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Als ein Biker mit seiner Passagierin - einem jungen Mädchen, das in seiner Heimatstadt Furchtbares erlebt hat - Waashton erreicht, ist für Matt sofort klar, dass dies sein erster Einsatz für den Weltrat sein wird. Denn das Mädchen berichtet von Hexenprozessen, wie es sie zum Ende des 17. Jahrhunderts gegeben hat. Ursprung allen Übels soll das Buch eines wahnsinnigen Priesters sein: der Malleus Maleficarum, auch "Hexenhammer" genannt...
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Seitenzahl: 155
Cover
Was bisher geschah...
Im Auftrag des Weltrats
Vita Lucy Guth
Leserseite
Schwedenrätsel
Vorschau
Impressum
Am 8. Februar 2012 trifft der Komet »Christopher-Floyd« die Erde. In der Folge verschiebt sich die Erdachse, und ein Leichentuch aus Staub legt sich für Jahrhunderte um den Planeten. Nach der Eiszeit bevölkern Mutationen die Länder und die Menschheit ist – bis auf die Bunkerbewohner – auf rätselhafte Weise degeneriert.
In dieses Szenario verschlägt es den Piloten Matthew Drax, dessen Fliegerstaffel beim Einschlag durch ein Zeitphänomen ins Jahr 2516 versetzt wird. Nach dem Absturz wird er von Barbaren gerettet, die ihn »Maddrax« nennen. Zusammen mit der telepathisch begabten Kriegerin Aruula findet er heraus, dass Außerirdische mit dem Kometen – dem Wandler, der sich als lebende, schlafende Entität entpuppt – zur Erde gelangten und schuld sind an der veränderten Flora und Fauna und der Verdummung der Menschen. Nach langen Kämpfen mit den Daa'muren erwacht der Wandler, weist sein Dienervolk in die Schranken und zieht weiter. Mit zwei Daa'muren, die auf der Erde zurückblieben – Grao und Ira – haben sich Matt und Aruula sogar angefreundet.
Bei einem Abstecher zum Mars, auf dem sich eine Expedition aus dem Jahr 2010 zu einer blühenden Zivilisation entwickelt hat, erfährt Matt von der Spezies der Hydree, die vor 3,5 Milliarden Jahren hier lebten und mittels eines Zeitstrahls zur jungfräulichen Erde umzogen, als ihr Planet seine Atmosphäre und Ozeane verlor. Mit ihren Nachkommen, den telepathisch begabten Hydriten, die von den Menschen unentdeckt am Meeresgrund leben, hatte Matt schon Kontakt und nennt einen von ihnen, Quart'ol, einen guten Freund.
Diese »Tunnelfeldanlage«, die wie ein Transporter funktioniert, in dem die Zeit unendlich gedehnt werden kann, ist bis heute in Betrieb und verursachte auch den Zeitsprung von Matts Flugstaffel um 504 Jahre, als die den Strahl querte. Dabei legt der Strahl einen Tachyonenmantel um lebende Zellen, der den Altersprozess fünfzig Jahre lang drastisch verlangsamt.
Seither ist viel Zeit vergangen – wir schreiben inzwischen das Jahr 2554 –, und all die Erlebnisse unserer Helden an dieser Stelle zu schildern, wäre unmöglich. Es gibt sogar eine Erdkolonie in einem fernen Ringplanetensystem, zu dem allerdings der Kontakt abgebrochen ist. Ihre Freunde Tom, Xi und deren Tochter Xaana (die eigentlich Matts Kind ist) leben dort auf dem Mond Novis.
Nicht nur einmal haben Matthew Drax und Aruula die Erde vor dem Verderben gerettet und mächtige Feinde bekämpft – zuletzt die vampirhaften Nosfera, die die WCA (World Council Agency, kurz: Weltrat) übernehmen wollten. Auf diese Organisation traf Matt schon früh. Momentan steht ihr General Aran Kormak vor, ein in der Vergangenheit eher zwielichtiger Charakter, der sich aber gewandelt und großes Interesse zu haben scheint, Meeraka (ehem. USA) und danach andere Länder friedlich zu einen.
Auch um Kormak weiterhin im Auge zu halten, geht Matt auf seinen Vorschlag ein, zusammen mit Aruula im Auftrag des Weltrats eine schnelle Eingreiftruppe zu bilden und für ein Bündnis unter dem Dach der WCA zu werben.
Dies sind ihre Abenteuer...
Weitere Informationen und Hintergründe zur Serie findet ihr unter www.maddraxikon.de im Internet!
Im Auftragdes Weltrats
von Lucy Guth
Salem um 2549
»Feigling! Feigling!« Die Rufe der anderen jungen Männer brannten wie Feuer in Parrischs Ohren. Er wandte den Kopf und sah im fahlen Licht des Mondes ihre zu lachenden Fratzen verzogenen Gesichter hinter sich, in sicherem Abstand. Er drehte sich wieder zu dem Gebäude um. Es war verfallen, doch es strahlte Unheil aus. Das Glas des riesigen Fensters mit dem Spitzbogen zwischen den beiden hohen Türmen, die die Fassade beherrschten, war schon vor Jahren – oder Jahrhunderten? – von Steinen zerschmettert worden. Die Scherben darin glitzerten wie Reißzähne in der Nacht.
Parrisch schluckte trocken. Das Hexenhaus war verflucht, hieß es. Wer es betrat, ward nie wieder gesehen.
»Feigling!«, brüllte einer erneut. Parrisch gab sich einen Ruck, ging weiter. Und trat durch die wie ein aufgerissener Schlund gähnende Türöffnung unter dem Fenster ein.
Es gab keine knarrende Pforte und keine quietschende Angel: Die Überreste der schweren Eichentür, die ehemals den Eingang des Hexenhauses verschlossen hatte, lagen verrottend auf dem Boden. Parrisch machte noch einen Schritt, vollends ins Haus hinein.
Es war, als würde ihn das Hexenhaus verschlucken. Die Rufe hinter ihm verstummten, als hätte jemand den Burschen das Maul gestopft.
»Ihr werdet schon sehen, dass ich kein Feigling bin«, flüsterte Parrisch – und wünschte gleich darauf, er hätte den Mund gehalten: Seine Stimme klang heiser und seltsam unvertraut in dem dunklen Gang, der vom Eingang weg tiefer in die verwunschene Ruine führte.
Jeder wusste, dass das Hexenhaus verflucht war. Deswegen betrat es auch keiner, obwohl die Ruine mitten in Salem lag. Mit den beiden Türmen und den dicken Mauern wirkte es mehr wie eine trutzige Burg. Dennoch war nicht zu leugnen, dass es eine Ruine war, und in wenigen Jahren würden die Wände wahrscheinlich zusammenstürzen. Schließlich kümmerte sich niemand darum. Parrisch war wahrscheinlich seit Jahren der Erste, der es betrat.
Das erfüllte ihn mit einem gewissen Stolz, auch wenn es nicht ganz freiwillig gewesen war. Bei den anderen jungen Männern im Ort war er nicht besonders gut angesehen. Bei den jungen Frauen erst recht nicht. Er war mager und unscheinbar, hatte seit einer Krankheit in seiner Jugend zahlreiche Narben im Gesicht und auf den Armen. Seitdem er damals fast gestorben war, verhätschelte ihn seine verwitwete Mutter und ließ ihn kaum aus den Augen. Darüber machten sich die anderen immer wieder lustig.
Als er heute zum Frühlingsfest gekommen war – ohne seine Mutter, die derzeit krank darniederlag – war es zunächst nett gewesen. Saraa hatte ihn sogar angelächelt, als er am Stand ihres Vaters ein Glas Wein kaufte. Doch dann hatten ihn die anderen jungen Männer entdeckt. Sie begannen zu feixen.
»Na, darfst du überhaupt alleine aus dem Haus gehen?«, hatte der dicke Rooney gefragt und dreckig gekichert. »Musst du deiner Mami nicht die Füße massieren?«
Die anderen hatten gelacht. Parrisch hatte nicht gewusst, was er tun sollte. Er hatte zu Saraa gesehen, die das Ganze mitbekam und zu ihnen schaute. Also hatte er mitgelacht. Das hatte die Männer erst recht aufgestachelt.
»Wenn du schon so mutig bist und dich herauswagst, warum gehst du nicht gleich zum Hexenhaus?«, rief Baart.
Zuerst hatte Parrisch vehement den Kopf geschüttelt. Er war doch nicht verrückt. Alle wussten, dass man das Hexenhaus nicht betreten durfte. Und dann hatten sie begonnen, »Feigling« zu rufen ...
Jetzt, wo Parrisch im Inneren des Hauses war, erwachte seine Neugier. Er wollte sich umschauen, damit er auch etwas zu erzählen hatte, wenn er wieder herauskam. Langsam tastete er sich vorwärts.
Seine Augen gewöhnten sich rasch an die Dunkelheit, die gar nicht so dunkel war. Das alte Gemäuer und sein Dach waren so voller Risse und Löcher, dass vielmehr ein Zwielicht herrschte.
Parrisch entdeckte seltsame Tafeln mit Schrift an der Wand. Da er – dank seiner Mutter – als einer der wenigen im Ort lesen konnte, entzifferte er mit einiger Mühe die alten Worte. Er begriff, dass die Ruine zu Unrecht den Namen »Hexenhaus« trug. Vielmehr war dies ein Ort gewesen, an dem man die verderbten Frauen verurteilt und ihrem gerechten Schicksal zugeführt hatte.
Ehrfurcht ergriff Parrisch. Er bedauerte, dass man dieses Bollwerk gegen das Böse so verfallen ließ.
Er wanderte weiter durch die Räume und betrat schließlich eine große Halle. Von der gegenüberliegenden Seite des Saals starrte ihn ein Mann in einer schwarzen Robe böse an.
Parrisch schrak zurück, ehe er erkannte, dass es sich um eine lebensgroße Puppe handelte. Als Wächter stand sie auf einem Podest und überblickte den ganzen Raum. Durch das zerstörte Dach fiel schräg eine Bahn Mondlicht herein und erleuchtete vor der Puppe einen hölzernen Sockel, auf dem wie ein Heiligtum ein Buch thronte.
Parrisch stand einige Augenblicke wie erstarrt, dann ging er auf das Buch zu. Es war in altes Leder gebunden, war aufgeschlagen und hatte wahrscheinlich nur die Zeit überdauert, weil ein quadratischer Glaskasten darüber gestülpt war. Die aufgeschlagene Seite zeigte einen blutroten Schriftzug.
»Malleus maleficarum« stand dort. Worte, mit denen Parrisch nichts anfangen konnte. Die restlichen Sätze waren in einem seltsamen Englisch verfasst.
»Ob es Zauberei gebe, erste Frage«, las Parrisch. Er hob die Hände, um den Glaskasten zu entfernen. Zu seinem Erstaunen war er nicht besonders schwer – vielleicht war es kein Glas, sondern so etwas wie Plastik. Er stellte ihn zur Seite und griff nach dem Buch. Es erschien ihm schwerer als die schützende Hülle, die es zuvor umgeben hatte.
Er barg es an seiner Brust, blickte dem Eingang zurück. Nein, er würde nicht wieder hinaus zu den anderen gehen und riskieren, dass sie ihm das Buch abnahmen. Dazu war es nicht bestimmt. Dazu war er nicht bestimmt – seine Bestimmung war es, dieses Buch zu lesen, das fühlte Parrisch.
Das Buch dicht an sich gepresst, suchte er auf der Rückseite der Ruine einen Weg hinaus. Dort war niemand; alle waren auf dem Fest auf dem Marktplatz mit Ausnahme der fünf, sechs jungen Männer, die mit ihm zur Vorderseite des Hexenhauses gegangen waren. Auf der Rückseite würde ihn niemand suchen.
Er stieg durch einen klaffenden Riss in der Wand und entfernte sich vom Dorfzentrum. Er ahnte, dass es nur einen angemessenen Ort geben konnte, an dem er das Buch in Ruhe studieren konnte.
Wenig später spürte er den Sand an seinen nackten Beinen. Er hatte einen Lieblingsplatz am Strand – dort, wo sich zwei Bäume eine Wurzel teilten und man bequem darauf sitzen konnte, den Blick auf das Meer gerichtet. Das Buch lag schwer auf seinen Knien, als er es aufschlug. Er bereitete sich auf die Erleuchtung vor.
Das Buch stellte sich in der Tat als erhellend dar. Mit jedem Wort, das Parrisch in sich aufsog, wurde ihm klarer, dass Salem von Hexen bedroht war. Er wusste sofort, welche Frauen dazugehörten. Von höheren Mächten und göttlichen Wesen war die Rede. »Wie das Werk Gottes stärker ist als das des Teufels, so auch seine Macht«, las Parrisch. Er verstand nicht alles, aber er konnte sich viel zusammenreimen.
Ein leises Wispern drang an seine Ohren. Dachte er zunächst. Dann stellte er fest, dass das Wispern in seinem Kopf war. Ihm wurde klar: Die höheren Wesen sprachen zu ihm. Ruckartig hob er den Kopf.
Aus den Wellen des Meeres tauchten sie auf, langsam und majestätisch. Sie fixierten ihn mit ihren seltsamen Augen.
»Die ... die höheren Wesen«, stammelte Parrisch. Das Buch fest umklammert, fiel er auf die Knie und lauschte ihren Worten. Ehrfurcht durchflutete ihn zum zweiten Mal an diesem Abend. Er wusste, dass er erwählt worden war – als Hexenjäger von Salem.
Waashton im Jahr 2554, Gegenwart
Gemütlich schlenderten Matt und Aruula die große Straße vor dem Pentagonbunker entlang. Ihr Ziel war eine Bar am anderen Ende der Straße, die Aruula vor knapp zwei Wochen entdeckt hatte und bei der gebratene Lischetten auf der Speisekarte standen – mit ein Grund, warum Aruula ihn immer wieder überredete, in ihrer freien Zeit dorthin zu gehen.
»Es ist kaum zu glauben, dass wir zurzeit ein fast normales Leben führen«, sagte Matt und legte Aruula den Arm um die Schultern.
Die Kriegerin schenkte ihm einen Seitenblick. »Normal?«
»Na ja, ich gehe mit meiner Liebsten in der Mittagspause etwas essen.« Matt grinste schief. »Das fühlt sich für mich nach einem normalen, ruhigen Tag vor ›Christopher-Floyd‹1 an.«
»Ist das so?« Aruula schien nachzudenken. »Ein normaler Tag wäre für mich, frühmorgens auf die Jagd zu gehen, am Nachmittag mit erfolgreich erlegter Beute ins Dorf zurückzukehren, das Essen zuzubereiten und abends gemeinsam am Feuer zu sitzen und Geschichten auszutauschen.«
Ihre Worte versetzten Matt einen Stich. »Bereust du, dass Haaley statt dir Königin der Dreizehn Inseln geworden ist?«
Sie schüttelte entschieden den Kopf. »Keinen Augenblick. Und überhaupt: Was ist eine Mittagspause?«
»Die hat man zu meiner Zeit während des Jobs gegönnt, um etwas zu essen und sich von der Arbeit zu erholen.«
Sie hatten die Bar erreicht, die den klangvollen Namen »Potomacs Wasser« trug, und ließen sich an einem der Tische vor der Tür nieder. Zwar war es bewölkt und sah so aus, als könnte es jeden Moment zu regnen beginnen, aber nachdem sie einmal im Inneren der Bar gesessen und festgestellt hatten, dass man dort die Speisen am zentralen offenen Feuer zubereitete, blieben sie lieber draußen. Matt hatte nicht gerne den ganzen Tag den Geruch von Lischetten- oder Ratzenbraten in den Haaren.
Der Wirt kannte sie bereits als verlässlich zahlende Stammgäste und kam heraus, um sie zu begrüßen. Er hieß Maavill, war Anfang dreißig und hatte eine spiegelnde Glatze. Er war früher bei den Gendarmen gewesen und hatte in Erfüllung seiner Pflicht ein Bein verloren; hatte danach die Bar eröffnet. Matt hatte noch nicht herausbekommen, was ihm zugestoßen war, aber der Anteil an Gendarmen unter seinen Gästen war hoch, was für seinen Ruf sprach.
Nun grinste er sie breit an, sodass die große Lücke in seiner oberen Zahnreihe – ebenso ein Markenzeichen wie sein Holzbein – deutlich sichtbar wurde. »Maddrax, Aruula! Das Übliche?«
Wahrscheinlich meinte er das Essen, denn ihre »üblichen« Getränke, zwei Biir, stellte er bereits vor ihnen ab.
»Danke, Maavill. Wir kommen offenbar zu häufig her«, scherzte Matt, nahm den Biirkrug und prostete ihm zu.
Maavill lachte dröhnend. »Das muss an der guten Lage liegen!«
Es war bekannt, dass Matt und Aruula innerhalb des Pentagon-Geländes logierten. Ein Gerücht war allerdings, dass sie im Amphibienpanzer PROTO zu nächtigen pflegten, der auf dem Gelände abgestellt war. Stattdessen hatten sie das Angebot von Mr. Black und General Aran Kormak angenommen und waren in einen Wohnbereich im Pentagon umgesiedelt.
Matt wäre es zwar lieber gewesen, irgendwo an der Oberfläche zu leben, aber noch war man damit beschäftigt, die Schäden des Kriegs gegen die Nosfera zu beseitigen und verbarrikadierte überirdische Gebäude wieder instand zu setzen. Vor allem die Sauroiden hatten mit ihrem Alleingang die Stadt ganz schön in Mitleidenschaft gezogen.
Jetzt waren sie auf dem Rückweg nach Yucatán, in ihr Parallelwelt-Areal, mit dem sie in diese Zeit gelangt waren. Die Luftschiff-Besatzungen unter Julian Springs waren in den zwei verbliebenen Zeppelinen nach Lancaster zurückgekehrt, und die überlebenden Roboter aus Independence taten, neu programmiert, im Pentagon Dienst. Die wenigen Nosfera, die die Kämpfe überlebt hatten, waren inhaftiert worden oder geflohen und stellten keine Gefahr mehr dar, seit Matt ihren Anführer Clauzer mit einer Pumpgun erschossen hatte.2
Es hatte viele Opfer gegeben, aber derzeit herrschte tatsächlich Frieden – ein seltener Zustand in dieser postapokalyptischen Welt ...
»Was soll das überhaupt heißen, Mittagspause?«, hakte Aruula nach, als Maavill wieder hineingegangen war. Sie nahm einen kleinen Schluck von ihrem Biir. »Das müsste nach deinen Worten doch bedeuteten, dass wir beide heute schon gearbeitet haben. Was nicht der Fall ist. Stattdessen haben wir ...«
»Ich erinnere mich sehr gut«, unterbrach Matt sie und grinste. Aruula genoss es ebenso wie er, dass sie ihre Differenzen beigelegt hatten und ihrer Liebe nichts mehr im Wege stand. Vor allem, dass Aruula ihren Lauschsinn wieder zurückerlangt hatte, hatte die letzten Hindernisse in dieser Hinsicht in Luft aufgelöst.
Sie beugte sich gespannt vor. »Aber ernsthaft, Maddrax, was denkst du: Wann wird der Weltrat einen Auftrag für uns haben? Jetzt, wo wir als Botschafter und schnelle Eingreiftruppe bereitstehen.«
»Ich weiß es auch nicht«, entgegnete Matt. »Momentan sind alle froh über diese Verschnaufpause. Das solltest du auch sein.«
»Bin ich ja. Aber so langsam fällt mir – wie sagst du? – im Pentagon die Decke auf die Füße.«
»Auf den Kopf«, korrigierte Matt. »Ich denke mal, dass es nicht so weit kommt. Wie kann man nach all den Anstrengungen und Entbehrungen nur so schnell Langeweile haben?«
»Es ist keine Langeweile! Das klingt so ... dekadent«, protestierte Aruula, während Maavill kam und ihnen zwei Teller vor die Nase stellte: Lischetten am Spieß mit Brabeelensoße für Aruula und Wisaaueintopf mit Tofanen3 für Matt. Sie nahm einen der Spieße in die Hand und schnupperte genießerisch daran. »Es ist eher so, dass ich solch eine Ruhe nicht gewöhnt bin. Vor allem nicht, seit du in mein Leben gefallen bist.«
»Danke für die Blumen.« Matt griff nach dem Besteck. Er erinnerte sich noch genau an den Tag, als er nach einem Sprung durch die Zeit in den Alpen notgelandet war und Aruula ihn aus dem Stratosphären-Jet gerettet hatte. »Ich bin sicher, die Ruhe wird auch dieses Mal nicht lange anhalten. Also genießen wir einfach jede Minute davon.«
Das taten sie und ließen es sich schmecken. Matt kratzte gerade die letzten Reste Eintopf aus seinem Teller, als ein lautes Knattern die Straße heraufschallte. Er hob den Kopf. Auch Aruula wurde darauf aufmerksam und drehte sich um.
Die Straße war – zumindest nach Matts Maßstab – nicht übermäßig frequentiert. Im Jahr 2554 waren motorisierte Fortbewegungsmittel zwar nicht sehr häufig, aber auch kein so seltener Anblick.
Das Gefährt, das nun die Straße heraufkam, war jedoch so ungewöhnlich, dass ihm die Waashtoner hastig auswichen und mit großen Augen hinterher starrten: ein sehr großes Trike, das in provokativem Rot lackiert war und den Eindruck machte, nagelneu zu sein.
Das war es mit Sicherheit nicht. Doch der Fahrer, ein junger Mann mit einem Hemd im Tarnfleckmuster über dem schwarzen Muskel-Shirt, mit zerzausten dunkelblonden Haaren, die ihm bis zur Schulter reichten, machte den Eindruck, dass er diese Maschine nicht nur jeden Abend polierte, sondern ihr auch einen Gutenachtkuss gab.
Die meisten Männer – und ebenso viele Frauen – auf der Straße dürften ihn um dieses Trike beneiden. Und Erstere auch um die Blondine, die hinter ihm saß und ihre Arme um ihn geschlungen hatte. Das hüftlange honigblonde Haar flatterte hinter ihr im Fahrtwind, und sie hatte den Kopf vertrauensvoll an seine Schulter gelehnt. Ihre Augen waren geschlossen, und sie machte einen mitgenommenen Eindruck, aber alle Erschöpfung konnte ihre natürliche Schönheit nicht zunichtemachen.
Auffällig war, dass sie Kleidung trug, die nicht zum Stil ihres Begleiters passte: Der lange Rock, die weiße Schürze und das Kopftuch machten einen eher bäuerlichen Eindruck.
»Schau mal an«, sagte Matt, als das Trike vorbeiknatterte. »Ich habe das Gefühl, deine Langeweile könnte bald vorbei sein.«
»Nur weil ein Biker-Pärchen in der Stadt ist?« Aruula hob spöttisch die Augenbrauen.
Matt deutete dem Trike hinterher. »Nein, weil besagtes Pärchen genau aufs Pentagon zuhält.« Er warf ein paar Baxx4 auf den Tisch und stand auf. »Lass uns schnell hingehen und sehen, was sie wollen.«
Aruula erhob sich. »Mir scheint, du hast es ganz schön eilig, unsere Mittagspause zu beenden. Wer hat denn nun Langeweile?«
Matt antwortete nicht – er war zu gespannt auf das Trike und seine Passagiere.
Sie gingen zügig zurück zum Pentagon, wo der Trike-Fahrer gerade am Eingangstor zum Gelände mit einer der Wachen diskutierte.
»Bitte, wir sind von weither gekommen, um mit dem Weltrat zu reden. Carry hat ein wichtiges Anliegen«, sagte der Mann gerade. Die junge Frau sah ängstlich zwischen ihrem Begleiter und dem Wächter hin und her.
»Denkt ihr wirklich, hier könnte jeder aufkreuzen und verlangen, zum Weltrat vorgelassen zu werden?«, fragte der Wachmann unwirsch. »Wer seid ihr überhaupt?«