gelbe Shorts, die ihre wohlgeformten Beine sehen ließ, ein gelbes Trägertop mit tiefem Ausschnitt und lange bunte Papageienohrringe. Die schwarzen Haare hatte sie zu einem komplizierten Zopf zusammengebunden, und ihre dunklen Augen funkelten amüsiert.

Was zum Teufel ging hier vor?

Er zwang sich, den bitteren Kräutertee zu trinken. Nicht, dass er das wollte oder brauchte. Sicher, er hatte fürchterliche Kopfschmerzen, aber das musste daran liegen, dass er gestern zu viel Sonne abbekommen hatte.

Er ertastete sich seinen Weg ins Badezimmer und starrte in den Spiegel. Wieso hatte er letzte Nacht in seiner Kleidung geschlafen?

Wenigstens garantierte das eines – er hatte nicht mit der verführerischen Fremden geschlafen, die sich in seinem Apartment offenbar schon wie zu Hause fühlte. Wieso konnte er sich nicht an sie erinnern?

Bei diesem Gedanken sah er sich plötzlich in der Bar sitzen und eine exotisch aussehende Frau in einem langen roten Sarongkleid hereinkommen. Aber das war alles, was ihm wieder einfiel. Vielleicht hatte er doch ein wenig zu viel getrunken. Er wusste auch nicht mehr, ob er seine Rechnung bezahlt hatte. Allerdings war das kein Problem, da er sie heute Abend bezahlen konnte, wenn er dort war. Die Bar war in letzter Zeit sein Stammlokal geworden.

Er zog sich aus und ging unter die Dusche. Er brauchte etwas, was ihn in Gang brachte. Irgendwie würde er der unbekannten Frau erklären müssen, dass sie nicht bei ihm bleiben konnte.

Er hatte nie viel Zeit für Beziehungen gehabt, besonders in den letzten Jahren. Eine gelöste Verlobung war ihm eine wertvolle Lektion gewesen: Die meisten Frauen wollten mehr Zeit und Aufmerksamkeit von ihm, als er zur Verfügung hatte. Er schloss die Augen und hielt das Gesicht unter den Wasserstrahl.

Seit Langem schon hatte er nicht mehr an Sharon gedacht. Als sie die Hochzeit wenige Wochen vor dem festgesetzten Termin absagte, war er sehr erschüttert gewesen. Erst Monate später erkannte er, dass er auf diese plötzliche Entscheidung einfach nicht vorbereitet gewesen war. Sharon hatte nie auch nur angedeutet, dass es ein Problem gab. Dabei hatte er die vielen Überstunden nur wegen der dreiwöchigen Hochzeitsreise gemacht, die sie geplant hatten.

Damals war ihm klar geworden, wie wenig er die Frauen verstand. Beruflich kam er hervorragend mit ihnen zurecht, aber privat hatte er mit ihnen Schwierigkeiten, weil er sie einfach nicht verstand.

Was war letzte Nacht nur mit ihm geschehen, dass er einen Korb riskiert hatte, indem er diese Frau zu sich nach Hause einlud? Und wieso hatte sie Ja gesagt?

Als er fertig war mit duschen, war er entschlossen, ein paar Antworten zu bekommen. Zuerst musste er sich jedoch rasieren. Nachdenklich rieb er sich das Kinn. Momentan konnte er als Käpt’n Blackbeard durchgehen. Das war nicht ganz der Stil, den er sich vorstellte, nicht einmal hier auf der Insel.

Das Rasieren dauerte länger als gewöhnlich, und Dan fragte sich, wann er sich zuletzt rasiert hatte.

Ihm knurrte der Magen. Schon lange war er nicht mehr so hungrig gewesen. Vielleicht hatte es etwas mit dem schrecklichen Kräutertee zu tun.

Er kehrte ins Schlafzimmer zurück und zog sich einen Slip und eine verwaschene Jeans an. Dann nahm er eins seiner letzten sauberen Sweatshirts aus der Schublade und beschloss, heute ein paar Sachen zu waschen.

Als er die Schlafzimmertür öffnete, roch er den himmlischen Duft von Kaffee und Speck. Er ging in die Küche und sah, dass der kleine Tisch für zwei gedeckt war.

„Gut siehst du aus“, begrüßte ihn die Frau.

Dan rieb sich unsicher das Kinn. „Danke“, murmelte er und betrachtete den Tisch. „Das ist wirklich nett von Ihnen, aber so viel Mühe brauchten Sie sich nicht zu machen.“

„Es war keine Mühe.“ Sie goss ihm ein Glas Orangensaft ein und reichte es ihm. „Wie möchtest du deinen Kaffee?“

„Schwarz.“ Dan war nach wie vor verwirrt. Er hätte schwören können, dass er diese Frau nicht kannte. Trotzdem duzte sie ihn weiterhin und benahm sich, als würden sie seit Jahren zusammenleben.

Er setzte sich, und sie stellte ihm einen Teller hin. Sein Magen vollführte einen kleinen Salto, und Dan schloss die Augen. „Ich bin nicht so sicher …“, begann er, doch sie unterbrach ihn.

„Iss. Das ist die beste Medizin gegen deine Beschwerden. Du wirst erstaunt sein, wie viel besser du dich fühlst, wenn du etwas Vernünftiges im Magen hast.“

Er rieb sich die Stirn, hinter der es noch immer pochte. Einem Streit war er jetzt auf keinen Fall gewachsen. Er hob seine Kaffeetasse und trank einen Schluck.

Ja, das half.

Er zwang sich, der Frau, die ihm gegenübersaß, in die Augen zu sehen. Ihre Größe, Form und Farbe faszinierte ihn. Sie waren groß, dunkel und leicht mandelförmig, was der Fremden ein exotisches Aussehen verlieh. Er schüttelte rasch den Kopf. Was spielte es für eine Rolle, wie ihre Augen aussahen?

„Meine Erinnerung an letzte Nacht ist ein wenig verschwommen“, gestand er schließlich.

Auf ihrem Gesicht erschien ein strahlendes Lächeln. „Oh, es gibt absolut nichts, wofür du dich entschuldigen müsstest, Dan. Du warst wundervoll! Das werde ich nie vergessen.“

Er lehnte sich zurück und sah sie verwirrt an. „Wundervoll?“

Sie nickte begeistert und begann zu essen.

„Was genau habe ich denn getan, das so wundervoll war?“

Sie kaute zu Ende und trank einen Schluck Saft. „Na ja“, meinte sie zögernd. „Ich könnte gar nicht benennen, was es im Einzelnen war.“

„Versuchen Sie es“, drängte er sie und beschloss, den Toast und den Speck zu probieren. Nach dem ersten Bissen stellte er erleichtert fest, dass es nicht nur sehr gut schmeckte, sondern auch in seinem Magen bleiben würde. Er schöpfte neuen Mut.

„Nun, du hast mich einfach umgehauen. Ich konnte dir nicht widerstehen. Ich …“ Sie hielt inne. „Du glaubst mir nicht, oder?“

„Kein Wort“, bestätigte er und aß ein Stück Ei mit Speck.

„Aha.“

„Also, was soll das Ganze? Wer sind Sie, und was machen Sie hier?“

Sie betrachtete ihn eine Weile. Dann seufzte sie und sagte: „Du erinnerst dich wirklich nicht an mich, nicht wahr?“

Er aß den letzten Bissen Ei und nahm sich noch eine Scheibe Toast. „Ich erinnere mich gut genug, um zu wissen, dass ich weder unwiderstehlich noch umwerfend gewesen bin. Ich hatte Mühe genug, mich nicht selbst umzuwerfen.“

Sie lachte, und es überraschte Dan. Sie hatte ein fröhliches, heiseres Lachen, das ihm einen Schauer über den Rücken jagte. Er richtete sich auf und griff nach der nächsten Toastscheibe.

Shannon stand auf und schenkte ihnen beiden Kaffee nach. Als sie wieder saß, stützte sie das Kinn in die Hände und fragte: „Kannst du dich an Buddy Doyle erinnern?“

Er starrte sie an und überlegte zum ersten Mal, ob sie möglicherweise eine Geisteskranke war. Wenn ja, musste er sehr behutsam mit ihr umgehen.

„Buddy Doyle?“, wiederholte er.

„Ja.“

„Der einzige Buddy Doyle, den ich kenne, war ein Kerl auf der Highschool. Er war drei Jahre lang einer der besten Verteidiger in unserem Footballteam.“

Sie lächelte, als hätte er ihr eine Freude gemacht. „Das ist Buddy. Ich bin seine jüngere Schwester, Shannon.“

„Buddy Doyle ist Ihr Bruder?“

„Ja.“

„Und was hat Buddy Doyle damit zu tun, dass Sie hier bei mir sind?“

„Absolut nichts.“

„Ich verstehe.“ Er wünschte, es wäre so. Diese Geschichte wurde mit jeder Minute bizarrer.

„Ich war ein paar Klassen unter dir“, erklärte sie.

„Stammen Sie aus Wimberley?“

„Dort bin ich zur Schule gegangen. Wir hatten eine Ranch südlich davon.“

Dans Ranch lag nördlich von Wimberley. Er konnte sich nicht an Shannon erinnern. Aber wenn sie zusammen zur Schule gegangen wären, würde er das noch wissen. Sie gehörte nicht zu der Sorte Frau, die ein Mann so rasch wieder vergaß.

„Was machen Sie hier?“

„Ich bin vor Kurzem wieder nach Texas zurückgekehrt und suche einen Job. Ich habe mich auf eine Anzeige in einer Zeitung aus Austin beworben und dabei festgestellt, dass du der Besitzer des Unternehmens bist. Leider hörte ich, dass du Ferien machst. Und da ich selbst seit Jahren keinen Urlaub mehr gemacht habe, wollte ich für ein paar Tage auf die Insel kommen. Du kannst dir mein Erstaunen sicher vorstellen, als ich dich gestern Abend an der Bar entdeckte. Es war, als hätte das Schicksal uns zusammengeführt.“

Langsam ließ er das Besteck sinken und legte es auf seinem inzwischen leeren Teller zusammen. „Habe ich das richtig verstanden? Sie sind hier wegen eines Vorstellungsgesprächs?“

Sie lachte. „Oh nein. Ich will mich hier erholen. Ich werde warten, bis du wieder in Austin bist, und dann einen Termin für ein Bewerbungsgespräch vereinbaren.“

„Ich habe keine Ahnung, wann ich wieder zurück sein werde.“

„Ich werde warten.“

Er ahnte nichts Gutes. „Ich will ja nicht unhöflich sein, Miss Doyle, aber ich möchte nicht, dass Sie hier bleiben.“

Sie strahlte nach wie vor. „Mein Name ist Shannon, und ich verspreche, dir nicht im Weg zu sein. Ich werde dir deine Mahlzeiten zubereiten und ein wenig Hausarbeit für dich erledigen. Du hast ein hübsches Apartment. Es wird ein Vergnügen werden.“

„Hören Sie, wenn Sie Geld für ein Motel brauchen, kann ich Ihnen bestimmt aushelfen.“

„Das ist wirklich nett, aber das hier genügt mir vollkommen. Mach ruhig weiter wie bisher. Tu einfach so, als sei ich nicht da.“ Und damit sprang sie auf und räumte das Geschirr ab. Dan saß benommen da.

Zugegeben, er verstand zwar nicht viel von Frauen, aber diese hier war schon reichlich unverschämt.

„Erwarten Sie etwa, dass ich mit Ihnen schlafe?“, fragte er kühl.

Sie wirbelte herum und starrte ihn einen Moment an. Dann lächelte sie keck. „Nein. Das war nicht Teil der Abmachung.“

„Dann wäre es vielleicht besser, wenn Sie mir die Abmachung erklären.“

„Ich werde deine Haushälterin sein, bis du bereit bist, nach Austin zurückzukehren.“

„Sie müssen den Verstand verloren haben“, murmelte Dan. „Ich brauche keine Haushälterin.“

Sie tätschelte seine Hand. „Ach, warten wir mal ab, wie es in den nächsten Tagen läuft. Einverstanden?“

„Nein! Ich bin nicht einverstanden! Ich bin hierher gekommen, um allein zu sein. Und Alleinsein schließt eine Haushälterin aus.“

„Keine Sorge. Du wirst nicht einmal merken, dass ich da bin.“

„Ganz bestimmt“, spottete er.

„Was machst du gewöhnlich um diese Tageszeit, Dan?“

Musste sie so verdammt vernünftig sein? Ihm war momentan absolut nicht danach zumute. Bevor er sprach, holte er tief Luft und nahm sich zusammen. „Normalerweise schlafe ich um diese Uhrzeit“, erklärte er mit zusammengebissenen Zähnen.

„Dann weißt du ja jetzt, was dir bisher entgangen ist. Du solltest mir dankbar dafür sein, dass ich dich geweckt habe. Wie wäre es morgen bei Sonnenaufgang mit einem Spaziergang am Strand? Das ist mir die liebste Zeit auf der Insel. Es wird dir gefallen.“

„Haben Sie mir nicht zugehört? Ich will Sie nicht hier haben!“

Sie belud die Spülmaschine und drehte sich wieder zu ihm um. „Keine Sorge. Du wirst dich schon an mich gewöhnen.“ Und dann verließ sie summend das Zimmer.

Dan saß da und kochte vor Wut.

Das reichte. Er würde den Wachdienst verständigen und sie hinauswerfen lassen.

Oh, sicher, das wird gut aussehen. Den Wachdienst bestellen, damit der eine Frau aus seinem Apartment warf, die ihm kaum bis zur Schulter reichte. Als wäre sie irgendeine Bedrohung für ihn.

Sie war tatsächlich eine Bedrohung, und zwar für seinen Seelenfrieden. Er konnte dieses Ärgernis nicht gebrauchen. Wütend marschierte er ins Wohnzimmer und ging hinaus auf den Balkon. Der Tag sah tatsächlich recht freundlich aus. Am Strand waren nicht viele Menschen.

Vielleicht würde er schwimmen gehen. Seit seiner Ankunft war er nicht viel draußen gewesen. In der ersten Woche hatte er fast rund um die Uhr geschlafen.

Der Prozess hatte seinen Tribut gefordert. Bei der Verurteilung seines langjährigen Freundes und Geschäftspartners zu helfen, weil der die eigene Firma bestohlen hatte, war ein anstrengender Albtraum gewesen. Doch jetzt war es vorbei, und er hatte den Rest seines Lebens vor sich. Dass dieses Leben keine Richtung mehr zu haben schien, war niemandes Schuld und kümmerte ihn nicht.

Er ging wieder hinein und durch den Flur zu seinem Schlafzimmer. An der Tür begegnete ihm Shannon, Bettwäsche und Handtücher auf dem Arm. Sie nickte ihm lächelnd zu und ging an ihm vorbei.

Na schön, möglicherweise gab es wirklich ein paar Sachen in seinem Haushalt zu erledigen. Um die Wäsche hatte er sich nicht sonderlich gekümmert. Er zog sich eine Badehose an, fand im Schrank noch ein sauberes Handtuch und verließ ohne einen Kommentar das Apartment.

Überall am Strand vor dem Apartmenthochhaus standen Liegestühle unter Sonnenschirmen. Er wählte einen freien Liegestuhl, warf das Handtuch darauf und watete ins Wasser. Er zwang sich weiterzugehen, trotz des Schocks, den das kalte Wasser seinem warmen Körper versetzte. Im Moment war es genau das, was er brauchte – eine Abkühlung und Zeit, um in Ruhe darüber nachzudenken, was er hinsichtlich seines ungebetenen Gastes unternehmen sollte.

In der Zwischenzeit telefonierte Shannon oben mit Mandy.

„Du hast ihn wütend gemacht?“, wiederholte Dans Schwester besorgt.

„Ich habe hart daran gearbeitet, und ich glaube, meine Bemühungen waren erfolgreich.“

„Das ist sicher besser als der apathische Zustand, in dem er sich vorher befunden hat.“

„Es wäre leichter für mich, wenn ich genau wüsste, was mit ihm los ist“, erklärte Shannon. „Du hast mir von einigen geschäftlichen Rückschlägen erzählt. Aber das Unternehmen scheint weiter zu wachsen.“

„Ich habe ganz vergessen, dass du in den letzten Jahren ja gar nicht hier warst. Es gab eine riesige Ermittlung in der Firma. Sie fing vor ungefähr zwei Jahren an. Offenbar zweigte Dans Partner, James Williams, heimlich Mikroprozessoren aus dem Unternehmen ab, meldete sie als gestohlen und half, sie außer Landes zu schmuggeln, damit sie an Länder im Mittleren Osten verkauft werden konnten, mit denen die USA keine wirtschaftlichen Beziehungen mehr unterhält.“

„Du meine Güte.“

„Allerdings. Und als man ihn endlich erwischte – dank Rafes detektivischer Ermittlungen –, stellte James die ganze Sache so dar, als sei Dan für die Diebstähle verantwortlich. Er hatte es sogar so arrangiert, dass man das Zeug hier auf der Ranch fand. Eine Zeit lang sah es nicht gut aus für Dan. Da Rafe jedoch wusste, dass Dan auf keinen Fall in die Sache verwickelt sein konnte, ermittelte er einfach so lange weiter, bis er auf die Wahrheit stieß. Aber es war sehr hart für Dan. Er und James waren seit Jahren befreundet. Natürlich hatte er ihm bedingungslos vertraut. Die Geschichte machte ihm sehr zu schaffen.“

„Das erklärt einiges. Vermutlich ist er jetzt ausgebrannt.“

„Das hat Rafe auch gesagt. Er meint, wir sollten ihn einfach in Ruhe lassen, bis er wieder so weit ist, sich dem täglichen Stress zu stellen.“

„Weiß Rafe, dass ich hier bin?“

„Nein. Er weiß, dass du wegen eines Bewerbungsgespräches gekommen bist. Ich glaube, du bist ihm im Büro begegnet, oder?“

„Ja. Ich kenne Rafe noch aus der Schulzeit. Ich hatte keine Ahnung, dass ihr miteinander verheiratet seid, bis er zufällig erwähnte, dass er mit Dan durch Heirat verwandt ist.“

„Ich war so froh, dass du mich angerufen hast“, meinte Mandy. „Es tat gut, nach all der langen Zeit wieder etwas von dir zu hören.“

„Ja, darüber bin ich auch froh. Wir hatten viel nachzuholen.“

„Rafe wird mich umbringen, weil ich dich dazu ermutigt habe, auf die Insel zu fliegen. Aber das ist mir egal. Ich fühle mich gleich viel besser, jetzt, wo ich weiß, dass jemand bei Dan ist. Es ist schon ein ermutigendes Zeichen, dass er nicht mehr zu gleichgültig ist, um wütend zu werden. Gestern wurde er wütend auf mich, und heute auf dich.“

Shannon lachte leise. „Ich habe so eine Ahnung, dass ich ihn noch eine Weile länger auf die Palme bringen kann, zumindest bis er mich hinauswirft.“

„Halt durch, Shannon. Und danke noch mal, dass du dich um ihn kümmerst.“

„Kein Problem. Dan war mir nie gleichgültig. Allerdings habe ich ihn immer auf einen Sockel gestellt. Es ist gut, ihn jetzt als einen ganz normalen Menschen mit Fehlern und Schwächen zu erleben.“

Mandy lachte erneut. „Ja. Aber wenn man jemanden auf ein Podest stellt, hat man eine bessere Aussicht auf seinen Po. Auch wenn Dan manchmal ein Mistkerl sein kann.“

„Na ja, ich habe sein Apartment fast aufgeräumt. So unordentlich ist er gar nicht. Sobald ich mit dem Berg Wäsche fertig bin, werde ich mich in die Sonne legen und deinen Bruder noch ein wenig ärgern.“

„Danke, dass du dich heute Morgen gemeldet hast. Ich habe zum ersten Mal, seit er weg ist, gut geschlafen. Du bist wirklich ein Geschenk des Himmels.“

„Dan sieht das anders. Aber darum kümmern wir uns später. Bis dann.“

Nach dem Zusammenlegen der Wäsche zog Shannon sich einen Bikini an und cremte sich mit Sonnenmilch ein. Dann nahm sie ein Handtuch und einen Roman, den sie mitgebracht hatte, schnappte sich ihre Sonnenbrille und ging nach unten.

Am Strand waren jetzt mehr Menschen als am frühen Morgen. Sie entdeckte einen freien Liegestuhl und machte es sich darauf bequem. Um sich bei ihrem ersten Sonnenbad keinen Sonnenbrand zu holen, klappte sie den Sonnenschirm auf. Durch das vom Wasser reflektierte Sonnenlicht würde sie auch so braun werden.

Eine Weile las sie, dann schlug sie das Buch zu, um ein kurzes Nickerchen zu halten, bevor es Zeit für das Mittagessen wurde. Was das Essen anging, hatte Dan Glück, da Shannon gern kochte. Dummerweise aß sie auch gern, weshalb sie einen ständigen Kampf führte, um die Pfunde wieder abzutrainieren. Der Nachteil bei ihrer geringen Größe und zierlichen Figur war, dass man sofort jedes überzählige Pfund sah.

Shannon ließ sich vom gleichmäßigen Rauschen der Wellen in einen tiefen Schlaf einlullen.

Dan hatte schon ganz vergessen, wie herrlich es war, im Meer zu schwimmen. Zwischen den küstennahen Sandbänken fand er tieferes Wasser, in dem er sich richtig verausgaben konnte. Er hatte gar nicht bemerkt, wie sehr er in den letzten Wochen außer Form geraten war. Es tat gut, seinen Körper zu fordern.

Später lief er am Strand entlang und verlor jedes Zeitgefühl, bis sein Magen anfing zu knurren. Er war tatsächlich schon wieder hungrig.

Wahrscheinlich konnte er nicht darauf hoffen, dass seine neue uneingeladene und von ihm nicht eingestellte Haushälterin verschwunden war. Nach seiner körperlichen Betätigung heute Morgen war er angenehm erschöpft. Eine gute Mahlzeit und ein Nickerchen waren jetzt genau das Richtige. Shannon war vermutlich inzwischen im Supermarkt gewesen. Also hatte sie vielleicht schon etwas zum Mittagessen zubereitet. Falls nicht, konnte er sich im Kühlschrank immer noch etwas für ein Sandwich zusammensuchen.

Er erreichte gerade das Hochhaus, als er drei Männer entdeckte, die sich mit einer Frau unterhielten. Die Frau lag auf einem der Liegestühle in der Nähe von seinem, auf dem er sein Handtuch zurückgelassen hatte. Beim Näherkommen bemerkte er, dass es Shannon war, die einem der Männer offenbar heftig widersprach. Er konnte nicht hören, was gesprochen wurde, doch er sah, wie sie den Kopf schüttelte. Für Dan war das deutlich genug.

Tja, dachte er, vielleicht merkt sie jetzt, wie es ist, wenn jemand ein Nein nicht akzeptiert.

Er betrachtete die Männer genauer. Sie sahen nicht aus wie die typischen Strandgäste. Sie waren zwar wie Urlauber mit weißen T-Shirts und Shorts bekleidet, aber noch zu hellhäutig, um allzu viel Zeit in der Sonne verbracht zu haben. Was sie jedoch eindeutig verriet, waren ihre schwarzen Socken und die Schnürschuhe.

Dan fragte sich, ob er sich einmischen sollte. Vielleicht war der Kerl jemand, mit dem sie mal ausgegangen war, und er wollte sie nicht aufgeben. Möglich war es. Wenn er nicht gerade in einer Krise stecken würde, hätte Dan sie gern in seinem Leben willkommen geheißen.

Eigenartigerweise empfand er ihr gegenüber besitzergreifende Gefühle, obwohl er sie erst seit Kurzem kannte. Die Vorstellung, dass jemand ihr nachstellte, gefiel ihm überhaupt nicht. Vor allem, da sie denjenigen nicht dazu ermutigte.

Der Mann, der auf sie einredete, packte sie plötzlich am Oberarm und zog sie hoch. Dan handelte sofort. Was immer der Kerl auf dem Herzen hatte, er hatte kein Recht, Shannon tätlich anzugreifen.

Entschlossen marschierte Dan auf die Gruppe zu. „Aufhören!“, befahl er. „So behandelt man keine Lady!“

Die anderen beiden Männer wirbelten herum und stellten sich ihm in den Weg. „Halten Sie sich da raus“, knurrte einer von ihnen. „Die Sache geht Sie nichts an.“

Dan hatte brutale Schlägertypen noch nie ausstehen können. „Alles in Ordnung?“, rief er Shannon zu.

Ihre unsichere Antwort alarmierte ihn. „Na ja, eigentlich nicht. Ich habe keine Ahnung, wer diese Männer sind und was sie wollen. Ich …“

„Verschon mich damit“, unterbrach der Mann sie, der sie am Arm festhielt. „Wir haben dir schon gesagt, dass wir nach Rick Taylor suchen. Zufällig wissen wir, dass ihr zwei mal sehr eng befreundet ward. Also versuch nicht, es abzustreiten. Du hast uns auf eine lange Jagd geschickt, Lady, also treib keine Spielchen mit mir, denn ich bin nicht in der Stimmung dafür.“

Dan wollte zu ihr, doch einer der Männer baute sich vor ihm auf. Er schubste ihn zur Seite, packte den Mann, der Shannon festhielt, und zwang ihn, sie loszulassen. „Lass sie in Ruhe“, warnte er ihn und ballte die Fäuste. Er war bereit, sich mit dem Kerl zu prügeln.

Plötzlich schrie Shannon so etwas wie eine Warnung, und im nächsten Moment verspürte Dan einen betäubenden Schmerz am Hinterkopf. Er stolperte und stürzte auf Hände und Knie, was seinen Zorn nur noch weiter anfachte. Was zum Teufel war eigentlich los? Was bildeten sich diese Schläger ein, ihn einfach anzugreifen?

Er versuchte gerade wieder aufzustehen, als er einen erneuten Schlag spürte. Diesmal ging er k. o.

3. KAPITEL

Das Erste, was Dan bemerkte, als er wieder zu Bewusstsein kam, waren Übelkeit, ein Schaukeln, und dass sein Kopf sich anfühlte, als würde er jeden Moment zerspringen.

Das Zweite, was ihm auffiel, war das Geräusch eines in der Nähe brummenden Motors und ein weiches, duftendes Kissen unter seinem Kopf. Aus diesen Bruchstücken an Informationen kombinierte er, dass er sich auf einem Boot befand und irgendwohin fuhr.

Er versuchte seinen Kopf zu bewegen und verspürte sofort einen stechenden Schmerz.

Er stöhnte.

„Oh Dan, es tut mir so leid, dass du in diesen Schlamassel hineingeraten bist. Ist alles in Ordnung mit dir?“

Shannon. Ihre Stimme würde er überall wiedererkennen. Er zwang sich, ein Auge zu öffnen, und sah Shannons Gesicht dicht über seinem. Sein Kopf lag auf ihrem Schoß.

Was zum Teufel ist bloß passiert? Da sie nicht antwortete, vermutete er, dass er die Frage nur gedacht hatte. Er befeuchte seine trockenen Lippen mit der Zunge und zwang sich, auch das andere Auge aufzumachen. „Was …“ War das seine Stimme? Er klang betrunken. Er probierte es noch einmal. „Was ist passiert?“

„Einer von diesen Männern hat dich auf den Kopf geschlagen. Zweimal! Dann haben sie dich zu einem Wagen geschleppt, wo ein weiterer Mann wartete. Er schien erstaunt, uns zu sehen, und fragte die anderen, was los sei. Er sagte, er habe ihnen nur sein Boot und seinen Wagen vermietet und dass er mit Körperverletzung und Kidnapping nichts zu tun haben wollte.

Während der Mann, der offenbar der Anführer ist, sich leise mit dem anderen unterhielt, verluden die anderen beiden dich in den Kofferraum des Wagens. Da war ich entschlossen, bei dir zu bleiben. Schließlich hatten sie kein Recht, dich zu schlagen! Sie sagten, sie seien hinter mir her gewesen. Ich habe zwar keine Ahnung, worum es geht, aber ich wollte dich auch nicht aus den Augen verlieren.“

„Wie lange war ich bewusstlos?“

Sie überlegte einen Moment. „Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, aber wahrscheinlich waren es ungefähr dreißig Minuten. Lange genug jedenfalls, dass die Typen uns zu ihrem Boot verfrachten und den Hafen verlassen konnten. Den Geräuschen nach zu urteilen, fahren wir auf den Golf von Mexiko hinaus.“

„Das soll wohl ein Witz sein“, murmelte Dan leise. „Man hat uns gekidnappt?“

Shannon strich ihm die Haare aus der Stirn. Ihre Miene war besorgt. „Ich fürchte ja.“

Er machte die Augen wieder zu. Welch eine Ironie des Schicksals! Wie oft im Leben konnte man gekidnappt werden und es überleben? Er war schon einmal entführt worden, als er herausfand, dass seine Ranch zum Schmuggel von Mikroprozessoren benutzt wurde. Mittlerweile fragte er sich, ob er vielleicht ein Schild auf der Stirn trug, das ihn als geeignetes Opfer für Kidnapper auswies.

„Wer sind diese Leute?“, wollte er nach einigen Minuten des Schweigens wissen.

„Ich habe keine Ahnung. Ich habe sie noch nie zuvor gesehen. Sie könnten aus St. Louis sein, weil sie mich nach Rick fragten.“

„Wer ist Rick?“

Sie seufzte. „Rick Taylor. Ich bin ein paarmal mit ihm ausgegangen und habe dann mit ihm Schluss gemacht. Danach entwickelte er sich zur reinsten Plage, bis ich entschied, dass es sich nicht mehr lohnte, dort zu bleiben. Ich hatte die Probleme mit ihm und bei der Arbeit satt.“ Sie streichelte seine Wange und sein Kinn. „Also beschloss ich, nach Texas zurückzukehren und mich in der Gegend um Austin nach einem Job umzusehen. Ich kann es nicht fassen, dass ich Rick Taylors wegen noch immer Ärger habe!“

Dan betastete vorsichtig seinen Hinterkopf. Als er seine Finger betrachtete, waren sie voller Blut. „Sie haben Ärger?“

Er musste zugeben, dass es seine Schmerzen linderte, so bei ihr zu liegen. Und wann immer er diesen besonderen Blumenduft roch, würde er an sie denken.

„Erzählen Sie mir von diesem Rick“, forderte er sie auf, in der Hoffnung, dass es ihn von seinen Kopfschmerzen ablenken würde.

„Na ja, er war sehr gut aussehend, charmant, und schien viel Geld zu haben. Er behauptete immer, er sei im Investmentgeschäft. Aber ich fand das ein bisschen zu vage. Nachdem ich ein paarmal mit ihm ausgegangen war, wurde er richtig unangenehm. Er machte mich nervös. Einige der Leute, mit denen er sich umgab, gefielen mir nicht.“

„Falls diese Kerle dazugehören, kann ich das voll und ganz verstehen.“

„Wie gesagt, ich habe diese Männer noch nie zuvor gesehen.“

„Aber die scheinen zu glauben, dass Sie Rick kennen. Das klingt, als würde er vermisst.“

„Ich habe seit drei Monaten nicht mehr mit Rick gesprochen, also habe ich nicht die leiseste Ahnung, wo er sein könnte. Soweit ich weiß, ist er noch in St. Louis.“

„Ich habe eher den Eindruck, dass das nicht der Fall ist, sonst hätten die Kerle nicht nach Ihnen gesucht.“ Dan versuchte sich aufzusetzen, doch ein stechender Schmerz durchzuckte seinen Kopf. Wenn er jetzt daran dachte, dass er sich heute Morgen beim Aufwachen über Kopfschmerzen beklagt hatte … Er hatte ja keine Ahnung gehabt, was echter Schmerz war.

Das war wirklich fabelhaft. Hier waren sie nun und wurden aus wer weiß was für einem Grund aufs offene Meer gebracht, mit nichts bekleidet außer ihren Badesachen. Ihm fiel auf, dass Shannon ein T-Shirt über ihrem Bikini trug, das jedoch so dünn war, dass es kaum als Kleidungsstück zu bezeichnen war.

Er dagegen hatte überhaupt nichts weiter an. Er fröstelte und hoffte inständig, nicht in einen Schockzustand zu fallen.

„Ich habe ein Handtuch gefunden“, sagte Shannon. „Damit habe ich deine Wunde versorgt. So viel Blut zu sehen hat mir richtig Angst gemacht. Jetzt scheint es besser zu gehen.“

„Ich sollte Ihnen wohl dafür danken, dass Sie sich um mich gekümmert haben“, erwiderte er, wohl wissend, dass er mürrisch klang. Aber er konnte seine Wut über die Situation, in der sie steckten, nur schwer verbergen.

„Du könntest mir auch leicht die Schuld an unserer misslichen Lage geben. Wie auch immer, wir sollten das Beste daraus machen.“

Er setzte sich mühsam auf, wobei ihm schwindelig wurde. Er hoffte inständig, dass ihm die Demütigung erspart blieb, sich übergeben zu müssen.

„Wieso liegst du nicht still? Du siehst momentan gar nicht gut aus“, meinte Shannon.

„Ich kann mir gar nicht vorstellen, wieso“, witzelte er. Sobald er aufrecht saß, stützte er den Kopf in eine Hand, während er mit der anderen das Handtuch an dem Hinterkopf gepresst hielt. Benommen sah er sich um. Sie befanden sich auf einer Art Kabinenkreuzer, der nicht mehr der neueste war. Dan fühlte das gleichmäßige Schlagen der Wellen gegen den Schiffsrumpf, und der Motor klang, als würden sie mit voller Kraft fahren.

Er wusste nicht, wie viel Zeit ihnen blieb, bevor ihre Entführer wieder auftauchten. Irgendwie musste er bis dahin bereit sein, sich und Shannon zu verteidigen.

„Hat irgendjemand erwähnt, wohin wir fahren?“, fragte er.

„Ich hörte etwas von Guardinos Jacht. So klang es jedenfalls.“ Sie stand auf und sah auf ihn herunter. „Bist du sicher, dass du dich bewegen solltest? Es war ein ziemlich heftiger Schlag.“

Er stemmte sich weit genug hoch, um sich auf eine der Bänke an dem kleinen Tisch setzen zu können. Sofort setzte sich Shannon ihm gegenüber.

„Ich werde es schon überleben. Aber in Zukunft werde ich wohl ein wenig zurückhaltender sein, wenn ich sehe, wie irgendein Kerl eine Frau belästigt.“

Sein grimmiger Ton schien sie zu amüsieren. „Immerhin hast du dich mit dreien gleichzeitig angelegt.“ In ihrer Stimme klang Bewunderung mit.

Er brauchte zwar keine Bewunderung, aber es tat seinem Ego gut, zu wissen, dass er gegen eine große Übermacht gekämpft hatte. Die Wahrheit lautete jedoch, dass er nicht im Traum damit gerechnet hätte, von den Kerlen hinterrücks angegriffen zu werden.