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Wunderkind, Weltstar und Enfant Terrible der Klassik – die Geschichte eines Lebens, das keine Grenzen kennt DIE Autobiographie Als kleiner Junge saß Nigel Kennedy bei den Klavierstunden seiner Mutter unter dem Piano und hörte zu. Bis Yehudi Menuhin auf das Wunderkind aufmerksam wurde und ein unglaubliches Leben begann: Ein umjubeltes Mendelssohn-Konzert, eine viel gelobte Elgar-Aufnahme und schließlich »Die Vier Jahreszeiten«: bis heute legendär. Und das ist erst der Anfang. Mit The Who auf der Bühne, mit Paul McCartney im Studio. Ob stürmische Jam Sessions bis tief in die Nacht oder die Violine im Fußballstadion – Kennedy ist ein Grenzgänger. Durch seine Art hat er allen eine Verbindung zur Klassik ermöglicht. »Mein rebellisches Leben« ist ein echter Kennedy. Hier erzählt er auch von all den Teilen des Lebens, die selten in Biographien stehen: das Verschlafen seines Konzertdebüts mit Menuhin, eine Hose, die auf der Bühne krachend im Schritt reißt, die Liebe zum Fußballclub Aston Villa, der Großfamilie, die er selbst nie hatte. Dieses Buch ist wie sein Autor: larger than life. Die Geschichte eines Künstlers, der als Mensch und als Musiker stets versucht, Mauern einzureißen und Grenzen zu überwinden. »Nigel kennt keine Grenzen und das sollte er auch nicht … Er ist eine große Inspiration für die Musiker von Morgen und heute. Seine Genialität ist unverkennbar.« Robert Plant, Led Zeppelin »Nigel ist unglaublich begabt. Und er hat ein besonderes Ohr, das ihm ermöglicht, zu spielen, was er will. Seinen musikalischen Lebensweg wird man nicht so schnell vergessen.« Yehudi Menuhin »Nigel ist einfach so ein brillanter Musiker. Er hat klassische Musik zu den Menschen gebracht, sie hat jetzt street credibility und ist nicht mehr nur Elite. Dazu ist Nigel so eine wunderbare Person. Jeder liebt ihn, und ich bin so froh ihn als Freund zu haben.« Kate Bush »Nigel Kennedy gehört zu den außergewöhnlichsten und originellsten Musikern, die ich kenne und mit denen ich gespielt habe. Und seine Geschichte ist unglaublich spannend.« Jean Luc Ponty »Sein Spiel gehört zu den besten im ganzen Musikbetrieb.« Isaac Stern
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Seitenzahl: 677
NIGEL KENNEDY
Mein rebellisches Leben
Aus dem Englischen von Bernhard Schmid
Tropen Sachbuch
Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe.
Tropen
www.tropen.de
Die Originalausgabe erschien unter dem Titel »Uncensored!« im Verlag Essentialworks, London
© 2021 by Nigel Kennedy
Für die deutsche Ausgabe
© 2022 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart
Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten
Cover: Klett-Cotta-Design
unter Verwendung einer Abbildung von © Rankin
Gesetzt von C.H.Beck.Media.Solutions, Nördlingen
Notensatz: Notengrafik Werner Eickhoff-Maschitzki, Freiburg i. Brsg.
Gedruckt und gebunden von GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-608-50020-2
E-Book ISBN 978-3-608-11866-7
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Warnung
Glossar
Intro
Ein Anfang
Aller Anfang
Aller Anfang, Teil 1
Die Yehudi Menuhin School
Freunde und Einflüsse: Stéphane Grappelli
Freunde und Einflüsse: Yehudi Menuhin
Wieder mal abgezogen
Meine schlimmsten Gigs –
ever!
Ritsch-Ratsch-Rutsch (Britische Botschaft, Washington, D.C.)
Pop – Pop – Pop Muzik (das Juilliard Orchestra, Alice Tully Hall, NYC)
Trouble mit Brahms – ein Juilliard-Konzertwettbewerb
Schlimmste Gigs Outro
Klassische Musik
Aller Anfang, Teil 2
My way – Sound & Einstellung
VIV – Die Vier Jahreszeiten
John Stanley – der Djagilew unserer Zeit
My way – die Geburt des Punk-Geigers
Risiken? Klar!
Die Kennedy-Formel
Brief an einen jungen Künstler
Ein Leben im Geiste Lauri Kennedys
Unterhaltung mit Ludwig van Beethoven
Präludium
Unterhaltung
Unterhaltung mit Jimi Hendrix
Hey Joe
Third Stone from the Sun
Voodoo Child
Drifting
Crosstown Traffic
In 1983 A Merman I Should Turn to Be
Purple Haze
The Wind Cries Mary
Die Rock-Aristokratie – die Bedeutung des Narrativs
Sir Paul McCartney
Planty (Sir Robert Plant)
Erste Begegnung
Amerikanische Sensibelchen
New-Age-Reisende
Die Wolves-Phantome
»Kashmir« in der Royal Albert Hall
Transitoire – Musikalische Vorurteile
The Who – Baba O’Riley
EMF/Neil Tennant (Spaßbremse ehrenhalber und einer der besten Songwriter, denen ich nie begegnet bin)
Jon Lord, Purple, Smoke
Donovan
Interludium: Donovan gg. Dylan
Jean-Luc Ponty
Roy Wood
Boy George
Kate Bush
Talk Talk
Mark King
Auf Tour mit Nigel: »Erinnerungen meines dienstältesten Musos« – von Rolf »das Kobra« Bussalb
Erste Begegnung
Den Haag
Deutsche Bambi-Verleihung 1991
Deutschland-Tournee 1992
Stuttgart
Fliegende Schnitzel
Europäischer Filmpreis 1992
Nyon
Amsterdam
Die BBC
Meine Beziehung mit der BBC – die Anfänge
Alles andere als überbezahlt
Die Proms (die Henry Wood Promenade Concerts)
Ich & die Palestine Strings – Vivaldi nebst den
Vier Jahreszeiten
Zensur durch die BBC
Die Farce der Night of the Proms
Best of Unterdrückung
Gordon, das Erdhörnchen, der Sofa-Rip-off
Vivaldis
Vier Jahreszeiten
Tinariwen
Unterdrückt, zensiert, diffamiert und ignoriert
Im Wechsel der Jahreszeiten
Pausa – Family-Time
Germany –mein Deutcheland
Irland
Japan
Australien
Polen
Die Barbarossa, ihre Lebensraum-Politik, der Holzzuber und der Grabhügel
Erzwungene Inaktivität
Ich bin keineswegs im Ruhestand oder so
Meine Top 10 der Begegnungen mit der Polizei
Gemeinsamer 1. Platz
Metropolitan Police London
Die Metropolitan Police London (Südliche Version einer Geordie-Band?)
Die Polizei Berlin
Gemeinsamer 3. Platz
Warszawa Policja
Die Metropolitan Police London
5. Platz: Das NYPD (New York City Police Department)
6. Platz: Frankfurter Flughafenpolizei
7. Platz: Die Polizei von Madrid
8. Platz: Die Polizei der West Midlands
9. Platz: Die ungarische Grenzpolizei
10. Platz: Die bayerische Polizei Bad Wörishofen
Zugabe zum Thema »Polizei«
Fußball: Aston Villa
Einführung
Mein erstes Spiel und die Anfänge
Zehn beiläufige Halbwahrheiten (deren ständige Wiederholung zum Tod der Wahrheit führt):
Meine Beziehung zu Aston Villa
Villa als Inspiration für meine Karriere
Fußball? Fußball? Fußball? – Wo sind die Stories aus der Welt der Musik?
Parallelen zwischen Fußball und Livemusik
Der Unvergleichliche – Doug Ellis
Nigel Spink – Europapokalsieger und rundum großartiger Torhüter
Paul McGrath
Andy Robinson
Gordon Cowans – Sid
Tony Morley
Jack Grealish
Gary Lineker
Gary
»Loinacker«
Küchengolf
Cracovia und St. Pauli
Cracovia
St. Pauli
Die Kunst des Faustkampfs
Muhammad Ali
Sean Connery
Barry McGuigan
Frank Bruno
Kirkland Laing
Zugaben
Meine Konzertaufnahmen
Elgar, Violinkonzert in h-Moll, London Philharmonic Orchestra, Vernon Handley, 1984
Tschaikowski, Violinkonzert D-Dur op. 35, London Philharmonic Orchestra, Okko Kamu, 1986
Walton, Violin and Viola Concertos, Royal Philharmonic Orchestra, André Previn, 1987
Bruch und Mendelssohn, Violinkonzerte, und Schubert, Rondo (auf Tonarten und Werknummern sei hier gepfiffen), English Chamber Orchestra, Jeffrey Tate, 1988
Bruch, Violinkonzert in g-Moll
Mendelssohn, Konzert in e-Moll
Vivaldi, Die Vier Jahreszeiten, English Chamber Orchestra, Nigel Kennedy (musikalische Leitung/Solist), 1989
Brahms, Violinkonzert in D-Dur, London Philharmonic Orchestra, Klaus Tennstedt, 1991
Beethoven, Konzert für Violine und Orchester in D-Dur, Sinfonie-Orchester des NDR, Klaus Tennstedt, 1992
Bach, Concertos, Berliner Philharmoniker, Albrecht Mayer (Oboe), Daniel Stabrawa (Violine), Nigel Kennedy (musikalische Leitung/Solist), 2000
Vivaldi, Die Vier Jahreszeiten, Berliner Philharmoniker, Nigel Kennedy (musikalische Leitung/Solist), Daniel Stabrawa (Co-Solist), 2003
Vivaldi, Concerti, Berliner Philharmoniker, Nigel Kennedy (musikalische Leitung/Solist), 2004
Vivaldi, IV Seasons x3 (XII Seasons?), Orchestra of Life, Nigel Kennedy (musikalische Leitung/Solist), 2015
Meine Alben
Let Loose, 1987
Music in Colors, Stephen Duffy feat. Nigel Kennedy (ja, das bin ich), 1993
Kafka, 1996
The Kennedy Experience, Nigel Kennedy plays Jimi Hendrix, 1999
The Doors Concerto, 2000
Interludium: Jazz Summers – Summertime
East meets East, featuring Tomasz Kukurba’s Kroke Band, 2003
The Blue Note Sessions, 2006
Nigel Kennedy Quintet – A Very Nice Album/Shhh!, 2008/2010
While My Guitar Gently Weeps, British Rock Symphony, 2000
My World, 2017
Kennedy Meets Gershwin, 2018
Recital, 2013
Freunde – privat, beruflich oder sowohl als auch
Outro
Tafelteil
Index
Redaktionelle Anmerkungen
Wo ich nun mal vierundsechzig bin, mag meine Ausdrucksweise der heutigen Gedankenpolizei möglicherweise hier und da politisch nicht ganz korrekt erscheinen, vor allem wenn ich witzig zu sein meine. Diskriminieren Sie mich also nicht meines Alters wegen, indem Sie meine Art zu schreiben kritisieren. Ich habe mein Leben lang Barrieren zwischen Menschen einzureißen versucht und denke, das vorliegende Buch ist dafür Beweis genug.
Bitte ärgert euch nicht, entspannt euch! Ihr habt die Wahl …
Liebe Freundin, lieber Freund,
willkommen in meinem Buch.
Schnallen Sie sich bitte an, sofern Sie das nicht als Übergriff auf Ihre sauer verdienten bürgerlichen Freiheiten empfinden und Sie schon genug in die staatliche Krankenversicherung eingezahlt haben, die sich im Ernstfall um Sie kümmern müsste.
Es war einmal ein Anfang, der fast mit dem Beginn meines Lebens zusammenfiel …
Von meiner Warte in dem Kokon aus ist es um mich herum hell, aber es herrscht eine durchdringende Kälte, die allmählich zunimmt. Und mit ihr auch der Hunger in mir. Mein Kokon ist so eng, dass ich mich nicht bewegen kann. Die Gefühle sind übermächtig, aber nicht voneinander zu trennen. Die Kälte und der Hunger werden jetzt unerträglich. Was kann ich tun? Normalerweise wäre ich bereits im Warmen und bekäme meine Milch. Ich weiß das. Ich kann mich nicht bewegen, aber ich kann schreien und heulen. Ich kann fühlen, wie das Gebrüll langsam in mir aufsteigt. Das sollte wohl genügen, jedenfalls tut es das normalerweise. AAAAOOOOUUUUWWWW! … Sie ist noch immer nicht da … keine Milch … AAAAOOOOUUUUWWWWAAAA! … kalt … kälter … keine Wärme … KALTER HUNGER … Das ist meine früheste Erinnerung aus der Wohnung am Regency Square in Brighton. Ich war gerade mal ein paar Monate alt. Meine Mutter war nach London gefahren, um Klavierstunden zu geben, vielleicht auch zu einer Probe. Ich bin mir nicht sicher, ich war nicht dabei. Sie musste sich verspätet haben, jedenfalls hatte sie mich auf dem Balkon vergessen. Es vergingen einige lange Stunden, bis sie wieder zurückkam, aber ich habe ÜBERLEBT! Heute würde man das Verwahrlosung nennen, aber Tatsache ist, ich verdanke der Episode eine frühere Erinnerung, als die meisten Menschen sie haben. Es ist heute große Mode bei Überprivilegierten aller Schichten, darüber zu lamentieren, wie »benachteiligt« sie aufgewachsen sind, um ihre ach so gewaltigen Leistungen herauszustellen. In dieser Zeit der Überfülle an Informationsmüll aus dem Internet ist Übertreibung an der Tagesordnung. Unterm Strich war mein Tag ohne Milch sicher hart, aber auf lange Sicht spielte er keine Rolle … Mittlerweile mag ich Milch nicht mal mehr.
Seither ging es mit meinem Leben aufwärts; es war erfüllt, abwechslungsreich und milchfrei. Nach der relativen Enge der Yehudi Menuhin School und der Juilliard School (künstlerischer Mittelmäßigkeit) erweiterte sich mein Horizont glücklicherweise, und ich durfte mit Robert Plant(1), Roger Daltrey(1), Pete Townshend(1), John Entwistle(1), Paul McCartney(1), Kate Bush(1), Jean-Luc Ponty, Stéphane Grappelli(1) und natürlich, wie zu erwarten, mit vielen klassischen Interpreten zusammenarbeiten, von Yehudi Menuhin(1) bis André Previn(1).
Außerdem war mir viel denkwürdige Zeit mit Freunden aus den Reihen der Boxer und Fußballer vergönnt, nicht zu vergessen die großen Augenblicke mit den ehrenwerten und großartigen Fans und Spielern des Clubs, dem wir den Fußball verdanken, wie wir ihn heute kennen: ASTON VILLA F. C. Es ist mit Abstand das größte Team, das die Welt je gesehen hat.
Für mich gehören Erinnerungen nur dann in ein Buch von mir, wenn sie entweder amüsant sind oder ein Ungleichgewicht korrigieren. Ich respektiere die Balance als Gegenpol zum Bullshit, und das innere Bullshit-o-Meter, das ich schon in jungen Jahren entwickelte, ermöglichte es mir, um mich herum ein ausgewogeneres Umfeld zu schaffen für meine Freunde und Kollegen in und außerhalb der musikalischen Welt. Genau darum und um nichts anderes ging es bei all den Scharmützeln, die ich mit Plattenfirmen, der BBC, der bayerischen Polizei, Dirigenten und anderen Machthabern von eigenen Gnaden ausgefochten habe. Es ist ein Verbrechen, uns unsere Welt von Schwachköpfen jeder Art verderben zu lassen. Näheres dazu später!
Frage: Nige, wozu schreibst du ein Buch für mich?
Antwort: Kurze Frage, lange Antwort. Vor vier Jahren boten mir eine Menge Leute eine Menge (wenn auch nicht genügend!) Moos, damit ich meinen Sechzigsten feiere. Was für eine alberne Idee. Sechzig ist ein durch und durch unbemerkenswertes Alter, zu jung zum Sterben, aber nicht jung genug, um unumstrittener Boxweltmeister im Weltergewicht zu werden wie Lloyd Honeyghan oder Sugar Ray Leonard. Und so sagte ich denen denn auch: »Kommt nicht in die Tüte, ihr Arschgeigen.«
Mittlerweile bin ich (fast) vierundsechzig, was denn schon ein weit amüsanteres Alter ist. So werde ich in einem Jahr kostenlos mit dem Bus fahren können, und man wird mich mit einem Song der berühmtesten Band aller Zeiten assoziieren. Es ist ein Alter, in dem man zwar noch eine Zukunft, aber andererseits auch genügend Jahre auf dem Buckel hat, um einige potenziell interessante Reminiszenzen zu haben. Ich schreibe das hier für Sie – einen Freund, der vielleicht mal in einem meiner Konzerte war oder sich eine meiner Platten zugelegt hat. Oder für den Fall, dass Sie nie was von mir gehört haben: Kommen Sie doch rein, setzen Sie sich, schlendern Sie ein bisschen rum und hören mal rein. Und falls Sie ein Fan des wichtigsten Vereins der Welt sein sollten, dem der Fußball alles verdankt – angefangen beim Ligaformat: Es gibt ein ganzes Kapitel über Aston Villa.
Wir sehen uns dann auf der nächsten Seite.
Nigel Kennedy
Angefangen hat alles 1956 in Brighton; geboren zu werden lässt sich ja bekanntlich nicht vermeiden. Meine Mutter hatte es alles andere als leicht. Die Klavierstunden waren nicht sonderlich einträglich, und da so das nötige Kleingeld für einen Babysitter fehlte und meine Mutter alleinerziehend war, lag ich in einem Kinderbettchen unterm Klavier, während sie einem endlosen Reigen von Schülern Unterricht gab. Das Haus gehörte einem Zahnarzt, der seine Praxis in den beiden unteren Etagen hatte, während wir oben zur Miete wohnten. Die Wohnung bestand aus einer Küche, einem Wohnzimmer, in dem das Klavier stand, und drei winzigen Zimmern mit schrägen Wänden (ich weiß jetzt nicht mehr, ob es eine Mansarde oder ein Dachboden war). Den Zahnarzt jedenfalls schien es nicht zu stören, dass da klassische Musik durch die Decke kam, während er mit Bohrern, Hämmern und Zangen an seinen Opfern zugange war. Wahrscheinlich hat er durch die einschläfernden Klänge einiges Geld für die Narkose gespart, ganz zu schweigen davon, dass das Ganze seinen Quälereien einen nobligen Anstrich gab. Meine Mama hatte zu viel Geschmack, um etwas anderes als intellektuelle Musik zu unterrichten; der Zahnarzt musste sich also keine Sorgen machen, dass da ein Hitchcock-Soundtrack heruntertönte.
Rechnerisch gesehen rentierte sich diese Kombi aus Babysitting und Unterricht gleich in dreifacher Hinsicht: Der Zahnarzt wurde kostenfrei musikalisch beschallt, es brauchte keine Babysitter und darüber hinaus gab es vom ersten Tag an noch kostenlosen Musikunterricht für meiner Mutter Sohn. Nicht nur bekam ich unter dem Klavier Bach(1), Beethoven(1), Chopin(1) und Konsorten zu hören, die Led-Zeppelin-eske(1) Lautstärke hob auch die wichtigen inneren Stimmen der Musik hervor. Das Unvermögen von Schülern und Sängern, auf ihre Kollegen im Orchester einzugehen, ist oft frustrierend, und die leblosen musikalischen Resultate zeugen von einem Mangel an harmonischem Verständnis dafür, was die anderen Musiker spielen. Ich denke mir dann immer: »Wo zum Geier sind die denn? In einer Telefonzelle, verflucht noch mal? Was ist mit den Komponisten und all den anderen großartigen Musikern, mit denen sie auf der Bühne stehen? Wo ist ihr Gefühl für die Situation, für die Kollegen, das Publikum? Mann, das ist alles so was von mechanisch.«
In solchen Augenblicken muss ich an meine Zeit unterm Klavier zurückdenken, die mir zu einem besseren Verständnis für Harmonie und das größere musikalische Ganze verholfen hat, das zu erlangen andere, die ganz auf die Entwicklung ihres technischen Könnens konzentriert sind, nie eine Chance haben. Dieser Mangel an Wissen in der Brust des Interpreten ist der Grund dafür, dass klassische Musik so oft zwar beeindruckend klingt, irgendwie aber nichts zu passieren scheint. Hey! Grünschnäbel! Wenn ihr wollt, dass das Publikum die von euch gespielte Musik wirklich schätzt und ihr die Musik auch selbst wirklich schätzen wollt, dann schlage ich vor, ein bisschen Klavier oder Gitarre zu lernen, um euch das Wissen in Sachen Harmonie anzueignen, das es in eurem Job braucht.
Im Alter von sechs Jahren hatte ich bereits Klavierunterricht bei meiner Mum und lernte seit einiger Zeit Violine bei Amina Lucchesi(1), einer ausgezeichneten Lehrerin in Brighton. Ich zog das Klavier zwar vor, kam aber auf beiden Instrumenten gut voran. Miss Lucchesi(2) erzählte meiner Mutter zu dieser Zeit, dass Yehudi Menuhin(2) jüngst eine Musikschule für Hochbegabte aufgemacht hatte und ich ihrer Ansicht nach das Zeug dazu hätte, um dort unterzukommen. Wie für viel zu viele andere Mütter auf dieser Welt kam auch ich für meine Mum gleich nach Jesus Christus, und eh ich mich’s versah, war ein Vorspielen arrangiert.
Zum Vorspielen fuhren wir nach London, mein erster Besuch in unserer hammergeilen Hauptstadt. Ich fand mich in einem Raum mit drei Typen wieder, von denen der eine sich als Yehudi Menuhin(3) entpuppte; links und rechts neben ihm saßen Marcel Gazelle(1) (der musikalische Direktor) und Robert Masters(1) (der Chef der Streicher oder was weiß ich). Da ich mich in keinster Weise unter Druck gesetzt sah, besonders gut abschneiden zu müssen, stellte für mich das Ganze nur eine interessante neue Erfahrung dar. Da ich erst einige Monate Violine spielte, war ich mir sicher, dass ich nicht wie ein Weltmeister rüberkam, aber am Klavier war ich ganz okay. Gazelle(2) und Masters(2) waren nur irgendwelche merkwürdigen Anzugtypen, die eben zufällig dabei waren, aber Menuhin(4) mochte ich. Er war derjenige, der mit mir sprach, und da ich zu meinem fünften und sechsten Geburtstag ein paar seiner Alben bekommen hatte, kam er mir wie ein Bekannter vor. Zuerst bat er mich ein, zwei musikalische Phrasen nachzusingen, die Gazelle(3) am Klavier spielte. Kein Problem. Dann spielten sie mir ein paar musikalische Phrasen vor, für die ich mir eine zweite Hälfte ausdenken sollte. Ich mochte das Spiel und machte meine Sache gut. Und natürlich spielte ich ihnen ein bisschen was vor, sowohl auf der Violine als auch auf dem Klavier. Damit hatte es sich. Nach dem Vorspielen ging Mum mit mir in den Londoner Zoo. Ich sah ein paar Giraffen, Schimpansen und Gorillas und durfte mich auf einen Elefanten setzen. Alles in allem ein guter erster Tag in London. Danach ging es zurück nach Brighton.
Schließlich ließ man meine Mutter wissen, dass ich die Aufnahmeprüfung bestanden hatte. Aber so toll das auch war – schließlich bedeutete es, dass ich Talent hatte –, verdiente meine Mutter bei Weitem nicht genug für die immensen Schulgebühren, die dort anfielen. Und so hieß es denn auch gleich wieder GAME OFF. Klassische Musik war offensichtlich ein Spiel, das ausschließlich Kindern irgendwelcher Geldsäcke vorbehalten war. Bei einem Telefonat mit meiner Mutter sagte ihr Menuhin(5) jedoch, sie solle die Hoffnung nicht aufgeben, vielleicht ließe sich da etwas arrangieren. Kurz darauf kam ein Brief von ihm, in dem es hieß, er habe ein Stipendium für mich arrangiert. Das Menuhin-Stipendium, so schrieb er, würde Schulgebühren und Unterkunft abdecken, und zwar für die ganze Zeit, in der ich an der Schule war. GAME ON.
Es sah ganz so aus, als hätte Menuhin(6) meine Fähigkeit gefallen, für musikalische Phrasen einen zweiten Teil zu komponieren, und außerdem hatte ich auf der Fiedel offensichtlich nicht nur die Noten getroffen, sondern auch klanglich Eindruck gemacht. Etwas schmerzlich sollte die Trennung von Amina Lucchesi(3) werden, weil ich sie mochte; sie gab mir nicht nur Süßigkeiten, sie hielt mich auch für gut genug für ihr persönliches Schülerorchester. Ich fand es aufregend, endlich mit anderen jungen Musos aus meiner Gegend spielen zu können, anstatt immer nur Einzelunterricht zu haben und allein vor mich hinzuüben. Dass sie eine großartige Lehrerin gewesen sein muss, sieht man schon daran, dass sie einige Jahre später zwei weitere ihrer Schüler an der Menuhin School unterbrachte. Sie war damit die einzige Lehrkraft, von der mehr als ein Schüler an diese so winzige wie exklusive Schule kam. Was mich anbelangt, so hatte ich einen ausgezeichnet strukturierten Unterricht bei Amina Lucchesi(4); sie hatte ein wirklich solides Programm. Und das alles sollte ich über mein Zuhause hinaus jetzt hinter mir lassen, um einen großen Schritt ins Unbekannte zu tun.
Die Idee zu seiner Schule ist sowohl ein Kind von Menuhins(7) Begeisterung als auch seiner Enttäuschung über die russischen Konservatorien. Offensichtlich hatten er und seine Gattin bei einer Russlandreise die Produkte selbiger zu hören bekommen. Ein junger Violinist nach dem anderen stand auf und spielte mit unglaublicher Fertigkeit, aber ohne Seele und Individualität, was Yehudi(8) überlegen ließ: Was, wenn er in England eine ähnliche Schule aufzöge, nur eben mit einer humaneren musikalischen Agenda? Es schien ihm so nützlich wie erfüllend. Ihm schwebte eine ganzheitlichere und entschieden philosophischere Ausbildung junger Talente vor. Ich halte es mit der Ansicht, dass man jedem Zwergaffen1 das Violinspielen beibringen kann, und das mit beeindruckenden Ergebnissen, solange er ausreichend Arme, Hände und Finger hat. Die weit brennendere Frage ist, ob jemand mit all seiner technischen Fertigkeit auch tatsächlich etwas zu sagen hat. Dem Zwergaffen die Möglichkeit ästhetischer Überlegungen zu erschließen, ist weit wesentlicher, als ihn endlos technische Fingerspielereien wiederholen zu lassen.
Wie an den russischen Schulen mochten die mit ihren diversen Aufgaben betrauten Lehrer zwar die musikalischen respektive schulischen Referenzen haben, nur hatten sie, wie ihr vermutlich längst erraten habt, absolut keine Ahnung, wie man mit Kindern umgeht. Ergebnis all dessen waren eine Menge hochtalentierter, richtungsloser, unglücklicher kleiner Scheißer. Was soll groß an Positivem dabei herauskommen, wenn man ein siebenjähriges Kind vier Stunden lang allein in einem Raum üben lässt? Meine persönliche Art, damit umzugehen, bestand darin, fünfzehn Minuten zu üben und mich dann eine halbe Stunde auf dem Klo in einen Science-Fiction-Roman zu vertiefen (ein Genre, das ich bei meinem Mitinsassen Simon Parkin(1) aufgeschnappt hatte). So verschwendete ich einen ordentlichen Teil meiner Zeit. Einige von uns Jungs machten einen Wettbewerb daraus, unsere Violine fallen zu lassen (die Mädchen machten so etwas nicht – was keine sexistische Bemerkung, sondern einfach eine Tatsache ist). Ziel dabei war es, die Violine so geschickt fallen zu lassen, dass sie nicht brach. Das entwickelte sich recht zufriedenstellend, bis die Fallhöhe eines Nachts die des obersten Stockbetts überschritt. So knapp unter der Zimmerdecke losgelassen, wirkte auf die Violine freilich eher die Schwerkraft als das Geschick, sodass dabei eine wertvolle Gagliano zu Schaden kam. Das Knirschen des Holzes war so aufregend wie das scharfe Jaulen der Saiten des italienischen Instruments, weniger freilich die neue Form. Hier mussten kreative Erklärungen für die Obrigkeit her. Eines jedoch stand fest: Selbst die russischen Schulen kamen bei dieser violinistischen Form des Russisch Roulette nicht gegen die unsere an. Als uns der Wettbewerb zu beschwerlich und riskant wurde, verlegten wir uns darauf, aufs Dach zu klettern … (natürlich ohne Sicherheitsnetz).
Das Problem, dass man als junger Scheißer Planung und Einhaltung der eigenen Übungszeit unmöglich selbst übernehmen kann, hatte ein Ende, als die Obrigkeit auf die Idee kam, unangekündigt vorbeizukommen und uns beim Üben zuzuhören. Eine dieser Aufsichtspersonen, Mrs. Masters(1), die Frau von Robert Masters(3), dem Mann, der Yehudis(9) britisches Orchester mit aufbauen half, nickte dabei regelmäßig ein, möglicherweise weil sie mein Spiel zu langweilig fand. Ich machte mir das auf Quidproquo-Basis zunutze – wenn sie es nicht der Mühe für wert fand, die gesamte ermüdende Übungssession über dabeizubleiben, hatte ich dazu auch keine Lust. Immerhin war sie der Profi von uns beiden. Kaum sah ich ihren Kopf wegkippen, war ich auch schon zum Fenster raus, um irgendwo außer Sichtweite Fußball zu spielen. Ich hätte zu gern ihr Gesicht gesehen, wenn sie aufwachte und sich in einem leeren Übungsraum wiederfand – was freilich aus geographischen Gründen nicht ging. Wie es schien, waren wir zu einer stillschweigenden Übereinkunft gekommen. Ich machte meinen Job nicht, sie machte den ihren nicht, und so wurde ich denn auch nie verpetzt. Womöglich verschlief sie auch die musikalischen Leiden anderer Kinder, denn im folgenden Jahr war sie nicht mehr da. Sie fehlte mir, wenn auch aus den falschen Gründen.
Die Welt, in der wir lebten, war Yehudi Menuhins(10) Schöpfung und hatte mit den besten Absichten begonnen, aber irgendwie war die Schule eine Mischung aus Gormenghast und Hogwarts. Ich habe noch mit keinem Ehemaligen gesprochen, der sie als wunderbaren Ort in Erinnerung gehabt hätte. Was mich angeht, so bin ich aufrichtig dankbar für Menuhins(11) Großzügigkeit, fühle aber nicht weniger aufrichtig für einige meiner Mitschüler, die dort für den Rest ihres Lebens traumatisiert wurden. Einige der Probleme dort sind mir nicht wichtig genug, um hier auf sie einzugehen, schließlich habe ich die Erfahrung völlig unversehrt überstanden, aber ich stehe nach wie vor zu allem, was ich in einem Zeitungsinterview gesagt habe, auf das hin mir die Schule mit einem Prozess gedroht hat, anstatt die Probleme anzugehen.
Die Schule hatte freilich auch viel Gutes zu bieten und daneben so einiges, das fast schon komisch anmutete, und ich bin mir sicher, dass Yehudi Menuhin(12) selbst dafür verantwortlich war. So gab es jeden Sonntagvormittag Unterricht in einer anderen Religion oder Philosophie, damit wir nicht Gefahr liefen, der einen oder anderen von religiösen Vorurteilen bestimmten selbstherrlichen Propaganda auf den Leim zu gehen. Sprüche wie »Unser Gott ist besser als euer Gott« oder »Es gibt nur einen Gott« sind so was von schwachsinnig. Wir wissen alle, dass Aston Villa FC die einzigen Götter sind. Das Jahrbuch des Vereins gehörte leider nicht zu den diversen Kopföffnern, die man uns in kleinen Dosen verabreichte, aber Buddhismus, Taoismus, Judaismus, Christentum, die Werke von Dostojewski(1), Tolstoi(1) und anderen gehörten dazu. Auch die Musik kam an diesen Sonntagvormittagen nicht zu kurz. Wir sangen Bach(2)-Choräle, bis dann einer von uns ein eigenes, eigens für die Stunde geschaffenes Werk zu präsentieren hatte. Für so einige dieser Werke zeichnete ich verantwortlich.
YOGA: Wann immer Yehudi(13) selbst in der Schule vorbeischaute, war er einer weiteren Marotte zum Opfer gefallen, die er dann uns unschuldigen Kindern aufs Auge drückte. Einmal waren es Scholls – klobige kleine Holzbrettchen, die wir an den Füßen zu tragen hatten, sodass wir mehr durch die Gegend stolperten als gingen. Ein andermal war es Bio-Strath, eine Nahrungsmittelergänzung, die uns als widerlicher brauner Trunk das Frühstück verdarb. Außerdem gab es Algentabletten, die in unseren Hosentaschen landeten und dann beim Waschen zu betonartigen Gebilden mutierten. Das Schlimmste freilich war das Yoga. Der Lotussitz war unbequem. Es war alles irgendwie albern. Und um das alles, wenn auch unbeabsichtigt, noch schlimmer zu machen, setzte man uns einen dicken Guru vor die Nase, der uns die Freude am Tischtennis verdarb, indem er die Platte dazu missbrauchte, uns all diese Albernheiten zu demonstrieren. Die Form der Platte war nie wieder die alte, nachdem sie sich seinem Gewicht ausgesetzt gesehen hatte. Wenn es mehrere Gründe dafür gibt, warum etwas scheiße ist, dann ist es normalerweise auch wirklich scheiße, also ist Yoga scheiße, denn 1) es ist unbequem, 2) es ist albern, 3) es lässt einen Fettsack die Tischtennisplatte verbiegen, 4) es ist eine kulturelle Aneignung fauler Arschgeigen, die darin einen Aerobic-Ersatz sahen und die spirituelle Komponente mitsamt ihrem halb verdauten Kentucky Fried Chicken zum Klo runterspülten, und 5) Menuhin(14) selbst fiel beim Yoga auf den Kopf, was sowohl seine Omme als auch seine Wirbelsäule schlimmer in Mitleidenschaft zog, als ihm das ohne Yoga je hätte passieren können. Da haben Sie’s … fünf Gründe … die beweisen, dass Yoga beschissener als scheiße ist.
Yehudi Menuhin with his yoga teacher B. K. S. Iyengar
RÜHREIER! Als wir eines Nachts auf Raubzug die Küche durchstöberten, fand ich die Rühreier für den nächsten Morgen fertig und ausgesprochen wirtschaftlich mit Wasser verdünnt. Sah ziemlich fies aus und war anscheinend eine bis dahin übliche, wenn auch unbekannte Praxis. Als Wink mit dem Zaunpfahl kippte ich noch ein paar Liter Wasser in den ekligen Kessel, damit die Eier unbrauchbar wurden. Die Eier waren danach nie wieder verwässert, und niemand machte eine große Geschichte draus, vermutlich weil es rechtlich und gesundheitlich fragwürdig war, Eier so rumstehen zu lassen. Das Personal muss wohl kapiert haben, wer dafür verantwortlich war, als ich meine Kenntnis von der Straftat signalisierte, indem ich meine Hilfe bei der Suche nach dem Superhirn anbot, das die Eier verwässert hatte. Wie auch immer, am nächsten Morgen gab es Rindswürstchen, sodass das Ganze für alle eine Win-Win-Shituation war.
Es war schon komisch auf dieser merkwürdigen Schule, die von ehrgeizigen Eltern befallen war, die ihre Kleinen für den nächsten Christus auf der Violine oder auf dem Klavier oder weiß Gott was hielten; und als ich dann nach Hause kam, war alles ganz anders und nicht gerade großartig für ein Kind. Meine Mutter hatte wieder geheiratet und wir waren nach Birmingham gezogen. Was bedeutete, dass ich meine Freunde, sofern ich welche gehabt hatte, in Brighton zurückließ. Mein Stiefvater war Arzt und etwas betuchter als wir. So hatten wir zum Beispiel nie einen Fernseher gehabt, bevor Mum ihn kennengelernt hatte, und dann hatten wir plötzlich einen Farbfernseher. Unser neues Haus lag am Rand von Birmingham, hatte drei Stockwerke und war größer als alles, was ich je gesehen hatte. Meine Stiefschwester und ich hatten unsere Zimmer oben, unsere Eltern in der Mitte. Ich glaube, dass unten zwei Wohnzimmer waren, jedenfalls war es ein großes Haus. Es ist jedoch allemal besser, in einem kleineren Haus zu leben, in dem weniger Scheiße läuft. Jedenfalls wäre mir das lieber gewesen.
Mein Stiefvater war ein ziemlicher Wichser, der meine Mum schlug. Ich weiß noch, wie ich mal so mit neun oder zehn dazwischenzugehen versuchte; ich sprang ihn an, aber ich war ein kleines Kerlchen und er ein großer Scheißkerl. Das Ganze endete damit, dass er mit dem Messer hinter mir her rannte. Ich lief aus dem Haus und verbrachte die Nacht im Park. Ich erinnere mich noch, dass ich im Gebüsch nächtigte und dass irgendwelche Leute so was wie eine schwarze Messe feierten – wahrscheinlich opferten sie irgendwas. Wissen Sie was, ich hatte weniger Angst vor deren Scheiß als vor meinem Stiefvater mit seinem Messer; welcher Zehnjährige will schon ein Messer in den Bauch kriegen.
Danach rief ich dann immer die Polizei, wenn er sie schlug. Ich bin ja normalerweise nicht der Typ, der die Polizei ruft, aber als Arzt hatte er wohl auf seinen Ruf zu achten, und instinktiv dachte ich mir wohl: »Scheiß drauf, so nicht!« Er hörte dann eine Weile damit auf, so hatte es denn doch was gebracht.
Am Wochenende zu Aston Villa zu gehen, war wie eine Flucht aus diesem schrecklichen Haus. Überhaupt war Fußball eine hammer Fluchtmöglichkeit. Ich fand neue Freunde, mit denen ich zu den Spielen gehen konnte, und mochte diese unglaubliche positive Energie. Aston Villa spielte damals noch in der Dritten Liga, aber zu den Spielen kamen immer 48 000 bis 50 000 Leute. Uns alle auf derselben Wellenlänge zu wissen, war ein großartiges Gefühl. Für mich war diese Riesenmenge Leute um mich herum wie eine Großfamilie, die mir als Ersatz für die Familie diente, die ich nicht hatte.
FUSSBALL: Sport stand praktisch nicht auf dem Lehrplan dieser Schule für kostbare Treibhausgewächse. Und bei gerade mal fünfzehn Jungs jeden Alters war es ohnehin praktisch unmöglich, elf für eine Mannschaft zusammenzubekommen, zumal die kulturelle Grundausrichtung knapp der Hälfte von ihnen mit sich brachte, dass ihre Priorität darauf lag, keinen Dreck an die Shorts zu kriegen.
MUSIK AN DER SCHULE: Musikalisch passierte an der Schule ständig was. Ich erinnere mich noch daran, mir beim Fußball den kleinen Finger gebrochen zu haben, sodass ich draußen im Gras liegen und all der phantastischen Musik von Chopin(2) und Debussy(1) lauschen konnte, die aus den Übungszellen im ersten Stock kam. Verdammt, wenn das kein Leben war!
Es kam jedoch auch mal so weit, dass das Üben zum Problem wurde. Irgendwann begannen einige der Schüler, einfach ZU VIEL zu üben! Zu der Zeit unterschieden sich die Geschlechter noch weit mehr als heute, und nie und nimmer hätte man das den Jungs unterstellen können. Die Mädchen dagegen begannen zu jeder Tages- und Nachtzeit zu üben, und das mit geradezu bemitleidenswertem Fleiß. Das nahm schließlich epidemische Ausmaße an, als sie immer früher aufstanden, um noch vor dem Frühstück zum Üben zu kommen. Irgendwann war der Punkt erreicht, an dem die Mädels in ihrem verzweifelten Bemühen voranzukommen schon morgens um halb fünf mit der Arbeit begannen, was uns Jungs zu dem Entschluss brachte, die Shituation ad absurdum zu führen. Wir kamen überein, gar noch früher aufzustehen, was dann dazu führte, dass noch vor Morgendämmerung eine enervierende Kakophonie kreischender, blökender, jaulender, kratzender und süßlich weinender Violinen erklang. Was denn auch den Lehrkörper aus dem Schlummer riss. Die dergestalt heimgesuchten Lehrer hielten es daraufhin für nötig, das Üben vor sechs Uhr morgens zu untersagen. Das wirkte sich fast auf der Stelle zugunsten der Mädchen aus, die bald weniger ausgeprägte Ränder unter den Augen hatten, und ihre Gesichter waren nicht mehr gar so aschfahl. Ich hatte meine Freude daran, auf das Niveau dieser überarbeiteten »Musterschülerinnen« zu kommen, obwohl ich grade mal fünf Minuten vor dem Frühstück aufstand. Bin eben ein besonders cleveres Kerlchen …
JAZZ: Der aufregendste Aspekt meines musikalischen Lebens während meiner Schulzeit war die Entdeckung des Jazz und einiger anderer nichtklassischer Formen von Musik. Einer meiner Mitschüler, Garfield Jackson(1) (der große Bratschist aus dem Endellion Quartet), hatte ebenfalls ein, wenn auch eher flüchtiges Interesse am Jazz, weil sein Dad Sid(1) Jazztrompeter war. Mein Interesse wurde in dem Maße stärker, in dem das seine abflaute, aber bevor er das Genre ganz aufgab, durften wir noch für eine Handvoll Bauarbeiter zur Einweihung des eben fertiggestellten Konzertsaals der Schule spielen. Nach Ansicht der Lehrer war den Handwerkern unser Jazz wohl lieber als Bartóks(1) Greatest Hits.
Mein Interesse am Jazz war dem Lehrkörper der Yehudi Menuhin School ein Stein, ach was … ein FELS des Anstoßes, aber ich hatte zwei starke Verbündete: Yehudi Menuhin(15) selbst sowie die spirituelle und musikalische Pädagogin Nadia Boulanger(1). So oft, wie er mit Stéphane Grappelli(2) gespielt hatte, konnte mir Yehudi(16) den Jazz schlecht ausreden, abgesehen davon, dass er zeitlebens ein immenses Interesse an Volksmusik, vor allem der indischen, aber eben auch am europäischen Jazz gezeigt hatte. Um feststellen zu lassen, ob ich nun ein Kind des Teufels war oder nicht, musste ich schließlich Nadia Boulanger(2) eine Kostprobe einiger meiner Jazzsachen geben. Normalerweise gab es keine Einzelaudienzen bei dieser Halbgöttin der Musikwelt, die übrigens, obwohl die Lehrer irgendwie vor ihr kuschten, uns Kinder nie auch nur einen Augenblick einzuschüchtern versuchte. Sie saß da, einen Heiligenschein um ihr greises Haupt, und schien aufrichtig erfreut, mal etwas Neues zu hören. Sie sprach mir sogar Mut zu, aber es war ein Samstagvormittag, und ich wollte den Zug nach Birmingham nicht verpassen. Villa spielte an dem Tag gegen Notts County und gewann 4:0 – und ich erinnere mich noch an ein umwerfendes Tor von Bruce Rioch(1). Nicht dass der je andere Tore geschossen hätte.
SCHULKONZERTE: Die Gigs, die wir als phänomenal frühreife Zöglinge der Menuhin School spielten, waren für gewöhnlich musikalische Höhepunkte. Die meisten dieser Auftritte habe ich vergessen, aber ich erinnere mich noch an meinen ersten Besuch als Dreizehnjähriger in Paris. Bevor es zur Probe ging, wurden wir in gepflegte Hotelzimmer einquartiert. Ich genoss den Luxus, endlich ein Zimmer für mich alleine zu haben, und dachte:
»Kool, mein eigenes Luxusklo, da leg ich doch gleich mal ’n Ei!« PFRRRR … PFRRRR … BRRRR … PFLATSCHHHH.
Auftrag ausgeführt. Schön weiches Klopapier haben die hier. Frankreich gefiel mir. Selbst so ein Schiss hatte was. Als es dann so weit war, das Resultat meiner Anstrengungen wegzuspülen … wie denn, wo denn, was? Keine Spülung? Die haben echt keine Spülung hier! In der Annahme, dass die Franzosen den Spülmechanismus womöglich unter der Schüssel oder weiß Gott wo hatten, inspizierte ich den Raum von oben bis unten, aber all meine forensischen Bemühungen brachten mich über das Corpus Delicti meines arrogant glänzenden Kaktus und das weiche Klopapier nicht hinaus. Es gab eine Armatur mit zwei Griffen und einem Hahn, aber wo um alles in der Welt sollte meine Kreation hin? Es gab eine zweite Toilette, die eher normal aussah, aber es war zu spät. Während ich mein Geschäft erledigte, war mir Folgendes durch den Kopf gegangen:
»Das ist ja nett, wenn ich eine Freundin mithätte, dann könnten wir gleichzeitig aufs Klo gehen – mit den zwei Schüsseln. Wirklich nett.« (Ich war damals ein furchtbarer Romantiker.)
Schließlich wurde mir klar, dass mich meine Wurst geistig bei Weitem überforderte, sodass ich denn bei meinem Kumpel klopfte, um mir Rat zu holen. Ich glaube, es war entweder Simon Parkin(2) oder Felix Schmidt(1), der mitkam, um nach dem Rechten zu sehen.
»Hey, mate. Wie krieg ich hier die Spülung in Gang?«
Aus gebührender Entfernung sah er sich die Bescherung an. Es dauerte nicht lange, bevor ich seine fundierte Meinung zu hören bekam.
»Du hast ins Bidet geschissen, Mann. Das kriegste da nie wieder raus.«
»Bi-day?«
»Ja. Die Franzosen stehen nicht so aufs Duschen, also machen sie sich in diesen Dingern untenrum sauber. Das nennt man Bidet.«
»Bi-day. Das ist ja eklig. Oh Mann.«
»Ja, und jetzt ist es noch ekliger. Sag besser mal Mr. Norris Bescheid. Vielleicht kann der helfen.«
»Gute Idee.« Ich ging rüber zum Telefon. »Puis-je parler avec Monsieur Norris, s’il vous plaît?«
»Quoi? Spreschen Sie einfah Englisch.«
»Mr. Norris, bitte … Ähh, hallo, Mr. Norris … gut, gut, ähh, ich habe da ein Problem. Bei mir hat jemand ins Bi-day gekackt und alles drin gelassen. Ich sollte wohl das Zimmer wechseln, ich meine, ich kann damit nicht leben … das ist echt eklig.«
Aus dem Zimmerwechsel wurde nichts, aber dafür kamen zwei Zimmermädchen und taten mit verschnupfter Miene, was nötig war, um das anstößige Ding zu entfernen. Eine der beiden sah ganz nett aus, und ich überlegte schon, ob ich sie nicht zu meinem Auftritt einladen sollte, bis mir der Gedanke kam, dass mein Mendelssohn(1)-Trio sie wohl kaum bezaubern würde. Sie würde nur dasitzen, in Gedanken bei meinem Bi-day und seinem Inhalt und in dem Wissen, wer das war. Erste Eindrücke sind einfach zu wichtig, und ihr Eindruck von mir war nun mal … Scheiße.
Nach dem La-merde-Szenario gingen wir uns den Eiffelturm ansehen. Ich denke mal, die Schilderung unseres Ausflugs dorthin würde durchaus zu einem Typ passen, der klassische Musik spielt, aber ich schenke sie mir. Wenn es Sie interessiert, können Sie ja im Lonely Planet nachsehen. Eine ausgesprochen australische Publikation.
Eines Vormittags brummte die gesamte Yehudi Menuhin School geradezu vor Aufregung. Man hatte eben bekannt gegeben, dass am späten Nachmittag der größte Jazzgeiger aller Zeiten für einen Auftritt vorbeischauen würde – nur für uns. Ich hatte damals schon mit dem Improvisieren begonnen, das heißt, bei diversen Jazzplatten mitgefiedelt und auch am Klavier den einen oder anderen rudimentären Scheiß gespielt. Womit ich sagen will, dass ich von all den Kids dort dem Gig am erpichtesten entgegensah. Zumal es eine Win-Win-Geschichte war, weil damit Mrs. Hendersons(1) Stunde ausfiel. Sie hatte die erstaunliche Fähigkeit, Geschichte in eine absolut belanglose Abfolge von Jahreszahlen und sonst nichts zu verwandeln.
Der Name des Jazzers war Stéphane Grappelli(3), dessen Karriere Yehudi Menuhin(17) aus der Flaute geholt hatte, als er zusammen mit ihm 1971 bei Parkinson, der damals wichtigsten britischen Talkshow, aufgetreten war. Die Kombination der beiden größten und charismatischsten Violinisten ihres jeweiligen Genres faszinierte das Publikum. Menuhin(18), der vibratoschwanger und gewissenhaft Note für Note spielte, und Grappelli(4), dessen Violine elegant und behänd wie ein Kanarienvogel sang (nicht wie ein Kanarienvogel in der Kohlengrube … seid nicht albern). Und jetzt kam Grappelli(5) auf Yehudis Einladung vorbei, um uns kleinen klassischen Scheißern was vorzuspielen! Grappellis(6) jazzige Spielweise hörte sich so mühelos an im Vergleich zu dem eher bemühten klassischen Stil, den man uns beibrachte, dass er schlicht eine Offenbarung war – und jetzt hatten wir Gelegenheit, diese Legende aus nächster Nähe zu hören.
Fünf Minuten vor dem Gig hatte mich Peter Norris(1), der musikalische Direktor der Yehudi Menuhin School, zu sich gerufen. »Was zum Geier hab ich denn jetzt wieder angestellt?«, dachte ich mir auf dem Weg zum Lehrerzimmer. »Ich hoffe, es geht nicht um das Zeug, das ich in der Küche geklaut habe. Ich meine, wenn die Köchin was rumliegen lässt, dann verschwindet das eben.« Ins Lehrerzimmer zitiert zu werden, bedeutete in der Regel nichts Gutes. Ich klopfte … »Ah, Nigel, komm rein.« Ich ging rein.
»Sie wollten mich sprechen.«
»Ja, Nigel. Du gehst mal besser deine Violine holen.«
»Aber Mr. Norris, ich hab doch heute schon geübt, und das Konzert geht gleich los.«
»Tja, man kann nie wissen, Mr. Grappelli(7) könnte dich ja womöglich auf die Bühne bitten, und so eine Chance lässt man sich doch nicht entgehen.«
Mr. Norris war immer ausgesprochen ungehalten, wenn ich mich im Aufenthaltsraum ans Klavier setzte, um meinen eher klobigen Jazz zu spielen. So oft, wie wir deswegen aneinandergeraten waren, schien mir das hier wie eine 180-Grad-Wende.
»Okay, danke, Mr. Norris.« Ich flitzte los, holte meinen Geigenkasten und verstaute ihn im Saal unter meinem Stuhl.
»Was willst du denn mit deiner Geige«, fragte mich mein Spezi Garfield Jackson(2) mit seiner John-Arlott-Stimme. An der Violine wirkte er ziemlich unsicher, aber er entwickelte sich zu einem der besten Bratschisten, die Großbritannien je hervorgebracht hat.
»Keine Ahnung«, sagte ich.
Schließlich war es so weit. Stéphane hatte die Jazzgrößen Alan Clare(1) (Klavier) und Lennie Bush(1) (Bass) mitgebracht. Alle drei spielten rein akustisch, kein Mikrofon weit und breit. Vermutlich hatten sie deshalb auch keinen Drummer dabei. Die Musik war der absolute Hammer, das ganze Trio der reine Wahnsinn.
Stéphane kam in einem seiner Paisley-Hemden auf die Bühne (Hosen trug er natürlich auch, was denkt ihr denn?). Hinter ihm kamen Clare und Bush(2). Mann, das war echte Musik im Vergleich zu dem Zeug, das wir sonst so zu hören bekamen. Stéphane schien mir ziemlich nervös vor diesem Saal mit frühreifen Treibhausgewächsen. Er schien gar nicht auf den Gedanken zu kommen, dass ER hier der Meister war. Überhaupt befallen eine ganze Reihe von Jazzern irgendwie unlogische Minderwertigkeitsgefühle, wenn sie sich mit klassischen Musos vergleichen. Gegen Ende des Gigs wandte er sich fast schüchtern an sein Publikum, also uns. »Möchte jemand einsteigen?«
Er hatte seine Frage kaum gestellt, schon stand ich mit dem größten Swing-Violinisten aller Zeiten auf der Bühne. Wir spielten »Ain’t Misbehavin’« und »Honeysuckle Rose« von Fats Waller(1), den »Limehouse Blues« von Furber und Braham und schließlich noch »Lady Be Good« von den Gershwins. Man konnte Stéphane seine Freude darüber ansehen, dass der kleine Racker da, der mindestens zwei Generationen jünger war als er, derart auf dieses Zeug stand und obendrein auch noch wirklich was draufhatte. Er spielte natürlich diese flüssigen, leichtfüßigen Notenkaskaden, auf die wir alle so abgehen. Mein eher kantig-bluesiger Stil taugte ihm aber anscheinend, und unsere Musik profitierte davon, dass ich ihn nicht zu kopieren versuchte. Kurzum, dieser Tag veränderte mein Leben, und uns verband von da an eine lange und innige Freundschaft.
Wann immer Steff in England war, lud er mich zu seinen Freitag- oder Samstagabend-Gigs ein, wenn nicht gar beiden – an allen anderen Tagen hatte ich ja Schule. Auf die Weise hatte ich Gelegenheit, die Musik der ganz Großen wie Kern, Gershwin und Porter auf die bestmögliche Art kennenzulernen … indem … man … SIE SPIELTE! Wir begannen in Folkclubs, aus denen dann, als Stéphanes Karriere wieder Fahrt aufnahm, Konzertsäle etc. wurden. Mit Steff und seiner Band abzuhängen, offenbarte mir ein musikalisches Leben, das so ganz anders war als das des Elfenbeinturms der klassischen Musik, die irgendwie etwas von der Atmosphäre eines Zahnarzt-Wartezimmers hat. Überhaupt offenbarte sich mir der Jazz als eine Musik von richtigen Menschen ohne affektiertes Gehabe und für Fans ohne Allüren.
Abgesehen davon, dass er mir eine musikalische Welt offenbarte, in der Leute ohne Wichtigtuerei großartige Musik spielten, sollte die positive Einstellung des Jazz auch auf mein klassisches Spiel abfärben. Ich hatte entdeckt, dass buchstäblich alles passieren konnte, auch wenn alles niedergeschrieben schien. So hat ein toter Komponist schlicht keine Kontrolle darüber, ob gerade Montag ist oder Freitag, ob es regnet oder die Sonne scheint, ob ein Generalstreik ausgerufen wurde oder was weiß ich. Es gibt viele, viele Faktoren, die sich auf die Vermittlung der Komponistenseele auswirken, nicht nur das, was auf dem Notenblatt steht. Veränderung schien mir die einzige Konstante im Leben.
Nicht weniger inspirierend für mich war, dass Stéphane immer mit der Crème de la Crème der Musikwelt spielte, anders gesagt, seine Band war immer vom Feinsten. Zu den Musikern, die sie durchliefen, gehörten Leute wie die Gitarristen Diz Disley(1) (ein absoluter Jünger Django Reinhardts(1)), John Etheridge(1) (von Soft Machine et al.), Jeff Green(1) (irres Feeling), Ike Isaacs(1) (smart wie Joe Pass) und Denny Wright(1) (großartige Rhythmik und Virtuosität). Am Bass standen Brillo (Haartracht), Len Skeat(1) (vollsatter Sound und immer ein Solo bei »Satin Doll«) oder Jeff Klein(1) (geradlinig und flüssig).
So mit vierzehn oder fünfzehn kam es zu einem Highlight in meinem Leben, als ich mit Steff in Ronnie Scott’s(1) Club in London auftrat. Hier waren alle Jazzgrößen der Welt aufgetreten, was dem Club etwas durch und durch Magisches verlieh. Mal abgesehen von meinen lausigen Witzen und ganz zu schweigen von meinem Haarschnitt war das ein wirklich großer Gig. Und in dessen Nachgang passierte dann etwas, das meinem Leben um ein Haar eine ganz andere Richtung gegeben hätte. Ray Nance(1) hatte bei der Duke Ellington(1) (Big) Band aufgehört, bei der er Violine und Kornett gespielt hatte. Als Duke Ellingtons(2) Manager mich mit Stéphane bei Ronnie Scott’s(2) hörte, bot er mir Nances Posten an. Der Duke wollte einen neuen Violinsound in seiner Band. Duke Ellington(3) war einer der größten Komponisten des 20. Jahrhunderts (wenn nicht DER größte), und er wollte so viele unterschiedliche Timbres, wie er kriegen konnte. Mit das Wichtigste war hier neben der richtigen Sensibilität – schließlich sollte Nance ersetzt werden –, alles auf Anhieb vom Blatt spielen und ordentlich improvisieren zu können. Ich erinnere mich noch, wie ich Nance einige Jahre später, nachdem ich nach New York gezogen war, in einem Club hörte. Sein Spiel war der Hammer, auf der Violine wie auf dem Kornett. Er beendete die Show mit einer Steppeinlage auf dem Tresen des Clubs. Das waren natürlich Fertigkeiten, über die ich nicht verfügte, aber ich hatte einen ordentlichen klassischen Sound drauf und war gut im Improvisieren – Qualitäten, die der Duke sich in seiner originellen Instrumentation wohl gut hätte vorstellen können.
Wie auch immer, die ganze Geschichte landete vor der Komintern, die sich aus Yehudi Menuhin(19), meiner Mum, meinem Stiefvater und Peter Norris(2) (dem bereits erwähnten musikalischen Direktor der Schule) zusammensetzte. Man hielt die Angelegenheit offensichtlich für wichtig, da ich mich nicht erinnern kann, dass es jemals sonst zu einem Meeting zwischen Menuhin(20), meinen Eltern und mir gekommen wäre. Man entschied sich gegen das Angebot, ein Entschluss, zu dem es wohl an zwei Fronten kam, die eine offen diskutiert, die andere eher im Hinterkopf. Menuhin(21) und meine Mum wollten, dass aus mir einer der besten klassischen Violinisten aller Zeiten würde (was ja wohl geschafft wäre). Was sie weniger offen diskutierten, war das Bild, das sie sich meiner Ansicht nach in ihrer Phantasie ausgemalt hatten: Tourbusse voller Typen mit braunen Papiertüten, in denen sich allerhand Hochprozentiges verbarg. Da ich eher der leise Typ war und obendrein minderjährig, musste ich mich ihrer Entscheidung fügen, aber zum größten Komponisten des 20. Jahrhunderts NEIN zu sagen, war ein Riesenverzicht – allein mit all den Genies in seiner Band spielen zu können, wäre ein Traum gewesen.
So bewegte sich denn mein Leben weiter auf die Rolle des klassischen Solisten zu. Vielleicht könnte ich ja jetzt daran etwas ändern, angeblich ist es ja nie zu spät … Ach, Augenblick mal, das hab ich ja längst getan!
Etwa ein Jahr später hatte ich mich in New York eingerichtet, um bei der Violin-Pädagogin Dorothy DeLay(1) in die Schule zu gehen. Bei einer meiner Stunden mit Dorothy DeLay(2) (DeLate sollte man besser sagen, so spät, wie sie immer dran war!) erwähnte ich, dass Stéphane Grappelli(8) an dem Abend in der Carnegie Hall spielte und mich wahrscheinlich zu sich auf die Bühne bitten würde. Worauf sie meinte: »Das würde ich an deiner Stelle nicht tun, Nigel. Jemand von CBS (jetzt Sony, lieber Leser) wird sich das anhören. Die sind an einer Mozart(1)-Aufnahme mit dir interessiert, aber die werden die Idee sofort verwerfen, wenn sie denken, du seist ein Jazzgeiger.« Das war lange, bevor meine Karriere die kleine Szene der klassischen Musik aufmischte und noch bevor amerikanische Classicos den Eindruck zu erwecken versuchten, sie könnten Bluegrass oder Jazz spielen – oder bevor europäische Classicos sich an praktisch allem versuchten! Heute ist es fast schon obligatorisch, irgendwelchen billigen Crossover-Kitsch herauszubringen, wenn man einen Plattenvertrag bei einem Klassik-Label haben will.
Als ich in die Carnegie Hall kam, ging ich in die Garderobe der Band, um Hallo zu sagen. Stéphane fragte: »Nieeeschell, spielst du mit uns den ›Tigare Rag‹ ce soir?«
»Das würde ich gerne, Stéphane, aber meine Lehrerin Dorothy DeLay(3) hält das für keine so gute Idee.«
Er nahm meine Undankbarkeit in gewohnter Bescheidenheit hin. »Na ja, falls du es dir noch anders überlegen solltest …« Damit ging er mit der Band auf die Bühne. Mit meinen Gedanken in der Garderobe allein, ging ich dort auf und ab und begann wütend gegen einen Türstopper zu treten, während ich bei mir dachte:
»Ich habe eben dem besten Violinisten der Welt einen Korb gegeben.«
KICK.
»Wie ungezogen und egozentrisch kann so ein frühreifer Scheißer nur sein!«
KICK.
»Was hast du dir dabei gedacht? Du bist in der Carnegie Hall und hast eben gesagt, dass du hier nicht spielen willst … mit dem größten Violinisten der Welt!«
KICK!
»Ist dir klar, was für ein Spaß dir da entgeht? Und was willst du denn nach dem Gig machen, für den du dir zu etepetete warst?«
KICK!
Der Türstopper schoss auf den Tisch mit den Erfrischungen zu, und dann sah ich die Flasche Scotch. Ich merkte, dass ich sie zu zwei Dritteln mit Luft gefüllt hatte. »Scheiß drauf!«, dachte ich mir. »Ich hab meine Fiedel dabei, das ist doch ein Zeichen. Ich bin doch nicht blöd. Stéphane ist besser als irgendeiner dieser Classicos von der Juilliard School. Ich lass mir das nicht entgehen …«
Ich holte meine Fiedel aus dem Kasten und ging hinter die Bühne, um auf den richtigen Augenblick für meinen Auftritt zu warten. Als mir der gekommen schien, steckte ich meinen Kopf um die Ecke. Diz Disley(2) winkte mir zu, und ich trat auf die Bühne einer gerammelt vollen Carnegie Hall. »Ah, Nieeedschell, c’est vrai, da bist du ja.«
Der »Tiger Rag« schlug ein wie eine Bombe. Einige Freunde von mir, die im Publikum waren, sprachen noch Jahre später über den Gig, sogar bis heute tun sie das.
Als ich die Woche darauf wieder zu meiner Stunde bei Dorothy DeLay(4) ging, sagte sie: »Tja, Schatzi, die Leute von CBS waren auf dem Konzert, das du mit Grappelli(9) gegeben hast. Du hast doch gespielt, oder?«
»Ja … und?«
»Sie fanden es ganz ausgezeichnet und hatten ihre Freude an dem Abend, aber sie sind nicht weiter an einer Aufnahme mit dir interessiert, weil sie der Meinung sind, dass du die falsche Art von Musiker dafür bist.«
Es ist irgendwie komisch, aber hätte ich lausigen Jazz gespielt wie die meisten anderen klassischen Musiker, wahrscheinlich hätten sie in mir einen tollen Mozart(2)-Interpreten gesehen.
»Tja, wenn die keine gute Musik mögen – jammerschade. Dann bin ich auch nicht interessiert.« Sie hatte recht gehabt, aber ich nicht weniger!
Wo wir schon von Lehrern sprechen. Stéphane Grappelli(10) hat nie einen gebraucht. Er hat sich seinen Stil selbst draufgeschafft (wie übrigens auch Albert Sammons(1)), und er war auf seinem Instrument unvergleichlich. Sein Beispiel nährte mein Misstrauen gegenüber Lehrern, wertlosen Diplomen und Titeln – oder überhaupt gegenüber Lehrplänen, wenn wir schon dabei sind. Wer war es denn überhaupt, der entschied, was man uns an Wissen zur Weiterbildung anbieten sollte? Und war deren Leben um so vieles besser als unseres, dass wir von ihren Entscheidungen auch tatsächlich hätten profitieren können? Es gab da einen Punkt, ab dem diese Art von erzieherischer Bevormundung an Propaganda und Zensur grenzte. Bei solchen Fragen ging es nicht nur um die Musik, sondern auch um die Geschichte. Man sehe sich nur all die Länder an, die ihre schmuddeligen Finger heben, wenn es darum geht, die Lorbeeren für den Sieg im Zweiten Weltkrieg einzuheimsen. Welchem Lehrplan sollen wir glauben? Dem englischen? Dem polnischen? Dem amerikanischen? Dem russischen?
Das Leben ist eine Arena, eine echte Erfahrung, nicht eine von irgendeinem Zettel geborgte Theorie. Steff war das Fleisch gewordene Beispiel für meine Ansichten. Von meinem ersten Gig mit ihm im Boggery Folk Club in Solihull an (wo ein damals noch namenloser Jasper Carrott(1)2 als Conférencier fungierte und mich nicht reinlassen wollte; ich wartete vier Stunden vor der Tür, bis Stéphane persönlich mich reinbat wie einen gottverdammten 13-jährigen Star!) bis zu unserem letzten gemeinsamen Auftritt hat der Mann nie auch nur eine falsche Note gespielt. Seine Fertigkeit und Akkuratesse kamen daher, dass er den Bogen sehr knapp einsetzte und ausgesprochen leicht spielte. Und dann gönnte er sich stets den Luxus eines Mikrofons, was bedeutete, dass er nicht über die Band hinaus projizieren musste. Je lauter man spielen muss, desto schwieriger ist es, in einem derartigen Tempo zu spielen. Ohne Mikrofon verbringt der Solist sein Leben damit, einen Kompromiss zwischen flüssiger Leichtigkeit und Projektion zu finden. Es spielt keine Rolle, wie schnell oder clever man spielt, wenn es niemand hören kann. Total akustische Musik und solche, die ein Mikro zu Hilfe nimmt, sind zwei völlig verschiedene Künste. Stéphane war ein absoluter Meister im Einsatz des Mikrofons, wie übrigens auch Frank Sinatra(1) und Mel Tormé(1).
Stéphanes Vorkriegscombo mit Django Reinhardt(2), das Quintette du Hot Club de France, war eine der ersten Jazzcombos, die – im Gefolge der Amerikaner Eddie Lang(1) und Joe Venuti(1) – nur mit Saiteninstrumenten besetzt waren. Die Combo war darüber hinaus das erste wirklich populäre Beispiel für europäischen Jazz. Alles, was es zuvor gegeben hatte, war lediglich eine Kopie des amerikanischen Stils gewesen. Der Hot Club wurde die beliebteste Combo von Paris und weit darüber hinaus, und Steff wusste, wie er mit dem Publikum umzugehen hatte. Er verstand es zu kommunizieren.
Was die Kommunikation anbelangte, wusste Stéphane Publicity zu schätzen (eine Gemeinsamkeit mit meinem anderen Mentor Yehudi Menuhin(22), der bei all seinen anderen Qualitäten durchaus ein Publicity-Junkie war). Steff sagte mir immer wieder: »Nieeedschell, jede publicité ist gute publicité!« Leute mit ihren kleinen Computern und ihren kleinen Twitter-Accounts werden ihm da heute zweifelsohne zustimmen.
Ein weiterer Ausspruch von ihm, den ich immer zu hören bekam, wenn er etwas Populäres spielte, etwa einen Schlager, den ich grenzwertig bis bescheuert fand, war folgender: »Nigel, aber das ist gut pour les touristes …« Er hatte erkannt, dass er nicht nur zur ohnehin bekehrten Gemeinde predigte, sondern auch für ein neues Publikum spielte. Er wollte Neulinge in der Welt der Musik willkommen heißen, nicht vor den Kopf stoßen.
Zu meinen letzten Begegnungen mit Stéphane Grappelli(11) kam es im Rahmen einiger Plattenaufnahmen. Zunächst mal hatte er sich bereit erklärt, mit mir »Melody in the Wind« für mein Album Kafka aufzunehmen, eine Sammlung von Songs zum Thema Veränderung. Ich hatte den Song eigens mit dem Sound seiner Violine im Kopf geschrieben. Ich fand es wunderbar, dass er sich zu der Aufnahme bereiterklärte, zumal er zur Zeit der Session schwer erkrankt war. Ich hielt es damals für besser, die Aufnahmen abzusagen oder seine Violinparts in seiner Wohnung in Montmartre einzuspielen, damit er nicht aus dem Haus musste. (Übrigens mochte ich seine Wohnung in Montmartre. Steff hasste Banken und stopfte sein Geld in bar in diverse Ritzen in seinen Wänden. Wie das wohl war, als der Euro kam? Wahrscheinlich wär die Wohnung zusammengekracht, wenn er all die Knete auf einmal aus den Ritzen geholt hätte!) Ich schlug ihm die beiden Möglichkeiten vor, die ich mir überlegt hatte; vor allem aber drängte ich auf die Absage der Session. Aber NEIN. Er bestand darauf, in das Studio zu kommen, das ich gebucht hatte, und den Song dort aufzunehmen. Er wollte mich nicht im Stich lassen. Seine Violine sang wie ein Vogel, aber später dann, als ich die Tonspur mit seiner Violine isolierte, hörte ich ihn den ganzen Track über husten. Er lieferte seinen wunderbaren Vortrag offensichtlich aus professionellem Stolz heraus ab, vielleicht auch ein wenig aus Liebe. Wie auch immer, sein Beitrag bedeutet mir unendlich viel.
Etwa zur selben Zeit kopierten drei Tenöre, die als Die drei Tenöre(1) firmierten und alle in derselben Stimmlage (Tenor) sangen, samt und sonders meine und John Stanleys(1) Marketingtechniken, und das ging so weit, dass sie selbst meine Verbindung zum Fußball kopierten, als sie in jenem Sommer im Rahmen des Endspiels zur Weltmeisterschaft in Rom auftraten. Und damit nicht schlecht abräumten. Pavarottis(1)PR-Person hatte wenigstens so viel Anstand, mir gegenüber zuzugeben, dass sie für ihre Strategie eins zu eins von meiner abgeschrieben hatten. »Also echt«, dachte ich. »Die mach ich platt!« Ich rief Yehudi Menuhin(23) an und erzählte ihm von meiner Idee, Die Drei Violinen aufzuziehen und ebenfalls abzuräumen. Stets die Mischung aus Heiliger und Gentleman, sagte er:
»Ach, Nigel, was für eine wunderbare Idee. Ich fände es absolut reizend, mit euch zu spielen …«
Großartig.
Eigentlich hätte ich gedacht, ihn beknien zu müssen, während ich mit Stéphane gerechnet hatte. Als ich dann mal mit Stéphane beisammensaß und ihn fragte, ob er Lust hätte, bei den Drei Violinen mitzumachen, zerriss es ihn schier:
»Nie wieder wird isch mit dies Schwein spiele. Her macht dies schrecklich Fehler und sieht misch dann han, als hob isch sie gemacht ’abe, jede Mal, mon cher, terrible. Nein, tuht mir leidt. Isch spiele mit dir – du spielst rischtig.«
Womit die Drei Violinen ins Gras gebissen hatten, bevor sie zur Welt kamen – wir hätten die Drei Tenöre als Vorband gehabt!
Wie auch immer, die Erfahrung, mit Stéphane zu spielen, veränderte mein Leben. Er war ein absolut einzigartiger Charakter, der eine Menge verschiedener Ären und Situationen hinter sich hatte. Und noch etwas an ihm war einzigartig: Sein Spiel wurde immer besser, wie guter Wein. Ich danke dir dafür, Stéphane, dass du den Weg gebahnt hast, der es uns erlaubte, auf mehr als nur eine Weise Violine zu spielen. Du hast mich mal deinen musikalischen Enkelsohn genannt. Deiner Familie anzugehören, ist mir eine Ehre.
Ich war dreizehn, als Yehudi Menuhin(24) mich zum absolut pervers talentierten, vielversprechendsten Violinisten der Schule erkor. Zur Belohnung dafür durfte ich mit ihm in, ich weiß nicht mehr, war es King’s Lynn oder die Kathedrale von Norwich, Bachs(3) Concerto für zwei Violinen in d-Moll spielen. Ich habe es mir zur Tradition gemacht, dieses Stück hier und da mit anderen aufreizend talentierten und vielversprechenden Violinisten zu spielen …
Wir hatten eine vielversprechende Probe hinter uns und noch mindestens zweieinhalb Stunden bis zum Auftritt. Wir befanden uns mit seiner Frau Diana(1) in seiner Garderobe, und er hatte mir soeben angeboten, ihn einfach mit Yehudi(25) anzusprechen anstatt mit Ihro der Heiligsprechung und des Gottstatus würdiger Sir – was, am Ende eines jeden Satzes benutzt, ja doch ein ziemliches Maulvoll war und jedem Versuch eines Gesprächs zwischen uns im Wege gestanden hätte. Nachdem sie ihm das Haar gekämmt hatte, bereitete Diana(2) Yehudi irgendeine Art Linsenmüsli zu (irgendwas für den Geist). Yehudi fragte mich:
»Nigel, möchtest du etwas von diesem absolut köstlichen Müsli haben? Es ist aus ganz erstaunlich erlesenen und gesunden Zutaten zusammengestellt, mit extra Honig und Algen. Es kann am Tag eines Konzerts ausgesprochen belebend wirken.«
»Ich danke Ihnen vielmals, aber wenn es Ihnen nichts ausmacht, Ihro der Heiligsprechung und … äh, Yehudi, geh ich auf eine Fleischpastete in den Pub.«
Diana(3): »Wie schrecklich … so eine Pastete entzieht deinem Kopf das ganze Blut, und du kannst dich womöglich nicht konzentrieren. Du weißt doch nicht, was da drin ist.«
»Na ja, Rindfleisch, Zwiebeln und lecker Soße. Wenn es Ihnen beiden recht ist, würde ich lieber selber schauen, was passiert. Ich denke, dass die Pastete mich für das Konzert stabilisiert.«
Um die Wahrheit zu sagen, es war mir ziemlich schnuppe, was Diana(4) dachte. Überhaupt habe ich nie verstanden, wie es dazu hatte kommen können, dass der beste Violinist der Welt allem Anschein nach unter dem Pantoffel stand.
Ich verabschiedete mich erleichtert von ihnen und ihrem unappetitlichen Vegetarierfutter und ging in den Pub. Ich bestellte mir eine Pastete mit Rindfleisch und Zwiebeln, die köstlich war, und die Welt war in Ordnung. Das heißt, außer dass ich mich nur noch daran erinnere, dass mir jemand mit dem Fuß gegen den Kopf tippte und sagte: