Mein Hurenherz - Jade Jakobi - E-Book

Mein Hurenherz E-Book

Jade Jakobi

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Beschreibung

Autobiografischer Roman aus dem Rotlichtmilieu. Jades Leben verläuft in ruhigen, geordneten Bahnen. Sie führt eine sorgenfreie Existenz. Trotzdem fühlt sie sich zum Zerreißen angespannt und verlässt plötzlich, durch einen inneren Drang nach Abenteuer getrieben, ihr heimisches Idyll, um in eine Welt abseits des bürgerlichen Lebens einzutauchen. Was sie in der neu gewonnenen Freiheit erlebt, übertrifft all ihre Erwartungen und Vorstellungen. Den Niederschlag findet man in diesem berührenden und spannungsgeladenen Roman. Eine bewegende Geschichte über den außergewöhnlichen Weg einer außergewöhnlichen Frau. Voll von eindrucksvollen, fesselnden Schilderungen. Geistvoll, witzig und traurig zugleich. Ein kleines Buch, oder ein kleines "Hurenherz", das unermüdlich weitertickt, welches man nicht mehr aus der Hand legen möchte.

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Seitenzahl: 99

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Anmerkung der Autorin

Dieser autobiografische Roman enthält vorwiegend Berichte aus dem Rotlichtgewerbe. Ort, Handlung und Geschehnisse entsprechen der Realität. Die Namensgebung ist frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Biografie

Jade Jakobi,

1948 in Österreich geboren, deutsche Staatsangehörigkeit, geschieden, lebt seit 40 Jahren in Mittel-Deutschland, absovierte eine Kunstakademie, eine Ausbildung in Mumbay (Bombay)/Indien und studierte Geisteswissenschaften über den Zweiten Bildungsgang.

Das Leben ist entweder ein waghalsiges Abenteuer oder gar nichts.

Helen Keller

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Vorwort

Drittes Lebensjahrzehnt

Echte Gefühle – Falsche Verehrer

Aufbruch in ein neues Leben

Einstieg ins Milieu

Erster Kunde

Korrektur – Zurück in die Normalität

Zweiter Anlauf ins Milieu

Universität

Kleiner Rückblick

Beschwingte Nächte

Ein arabischer Prinz

Viertes Lebensjahrzehnt

Einblicke in meine häusliche Domaine

Katzenjammer

Neuer Mut – Neues Glück

Escortservice

Bedrohung - Ohne Folgen

Trauriges - Erfreuliches

Umzug – Schönes Zuhause

Reine Poesie

Der Blumenstrauß

Nächster Schritt ins Milieu

Ein Heiratsantrag

Erinnerungen an Mutter

Ein unbeschreiblicher Tag

Weiter geht´ s

Gruselkammer

Fünftes Lebensjahrzehnt

Rückblende

Wieder unterwegs

Männer sind Schweine

Kindheitserinnerung und Nachdenkliches

Zurück in die Arbeitswohnung

Kuriosenkabinett

Erstaunliches - Dem Leben abgelauscht

Die Gewöhnlichen

Massagepalast

Erotische Massage

Unspektakuläres

Eigene Chefin

Reife Frau – Junger Liebhaber

Alkohohlbrevier

Auch solche gibt es

Schlußbetrachtung

Der Augenblick

Einleitung

Vorwort

Dieser Briefroman ist in langer gedanklicher Vorarbeit entstanden und an meine verstorbene Mutter gerichtet.

Meine Mutter war und ist heute für mich eine Frau, die meinen Lebensweg nicht kennen lernen durfte, der ich aber vieles zu verdanken habe und die mich unwissend und unbeabsichtigt auf einer abenteuerlichen Reise begleitet hat.

Ihr möchte ich danken und mich mit dieser Niederschrift mit ihr versöhnen, wozu ich in früheren Jahren nicht fähig war.

Liebe Mutter,

Nun bist du schon zwanzig Jahre tot, bitte komm und wach auf,

ich muss unbedingt mit dir reden.

Noch immer renne ich zum Telefon und warte auf ein Zeichen von dir, aber du schweigst, so wie ich oft geschwiegen habe, weil du zu energisch in mich eingedrungen bist und zuviel von mir erfahren wolltest. Ich habe dir vieles vorenthalten, aus Angst, dir eine Tochter zu offenbaren, die deinen Erwartungen und moralischen Vorstellungen nicht entsprechen konnte. Ich weiß, deine Neugier war mit mütterlicher Sorge vermischt. Vielleicht mit einer Ahnung, die dich zur Unruhe trieb, denn deine Beklemmungen mir gegenüber waren begründet. Selbst für mich, einer scheuen und zurückhaltenden Person, ist mein Werdegang kaum fassbar und im Bemühen, ihn verstehbar zu machen, liegt meine ganze Kraft und die erforderliche Überwindung. Der Glaube, dass jedes Sein einen Sinn und eine Berechtigung hat, gibt mir den Mut, mich zu erklären.

Heute ist mir bewusst, dass ich dich unterschätzt habe. Über deine Einfachheit, deinen ungebildeten Stand einer ehemaligen Dienstmagd, deinen wortgewaltigen Ausbrüchen und Vorwürfen, maßte ich mir dir gegenüber eine Arroganz an, derer ich mich zutiefst schäme.

Dabei sehe ich rükblickend in dir mein Spiegelbild: ein Wesen so stark, so schön, so leidenschaftlich, so mitfühlend und wohlwollend, aber auch so widersprüchlich, eigensinnig, verletzend und unbeugsam. Eine herrlich blühende Rose, die mit ihrem Duft die Dornen wie einen Schutzmantel umhüllt, und die, wenn sie sich neigt, um zu verwelken, einen Eindruck hinterlässt, der ewig nachwirkt. Wie finde ich nun zu dir? Hilf mir mit deiner Natürlichkeit und Direktheit, hilf mir, indem du mir zunickst, vielleicht spottest oder gar über mich lachst. Zwischen uns ist nichts mehr fremd, wir haben alles in uns. Nur wir beide.

Drittes Lebensjahrzehnt

Frühjahr, im 30sten Lebensjahr

Liebe Mutter,

Ich weiß gar nicht mehr, welche Glückwünsche du mir zum dreißigsten Geburtstag schicktest. Du warst weit weg und ich saß in meiner Dachwohnung, allein, ja tatsächlich, mutterseelenallein. Hattest du es nicht so gewollt, höre ich dich sagen.

Ich habe alles hinter mir gelassen.

Ein Mann, ein Zuhause, ein Auto, eine Arbeitsstelle, eine Zugehörigkeit, geordnete Verhältnisse, alles das habe ich aufgegeben, manchmal verabscheut. Heimisches Wohlbehagen, welches ich mir verdienen musste, als folgsame Ehefrau, dem Mann zum Eigentum geworden, ohne Forderungen zu stellen, dabei den eigenen Unterhalt bestreiten, den Haushalt erledigen, den Urlaub organisieren, den Schwiegereltern gefallen und nach einem zehnstündigen Arbeitstag eine erotische, leidenschaftliche Partnerin sein. Nein! Nur dass nicht mehr! Ich hatte diese Form Leben nie gewollt, es wurde mir aufgebürdet und ich hatte mich gefügt. Ich war jung, schwach und naiv.

Mich zog es hinaus in die Ungebundenheit, ins Abenteuer, ins Ungewisse. In mir bäumte sich alles gegen das Ordentliche, Vernünftige, das Gewöhnliche auf. Ich fühlte mich gefangen, glaubte an der bürgerlichen Borniertheit zu ersticken. Mein Inneres verlangte nach Veränderung und Wandlung. Selbstgenügsam auf der Stelle treten, war nicht mein künftiges Ziel. Glücklich sein, mal richtig glücklich sein! Jawohl, genau daß wollte ich!

Einer Gleichgültigkeit wollte ich entkommen gegenüber meinem bisherigen Werdegang, meinem wohlgeordneten und kleinbürgerlichen Dasein. Ich hatte mich darauf beschränkt zu funktionieren, aber ich wollte hinaus in die Freiheit. Leben, das bedeutet für mich Umgang mit Dynamit und Magie.

Seit Kindheitstagen spüre ich eine Fremdheit, ein Anderssein, eine Distanz zu meinen Mitmenschen. Wer bin ich denn, um Gottes willen, und was könnte ich sein, schrie es permanent aus mir heraus. Ich musste mich selbst kennen lernen, einen neuen Weg finden und sei es ein Labyrinth mit tausend verschlungenen Pfaden. Weg aus der Sattheit, dem Überdruss an Reglementierungen, Geboten und Verboten. Die Namenlose einer Unscheinbaren im Heer von Hörigen, Angepassten, Bescheidenen zu sein, widerte mich an.

Nun sitze ich also hier in meiner Mansardenstube, einem verschachtelten Raum, einer Kiste ähnelnd, mit eingebauten Schubladen und Fächern. Über mir der Himmel, den ich kaum sehe, mit den an der Decke staubbedeckten Fenstern. Dafür habe ich die Kochnische mit einem imaginären Wolkenteppich auf blauem Hintergrund bemalt. Er führt die Schräge hoch und deutet mir zumindest die Richtung nach oben an. Ich werde nicht müde, die schiefen Wände zu betrachten. Sie scheinen mich mit einem matten Lächeln zu umarmen.

Die Eingangstür wurde mit einem Poster überzogen, worauf eine englische rote Telefonzelle abgebildet ist. Sie starrt mich an, ebenso wie das Telefon, welches ich extra für dich installieren ließ. Wer sollte mich auch anrufen? Es gibt niemanden!

Noch nicht.

Langsam kriecht die Einsamkeit durch die Wohnung, und wenn ich abends in die Kissen heule, ahne ich, welche Wahl ich getroffen habe. Vermutlich ein Dasein ohne Wärme, Zuspruch, kein Interesse seitens meiner Mitmenschen, nicht einmal Neugierde. Ich taumle in ein Nirwana, eine Bedeutungslosigkeit, und fühle, wie eine Sinnentleerung sich wie ein Gespenst in mir einnistet.

Ich betrachte mich im Spiegel und sehe eine junge Frau, nicht gerade unscheinbar, aber aus deren Augen der Glanz erloschen ist; zwei Schatten, die über eine blasse Fläche huschen. Meine Figur habe ich in knielangen, weiten Kleidern versteckt. Obwohl ich Wert auf ein gepflegtes Äußeres lege, nie ohne Schminke und lackierten Fingernägeln erscheine, gebe ich eine triste Figur ab, der momentanen Stimmung angepasst.

Dabei fällt mir des Öfteren auf, dass ich im Kontrast zu anderen Frauen deutlich hervorsteche. Männerblicke weisen unverwechselbar daraufhin. Manchmal verhalten, manchmal direkt, als würden sie bedeuten: hier scheint ein Wesen zu wandeln, in sich gekehrt, Schicksal ergeben, zögernd, bar jeder Sinnenfreude. Und dennoch bemerke ich ein starkes Verlangen, einen Versuch der Annäherung, so zufällig wie es sich im Anfangsstadium auch zeigen mag, was mir zu verstehen gibt, dass ich eine Ausstrahlung, eine faszinierende Anziehung auf das andere Geschlecht ausübe. Liegt es an meiner Unnahbarkeit, gilt das Gesetz der freien Wildnis? Oder steht es auf meiner Stirn geschrieben, dass ich alleine bin. Keine Ahnung. Ich glaube, dass ein Geheimnis in der Luft schwebt, ein heimliches Abkommen getroffen wurde, dessen Auftrag ich mich nicht entziehen kann.

Echte Gefühle – Falsche Verehrer

Es war nicht schwer, den ersten Anbetern zu verfallen. Den Versprechungen freundschaftlicher Art, dem vordergründigen Samariter, dem Helfer in der Not, den Beteuerungen ewiger Zuneigung, Liebesschwüren, filmreif für jedes Popcorn - Kino. Ich war ihnen total erlegen. Und bin es noch.

Da wäre zum Beispiel Pedro:

Ein schneidiger Südamerikaner, weißer Anzug, dazu die passenden Lackschuhe. Er versprühte den heißblütigen Charme der sonnenverwöhnten Erdbewohner, dem keine Frau widerstehen kann. Dass er verheiratet war und drei Töchter hatte, verschwieg er. Er spielte obendrein den väterlichen Freund zum Anlehnen. Ich hätte mich ausschütten können vor Glück! Das war der Mann für mich!

Bei unserem ersten Rendezvous investierte er in ein feudales Abendessen. Nachdem ich ihn hinterher ungeküsst im Auto sitzen ließ, steigerte er beim nächsten Rendezvous seinen Einsatz und überreichte mir einen Strauß roter Baccararosen mit weißem Flieder - for the blue Lady -, aber nur für eine Nacht. Danach gab es Nelken aus dem Bahnhofsautomaten.

Oder Robert:

Ein Fachmann der freudschen Schule. Er versprach mir therapeutische Unterstützung in seelischen Nöten. Dabei gehörte er selbst zu den dringend Therapiebedürftigen.

Die Konversation war einsilbig und wortkarg. Laut Freud soll man sich in seinen Therapeuten verlieben, aber er übte nach mehreren Abenden keinerlei Wirkung mehr auf mich aus.

Und unvergesslich :

Malou, aus 1001 Nacht, ein Magier.

Ein Aladin, der mit seiner Wunderlampe auf dem fliegenden Teppich heranschwebt und mich aus jeder Ungemach befreit.

Er ließ mich bei Kerzenlicht und Smookiemusik dahin schmelzen. Als ich ihm zu kompliziert wurde, verließ ihn der orientalische Gleichmut.

Ich beuge mich der Einsicht, dass ich naiv und albern gedacht habe. Mir ein Märchen erträumte und auf den Prinz mit seinem hoppelnden Schimmel, dem Erlöser aus meiner erbarmungslosen Zuflucht, gewartet habe. Und ich warte weiter. Ich bin verliebt und beharre auf mein Recht, zurückgeliebt zu werden. Leider bin ich sehr langsam. Bis ich mich verliebe, sind alle schon längst außer Reichweite. Wohin sind sie geflüchtet, warum will keiner mehr mit mir reden, will mich ausführen? Es gab nur Sex, nichts als Sex und dann Tschüß. Moment, ich lüge. Es gab auch Komplimente. Vielleicht gehört das dazu. Ich bin unfähig, Gutes über mich zu hören, Komplimente anzunehmen. Ich wurde diesbezüglich nicht verwöhnt. Auch du, meine Mutter, fandest mich nicht attraktiv, nur schwierig, unzugänglich, ungeschickt und plump. Ein Mensch, der kein Glück finden kann. Über Geld will ich gar nicht erst reden. Meinen mangelnden Selbstwert, meine Minderwertigkeitsgefühle und Enttäuschungen verberge ich unter der Maske der Souveränen, kaschiert mit Herablassungen und sarkastischen Anmerkungen. Ich möchte lieben und kann es nicht, weil ich nie Liebe wahrgenommen habe. Mein Anspruch ist zu hoch, unerreichbar. Er grenzt an Heiliges, an Fragiles, nur für Auserwählte vorgesehen. Ich will dazu ausersehen sein.

Liebe Mutter,

du bestreitest jede Lebenslust, für dich heißt Leben Arbeit, Entbehrungen und Qualen. Meine Arme, du hattest nichts anderes kennen gelernt. Warst ein wehrloses und rechtloses Opfer deiner Generation; aber bitte gib mir eine Chance, sei es ein Probieren, ein wenig Nippen am unerschöpflichem Reichtum dieser Erde. Du wolltest mich nicht haben, ich habe mich durchgesetzt, bereits im Mutterleib. Das war eine Tat! Und nach einer frohgemuten Kindheit, die du mir ermöglicht hast, begann in den Entwicklungsjahren ein fortwährender Kampf zwischen Leben wollen und aufgeben, der meine gesamte Laufbahn durchsetzt. Das Dennoch, das Weitermachen, das ich geschafft habe, die Energie, das Durchhaltevermögen, die Überwindung von Schicksalsschlägen, das Wieder Aufstehen können nach Niederlagen, das habe ich von dir mitbekommen, geerbt, heimlich abgeguckt. Darauf sollten wir gemeinsam mächtig stolz sein.

Wir hatten uns entfremdet und verfeindet, aber ich finde zu dir zurück.

Ruh dich jetzt ein wenig aus und bleibe mir gewogen.

Gleich berichte ich dir von der entscheidenden Wendung, der nachträglich einzig richtigen Wendung und einer Begegnung, die der Markstein, der Wegweiser zu einer Bestimmung, einer Haltung und Formung meines Wesens wurde. Ich begebe mich auf einen Lernprozess, der auf mich zugeschnitten wurde. Der mich in meiner Gesamtheit erfasst hat, der mich niedergeschmettert und wieder erhöht hat.

Hier schließe ich den Olymp der feinen Herren, der Soliden und Vornehmen aus der privaten Sphäre. Man mochte mich verführen, umwerben, einschüchtern ließen sie mich nicht. Ihnen habe ich Momente des Glücksrausches zu verdanken,