Meerglas - Tina-Maria Urban - E-Book

Meerglas E-Book

Tina-Maria Urban

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Beschreibung

Wie entgeht frau einem Accessoireflohmarkt, wenn sie doch eigentlich einen neuen Bit-Satz braucht? Wie bereitet sie eine sexy Überraschung vor, wenn die Angebetete ihr gegenüber sitzt? Und inwiefern kann dreißigjähriges Altglas dabei helfen, zu sich selbst zu finden?Mit ihrem einzigartigen leichtfüßigen Tiefgang bleibt sich Tina-Maria Urban auch im dritten Buch treu. Sie präsentiert Ausschnitte aus dem Leben von 20 Frauen, die deutlich machen, dass auch die queere Welt von Angst vor Nadeln, allzu gewagten Jazzperformances und Lass-uns-Freund*innen-bleiben-Körben heimgesucht wird.Ach ja, und: Manchmal brauchts eben mehr Meer.

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Seitenzahl: 125

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Meerglas

Neue Kurzgeschichten

Tina-Maria Urban

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Impressum:

Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Besuchen Sie uns im Internet:

www.herzsprung-verlag.de

[email protected]

© 2020 – Herzsprung-Verlag GbR + Papierfresserchens MTM-Verlag

Mühlstr. 10, 88085 Langenargen

Telefon: 08382/9090344

Alle Rechte vorbehalten

Coverbild: Tina-Maria Urban

ISBN: 978-3-86196-945-7 – Taschenbuch

ISBN: 978-3-96074-068-1 _ E-Book

Lektorat: Redaktions- und Literaturbüro MTM

www.literaturredaktion.de

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Inhalt

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„I am lucky

To be what I am!

Thank goodness I’m not

Just a clam or a ham

or a dirty jar of sour gooseberry jam!

I am what I am.

That’s a great thing to be.“

(Dr. Seuss)

Für all jene Frauen, die sich selbst suchten,

Glaubten, sich gefunden zu haben,

Um dann festzustellen, dass es gar nicht sie waren.

Innegehalten haben.

Geschaut, gestaunt, geweint, gelacht haben.

Und erneut begonnen.

Gebt niemals auf.

Tina

*

12 Vaterunser, 3 Ave-Maria (Eva)

wenn dir jemand im weg steht,

kannst du vorbeigehen.

schwierig wird’s nur,

wenn es

du selbst bist.

„Es ist so peinlich!“, rief Betti. „Das kann ich dir unmöglich erzählen.“

Eva grinste. „Du weißt schon, dass genau solche Aussagen dazu führen, dass ich es wissen will. Give me all the juicy details.“

Betti wand sich auf der Couch ihrer besten Freundin, während diese in der Küchenzeile der Wohnküche eifrig Orangen auspresste. Das Thema war der jungen Frau sichtlich unangenehm.

„Nein, das ist wirklich … so … unglaublich peinlich.“

„Du wiederholst dich.“

Eva genoss Bettis Verlegenheit, auch wenn ihr die beste Freundin gerade ein bisschen leidtat. Außerdem war ihre Neugier größer als ihre diplomatische Zurückhaltung.

„Also sag, was hast denn jetzt geträumt? Dass du jemandem ein Foto zeigen möchtest und dafür zuerst 27 peinliche Selfies weiterwischen musst? Dass du in der Oper stehst, nackt, und neben dir tauchen plötzlich all deine Angebeteten auf? Oder dass du erstmals bei deiner Flamme zu Hause bist und dort das Klo verstopfst?“

„Nei...en.“ Betti lachte. „Das nun nicht. Aber mindestens ebenso schlimm wie das Klobeispiel.“

Jetzt war Evas Aufmerksamkeit restlos geweckt und hüpfte aufgeregt auf und ab. „Sag schon, sag schon!“

Betti überlegte einen Moment. „Okay, okay. Aber nur, wenn du versprichst, nicht zu lachen.“

„Ehrenwort!“ Betti hob dramatisch die Hand zum Schwur.

„Also gut. Im Traum hab’ ich mich mit Tom getroffen“, begann Betti.

Aha, daher wehte der Wind. Tom war ihr Arbeitskollege aus der Brotabteilung, den Betti schon seit Langem anschmachtete. Leider nur mit mäßigem Erfolg – Tom redete zwar gerne mit ihr und schien auch den Kontakt zu suchen, sie waren auch einmal erfolgreich essen gewesen. Doch irgendwie ließ der nächste Schritt (wie auch immer der aussehen sollte) auf sich warten. Jetzt hatte sie von ihm geträumt. Und es war offenbar peinlich. Frau durfte also gespannt sein.

„Na ja, wir waren spazieren, so richtig kitschig mit Herbstsonne und buntem Laub und Kastanien, die von den Bäumen gefallen sind …, und auf einmal bleibt er stehen, schaut mich an – und gesteht mir seine Liebe.“

Eva lächelte. „Das ist aber doch gar nicht peinlich“, stellte sie fest.

„Ist es wohl“, widersprach ihre Freundin und fuhr fort, „ich hab’ das mit einer solchen Genugtuung aufgenommen.“

„Bitte?“ Eva sah Betti ungläubig an. „Das ist dir jetzt nicht wirklich peinlich, dass du im Traum Befriedigung empfunden hast, weil dein geliebter Tom endlich offenkundig Interesse gezeigt hat?“

Betti nickte. „Doch. Und obendrein war das noch nicht alles. Wo wir gerade bei Befriedigung sind … wir hatten nach seinem Geständnis … ähm … auch noch … Sex. Und: Es war schön. Das ist so peinlich.“

Eva musste lachen. „12 Vaterunser, 3 Ave-Maria!“, gluckste sie.

„Du hast versprochen, nicht zu lachen“, beschwerte sich Betti.

„Ja, ich weiß“, kicherte ihre Freundin, „entschuldige. Aber du genierst dich echt vor deinen Träumen? Und du hattest dort Sex mit Tom, auf den du seit einer geschätzten Ewigkeit abfährst? Und es war auch noch schön? Oh Göttin, wie unangenehm!“

Eva beruhigte sich langsam. Dann sah sie Betti an. „Das ist dir ernsthaft unangenehm, oder?“, fragte sie ihre Freundin, deren Gesicht inzwischen hochrot war, dann.

„Na ja, schon“, erwiderte diese, „immerhin hab’ ich ja jemanden.“

Das stimmte allerdings. Der Jemand war Josef, ein deutlich älterer Buchhalter, der Betti lange den Hof hatte machen müssen, bis sie nachgegeben hatte. Ein Fels in der Brandung – zwar gut zum Anhalten bei Hochwasser, aber auch unbeweglich, spröde und fantasielos wie drei Wochen altes Mischbrot. Ohne Belag.

„Josef ist so nett zu mir“, meinte sie dann, „das war fast so, als ob ich ihn betrogen hätte.“

Eva überlegte nur kurz.

„Weißt du, nett ist das richtige Wort. Nett sind Dates, die keiner Wiederholung bedürfen. Nett sind Filme, die du dir ansiehst, während du überlegst, was du am Wochenende machst. Und ja, ab und an ist Schinken-Käse-Toast auch nett, stimmt“, stellte sie leicht stichelnd fest und leerte den mittlerweile fertigen Orangensaft in Gläser, die sie fein säuberlich auf Untersetzern positionierte, direkt neben den Mandelkeksen.

Betti starrte auf die Couchtischplatte und begann, die Marmorierung des Holzes mit dem Zeigefinger nachzuziehen. „Aber da war nie etwas zwischen Tom und mir“, beteuerte sie, „das eine Mal, wo wir essen waren, okay, das war echt schön.“

„Gar nicht nett?“, unterbrach Eva mit ironischem Unterton und ihrem tiefgründigen Lächeln.

„Nein. Sehr schön.“

Evas Augen begannen zu leuchten.

„Interessant. Geistreich. Aufregend. Wir haben über Rilke geredet und ein paar Gedichte gelesen. Wo bitte gibt es noch Supermarktmitarbeiter, die Rilke mögen?“

Betti nickte.

„Ist schon ein spannender Typ, dieser Tom. Trotz seiner etwas … seltsamen, weil nicht nachvollziehbaren Verhaltensweisen“, stellte sie dann fest. „Tom ist wirklich – sonderbar … weißt du, einerseits fragt er mich, ob ich den Samstagsfrühdienst mit ihm mache, weil da ist weniger los – und dann redet er den ganzen Dienst lang nichts, sondern backt seine französischen Baguettes und Butterapfeltaschen auf. Und ich sehe sehnsuchtsvoll zu, wie zärtlich er die französischen Brotstangen hält. Dann fragt er mich, ob ich mit ihm auf Pause gehe, weil dann könnten wir einen Kaffee trinken. Mein Bauch macht Luftsprünge, während ich betont gelassen okay antworte, und dann sitzt er in der Pause schweigend neben mir oder wischt auf seinem Handy herum. Manchmal wünschte ich, ich wäre auch lesbisch. Oder queer. Oder bi. Oder irgendwas mit Frauen. Wirklich, das wäre viel einfacher. Frauen stehen zu ihren Gefühlen und verstehen Frauen auch.“

Eva prustete los. Der Orangensaft schwappte aus ihrem Glas und verlief in konträrem Muster zur Holzmaserung. „Haha, das glaubst du wirklich?“ Es schüttelte sie vor Lachen. „Wo du meine ganze Geschichte kennst? Eine Aneinanderreihung von Fehlkonstellationen, die ihresgleichen sucht. Dagegen bist du mit deinem Mischbrot ja gut bedient.“

Sie sinnierte ein wenig vor sich hin, um dann festzustellen: „Das Leben ist der beste Lehrmeister. Wenn du eine Lektion nicht gleich verstehst, wird sie wiederholt. Solange, bis du verstanden hast.“

„Und“, fuhr sie nach einer weiteren Pause fort, „ich weiß noch nicht mal, ob ich mittlerweile verstanden habe. Oder ob nicht die Nächste wieder ein Reinfall wird.“ Sie griff nach einem Mandelkeks und biss seufzend hinein.

„Du und deine Frauen!“ Betti schüttelte den Kopf.„Ich hab’ ja nie verstanden, nach welchen Kriterien du die ausgewählt hast.“

„Ich weiß nicht. Mit dem da ...“ Evas Blick wanderte in die unteren Regionen ihres Körpers. „Oder aber … vielleicht hab’ ich mir immer Partnerinnen ausgesucht, die noch verschrobener waren als ich, denen ich meine ganze Empathie widmen konnte. Wenn du damit beschäftigt bist, die Gefühle der anderen zu deuten und zu respektieren, musst du dich nicht mit dir selbst auseinandersetzen.“

„Oder wolltest du die Ritterin sein, die die steinernen Mauern niederreißt, einsame Jung- und nicht mehr so jung -frauen aus den selbst errichteten Burgen der Einsamkeit rettet, sie elegant auf ihren prachtvollen Schimmel zieht und mit ihnen in den Sonnenuntergang reitet? Die allen zeigt, wozu wahre Liebe fähig ist?“, fragte Betti.

„Mag sein“, überlegte Eva, „oder das, was ich für Liebe gehalten habe.“ Sie schüttelte den Kopf. „Beim nächsten Mal werde ich mich nicht mehr so leicht entflammbar zeigen. Ich ignoriere einfach alle Anzeichen von Interesse.“

„Du? Die Fährtenleserin auf dem Pfad der Beziehungen? Ganz sicher?“, grinste Betti.

„Selbst wenn mir die Nächste mit dem berühmten Zaunpfahl auf den Kopf schlagen sollte. Ab sofort wird ignoriert.“

„Frau darf also gespannt sein.“ Betti warf einen Blick auf die Küchenuhr. „Sollen wir los?“

„Auf jeden Fall“, meinte Eva. „Nicht, dass wir zu spät kommen.“

„Das wäre besonders tragisch, ich muss doch meinem Ruf als Groupie nachkommen.“ Betti zwinkerte ihrer besten Freundin zu.

Sie betraten das Lokal eine halbe Stunde vor Konzertbeginn. Seit Bettis Bruder Marco die Band drei Jahre zuvor gegründet hatte, war die Gruppe zum Insidertipp geworden.

„Hey, ihr zwei seid da! Da kann ja nichts mehr schiefgehen!“, begrüßte sie Marco stürmisch.

„Darf ich euch den neuen Saxofonisten vorstellen? Komm her, Dicker, meine Schwester und ihre Beste sind da!“ Er winkte in die rechte Ecke des dunklen Saals, aus der sich zwei Schatten lösten, die eng nebeneinandergestanden hatten. Sie kamen näher.

„Hi“, rief der Gerufene und sah Betti an. „Betti! Das ist ja eine Überraschung!“ Er küsste sie auf die Wangen und Betti wurde rot.

Eva konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, während Betti stotterte: „Tom … du?“

„Ja“, antwortete dieser, „manchmal halte ich auch Saxofone.“ Er küsste Betti auf die Wangen.

Hinter ihm tauchte eine sportliche Frau auf, die Betti die Hand hinstreckte. „Hi, ich bin Alex!“

Betti lächelte freundlich, als sie Alex’ Hand ergriff und schüttelte.

Doch Eva entging es nicht, das kleine Zucken ihrer besten Freundin, das diese gekonnt überspielte. Betti tat ihr leid.

Alex reichte nun auch Eva die Hand. Dabei sah sie sie an. Sah sie an, mit diesem eigentümlichen Funkeln in den Augen – und Eva merkte, wie in ihr etwas losgetreten wurde.

„Du gehörst zu Betti?“, fragte Alex leise, wobei sie sich ein bisschen zu ihr hin beugte.

„Wir sind beste Freundinnen“, hörte Eva sich antworten und war glücklich, dass die andere nichts Komplizierteres gefragt hatte.

„Wie Tom und ich!“, grinste Alex, wobei ihr der Schalk aus den Augen sah.

Am liebsten hätte Eva der langsam zerbröselnden Freundin neben sich sofort Entwarnung gegeben, denn die Lautstärke, mit der ihr Gaydar soeben ausgeschlagen hatte, war nicht zu überhören gewesen. So wie sie aussah, hatte Betti davon allerdings nichts bemerkt, denn ihre Gesichtszüge schienen plötzlich der Gravitation so gar nicht mehr gewachsen.

Eva stupste sie leicht in die Seite und meinte dann laut zu Alex: „Sollen wir die besten Freunde und -innen mal allein lassen? Ich hätte Lust auf – was trinkst du denn gern?“

Alex grinste. Sie hatte verstanden. „Malzkaffee“, schoss sie heraus, „den gibt’s allerdings nur im Café nebenan. Ein bisschen haben sie noch geöffnet.“ Sie bot Eva galant den Arm.

„Denkst du, unsere Buddys kommen ohne uns aus?“

„Ich bin überzeugt davon!“

Eva zwinkerte Betti zu, deren Gesichtsfarbe wieder in den Normalbereich zurückgekehrt war.

„Passt, bin dabei – und ich geb’ einen aus.“

*

Auf dem Weg (Lea)

naenia

novembergrau

die nacht, nasskalt

kriecht sie ins gebein

wunden, die gerissen

von dornen auf der haut

und andere

in der seele

weine nicht, thetis,

um den toten achill

weiter, weiter

nur voran

omnia tempus habent

fiat lux

dem licht

folge

und du wirst sehen

Silvia läutete an. Es dauerte eine schiere Ewigkeit, bis sie hinter der Wohnungstüre ihrer besten Freundin ein leises Schlurfen hörte, dann öffnete sich die Türe einen Spalt.

Leas Anblick erschreckte sie. Ihre Freundin hatte rot geweinte Augen mit dunklen Ringen darunter; die Jogginghose und das T-Shirt hatten eindeutig schon wesentlich bessere (und gewaschenere) Tage gesehen. Lea blinzelte. „Wie spät ist es?“, fragte sie.

Silvia war zu erschrocken, um die Frage zu beantworten. „Lea!“, rief sie.

Die Angesprochene zuckte mit den Schultern. „Ich bin gerade nicht gesellschaftsfähig“, stellte sie dann fest, „komm ein anderes Mal wieder!“ Sie wollte die Wohnungstüre wieder schließen, ihre beste Freundin hatte allerdings bereits den Fuß in der Türe.

„Kommt gar nicht infrage!“ Silvias Ton war ruhig, aber bestimmt. „Lass mich rein und wir unterhalten uns.“

Auf Leas kurzen, verunsicherten Blick nach hinten meinte sie: „Und mach dir keine Sorgen. Wir hatten alle schon mal Liebeskummer, mich kann nichts mehr so leicht erschüttern.“

Zögernd öffnete die andere die Türe ein wenig mehr, um Silvia einzulassen. Diese bemühte sich, nicht allzu forsch hineinzustürmen – und gleichzeitig die Fassung zu bewahren, als sie die Wohnung betrat. Lea war eigentlich sehr ordentlich, geradezu aufgeräumt, doch die Trennung von ihrer Freundin vor zwei Wochen nahm sie offenbar wirklich sehr mit. Das Sofa mitsamt seiner sonst stets bügelfaltensauberen Tagesdecke war unter einem Meer an gebrauchten Taschentüchern verschwunden, auf dem Couchtisch standen Flaschen, deren Inhalt an Hochprozentigem sämtlichen Polterabendteilnehmer*innen eines lauen Sommerabends in der gesamten Wiener Innenstadt wohl Jubelschreie entlockt hätte.

„Was ist denn das?“, fragte Silvia und deutete auf die Flaschen. Sie war halb verwundert, halb erschreckt – denn Lea trank nicht. Nie. Eigentlich.

Lea zuckte mit den Schultern.

„Du weißt schon, dass das keine Lösung ist?“ Silvia war bemüht, nicht allzu vorwurfsvoll zu klingen. Ihr war klar, wie schwer Karins abrupter Abschied Lea getroffen hatte, und sie wollte die Situation nicht noch schlimmer machen.

Lea setzte sich auf die Couch. „Darf ich vorstellen? Jack Daniels und Johnnie Walker, meine Freunde“, sagte sie leise.

„Wer solche Freunde hat“, konterte Silvia prompt, „der braucht keine Feinde.“ Sie stellte Wasser auf. „Gibt es nichts anderes, das dir helfen kann, die Situation zu ertragen? Oder leichter zu machen? Was brauchst du?“

„Ich weiß nicht.“ Leas Stimme klang matt. „Karin.“

„Karin ist nicht mehr hier. Sie hat entschieden, zu gehen. Wieder einmal.“ Silvia schnaubte. „Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich mich über diese On-Off-Sache ärgere. Sie bestimmt, wann ihr euch seht, wie lange, was ihr macht – und was nicht, sie will Pausen, an die sie sich nicht hält, dann wieder überflutet sie dich mit Liebesgeständnissen, weil du das Beste bist, was ihr je passiert ist. Bis es ihr wieder zu viel wird und sie dringend Pause braucht, weil eure Beziehung sie so sehr belastet. Und dann postet sie selbstmitleidige Ichwillsterben-Gedichte auf Facebook, von denen sie weiß, dass du sie liest und vergehst vor Schmerz. Was soll das?“

Lea zuckte wieder mit den Schultern. „Ich kann’s nicht ändern. Ich weiß, sie ist egoistisch und unberechenbar und tut mir nicht gut, aber ich liebe sie nun einmal. Obwohl ich mich fühle, als würde ich abwechselnd in Honigmilch und Salzsäure baden.“

„Sie hat dich nicht verdient.“ Silvia schüttelte den Kopf. „Die geht mir so gehörig auf die Nerven, das glaubst du nicht. Weißt du, was ich der wirklich gern mal sagen würde?“