Mein Nachbar & ich - Marcus Hünnebeck - E-Book

Mein Nachbar & ich E-Book

Marcus Hünnebeck

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Beschreibung

Vicky kommt mit ihrem fünfjährigen Sohn prima allein zurecht und pfeift auf Männer. Sie fühlt sich wohl mit Kind, Job und Wohnung – doch das ändert sich schlagartig, als der attraktive Simon samt Tochter ins Haus zieht. Irgendetwas an ihm bringt Vicky auf die Palme, und Simon geht es mit ihr nicht anders. Als eines Tages die Kita-Erzieher für eine Woche streiken, müssen sich die beiden notgedrungen gegenseitig aus der Patsche helfen. Dabei stellen sie fest, dass der erste Eindruck manchmal gewaltig täuscht ... Kirsten Wendt und Marcus Hünnebeck lassen in ihrem ersten gemeinsamen Liebesroman Vicky und Simon abwechselnd zu Wort kommen: heiter, romantisch und prickelnd.

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Kirsten Wendt & Marcus Hünnebeck

Mein Nachbar und ich

Roman

Das Buch

Vicky kommt mit ihrem fünfjährigen Sohn prima allein zurecht und pfeift auf Männer. Sie fühlt sich wohl mit Kind, Job und Wohnung – doch das ändert sich schlagartig, als der attraktive Simon samt Tochter ins Haus zieht. Irgendetwas an ihm bringt Vicky auf die Palme, und Simon geht es mit ihr nicht anders. Als eines Tages die Kita-Erzieher für eine Woche streiken, müssen sich die beiden notgedrungen gegenseitig aus der Patsche helfen. Dabei stellen sie fest, dass der erste Eindruck manchmal gewaltig täuscht …

Kirsten Wendt und Marcus Hünnebeck lassen in ihrem ersten gemeinsamen Liebesroman Vicky und Simon abwechselnd zu Wort kommen: heiter, romantisch und prickelnd.

Die Autoren

Marcus Hünnebeck wurde 1971 in Bochum geboren, studierte an der dortigen Ruhr-Universität Wirtschaftswissenschaften und lebt inzwischen als freier Autor im Rheinland. Nach den ersten Veröffentlichungen ab 2001, bei denen es sich um Thriller handelte, wandte er sich dem Kinderbuchgenre zu. Seit 2013 bringt er als Selfpublisher und auch in Zusammenarbeit mit Verlagen wieder Bücher für Erwachsene heraus. Unter dem Pseudonym Jo C. Parker erschien 2014 der humorvolle Roman 595 Stunden Nachspielzeit von ihm.

Kirsten Wendt, 1970 in Nordfriesland geboren, lebt und arbeitet als freie Autorin in Nienburg an der Weser. Im Jahr 2012 erfüllte sie sich ihren großen Traum und wagte den Sprung in die Selbstständigkeit, nachdem sie zuvor als Vertrieblerin und Sekretärin tätig war. Sie verfasst Liebesromane, Sachbücher und Kurzgeschichten, hin und wieder auch Psychothriller unter Pseudonym. Am liebsten schreibt sie Glossen und Humorvolles.

E-Book, 1. Auflage, August 2015

Herausgeber:

Marcus Hünnebeck, Kirsten Wendt

Hegelstr. 11

40789 Monheim

Layout: ebokks, www.ebokks.de

Covergestaltung: © Traumstoff Buchdesign, www.traumstoff.at.vu

Covermotiv: © Shots Studio shutterstock.com

Lektorat: Efi Papst

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jegliche Vervielfältigung und Verwertung ist nur mit schriftlicher Zustimmung der Autoren zulässig.

Die in diesem Roman geschilderten Ereignisse sind frei erfunden. Personen, ihre Handlungen und Äußerungen sind frei gestaltet und in keinem Fall als Abbilder lebender oder verstorbener Personen gedacht. Etwaige Ähnlichkeiten sind rein zufällig und unbeabsichtigt.

Für unsere Lieblingsautoren – mit euch hat es angefangen

1

Vicky

»Alle haben eine Wasserkanone, nur ich nicht«, mault Luis und zieht eine Schnute.

»Deine Wasserpistole tut es auch, glaub mir, mein Schatz. Wenn wir noch ein bisschen Sonne abbekommen wollen, müssen wir jetzt endlich los zum Spielplatz, hopphopp«, sage ich zu meinem Sohn und würde ihm am liebsten einen Schmatz auf sein Grübchen in der linken Wange geben. Aber das geht nicht, weil ich unbedingt ein bisschen konsequenter werden muss. Ich kann ihm nicht jeden Wunsch erfüllen, auch wenn es mir schwerfällt. Erst neulich hat mir eine Erzieherin aus der Kita gesagt, dass er noch viel zu zappelig sei, um nächstes Jahr in die Schule gehen zu können. Was weiß die schon? Er hat eben einen starken Bewegungsdrang.

»Na gut. Aber ich sehe damit aus wie ein Baby.«

»Tust du nicht. Du bist ein supercooler Fünfjähriger.«

Er schaut mich etwas skeptisch an und gibt nach. Puh, Glück gehabt, heute mal kein Tobsuchtsanfall. Zusammen verlassen wir unsere Wohnung und rennen durchs Treppenhaus nach unten.

»Wer als Erster da ist«, ruft Luis.

»Nicht so laut«, ermahne ich ihn, damit die spießigen Schulzes aus dem Erdgeschoss nicht schon wieder einen Grund zum Meckern haben. Die können leicht reden, haben schließlich keine Kinder. Unser Haus besteht aus sechs Wohneinheiten. Ganz oben links ist Luis’ und mein Reich – und ich würde es für nichts auf der Welt wieder hergeben. Vom Balkon aus kann man bis ins Zentrum unserer Kleinstadt schauen, und wenn man aus dem Haus tritt, sieht man auf der anderen Straßenseite eine große Pferdekoppel. Diese Mischung aus Stadt- und Landleben liebe ich.

Draußen ist es noch immer brüllend heiß, obwohl wir bereits späten Nachmittag haben. Nach einem anstrengenden Arbeitstag freue ich mich auf eine entspannte Spielplatzstunde mit meinem Sohn. Ich werde es mir auf der Parkbank mit einer Zeitschrift gemütlich machen, während Luis beschäftigt ist. Hoffentlich sind wir nicht die Einzigen, sondern auch ein paar andere Kinder da, sonst muss ich noch mit Luis Fußball spielen. Das sind die wenigen Momente, in denen mir ein Mann im Leben fehlt. Ich hasse Fußball und bin nun mal eine Frau, die sich lieber mit Barbie-Puppen als mit Actionfiguren beschäftigen würde.

»Da ist Tilda«, freut sich Luis und rennt zur Schaukel. Bitte, bitte schieß sie nicht gleich mit der ersten Ladung Wasser ab, bete ich innerlich, denn außer Tilda sind keine anderen Kinder zu sehen, und es wäre doch prima, wenn die beiden schön miteinander spielen würden. So ein liebes Mädchen wie sie hat vielleicht keine Lust auf einen ballernden Rabauken.

Ich frage mich sowieso, wie ein Kotzbrocken von Vater so ein nettes Kind wie Tilda produzieren konnte. Meine angepeilte Bank ist nämlich bereits von Simon Deerberg aus dem ersten Stock besetzt. Herzlichen Glückwunsch, meinen erholsamen Feierabend kann ich mir wohl abschminken. Keine Ahnung, was genau mich an ihm stört, aber die Antipathie scheint auf Gegenseitigkeit zu beruhen. Er ist mit Tilda vor etwa einem Monat in die Wohnung unter uns gezogen und hat mich vom ersten Tag  an genervt.

Lächelnd beobachtet er unsere Kinder bei deren Begrüßung an der Schaukel, aber sein Gesichtsausdruck versteift sich genau in dem Moment, als er mich entdeckt. Trotzdem geben wir uns Mühe und sind höflich, wie es Erwachsene eben sein sollten.

»Hallo«, sagt er und befreit den Platz neben sich von Zeitung und Tupperdosen. »Setzen Sie sich doch. Ich räume meine Sachen eben zur Seite.«

»Hallo, danke.« Steif setze ich mich neben ihn und schlage meine Beine übereinander. War klar, dass ich am ersten richtigen Sommertag im kurzen Rock die Beine nicht ordentlich rasiert habe. Ist auch egal, weil der Typ mich eh nicht interessiert. Am besten, ich tu so, als sei ich schwer beschäftigt, und lese in der neuen »Gala«. Kann ja nicht jeder so ein Intellektueller sein wie mein Nachbar mit der sorgsam gefalteten FAZ.

»Herrliches Wetter heute, nicht?«, sagt er, als ich gerade von einem Fotobericht über Heidi Klums Badeurlaub zu Angelina Jolies neuesten Reiseplänen umblättere.

»Hm? Ach so, ja, wirklich, richtig klasse. Und die Kinder vertragen sich auch – was will man mehr?«

»Stimmt. Unsere Kinder scheinen sich ohnehin gut zu verstehen. Tilda hat schon öfter von Ihrem Sohn erzählt. Und das, obwohl er ein Junge ist und bekanntlich alle Jungs doof sind. Ach, wissen Sie was, ich komme mir immer so alt vor beim Siezen. Wollen wir nicht Du sagen? Ich bin Simon.«

Er streckt mir die Hand entgegen und lächelt mich selbstbewusst an. Okay, okay, von mir aus, warum nicht? Unsere Kinder sind gleichaltrig und gehen in dieselbe Kindergartengruppe, danach vermutlich sogar zusammen zur Schule. Wir werden es wohl kaum vermeiden können, regelmäßig miteinander zu tun zu haben. Trotzdem ist er mir eine Spur zu selbstsicher. Es gibt ja Menschen, die frei von Selbstzweifeln sind und neben denen man sich wie ein kleines Würstchen vorkommt. So einer ist er. Vielleicht bilde ich es mir auch nur ein; bloß weil er ein schöner Mann ist, muss er nicht automatisch ein Arschloch sein.

»Gerne«, antworte ich und halte ihm die Hand hin. Großzügig sehe ich darüber hinweg, dass er sich die Sonnenbrille angeberisch auf den Kopf geschoben hat. »Victoria.«

»Ach, ich dachte, Sie – sorry – du heißt Vicky.«

»Meine Freunde nennen mich Vicky, das stimmt. Aber richtig heiße ich Victoria … Und, wie fühlst du dich so in deiner neuen Bleibe? Ist doch eigentlich eine nette Hausgemeinschaft, nicht?«

»Ja, finde ich auch, wir fühlen uns sehr wohl. Außerdem ist die Wohnung toll geschnitten, und Tilda hat endlich ein großes Kinderzimmer. Ist das Kind zufrieden, kann der Vater in Ruhe arbeiten. Ich bin Freiberufler und arbeite von zu Hause aus, darum ist es ganz hilfreich, wenn Tilda sich allein beschäftigen kann.«

»Hast du es gut! Ich muss jeden Tag los und zusehen, wie ich alles gemanagt bekomme. Job, Kind, Haushalt … Na ja, wem sage ich das?«

»Dein Sohn ist ja auch wirklich ziemlich lebhaft, das stelle ich mir anstrengend vor«, sagt er.

Ich glaube, es hackt! Was bildet der sich ein, so über Luis zu urteilen, er kennt ihn doch gar nicht richtig! Mein Sohn spielt inzwischen brav mit Tilda im Sand und hat sogar seine Waffe abgelegt. Gemeinsam bauen die beiden eine Murmelbahn und sind völlig in ihrem Spiel versunken. Simon fährt unbeirrt fort und bekommt gar nicht mit, wie ich ihn wütend anblitze. »Heute Abend ist ja die Eigentümerversammlung, da bin ich mal gespannt drauf. Ich war noch nie auf einer Eigentümerversammlung; vorher hatte ich ein Häuschen angemietet.«

»War klar.«

»Was?«, fragt er irritiert und schaut mich tatsächlich mal an, während er mit mir spricht. So ein eingebildeter Fatzke.

»War klar, dass du vorher noch nicht mit mehreren Parteien in einem Haus gelebt hast, meinte ich. Aber ist auch egal, ich habe nichts gesagt. Ich bin die Mutter des lebhaften Sohnes und halte wohl besser die Klappe.«

»Ach Gottchen, bist du immer so empfindlich? Entschuldige bitte, so war das natürlich nicht gemeint. Jungs sind nun mal anders als Mädchen – dafür sind Mädchen größere Zicken. Wie man auch gerade mal wieder an deiner Reaktion sieht.«

Jetzt guckt auch er feindselig. Mir reicht’s. Ich lasse mir doch von diesem feinen Pinkel in Designerjeans nicht meinen schönen Feierabend vermiesen.

»Luis! Wir müssen nach Hause, kommst du bitte?«, rufe ich.

»Och menno, wir sind noch gar nicht fertig. Nur noch eine Hälfte Stunde.«

»Eine halbe Stunde heißt das«, korrigiere ich, was Simon mit einem Augenrollen quittiert. »Nee, das geht heute wirklich nicht. Wir kommen morgen wieder.«

»Wir müssen noch die Murmeln holen und die Bahnen ausprobieren«, protestiert jetzt auch Tilda.

»Nein, wir müssen auch los, Tilda«, sagt Simon und springt auf. »Tut mir leid, ihr müsst morgen weiterspielen. Komm jetzt.«

»Ihr seid voll fies«, meckern die Kinder.

Das stimmt zwar, aber ich kann es nicht mehr eine Sekunde neben Simon Deerberg aushalten. Blöd genug, dass ich mich jetzt mit ihm duze. In ein paar Stunden ist schon die Eigentümerversammlung beim Griechen, da werde ich ihn vielleicht wieder siezen. Der kann mich doch mal kreuzweise.

Wütend nehme ich Luis an die eine Hand und seine Wasserpistole in die andere. Am liebsten würde ich den Superpapi damit erschießen. Wie der jetzt sorgsam seine Hausfrauenutensilien verstaut – er hat sogar einen Jutebeutel dabei. Was für ein Weichei. Irgendwas brummelt er vor sich hin. Ich spitze die Ohren und kann kaum glauben, was er da sagt. Auch Luis bekommt es mit; mit offenem Mund hört er Tildas Vater murmeln: »Der Arme sieht mit seiner Wasserpistole aus wie ein Baby. Ein Junge braucht ja wohl was Größeres in der Hand als so ein Miniteil.«

Wenn Luis’ Blicke mich töten könnten, würde ich auf der Stelle umfallen. Wütend stampft er von einem Fuß auf den anderen. Jetzt bin ich die blöde Spaßbremse, die ihrem Sohn Mädchenspielzeug kauft, oder was? Ich gebe die hasserfüllten Blicke weiter an Simon Deerberg. Gleich platze ich vor Wut, ich bin so sauer auf diesen Typen.

Ohne uns zu verabschieden, rauschen wir mit unseren Kindern an der Hand vom Spielplatz. Als ich die Tür zu unserer Wohnung aufschließe, knallt Simon Deerberg seine Wohnungstür laut zu. Hoffentlich geigt ihm Frau Schulze für diese Geräuschbelästigung auf der Versammlung ordentlich die Meinung.

»Ich bin in spätestens anderthalb Stunden wieder hier, Larissa. Ihr könnt zusammen eine DVD gucken und vorm Fernseher Abendbrot essen. Das steht alles in der Küche. Und du bist schön lieb, Luis, ja? Nach dem Film geht es gleich ins Bett. Tschüss, ihr beiden, und danke, dass du einen Tag vor deinem Urlaub noch aufpasst.«

Unsere Babysitterin ist ein richtiger Schatz, und ich vermisse sie jetzt schon. Immer wenn sie krank ist, Klausuren schreibt oder in Urlaub fährt, passieren garantiert Katastrophen und ich bin komplett aufgeschmissen. Aber nein, das wird dieses Mal bestimmt nicht geschehen. Larissa fliegt schließlich nur für eine Woche nach Tunesien und hat danach wieder genügend Zeit für Luis, der seine achtzehnjährige Babysitterin heiß und innig liebt. Ich drücke ihr zwanzig Euro in die Hand und gebe Luis einen Kuss.

Ich habe mich umgezogen und Rock, Bluse und Pumps gegen Jeans, T-Shirt und Sneakers eingetauscht und marschiere ein paar Straßen weiter in das griechische Restaurant, wo wir uns in einem abgetrennten Raum treffen wollen. Lust habe ich keine, denn Eigentümerversammlungen sind so überflüssig wie ein Kropf; aber wenn man nicht hingeht, werden meist Entscheidungen getroffen, die man niemals akzeptiert hätte. Nicht dort aufzukreuzen ist also keine Option.

Wie immer bin ich zu früh da. Das heißt, ich bin gar nicht zu früh – die anderen sind zu spät. Ich als berufstätige Alleinerziehende schaffe es, wie geplant um neunzehn Uhr anzutanzen, doch eine kinderlose Hausfrau wie Frau Schulze und ihr Frührentnergatte schaffen das nicht. Ebenso fehlen Gloria Höfer, Familie Nguyen und die dauerverknallten Liebrechts. Nur einer ist bereits vor mir da: Simon Deerberg. Ausgerechnet.

Er sitzt am Kopfende des großen, einzigen Tisches im Raum und ist mit seinem Handy beschäftigt, als ich reinkomme. Ich würde mir nie im Leben diesen Platz aussuchen, wenn ich als Erste eintreffen würde. Und schon gleich gar nicht, wenn ich kaum jemanden kenne. Für ihn hingegen scheint es das Selbstverständlichste der Welt zu sein.

»Hi«, sagt er tonlos, ohne eine Miene zu verziehen oder vom Handy aufzuschauen.

»Hi«, gebe ich stumpf zurück und setze mich ein paar Stühle von ihm entfernt hin.

Ich hole mein Handy ebenfalls aus der Tasche, stecke es aber wieder zurück, weil nach und nach die anderen Miteigentümer eintrudeln. Nur gut, dass ich nicht mehr länger allein mit diesem Blödmann bin.

»Als Erstes möchten meine Frau und ich etwas Allgemeines loswerden«, eröffnet Herr Schulze räuspernd die Sitzung. Niemand weiß, warum es so ist, aber er hält sich für unseren Anführer. Da allerdings kein anderer, normal tickender Mensch scharf auf diesen Posten wäre, lassen wir ihn eben machen. »Wir – also meine liebe Frau Irmtraud und ich – sind nicht mehr die Allerjüngsten und müssen auf unsere Gesundheit achten. Mein Herz spielt nicht mehr mit, und Irmtraud hat schlimm Zucker. Darum brauchen wir unsere Mittagsruhe. Wir möchten doch sehr darum bitten, dass sich alle Bewohner unserer Hausgemeinschaft an die üblichen Zeiten halten. Außerdem sind Ruhezeiten in Deutschland nun mal gesetzlich verankert. Ich habe mir mal die Mühe gemacht und ein paar Gesetzestexte rausgesucht. Laut Bundes-Immissionsschutz­gesetz …«

»Entschuldigung, wenn ich mal kurz unterbrechen dürfte, ehe es hier richtig losgeht«, mischt Simon sich ein. Ich könnte mich selbst dafür ohrfeigen, dass ich ihn innerlich duze; aber dafür, dass er Herrn Schulze in die Parade fährt, hat er ein Du verdient. »Also, ich wollte mich endlich persönlich bei allen vorstellen, bevor wir hier tiefer einsteigen. Ist das okay?«

»Wie Sie wünschen«, sagt Herr Schulze und lehnt sich beleidigt in seinem Stuhl zurück. »Wir kennen Sie ja bereits. Sie und Ihre Tochter sind schließlich nicht zu überhören.«

Autsch. Seine Frau stößt ihm den Ellenbogen in die Rippen, und ich grinse Frau Nguyen an, die in vietnamesischer Zurückhaltung auf die Tischplatte starrt. Ihr unterdrücktes Lachen entgeht mir trotzdem nicht.

Simon lässt sich nicht beirren und fährt unbeeindruckt fort.

»Meine Tochter Tilda und ich wohnen, wie Sie bestimmt alle wissen, im ersten Stock gegenüber von Uta und Kai. Danke nochmals für eure Hilfe beim Schleppen der Küchenstühle. Ja, was gibt es über mich zu erzählen? In Kürze: Ich bin siebenunddreißig Jahre alt und freischaffender Architekt. Mein Büro habe ich zu Hause, darum kann ich auch gerne Post oder Pakete für alle annehmen, wenn ihr das wünscht. Ich duze jetzt einfach mal in die Runde, ne?« Allgemeines Nicken, bis auf Schulzes, die demonstrativ aus dem Fenster gucken. Und ich nicke auch nicht; wozu auch, wir duzen uns schließlich bereits. »Meine Tochter Tilda ist im Mai fünf geworden und geht in den Kindergarten in der Düsseldorfer Straße. Genau wie der Sohn von … Frau Mahler.«

Ich glaube es nicht! Wie er meinen Nachnamen betont und dabei mit hochgezogenen Augenbrauen kurz in meine Richtung guckt. Jetzt ist es aber wirklich genug. Ich duze diesen Penner nie wieder im Leben. Das ist eine Frechheit, eine bodenlose Unverschämtheit, geradezu eine Kriegserklärung. Na, den Krieg kannst du haben, Simon Deerberg!

»Tja, das ist euch bestimmt ebenfalls nicht entgangen: Ich bin alleinerziehender Vater und stolz darauf. Meine Tochter und ich sind ein gutes Team und kommen super miteinander klar. An jedem zweiten Wochenende ist Tilda bei ihrer Mutter.«

»Das finde ich sowieso einfach toll von dir!«, jubelt Uta. »So was würde den meisten Männern nicht im Traum einfallen. Wirklich ganz, ganz großartig, Simon.«

Ach du meine Güte, was ist denn mit der los? Ihr Mann Kai scheint nicht ganz so angetan von den Begeisterungsstürmen seiner Frau zu sein. »Na ja, nun lass mal gut sein, Schatz, das gehört hier jetzt auch gar nicht her.«

»Och, das sehe ich anders«, sage ich und wippe lässig auf meinem Stuhl hin und her. »Wieso ist es denn bei Männern so etwas Besonderes, wenn sie sich um ihre Kinder kümmern – und bei Frauen nicht? Ich finde, dass Herr Deerberg einfach seiner Pflicht als Vater nachkommt, was ja auch gut und schön ist. Aber keine große Sache. Schließlich arbeitet er im Homeoffice und kann sich seine Zeit frei einteilen, ganz im Gegensatz zu vielen alleinerziehenden Müttern, die diesen Luxus nicht haben.«

»Es gehört dennoch nicht zu den Themen einer Eigentümerversammlung«, meckert Herr Schulze.

»Doch, tut es wohl«, sage ich. »Sie haben sich doch schließlich eben selbst über Ruhestörung beschwert. Es gibt nun mal in unserem Haus drei Familien mit Kindern. Die Nguyens, die Neuen – sorry, hab gerade den Namen vergessen – ach ja, die Deerbergs. Und meinen Sohn und mich. Wir müssen wohl eine Regelung finden, damit Sie zu Ihrem Mittagsschlaf kommen, Herr Schulze.«

»Sie irren sich gewaltig; es gibt überhaupt nichts zu regeln, werte Frau Mahler«, erklärt Herr Schulze und reibt sich seinen Bierbauch, »da richtet man sich einfach nach den Verordnungen. Moment mal. Ich würde jetzt gerne endlich was zu essen bestellen. Was ist denn das für ein Service hier? Irmtraud, hol mal den griechischen Fritzen ran, oder brauchen seine Landsmänner unser Geld nicht?« Er lacht über seinen eigenen blöden Witz, während sein Frauchen brav zur Tür hinauseilt und sich um eine Bedienung kümmert.

Ich weiß schon, warum ich Single bin. So was braucht doch wirklich kein Mensch.

Eine Stunde später sitzen wir vor leer gegessenen Gyrostellern und leer getrunkenen Gläsern. Die Bedienung ist wirklich das Allerletzte, denn ohne explizite Bitten bequemt sich niemand in unseren Raum, um Bestellungen entgegenzunehmen oder mal den Tisch abzuräumen. Das könnte allerdings auch an der miesen Stimmung unserer Truppe liegen, denn alles redet wild durcheinander.

»Kinder, ihr solltet nicht so böse werden, das ist schlecht für euer Karma«, rügt Gloria Höfer, und für einen Augenblick halten alle die Klappe.

Gloria wohnt gegenüber von mir und ist eine richtig schrullige Oma. Das heißt, ich weiß gar nicht, ob sie Enkelkinder hat, denn ich habe noch nie welche bei ihr gesehen. Aber sie ist alt und sieht sehr ungewöhnlich aus. Ihre grauen Haare sind zu einem wirren Dutt hochgesteckt, und ihre Lippen haben ständig andere Farben. Gloria muss in einem Lippenstiftparadies leben; heute geht der Trend zu Orange. Bisher habe ich sie immer nur im Flur oder auf unseren Eigentümerversammlungen getroffen; vielleicht sollte ich das mal ändern. Sie scheint herrlich durchgeknallt zu sein, was sogar der feine Simon Deerberg mit amüsiertem Lächeln zur Kenntnis nimmt. Zwar möchte ich mit ihm eigentlich nicht einer Meinung sein, kann es aber trotzdem nicht ändern, dass ich genau wie er an Glorias grellen Lippen hänge.

»Bei Neumond werden die Karten des Daseins immer wieder neu gemischt, wisst ihr«, erklärt sie und bewegt ihren Kopf wie eine Schildkröte langsam von links nach rechts, um jedem von uns tief in die Augen zu schauen. Alle Gespräche verstummen. Selbst Herr Nguyen wehrt sich nicht mehr gegen Schulzes dreisten Vorwurf, dass alle Vietnamesen von Natur aus keine Ahnung von Mülltrennung haben. »Was heute, morgen und übermorgen passieren wird, ist wichtig für uns alle hier. Darum sollten wir achtsam sein, hört ihr?«

»Ja«, sagen Uta, Kai, Simon und ich wie aus einem Mund.

Herr Schulze springt auf und saut sich dabei sein Hemd mit Tzatziki vom Tellerrand ein. Arme Irmtraud, da hast du gleich noch viel Spaß mit deiner Kernseife.

»Frau Höfer hat absolut recht: Es ist überaus wichtig, was passieren wird. Darum sollten wir endlich mal klären, wessen Fahrzeuge auf unseren Stellplätzen parken dürfen und wessen nicht. Neulich hatte eine Partei von uns Besuch – ich will hier niemanden scharf angucken –, und es standen sage und schreibe zwei, ich wiederhole: zwei fremde Wagen vor unserem Haus. Das geht so nicht, Leute. Bei aller Liebe, so geht es nicht.«

Kai steht auf und geht zur Toilette. Aha. Er war also der Übeltäter. Ehrlich gesagt nervt es mich auch, wenn mein Parkplatz ständig besetzt ist, schließlich habe ich viel Geld dafür bezahlt. Aber ich würde mir eher auf die Zunge beißen, als Günther Schulze zuzustimmen, und außerdem habe ich keine Lust auf Stress mit den Liebrechts. Es reicht aus, dass ich Simon Deerberg und die Schulzes nicht leiden kann. Gut, dass Gloria beim Stichwort Liebe sofort reagiert.

»Bei aller Liebe, das ist ein schönes Lebensmotto. Wir sollten die Dinge mit Liebe betrachten. Manchmal muss man die Perspektive wechseln, damit etwas Gutes dabei herauskommt. Statt uns darüber zu ärgern, dass Simon seine Gäste auf unsere Parkplätze gelassen hat, können wir auch ganz anders rangehen. Vielleicht wusste Simon gar nicht, dass jedem von uns nur ein Stellplatz zugewiesen ist. Mit Liebe und Achtsamkeit betrachtet, hat Simon uns vielleicht sogar ein Geschenk gemacht. Das Geschenk des Vertrauens. Das ist unbezahlbar. Denkt mal drüber nach, ihr Lieben.«

Wie bitte? Es war gar nicht Kai Liebrecht, der für die zugeparkten Stellplätze verantwortlich ist, sondern Simon Deerberg? Das ist ja mal wieder typisch. Er tut, als habe er die Passage mit dem versteckten Vorwurf einfach mal überhört, und lächelt Gloria voller Liebe und Achtsamkeit an.

»Ach, das ist ja interessant«, sage ich. »Ich finde es eher ziemlich rücksichtslos, die Parkplätze seiner Mitbewohner zu blockieren. Gerade wenn man neu ist, sollten einem die unterschriebenen Verträge noch gut in Erinnerung sein, oder? Ich wäre jedenfalls nicht auf die Idee gekommen, als neuer Mitbewohner gleich mal alles kackfrech zuzuparken!«

Ist doch wahr, verdammt. Mir doch egal, dass mir hektische rote Flecken vom Dekolleté bis zum Kinn steigen. Ich könnte ihn einfach umbringen, diesen selbstgerechten und dazu auch noch feigen Papa der Nation. Bestimmt legt er vorm Zubettgehen seine Unterhemden wie bei Mutti zusammen, kriegt es aber nicht gebacken, im Dienste der Eigentümergemeinschaft im Winter Schnee zu schippen. Kein Wunder, dass seine Ex ihn verlassen hat; mit dem würde ich es keine zwei Tage aushalten.

»Ich entschuldige mich in aller Form für diesen Fauxpas, es kommt bestimmt nicht wieder vor. Wie Gloria schon ganz richtig erkannt hat, gibt es meistens zwei Seiten. Es war zwar nicht richtig von mir, und ich will mich auch nicht rausreden …«

»Neiiiiin, natürlich nicht«, sage ich.

»… aber meine Tochter war krank, sie hatte plötzlich unerklärlich hohe Temperatur. Wie das immer so ist, hatte ich gerade tausend andere Sachen auf dem Zettel. Die neue Wohnung. Eine ärgerliche Auseinandersetzung mit meiner Exfrau. Zwei Kunden, die auf ihre Angebote warteten, und, und, und. Na ja, ihr kennt das bestimmt. Wenn, dann kommt immer alles gleichzeitig. Jedenfalls ging es Tilda so schlecht, dass ich einen befreundeten Arzt anrief, der dann auch gleich kam. Und Tildas Mutter machte sich ausnahmsweise auch mal Sorgen um ihr Kind und stellte sich auf einen weiteren Parkplatz. Ich habe also einfach nicht an eure Stellplätze gedacht. Entschuldigt bitte.«

»Ach, das ist doch kein Ding«, findet Uta. Wenn sie den Neuen weiterhin so anhimmelt, brauche ich keinen Blick in Glorias Tarotkarten zu werfen, um zu wissen, dass sie bald ein Problem mit ihrem Mann haben wird. »Du Armer! Was hatte deine Kleine denn?«

»Eine Blasenentzündung. Nach ein paar Tagen Bettruhe und Antibiotika war der Spuk vorbei.«

»Na, da muss ich wohl im Urlaub gewesen sein«, kommentiert Herr Schulze, »denn von einer tagelangen Bettruhe haben zumindest wir nichts mitbekommen. Eher von dauerndem Getrampel aus Ihrer Wohnung.«

»Tja, Kinder bewegen sich halt gerne, selbst brave Mädchen. Das ist auch förderlich für die Gesundheit«, sage ich. »Ich muss jetzt leider los, meine Babysitterin fährt morgen in Urlaub, und außerdem haben wir ja bereits alle wichtigen Themen zur Genüge durchgekaut. Tschüss in die Runde.«

Ich nicke jedem außer Simon Deerberg einmal kurz zu, lege einen Zehner auf den Tisch, weil es weder neue Getränke gab noch abkassiert wurde, und sehe zu, dass ich nach Hause komme, um eine Staffel »Doctor’s Diary« zu gucken. Das brauche ich jetzt unbedingt für meine Nerven.

2

Simon

»Siebenundzwanzig«, motiviere ich mich selbst. Doch statt mich auf mein Training zu konzentrieren, kann ich nur an die blöde Kuh denken.

»Achtundzwanzig.«

Was hat sie sich dabei bloß gedacht?

»Neunundzwanzig.«

Und was sollte diese Andeutung? War das etwa eine Drohung?

»Dreißig.«

Nach dem letzten Sit-up bleibe ich eine Weile auf dem dunkelblauen Teppichboden sitzen und starre aus dem Fenster. Der wolkenlose Himmel lockt mich nach draußen, um das freie Wochenende zu nutzen. Aber erst einmal will ich den Frust loswerden, den ich ihretwegen verspüre. Im Regelfall hilft sportliche Betätigung immer, doch heute hat sich nach dreißig Sit-ups und ebenso vielen Liegestützen nichts geändert – außer dass meine Muskeln brennen.

Ich stehe auf und packe die Haltegriffe der Klimmzugstange, die an der Schlafzimmerdecke angebracht ist. Für einen Moment stelle ich mir vor, dass das Ding aus der Decke bricht und ein riesiges Loch hinterlässt, durch das Vicky, sorry, Vic-to-ri-a, dämlich heruntergafft. Was natürlich ausgeschlossen ist. Nicht das dämliche Gaffen, das beherrscht sie großartig. Hab ich ja gestern gesehen. Nein. Als Architekt weiß ich einfach, wie man Sachen anbringt, damit sie dauerhaft halten. Der Schlagbohrer hatte zwar anfangs Schwierigkeiten mit der Betondecke, zumal ich sechs Löcher bohren musste – jetzt hängt das Teil allerdings bombenfest.

»Simon!«, ermahne ich mich. »So hat dein Training keinen Sinn!«

Ich ziehe mich hoch, bis mein Kinn über der Querstange ist.

Okay, Gedanken an Victoria kann ich leicht verdrängen, schließlich ist sie nur meine nervige, schrecklich empfindsame Nachbarin, die mich ganz offensichtlich nicht leiden kann. Man muss kein Frauenversteher sein, um das zu kapieren. Doch Marion hat es mit einem einzigen Telefonanruf geschafft, mir die Laune zu verhageln. Das würde Victoria wohl nicht gelingen.

Wie konnte ich damals bloß so blind sein und mich in sie verlieben? Und das Verrückte daran: Ohne Marion würde es meinen süßen Engel nicht geben. Würde irgendjemand irgendwann eine Zeitmaschine erfinden, könnte ich sie nicht benutzen, um Marion in der Diskothek zu ignorieren. Denn ein Leben ohne Tilda könnte ich mir unter keinen Umständen vorstellen. Sie ist das tollste Kind der Welt. Wie oft es mir schwerfällt, streng zu bleiben, wenn sie mich mit ihren rehbraunen Augen ansieht und lächelt. Allein die kleine Zahnlücke sorgt dafür, dass ich förmlich dahinschmelze.

Nach dem zehnten Klimmzug lasse ich die Stange los und wische mir mit einem Handtuch den Schweiß von der Stirn. Ich atme schwer durch, bekomme aber Marions letzten Satz nicht aus den Ohren: »Wir machen ab Montag eine Woche Wellness, danach müssen wir dringend ein paar Sachen besprechen.«

Wir hatten schon ewig nichts mehr zu besprechen. Eigentlich ist zwischen uns alles geklärt. Was könnte sie also gemeint haben? Will sie mir den Unterhalt für Tilda verweigern?

Nachdem sich meine Muskulatur ein wenig erholt hat, schaffe ich weitere sechs Klimmzüge, dann ist es endlich Zeit für eine heiße Dusche. Direkt im Schlafzimmer ziehe ich die verschwitzten Sportsachen aus und hänge sie über die Stangengriffe zum Trocknen, ehe ich nackt ins Bad gehe.

Eine gute Stunde später klingelt es an der Wohnungstür. Ich eile in die Diele und betätige den Türöffner. Meine beiden langjährigen Freunde Tobias und Silvio kommen polternd die Treppe hoch und diskutieren dabei lautstark über die gerade zu Ende gegangene Fußballsaison. Das wird Herrn Schulze bestimmt wahnsinnig freuen. Ob er hinter seiner Tür lauert und die Verfehlung genauestens notiert? Solche Menschen sind mir suspekt. Warum verschwenden sie Energie darauf, ihren Nachbarn das Leben zur Hölle zu machen? Wenigstens scheinen die Schulzes in der Hausgemeinschaft mit ihren Stasi-Methoden in der Unterzahl zu sein. Die anderen wirken ja ganz vernünftig. Außer Victoria natürlich.

»To!«, ruft Tobias, während sie die letzten Stufen hochkommen.

»Si«, ergänzt Silvio nicht minder laut.

»Si«, murmle ich wenig begeistert.

Das sind wir. Die Tosisis. So nennen wir uns seit der Schulzeit, und früher haben wir heftige Nächte erlebt und zahlreiche Frauenherzen gebrochen. Bis ich das erste Mal Tilda in den Armen gehalten habe. Von da an war es um mich geschehen, und ich wusste, ich würde mein Leben für dieses süße Wesen ändern, um möglichst jede freie Minute mit meiner Tochter zu verbringen.

»Na, da freut sich ja jemand auf das Fest heute«, sagt Tobias.

»Kommt rein«, fordere ich sie auf, denn wenn ich mich nicht irre, ist im Erdgeschoss gerade eine Tür geöffnet worden.

»Was ist los?«, fragt Silvio.

»Bin nicht so richtig in Stimmung«, gestehe ich. »Ich fürchte, Marion führt irgendetwas Fieses im Schilde.«

Die beiden folgen mir ins Wohnzimmer, wo ich bereits eine Tüte Chips in eine Schüssel geschüttet und drei Flaschen Bier bereitgestellt habe.

»Marion führt nichts Fieses im Schilde«, korrigiert mich Silvio. »Sie ist fies. Im Duden ist neben diesem Wort wahrscheinlich ein Foto von ihr abgedruckt.«

Silvio hat noch nie einen Hehl daraus gemacht, was er von ihr hält. Deswegen hat er sich damals auch geweigert, als Trauzeuge zu fungieren, und Tobias den Vortritt gelassen. Doch Tilda – ein Produkt der Liebe zwischen Marion und mir – hat er sofort ins Herz geschlossen.

»Willst du darüber reden?«, erkundigt sich Tobias.

Ich seufze. »Ist bloß ein Gefühl. Nichts, womit wir uns den Abend verderben lassen sollten.«

»Prima«, entgegnet Tobias erleichtert. »Und ich dachte schon, du würdest uns die Party ruinieren.«

Er wirft die mitgebrachte Plastiktüte auf die Couch, wo ein Spielzeug-Enterhaken aus ihr herausrutscht.

Ich stöhne laut. »Ist das wirklich euer Ernst?«

»Worauf du dich verlassen kannst«, erwidern sie unisono.

Einmal jährlich findet in unserer Stadt ums Rathaus herum das City-Fest statt. Seit einigen Jahren steht es immer unter einem sich jeweils ändernden Motto; das aktuelle lautet »Alles klar zum Entern«. Aber damit nicht genug. Anlässlich des Festes bietet der Bürgermeister den Bürgern immer eine Wette an: Wenn sie es schaffen, eine bestimmte Vorgabe zu erfüllen, spendet er eine nicht unerhebliche Summe aus seinem Privatvermögen für einen guten Zweck. Falls sich diesmal vierhundert als Seeräuber verkleidete Einwohner auf der aufgebauten Bühne einfinden und zusammen das Lied »Zehn wilde Piraten« – eine politisch korrekte Version des Klassikers »Zehn kleine Negerlein« – singen, will er einer Kinderschutzorganisation zweitausend Euro zuwenden.

»Ist schließlich für eine wohltätige Sache«, meint Silvio.

»Ich lege fünfzig Euro obendrauf, um in Ruhe gelassen zu werden«, schlage ich vor.

Tobias nimmt sich ein Bier und öffnet es mit dem bereitgelegten Feuerzeug. Er reicht es weiter an Silvio; kurz darauf stoßen wir miteinander an.

Da ich sie nicht von der fixen Idee abbringen kann, ihren Beitrag zu leisten, füge ich mich meinem Schicksal. In der Tüte befinden sich weiße Hemden, Kopftücher, Augenklappen und zwei weitere Plastikhaken, die man sich über die Hand stülpen kann. Bevor ich bereit bin, mich umzuziehen, trinke ich erst mein Bier aus. Dann schnappe ich mir ein Hemd und ein dunkelblaues Tuch und gehe ins Schlafzimmer.

»Schämt sich da etwa jemand, seinen Astralkörper zu zeigen?«, ruft mir Tobias hinterher.

»Ich will bloß nicht, dass ihr vor Neid erblasst«, erwidere ich. Trotzdem ziehe ich mich bei offener Tür um. Sollen sie ruhig gucken.

Nachdem ich mich hergerichtet habe, wartet Silvio mit einem schwarzen Gegenstand in der Diele auf mich.

»Vergiss es!«, teile ich unmissverständlich mit, als ich erkenne, dass es ein Eyeliner ist.

»Die Frauen stehen auf Jack Sparrow. Du wirst sehen. Damit wirst du frei nach dem diesjährigen Motto jemanden entern.«

»Ich verzichte«, entgegne ich genervt. »Weiber machen eh nur Ärger.«

»Hab dich nicht so«, ist aus dem Wohnzimmer zu vernehmen.

»Vergesst es!«, wiederhole ich. »Wenn ihr mich dabeihaben wollt, müsst ihr mich ungeschminkt ertragen.«

Ich zwänge mich an Silvio vorbei, der den Eyeliner drohend in meine Richtung hält, meinen Wunsch jedoch akzeptiert. Als ich das Wohnzimmer betrete, wirft mir Tobias eine Augenklappe zu. Statt sie an meinem Kopf zu befestigen, stopfe ich sie in eine Hosentasche meiner dunkelgrauen Jeans.

»Später«, vertröste ich meinen Freund. »Jetzt brauche ich noch ein Bier.«

Leicht angeheitert verlassen wir schließlich meine Wohnung – und beweisen einen untrüglichen Instinkt für den denkbar schlechtesten Moment. Genau in dem Augenblick, als Tobias und Silvio vor mir in den Flur treten, höre ich von oben Schritte kommen. Normalerweise würde ich mich nun zurückziehen und durch den Spion schauen, doch die beiden vermasseln mir das. Große Hoffnung, dass es sich um Frau Höfer handelt, habe ich nicht, außerdem scheinen es mindestens zwei Personen zu sein.

»Oh, hallo«, erklingt eine weibliche Stimme, die viel zu freundlich ist, um Victoria zu gehören.

»Ho, ho, ho«, erwidert Silvio.

»Bist du der Weihnachtsmann?«, frage ich missmutig.

Die unbekannte Dame kichert, während Victoria hinter ihr die Augen verdreht.

»Heiliger Klabautermann, wer sind denn diese hübschen Piratenbräute?«

Tatsächlich haben sich meine Nachbarin und ihre Begleitung ebenfalls kostümiert und sich – wie ich anerkennen muss – deutlich mehr Mühe gegeben als wir. Mit ihrem Outfit könnten sie in einem Piratenfilm als Statisten mitmachen, während es bei uns höchstens für einen Auftritt in der Geisterbahn reicht.

Victoria trägt ein weißes Piratenkleid mit Rüschen und einer roten Korsage. Auf dem Kopf hat sie einen Seeräuberhut, der mit einer roten Schleife verziert ist. Schwarze Lederstiefel runden das Bild ab.

Wow, denke ich und starre sie fassungslos an.

Auch die Freundin wirkt in der schulterfreien dekolletierten Bluse, einer eng sitzenden braunen Wildlederhose und dazu passenden Stiefeln fesch, aber mit Luis’ Mutter kann sie definitiv nicht mithalten.

»Na, ihr Seeräuber«, sagt die Besucherin, »wollen wir gemeinsam das Fest entern?«

Ehe einer meiner Freunde antworten kann, zieht Victoria sie am Arm zum nächsten Treppenabsatz.

»Wollen wir nicht!«, entscheidet sie barsch.

»Von wegen!«, protestiert Silvio.

»Einspruch!«, ruft Tobias.

Victoria ist energisch genug, um ihre Freundin mitzuschleifen.

»Nicht gehen«, bittet Silvio, während Tobias wie ein Wolf heult.

Wieder einmal höre ich, dass im Erdgeschoss eine Tür geöffnet wird.

»Das ist hier doch kein …«, ärgert sich Herr Schulze, dem das letzte Wort im Hals stecken bleibt. Anscheinend ist er von dem sich bietenden Anblick ebenfalls überrascht.

»Hallo, Herr Schulze«, begrüßt ihn Victoria ausgesprochen freundlich.

Kurz darauf fällt die Haustür ins Schloss.

»Meine Fresse! Warum hast du uns bislang nichts von dieser Traumfrau erzählt?«, echauffiert sich Tobias.

»Weil sie sich bisher in meiner Gegenwart lediglich von ihrer zickigen Seite präsentiert hat«, erwidere ich.

Die beiden reden auf mich ein, als würde meine Zukunft davon abhängen, die Frau näher kennenzulernen. Nach den Ereignissen auf dem Spielplatz und bei der Eigentümerversammlung kann ich darauf allerdings gut verzichten.

Schulze wirft uns einen düsteren Blick zu. Ich ziehe einen imaginären Hut, dann treten wir nach draußen.

Den fünfzehnminütigen Fußmarsch zur Stadtmitte nutzen meine Freunde, um mich zu nerven. Wenigstens bemerken sie nicht, dass ich einen kleinen Umweg in Kauf nehme, denn ich habe beim Hinaustreten gesehen, welche Richtung Victoria mit ihrer Freundin eingeschlagen hat.

»Ey, Leute!«, fahre ich schließlich aus der Haut. »Wenn ihr nicht endlich die Klappe haltet, könnt ihr ohne mich feiern. Es reicht! Außerdem ist sie eh vergeben«, füge ich hinzu. »Sie teilt sich die Wohnung mit einem Mann.«

Eine Aussage, die zumindest teilweise der Wahrheit entspricht.

»Immer das Gleiche«, seufzt Tobias. »Die besten Frauen sind liiert.«

Silvio nickt traurig.

Ich spüre einen Anflug schlechten Gewissens, doch immerhin geben sie nun Ruhe.

Wir erreichen den überfüllten Rathausvorplatz, auf dem eine Bühne, eine große Musikanlage, ein Getränkeausschank und eine Grillbude aufgebaut sind. Die Masse der als Piraten verkleideten Menschen lässt bereits eine halbe Stunde vor offiziellem Beginn des Festes keinen Zweifel daran, dass sich demnächst eine Kinderschutzorganisation über eine Spende des Stadtoberhaupts freuen kann.

Der eloquente und allseits beliebte Bürgermeister gibt pünktlich den Startschuss zu den Feierlichkeiten. Alle Seeräuber quetschen sich wie Ölsardinen auf die Bühne, der Leiter der örtlichen Musikschule dirigiert, und vier städtische Mitarbeiter halten riesige Schilder mit dem Liedtext in die Höhe. Alle Beteiligten inklusive mir haben mächtig Spaß – obwohl ich leicht abgelenkt bin, da ich Victoria und ihre Freundin zwei Reihen vor mir entdecke.

Schade, dass du so eine nervige Zicke bist, denke ich bedauernd, denn als Piratin siehst du zum Anbeißen aus.

Nachdem die Sonne untergegangen ist, machen sich die meisten Besucher auf den Weg zum fünf Minuten entfernten Schützenplatz, wo eine Open-Air-Disco stattfindet. Die Stimmung ist ausgelassen, und die Tosisis amüsieren sich fast so gut wie früher. Unser Dauer-Single Silvio hat schon drei Handynummern ergattert, doch morgen wird ihm vermutlich der Mut fehlen, wenigstens eine der Frauen anzurufen.

Wummernde Bässe weisen uns den Weg. Wir albern herum, und als wir endlich an unserem Ziel ankommen, steuern wir gleich einen Getränkestand an, um den angenehmen Alkoholpegel beizubehalten. Zwischendurch spukt Marions Ankündigung durch meinen Kopf; glücklicherweise gelingt es mir jedoch weitestgehend, die negativen Gedanken beiseitezuschieben. Meine Exfrau ist im vorigen Jahr mit ihrer neuen Liebe in die Nachbarstadt gezogen – insofern besteht wohl keine Gefahr, dass wir uns hier zufällig begegnen.

Kurz vor Mitternacht stehe ich allein inmitten einer Traube von durstigen Leuten an einem der Getränkewagen. Silvio hat sich eine halbe Stunde zuvor verabschiedet und sah ein bisschen blass um die Nase aus; Tobias habe ich zuletzt vor einer ganzen Weile im Gespräch mit einer attraktiven Piratin gesehen.

Während ich darauf warte, dass mich der gestresste Kellner wahrnimmt, spüre ich, wie mich jemand anstarrt. Ich drehe meinen Kopf leicht nach rechts. Neben mir steht eine kleine, schwarzhaarige Frau. Sie zwinkert mir zu.

»Hallo Seeräuber, alles klar bei dir?«, lallt sie.

Ich bringe ein schiefes Lächeln zustande. Bevor ich mir eine unverbindliche Antwort einfallen lasse, rettet mich der Kellner.

»Wodka Red Bull«, bestelle ich.

»Uh, ein Bulle«, säuselt sie. »Bestimmt hast du heute noch Pläne.«

In diesem Moment zwängen sich zwei Frauen an meine linke Seite, und aus dem Augenwinkel sehe ich, dass es sich um Victoria und ihre Freundin handelt. Ich frage mich, was ich eigentlich in letzter Zeit verbrochen habe, kann mich jedoch an keine größere Verfehlung erinnern. Aber vielleicht schlafwandle ich ja und stehle nachts Blumen aus Nachbars Garten.

Spontan entscheide ich mich, lieber ein paar Worte mit der Unbekannten zu wechseln, als meiner Nachbarin Aufmerksamkeit zu schenken.

Was kann dabei schon großartig passieren?

Als ich eine Stunde später meine Wohnungstür aufschließe, legt sie mir von hinten eine Hand in den Schritt.

»Ich kann es kaum noch erwarten, dich in mir zu spüren«, gurrt sie.

Peinlicherweise kenne ich nicht mal ihren Namen. Natürlich hat sie ihn mir gesagt, doch es war so laut, dass ich ihn nicht verstanden habe, aber auch nicht nachfragen wollte.

Victoria und ihre Freundin sind schuld, dass ich mit der kleinen Schwarzhaarigen in meiner Wohnung gelandet bin. Statt gleich nach dem Entgegennehmen ihrer Getränke wieder zu gehen, blieben sie an Ort und Stelle. Ich hatte sogar den Eindruck, dass mich meine Nachbarin beobachtet hat. Also unterhielt ich mich länger als geplant mit Miss Namenlos, und da mein letztes flüchtiges Sexabenteuer eine ganze Weile her ist, war ich leichte Beute. Ich hatte gehofft, wir würden bei ihr enden, aber sie erzählte irgendetwas von Renovierungsarbeiten, weswegen sie vorübergehend zu ihren Eltern gezogen sei. Die riesige Handtasche, die sie bei sich trägt, weckt allerdings andere Befürchtungen in mir. Hoffentlich werde ich sie spätestens morgen früh ohne Probleme los.

»Willst du ins Bad?«, frage ich.

»Nein. Es sei denn, du willst es unter der Dusche treiben«, entgegnet sie kichernd.

Ich erspare mir eine Antwort. Zwar finde ich Wasserspiele sehr erregend, nur nicht unbedingt beim ersten Mal.

Ich führe sie ins Schlafzimmer und schalte das Licht ein, das ich etwas dimme.

»Ich wusste es!«, kreischt sie plötzlich.

Verständnislos sehe ich sie an.

»Ich wusste, du stehst auch darauf.« Sie zeigt zur Klimmzugstange.

»Du magst Sport?«, erkundige ich mich verwirrt.

»Diesen Sport schon«, sagt sie lasziv.

Die erotischen Qualitäten einer Klimmzugstange sind mir bislang verborgen geblieben, doch selbst in meinem Alter lernt man ja bekanntlich nicht aus.

»Wofür benutzt du die?«, will sie wissen.

»Klimmzüge«, erkläre ich.

Sie lacht anzüglich. »Klar.« Äußerst erregt schaut sie zur Stange. »Machst du es mit einem Seil? Wo hast du es versteckt? Im Schrank?«

»Ich brauche kein Seil.«

»Wie funktioniert dann der Luftentzug?«

»Luftentzug?«, vergewissere ich mich, ob ich richtig gehört habe.

»Ich fände es geil, wenn du mir die Luft abschnürst und es mir von hinten besorgst. Am besten, bis ich ohnmächtig werde.«

»Was?«

»Ich hoffe übrigens, es stört dich nicht, dass ich die hier tragen will.«

Nun öffnet sie ihre Handtasche, kramt kurz darin herum und präsentiert mir dann stolz eine silberne Kette, an deren Ende sich Klammern befinden. Ich ahne, an welcher Stelle sie die gerne trägt.

Habe ich ernsthaft eine Frau mit nach Hause genommen, die in ihrer Handtasche Nippelklemmen dabeihat? Wären wir jetzt in ihrer Wohnung, würde ich mich heimlich davonstehlen. So jedoch stelle ich mir vor, wie ich die Polizei anrufen muss, weil beim Geschlechtsverkehr etwas gehörig schiefgelaufen ist.

Meinem Körper gefällt diese Vorstellung ebenfalls nicht – jegliche Erregung fällt in sich zusammen.

Unterdessen nähert sie sich mir. »Das wird so geil werden«, schnurrt sie.

Ich strecke meine rechte Hand aus, um sie auf Abstand zu halten. Doch statt den Wink mit dem Zaunpfahl zu verstehen, nimmt sie meine an ihrer Schulter liegende Hand und drückt sie gegen eine Brust.

»Du darfst feste zupacken. Oder kneifen. Das mag ich besonders.«

»Sorry«, entgegne ich. »Das klappt so nicht.«

»Was?«, fragt sie verwirrt.

»Offensichtlich haben wir unterschiedliche Vorlieben.« Ich lasse meinen Arm sinken und setze mich auf den Matratzenrand.

Nach einer sich in die Länge ziehenden Diskussion, in der sie mich von den Vorzügen einer härteren Gangart überzeugen will, verlässt sie endlich meine Wohnung. Mittlerweile bin ich so erschöpft, dass ich mich mit einer Katzenwäsche begnüge und aufs Zähneputzen verzichte. Kaum liege ich im Bett, schlägt die Wirkung des Energydrinks durch. Ich wälze mich von einer Seite zur anderen, ohne Schlaf zu finden. Als plötzlich das Bild meiner verkleideten Nachbarin in meinem Kopf auftaucht, stöhne ich genervt. Trotzdem frage ich mich, ob es jemandem gelungen ist, sie zu erobern.

Um mich abzulenken, denke ich an meine Pläne. Eigentlich wollte ich den Sonntag nutzen, um an meinem aktuellen Projekt weiterzuarbeiten. In der kommenden Woche entscheidet sich, ob die letzten Monate beruflich weitestgehend brotlose Kunst waren oder mich ein Stück vorwärtsgebracht haben. Aber bis zu den entscheidenden Gesprächen habe ich noch eine Menge zu erledigen, sodass mir stressige Tage bevorstehen. Da Tilda davon möglichst wenig beeinträchtigt werden soll, muss ich einen Großteil meines Pensums schaffen, während sie im Kindergarten ist.

Leider ist das meinem Körper egal – und es dauert ewig, bis ich schläfrig werde.

3

Vicky

Es gibt drei Dinge, auf die ich im Leben nicht verzichten kann: Luis, meinen Job und einen großen Becher Kaffee am Morgen. Eigentlich sollte man meinen, dass es nicht so schwer sein kann, diese drei Punkte unter einen Hut zu bringen. Aber ich schaffe es einfach nicht. Irgendwas läuft bei mir gewaltig schief – oder warum hänge ich im Zeitplan schon wieder hinterher? Jedes Mal, wenn Luis das Wochenende bei Thomas verbracht hat, komme ich am Montagmorgen ins Schleudern, dabei geht das heute wirklich gar nicht. Ich muss pünktlich im Büro sein, sonst vermassel ich alles. Würde mein Ex seinen Sohn nur einmal zur vereinbarten Zeit zurückbringen, wäre Luis sonntagabends auch nicht immer so überdreht. Aber nein, es ist Thomas scheißegal, wie ich unser Kind am nächsten Morgen aus dem Bett bekomme.

»Luis, bitte zieh dir jetzt die Schuhe an, ich komme sonst zu spät zur Arbeit«, versuche ich es in der geduldigsten Tonlage, die mir möglich ist.