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Dehmel galt in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg als einer der bedeutendsten deutschsprachigen Lyriker. Berühmte Komponisten wie Richard Strauss, Hans Pfitzner, Max Reger, Arnold Schönberg, Heinrich Kaspar Schmid, Anton Webern, Karol Szymanowski und Kurt Weill vertonten seine Gedichte. Dieser Band enthält seine besten Gedichtsammlungen. Inhalt: Richard Dehmel - Biografie und Bibliografie Erlösungen - Eine Seelenwandlung in Gedichten und Sprüchen Aber die Liebe - Ein Ehemanns und Menschenbuch Weib und Welt Zwei Menschen Die Verwandlungen der Venus Der Kindergarten Schöne wilde Welt
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Seitenzahl: 703
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Meine Lyrik
Richard Dehmel
Inhalt:
Richard Dehmel – Biografie und Bibliografie
Erlösungen - Eine Seelenwandlung in Gedichten und Sprüchen
Vorwort
Erste Stufe: Ringen und Trachten
In Kraft und Schönheit
Erste Sehnsucht
1.
2.
An die Krämerseelen
Fehdebrief
Bekenntnis
Eine gantz new Schelmenweys
Novemberfahrt
Fußnoten
Empfang
Wechselwirkung
Protest
Abschied
Ruhig Blut!
Im Regen
Nächtliche Frage
Zuflucht
Nur ein Hund
Trost
Im Nebenzimmer
Der Versucher
Erste Begierde
Meeraugen
Verführung
Das alte Lied
Totenrache
Gespenstische Sühne
Das Weib des Matrosen
Sommerabend
Abendnebel
Wollust
Und Wir?
Die Wahrheit
Sternzauber
Der Wunsch
Erscheinung
Weihnachtsglocken
Das Wunderblümlein
Der Vogel Wandelbar
Frühlingsahnung
Schneeglöckchen
Nebel und Schatten
Narzissen
Läuterung
Offenbarung
Erleuchtung
Zweite Stufe: Liebe
Verloren?
Des Traumes Ziel
Frühlingsgebet
1. Käfers Ende
2. Ende der Rose
Menschenthorheit
Zweifel
Hoffnung
Im Traume
Sehnsucht
Gewittersegen
An meine Königin
Jetzt und immer
Abendgang
Kahnfahrt
Am Krankenbett
Nach der Krankheit
Allgegenwart
Deine Nähe
Entweihung
Frieden der Nacht
Waldnacht
Käferlied
Jünglings Sehnsucht
Mädchens Sehnsucht
Natur und Sehnsucht
1.
2.
3.
4.
5.
Ballnacht
Tiefste Sehnsucht
Geständnis
Rückkehr
Sühne
Einst!
Gebet an die Geliebte
Du zürnest nicht
Sieg
Erkenntnis
Lied des Mädchens
Nachtgebet der Braut
Liebe und Leidenschaft
Eine Weihnachtsstunde
Mein Auge
Vision
Symbol
Lobgesang
Trauschwur
Es werde!
Glück
Kranzgedicht zur silbernen Hochzeit der Eltern
Zu einer Hochzeit
Die Begegnung
Erwachen
Grusz
Stromüber
Klage der Gattin
Schutzengel
Das Weib des Jägers
Wiegenlied
Liebe und Ehre
Frühlings Einzug
Morgenandacht
Im Wandern
Mondnacht
Letzter Wunsch
Kunst und Liebe
Zur dritten Stufe: Leben und Arbeit
An Friedrich Nietzsche
Selbstentäuszerung: Selbsterfüllung
Der Unterschied
An die Kleingläubigen
An eine Gütige
An die Charaktervollen
Vorsicht!
Wirkung der Zeit
Blick in das All
Das Ziel
Gottheit, Menschheit, Kunst
Erklärung
Das Heiligtum der Musen
Der rechte Ton
Scheinkunst
An die »Ibsenreifen«
Le roman expérimental
Sinnbild
Die gröszere Aufgabe
Der gröszere Meister
1. Für die Sudelköche
2. Für die Schmudelköche
Moderne Lyriker
Ein bengalisches Licht
Naturtrieb
Der Reim
An einen Kritokraten
Kunstgenusz
Im Goethehaus zu Frankfurt
Vor der sixtinischen Madonna
Jugendweisheit
Ums Brot
Zeitorakel
Dichterfreundschaft
Deutsches Thun
Kunst, Wahrheit, Volk
Bergpsalm
Der befreite Prometheus
Das Urteil des Paris
Jesus in Gethsemane
Glaube, Liebe, Glaube
Dahin ...
Vierter Klasse
Zu eng
Ein Märtyrer
Die Magd
Ein Dankopfer
Bismarck
Deutung
Schutz
Aber die Liebe - Ein Ehemanns und Menschenbuch
Hieroglyphe
Meinem Freunde Detleb, dem Dichter Liliencron
Wendekreislauf
Ein Ewiger
»Grüße!!!«
Bastard
Das Ideal
Einsamkeiten
Die drei Schwestern
Jesus der Künstler
Das Gesicht
Liebe
Zur Beichte
Aufblick
Heimweh in die Welt
Es war einmal
Auf der Geise
Der Pirat
Gastgeschenk
Mädchenfrühling
Nicht doch!
Oben und Unten
Helle Nacht
Lebe wohl!
So im Wandern
1.
2.
Bann
Gieb mir!
Und dennoch!
Das Menschliche
Antwort
Nur
Büßende Liebe
Bitte
Dann
Die zweite Nacht
Der Brand
Ueber den Sümpfen
Hamburger Lästerbrief
Wiedergeburt
Gewissen
Der tote Ton
Zu Gott
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
Drei Ringe
Rückkehr
Wiegenlied für meinen Jungen
Lied des vogelfreien Dichters
Lied der Gehenkten
Chinesisches Trinklied
Fromme Wünsche
Die beiden Schwestern
Das Urteil des Paris
Gebet der Sättigung
Loke der Lästerer
Die Illusion
An mein Volk
Machtsprüche
1.
2.
3.
Tragische Erscheinung
Weib und Welt
Gondelliedchen
Das Märchen vom Maulwurf
Maiwunder
Entladung
Begegnung
Ein Stelldichein
Ausblick
Am Ufer
Manche Nacht
Aus banger Brust
Heimat
Dann
Die stille Stadt
Der entzückende Krüppel
Die Reise
Das Kind
Ein Grab
Ruhe
Ernte
Stiller Gang
Die Harfe
Geheimnis
Drama
Klage
Zukunft
Enthüllung
Bewegte See
Der Sturm
Beschwichtigung
Mannesbangen
Jesus bettelt
Immer wieder
Alles
Hans im Glück
Verklärte Nacht
Das Schloß
Erfüllung
Morgenstunde
Schneeflocken
Orientalisches Potpourri
Der Schlangenkäfig
Warnung
Erwartung
Im Reich der Liebe
Drohung
Aufstieg
Störung
Furchtbar schlimm
Ein Ring
Wirrsal
Mit gedämpfter Stimme
Aus schwerer Stunde
Beschwörung
Zuversicht
Eva und der Tod
Verhör
Böser Traum
Mit heiligem Geist
Besuch
Gethsemane
Venus Consolatrix
Die Glücklichen
Der Arbeitsmann
Erhebung
Der Fluß
Morgen
Mittag
Abend
Nacht
Die gelbe Katze
Nacht für Nacht
Zwei Menschen
Erster Umkreis: Die Erkenntnis
Eingang
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
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30.
31.
32.
33.
34.
35.
36.
Zweiter Umkreis: Die Seligkeit
Eingang
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
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27.
28.
29.
30.
31.
32.
33.
34.
35.
36.
Dritter Umkreis: Die Klarheit
Eingang
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
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29.
30.
31.
32.
33.
34.
35.
36.
Ausgang
Die Verwandlungen der Venus
Erotische Rhapsodie mit einer moralischen Ouvertüre
Ouvertüre:
Das entschleierte Schwesternpaar
Venus Anadyomene
Venus Primitiva!
Venus Pandemos
Venus Socia
Venus Excelsior:
Venus Creatrix
Venus Urania
Venus Religio
Venus Madonna
Venus Mater:
Venus Mamma
Venus Natura
Venus Bestia!
Amor Modernus Domesticus
Venus Adultera
Venus Maculata
Venus Perversa
Venus Mystica
Venus Idealis
Venus Metaphysica
Fußnoten
Venus Occulta
Venus Vita
Venus Mors
Venus Homo
Venus Sapiens
Venus Fantasia!
Venus Regina
Venus Consolatrix
Venus Universa
Venus Heroica:
Venus Mea
Der Kindergarten
Gärtnerspruch
Aussaat
Laufbahn
Vatergruss
Heimlich Geleit
Der Vogel Wandelbar
Triumphgeschrei
Schnurrige Predigt
Staatsereignis
Käuzchenspiel
Käferlied
Die Reise
Fitzebutze
Nochmals Fitzebutze
Das Maiwunder
Der Schatten
Der kleine Sünder
Fragefritze und die Plappertasche
Furchtbar schlimm
Zum Geburtstag
1. Mit zwei Lampen
2. Mit einer Handvoll Haselnüsse
An einem Hochzeitstag
Aurikelchen
Puhstemuhme
Das große Karussell
Die Schaukel
Das richtige Pferd
Die ganze Welt
Lazarus
Anfang
Ein Zimmermann
Ein Dachdecker
Ein Feuerwehrmann
Ein Schmied
Ein Maschinenbauer
Ein Eisenbahner
Ein Weltreisender
Ein König
Ein Tierbändiger
Ein Kunstreiter
Ein Jägersmann
Ein Gärtner
Ein Ackersmann
Ein Seemann
Ein Lotse
Ein Taucher
Ein Goldgräber
Ein Bergführer
Ein Luftschiffer
Ein Dichter
Ein Engel
Schluß
Schöne wilde Welt
Erste Hälfte
Zweite Hälfte
Meine Lyrik, R. Dehmel
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
Loschberg 9
86450 Altenmünster
ISBN: 9783849609221
www.jazzybee-verlag.de
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Lyriker, geb. 18. Nov. 1863 zu Wendisch-Hermsdorf in Brandenburg, verstorben am 8. Februar 1920 in Blankenese. Besuchte das Sophiengymnasium in Berlin, bestand sein Abiturium 1882 in Danzig, studierte erst Philosophie und Naturwissenschaften, dann Nationalökonomie, meist in Berlin, promovierte 1887 in Leipzig mit einer Schrift über Versicherungswesen, war hierauf acht Jahre Sekretär des Verbandes deutscher Privat-Feuerversicherungsgesellschaften und lebt jetzt als freier Schriftsteller in Blankenese bei Hamburg. Er veröffentlichte die durch eine starke Neigung zum Symbolismus charakterisierten Gedichtsammlungen: »Erlösungen« (Stuttg. 1891; 2. Aufl., Berl. 1898); »Aber die Liebe. Ein Ehemanns- und Menschenbuch« (das. 1893); »Lebensblätter« (das. 1895); »Weib und Welt« (das. 1897, 2. Aufl. 1901); ferner das Drama »Der Mitmensch« (das. 1895), das Tanzspiel »Luzifer« (das. 1899); »Ausgewählte Gedichte« (das. 1901) und mit seiner Gattin Paula: »Fitzebutze. Allerhand Schnickschnack für Kinder« (das. 1900). Vgl. Furcht, Richard D. (Mind. 1899); Moeller-Bruck, Richard D. (Berl. 1900); Bab, Richard D. (das. 1903).
Leitspruch: Jugendsehnen, Jugendirren:
ach, was mag sich draus entwirren?
Nimmer ruht der Wünsche Spiel:
jeder Tag entfernt das Ziel!
Richard Dehmel.
Keine Furcht! ich will nicht etwa, nach Art der Kasperle-Poeten vor den Jahrmarktbuden, hier den Ausrufer machen und erklären, was der Sinn des Buches »nämlich« sein soll. Ueber sein Innerstes Nichts, höchstens die Eine Bitte: diese Seelenwandlung zu lesen als die Geschichte einer Jugend, eben nicht blos als ein Bändchen von Gedichten zu durchblättern! –
Ein mehr Aeußerliches ist es, worüber ich mich kurz erklären will: die Abweichung von dem alten widersinnigen Brauche, jede Verszeile mit großer Letter anzubrechen, und die mancherlei Stellen in Sperrschrift. Es herrschen Vorurteile gegen solche Auffälligkeiten; man wittert poetische Schwächen dahinter oder – poetische Eitelkeit. Aber man vergesse nicht: die Druckschrift hat doch nur den Zweck, die lebendige Sprache zu ersetzen. Je rascher das gelesene Wort die Vorstellung des gehörten erweckt, umso besser ist der Zweck erfüllt. Daher alle Regeln der Rechtschreibung, daher die Interpunktionen und all die andern Erleichterungen dieses Verkehrs zwischen Auge und innerem Ohr. Und grade der Versdichter, der seine bannenden Wirkungen eben den verborgenen Sinnlichkeiten der lebendigen Sprache ablauscht, sollte kein mögliches Mittel verschmähen, durch das er sein gedrucktes Wort so schnell, eindringlich und fließend, als wenn er selbst es sprechen würde, dem Leser zu Gemüte führen kann. Zumal Dem, der laut liest, wird damit gedient sein; und erst der laut gelesene Vers führt in die Tiefen des Urteils wie des Genusses! –
Freilich wird es immer Stellen geben, wo all das Mannigfaltige an Stimmung und Empfindung, das der Dichter in Einer Wendung, Einem Bilde, Einer lautlichen Verknüpfung durch seine Kunst zusammenklingen läßt, den Hörer je nach seiner Sonderart zu Widersprüchen gegen Vortrag und betonendes Gefühl des Künstlers reizen würde. Aber eben Da hat Dieser umso mehr das Recht und vielleicht ein wenig gar die Pflicht, gleichsam als ein treuer Eckart seiner eigenen, in Lust und Schmerzen geborenen Kinder zärtlich den Finger zu heben und der unholden Welt still seinen schützenden Willen zu weisen. Und dem Leser bleibt ja unbenommen, sich nicht daran zu kehren. Wo aber etwa Unzulänglichkeit zu solchen Mitteln greift als Krücken der rhythmischen Ohnmacht, wird sie grade durch die Krücken erst recht ins Auge springen.
R.D.
Wenn du auch irrst
auf den Pfaden des Strebens:
Nichts ist vergebens,
denn du wirst.
Nur: bleibe Herr deines Strebens!
In Kraft und Schönheit will ich singen
mein freies Lied! um Wahrheit nicht
braucht zitternd meine Glut zu ringen:
ich selbst bin wahr! – Auf Sturmesschwingen
zur lichten Lohe will ich zwingen
die Flamme, die der Glut entbricht!
In Kraft und Schönheit will ich lieben,
was Fleisch und Seele heiß umarmt!
Ich bin dem Geist der Brunst verschrieben:
der Same, der die Glut getrieben,
der fruchtbar bis zu Mir geblieben,
nach frischem Blut er lechzt und barmt!
In Kraft und Schönheit will ich hassen
den Feind der Kraft, der schönen Lust:
die Eklen, die im Schlamm der Gassen
die reine Saat zu Kot verprassen, –
die Dumpfen, die verglimmen lassen
den heil'gen Funken ihrer Brust!
In Kraft und Schönheit all mein Leben,
mein Trachten all: Das sei mein Wort!
Dann mag sich wider mich erheben
der Qualm der Zeit: es wird mein Streben
auf lichter Lohe ihm entschweben
und Flammen zeugen fort und fort!
Frühling im Lande! – Gärend quoll sein Blut,
des Körpers enge Last den Wesen rings
in schwellenden Wonnewogen schier zersprengend,
durch alle Thäler, über alle Höh'n;
die strotzenden Knospen schienen nur zu harren
auf den Erlösungshauch, der endlich sie
aus ihrer starren Hülle sollte reißen,
sich satt zu trinken an der jungen Luft
und lebensselig all ihr keusches Grün
dem flammenden Kuß des Lichtes zu vermählen.
Hinein ich lauschte in dies trunkne Werden,
ein einzig lauschend Aug' und Ohr und Herz,
erlauschte Alles – Nichts – o Alles all:
des Baums, der Gräser Durst, den schmetternden Vogel,
den Gießbach, der zur Ebne zischend sprang,
und in der tiefen Ferne, unentwirrbar
dem zitternden Duft, der Menschenstadt Gewimmel.
Und Menschen, Bach und Halm und Baum und Vogel,
von Einer Brunst umschlungen fühlt' ich Alles,
in Eine Inbrunst Alles untertauchen,
in Eines branden mit dem strömenden Glanz –
und eine Sehnsucht mir die Brust bestürmen,
mich hinzugeben in das All der Welt
und von mir all mein Eigen Sein zu werfen.
Doch klammernd hielt mich die Erinnrung fest;
und taumelnd, in zerknirschten Wonnen ahnt' ich,
daß Menschenkindern nur ein Menschenherz,
selbstloser Liebe voll, die Fluten birgt,
erlöst zu werden von des Leibes Schranken
und selbstvergessen in das All zu sinken:
ein Andres Herz, selbstloser Liebe voll.
Nach Liebe, Liebe schrie es laut in mir,
nach einem Herzen, das für Mich nur schlüge,
für mich, für mich, der – selber lieblos immer!
Da brach's empor, da sah ich nackt mein Weh
und sah's und schlug die Hände vors Gesicht
und warf zur Erde mich und weinte.
Zweierlei Treiben
Dir selbst entrinnen:
wohin und wie?
kommst nie von Hinnen,
zum Ziele nie!
Laß dich doch gehen,
laß dich doch treiben!
nur: lerne sehen,
lerne – dich reiben!
Treiben? – Gut!
nur: keine Gesetze!
Ich bin die Flut,
ihr – seid die Klötze.
Oh wie sie messen, wenn sie Liebe schenken,
daß nicht zuviel der liebe Nächste nehme!
wie sie gewissenhaft den Handel lenken,
daß man nur recht der Menge sich bequeme!
O wie sie schelten, wenn mit tausend Händen
aus meiner Brust mich selbst ich möchte streuen,
um tausendfach mein Lieben auszuspenden,
um tausendfach mein Lieben zu erneuen!
Nein, nein! ich kann mich nicht wie Ihr begnügen,
ich kann nicht tropfenweis mein Herz verschütten:
eh' wollt' ich, meiner Liebe Fluten schlügen
empört in Stücken eure Bettelhütten!
Ich hasse dieses Mittelstraßenleben,
ich will nicht eure wohlgemeinten Reden,
ich passe nicht in euer Alltagsstreben,
ich will das Glück nicht, das da feil für Jeden!
Ich habe eine Welt in meinen Sinnen,
die Ihr nicht ahnt mit euern Biedergeistern!
Drum lasset das Bedauern, laßt das Meistern –
ich fühl's: ich werde einst die Schlacht gewinnen!
Und habt ihr dennoch Recht mit euern Lehren
und sollt' ich zu entketten nicht vermögen,
was in mir stöhnt und schreit dem Licht entgegen:
so werd' ich dennoch euern Rat nicht ehren!
Ich lege eher nicht das Schwert von Händen,
bis Wunden – oder Kronen mich ermatten;
und eher nicht entgürt' ich meine Lenden,
bis im Olymp ich – oder bei den Schatten!
Ich will ergründen alle Lust,
so tief ich dürften kann;
ich will sie schlürfen ganz und gar,
und stürbe ich daran.
Ich will entlodern all die Glut,
die mir im Herzen brennt;
ich will nicht zähmen ihrer Wut
hinrasend Element.
Ward ich durch frommer Lippen Macht,
durch sanfter Küsse Tausch?
Ich ward erzeugt bei wilder Nacht
in tollem Wollustrausch!
Nun will ich leben auch in Lust,
da mich die Lust erschuf; –
schreit nur den Himmel an um mich,
ihr Beter von Beruf!
Wir Schelmbe sind ein feinen hauff,
da kann kein Herrgott wider auf!
Die Welt ist voll von Vnsern Preiß,
seit Adam stahl im Paradeys.
Uns bleibt kein geldt in unsern Sack,
Wir seyn ein fürnemb Lumpenpack,
Wir han das Allergrößt gefolg,
kein fuerst vnd Hertzog hat ein solch.
Zu nie keyn arbeitt taugen Wir
als für dem Edlen Malwesier.
Dem dienen wir und seyn nit faul:
ein jede Flaschen findt jr maul.
Wir han nit Weib, wir han nit Kind,
wir sind die rechten Sausewind.
Vnd läßt vns Eine Dirn nit ein:
die Ander wird so süsser seyn!
Wir schieren umb kein pfaff uns nit,
Wir han uns Eignen segen mit.
Vnd pfeiffen wir am letzten loch:
der Teuffel nimbt in Gnad vns doch!
Ja, lacht nur, lacht! am Wege da
ihr pelzvermummten Gaffer!
Uns gab ein heißres Blut, hahah,
der Wein- und Weiberschaffer!
Und wenn wir etwas zittrig sind
und etwas rot die Nase,
so meint nur nicht, das sei vom Wind:
dasWetter liegt im Glase!
Wir fahren in die Welt hinein,
wenn Uns es will behagen;
wir fahren in dem Sonnenschein,
den wir im Herzen tragen!
Und wenn die olle Sonne sieht
so junge Dreistewichte,
dann wird sie gleich vor Angst verliebt
und macht ihr schönst Gesichte.
Hurrah, Novembersonnentag,
du Wunderwanderwetter:
derweil am Herd das Zimperpack
sich wärmt den Katterletter1!
Hurrah, so stark dein herber Duft,
so würzig seine Schwere!
Hurrrah – ich schlürfe deine Luft,
als ob es Rheinwein wäre!
1 Anm. d. Setzers: DieQuatre Lettres?
In den Kreis der Zechgenossen
bin ich wieder eingekehrt,
wo man mit den alten Possen
Bacchus und Gambrin noch ehrt.
An Comment und Schlägerhieben
hänget da der Freundschaft Band,
doch im Wappen steht geschrieben:
Freiheit, Ehre, Vaterland!
Zwar ertönt bei ihren Festen
manches große, volle Wort:
zugeschnitten aus den Resten
toten Ernstes – nun ein Sport!
Und sie haben mich empfangen,
wie man's Einst beim Willkomm hielt;
doch aus ihrer Worte Prangen
blassen Augs die Lüge schielt.
Und ich saß und saß und suchte
einesBlickes warmen Strahl, –
bis ich ihrem Anstand fluchte
und mich still vondannen stahl.
Ich wüßte nicht mich nach der Form zu richten,
wird mir bedeutet von gestrengen Richtern.
Und freilich: leicht ereignet sich's an Dichtern,
daß sie formloser leben als sie dichten.
Denn leider müssen sie die Menschen sichten
dem Inhalt nach, der hinter den Gesichtern:
zwar Mancher hält's mit formgerechten Wichtern,
doch Mancher wägt nach schwereren Gewichten.
Und Mir ergeht es gar blos wie dem Trichter,
der von sich giebt, was man hineingetrichtert.
Gebt mir Gefühl – in echter Form, in schlichter:
und formvoll wird vonselbst sich alles schlichten!
doch wenn empfindungslos ihr splitterrichtert,
so werd' ich formlos nur nach Mir mich richten!
Zur Deutschheit wollet ihr bekehren,
lügt ihr der Menschheit ins Gesicht?
die Manneswürde wollt ihr lehren
und ehrt die Menschenwürde nicht?
Doch mögt ihr ruhig weitersingen
von eurer eignen Herrlichkeit:
nur laßt den armen Zöllner ringen,
wehrt Ihm das Ziel nicht, das so weit!
Verbannt ihn nicht aus euren Hallen,
darin auch seine Gottheit wohnt!
Noch läßt er's gerne sich gefallen,
daß Ihr als Pharisäer thront.
Ein Wahnbild gläubisch anzustarren,
steht eurer fetten Tugend gut;
nur laßt Den auf Erlösung harren,
der weiß, wie weh der Hunger thut!
Ich habe Alles euch gegeben,
nun wollt ihr auch das Letzte noch:
nun soll ich knechten auch mein Streben,
zertreten mich für euer Joch?
Ich hab' in mir um euch gerungen,
für mein Herz wollt' ich eures auch,
Stolz, Liebe, Haß um euch bezwungen:
nun danket ihr nach altem Brauch!
Nun soll ich feige das Gefüge,
dran mitzurüsten ich geweiht,
verleugnen für die große Lüge,
an der sich jetzt berauscht die Zeit?!
Ja, eine Zeit gemacht zum Beten!
für jeden engsten Kreis ist heut
ein neuer Heiland uns von Nöten:
der alte starb, zu dem ihr schreit!
Doch nicht, daß man aus Luggeweben
die Dornenkrone selbst sich flicht:
ich habe Alles euch gegeben,
doch mein Gewissen geb' ich nicht!
Nur kein thörichtes Ereifern,
wenn die Wichte dich begeifern!
Diese Kautschukseelen fliegen
nur so höher vor Vergnügen,
um so mehr sie Hiebe kriegen.
In langen Tropfen rinnt es um mich nieder,
sie schlagen prasselnd durch die schlaffen Blätter,
die Vögel sträuben triefend das Gefieder:
es stimmt zu mir! es ist ein artig Wetter!
Trübsel'ger rauscht es in den Lüften immer,
der Himmel brütend scheint zu überlegen
das Loos der Erde – nirgend stört ein Schimmer:
versunken Laub und Licht, – nur Regen, Regen.
Die Welt fühlt grämlich ihres Alters Schwere:
kein Schein von Freude rings, kein Hauch von Trauer.
Und ziellos starr' ich, – schreit' ich, – fort, – ins Leere:
in mir und um mich grau – – und immer grauer.
Was will und wogt so wehe
mein Herz empor,
wenn ich dort oben sehe
der Sterne Chor?
Wie ferner Größe Glänzen
bestrickt ihr Licht
und läßt in meinen Grenzen
mich ruhen nicht, –
es bannt ihr zitternd Blinken
den bangen Blick
wie fernen Glückes Winken:
hinan – – zurück!
Und immer doch dies Beben,
und immer mehr!
Oh Stäubchen, Menschenleben,
und dochzu schwer?
Hinterm kleinen Haus am kleinen Weiher,
dicht umdunkelt rings von Weidenruten,
breitet nickend eine junge Pappel
ihre Zweige zu den tiefen Fluten.
Seltsam heimlich ist's an diesem Orte;
schon als Knabe hab' ich hier gesessen
und umschwiegen von den hohen Binsen
weinend so mein junges Leid vergessen.
Wieder starr' ich in das schwarze Wasser,
aber keine Thräne kann ich finden;
nur die Pappelzweige seh' ich winkend
dort sich spiegeln in den stillen Gründen.
Ja, Dir wird's schwer, mich zu verlassen!
dein Auge bricht, als ob du weinst,
und warst doch blos ein Kind der Gassen!
Ja, damals ahnt' ich nicht, daß einst
als letzter Freund ein Hund mir bliebe:
da sucht' ich noch bei Menschen Liebe.
Mein Hund, in deine treuen Augen
hab' manche Frage ich versenkt,
für die nicht Menschenblicke taugen,
wo man ein Tier braucht, das nicht denkt,
die Ohnmacht auch in Ihm zu sehen,
mit der wir selbst durchs Leben gehen.
Du hast mir nie ein Leid bereitet:
Das kann kein Mensch,der liebste nicht!
Nun liegt dein Leib vom Tod gebreitet,
verlöscht dein tröstend Augenlicht ...
Was will mir denn wie Glück noch scheinen?
mein Hund, mein Freund: ich kann noch weinen!
Es ist nicht gütig, in ein Auge schauen,
in dessen Schooß ein schweigend Weh sich windet:
das Rätsel lockt, die Scham des Mitleids schwindet,
denn eine tiefe Wollust schläft im Grauen.
Ihr Eitlen! wollt ihr Den mit Trost erbauen,
der selbst kein Wort für seine Schwermut findet?
Die Kränze, die der Schmerz um Särge bindet:
die echte Thräne wird sie stumm betauen!
Und meint ihr denn, wer Einsam sich befragte
mit seinem Leid, er hätt' es nicht bezwungen?
Wer mühsam sich in dunkler Tiefe plagte,
der weiß auch, wann zum Gipfel er gedrungen;
doch wer an seinem Leben nie verzagte,
hat um des Lebens Deutung nie gerungen!
Schweigen auf Einmal
drinnen? – Horch!
Quellende Laute,
schmeichelnd raunende,
flüsternd berückende,
perlen daher;
quellende Klänge,
jauchzend wallende,
rauschend stürmende,
drängen, umwogen, erwühlen mich.
Weib, dich schauen!
Glühender Lippen schwellende Knospe,
schwellender glüht sie, erblüht zum Lied.
Schauen –! lauschen –!
Weib, die Laute,
Weib, die Laute:
fühlt sie dein Herz?!
Da steht, da steht sie im Gewimmel!
an ihrem Busen in der Rechten,
wie Nachtgewölke ruhn am Himmel,
die aufgerafften dunklen Flechten, –
umstricken meinen Blick wie Schlangen,
mir träumt von Paradiesesnächten ...
Was schlägst du plötzlich so voll Bangen
den Mantel, Weib, um deine Flechten?!
O daß der Kuß doch Ewig dauern möchte,
den taumelnd auf die Lippen dir ich preßte,
als Du zum Abschied botest mir die Rechte,
daß starr wie Binsen stand der Schwarm der Gäste!
Nein, länger duld' ich nicht dies stumme Sehnen,
ich will nicht länger in verzücktem Harme
die liebekranken Glieder nächtens dehnen;
»O komm, du Weib! entbreit' ich meine Arme..
Oh, komm! noch fühlt dich zitternd jeder Sinn,
vom heißen Duft berauscht aus deinem Kleide,
sieht wogend glühn, du Flammenkönigin,
im Aschenflor um dich die Kupferseide.
Gieß aus in mich die Schale deiner Glut!
ich dürste nach der Sünde: nach dem Grauen
vor dieses Feuerregens wilder Brut,
vor diesen Weh'n, die wühlend in mir brauen.
Es schießt die Saat aus ihrem dunklen Schooß,
die lange schmachtend lag in spröder Hülle:
ich will mich lauter blühn, empor und los
aus meiner leeren Brunst zu Frucht und Fülle!
Matt werden will ich meiner schwülen Lust:
oh komm, du Weib! nimm auf in deine Schale
die Furcht, die Sehnsucht dieser jungen Brust:
noch trank ich nieaus euerm Rauschpokale ...
Auf Nelkendüften kommt die Nacht gezogen,
o kämst auch Du so süß und so verstohlen!
so mondesweiß dich in die Sammetwogen,
den Purpurflaum der schwärzlichen Violen,
die streun ich will, an diese Brust zu betten:
daß alle meine Mächte an des Weibes
enthüllten Göttlichkeiten sich entketten,
versink' ich – in den Teppich – Deines – Leibes!«
Was will in deinen Augen doch
dies trauervolle dunkle Weh,
so tief und sehr?
so still und schwer
wie die Stürme, die schlafen gingen
im Schooß der grauen See.
Versinken will, versinken stumm
in dieser Augen müden Schooß
mein Herz – und will
wie Du so still
und schwer in Dein Herz tauchen
und reißen die Stürme los!
und will sich wiegen so mit dir
in rasender lachender Seligkeit
auf freiem Meer, – –
bis tief und sehr
die Wogen wieder ruhen,
verstürmtdein dunkles Leid.
Ich weiß es wol, wie's keimt von Trieben
und quillt in dir und aufwärts bricht;
doch Mich, mich liebst du dennoch nicht,
sonst – müßte ich dich wiederlieben.
Sonst kämst du jauchzend hergeflogen
und fragtest nicht nach Ruf und Pflicht
und tauchtest schauernd mein Gesicht
in deines Busens heiße Wogen.
Sonst würdest du dich um mich flechten,
so wie die Winde zärtlich dicht
im Busch den Blütenzweig umflicht,
in heimlich bangen süßen Nächten.
Sonst wär' auch Ich nicht stumm geblieben,
wenn so dein Mund von Liebe spricht:
Ich nicht!– Nein, nein! du liebst mich nicht,
sonst müßte ich dich wiederlieben.
Die Rosenknospe gab sie mir,
als sie vondannen schied;
ich wollte lächeln, als ich ihr
versprach dafür ein Lied.
Sie sah mir weinend ins Gesicht,
sie wollte lächeln auch:
wir konnten Beide lächeln nicht,
Das ist so Abschiedsbrauch.
Nun lächelt sie in Einem fort,
die Ferne heilt das Weh;
die Rosenknospe ist verdorrt,
das Lied ist aus ... Juchheh!
Eine sehr betrübende Geschichte.
Durch die schlafende Lagune
seufzend zieht der lange Kahn
seine Bahn,
einsam zieht er durch der dunkeln
langen Wellen glattes Funkeln
wie ein großer schwarzer Schwan ...
Nun im Zelt der Barke flüsternd
regt sich eines Mundes Glut,
und die Flut
ebnet sich in weiten Kreisen:
heißer wird der Strom der leisen
Laute, – still! das Ruder ruht.
»Donna Anna, Deine Schwüre
sind viel dunkler als die Nacht!
Stolz verlacht
hab' ich all die Lästerzungen,
aber– wenn sie wahr gesungen:
hütedich! mein Auge wacht!«
»Liebster, willst du mich betrüben?!
fühlst du nicht, daß nie von Lust
je gewußt
meine Küsse, bis sie Deinen
bang und süß sich durften einen?«
und sie sinkt ihm an die Brust.
»Schwöre –« will er prüfend wehren,
aber an ihm liegt sie dicht:
»Fühlst es nicht?
wie der Vogel in die Weiten,
sehn' ich mich nach Seligkeiten!«
hebt sie schmachtend ihr Gesicht.
Und er sieht und fühlt bezwungen
ihres Leibes weiche Pracht,
warme Macht;
seine jungen Wangen blühen,
rötlich schwankt der Ampel Glühen,
Küsse stöhnen durch die Nacht.
Und den Mund umzuckt von Schlangen
sieht sie, wie er trunken ist,
sich vergißt, –
doch ihr Spott ist kaum verflogen:
wütend über sie gebogen
fühlt er ihrer Seele List, –
und ein Ringen – und ein Keuchen, –
»Gott, Erbarmen –« stickt ein Schrei
dumpf entzwei, –
hohl ein Brodeln im Canale, –
stille wird's mit Einem Male, – –
fern vom Turme schüttert's: Drei ...
Wochen fliehen, – wachend, träumend
sehnt er sich nach ihrem Mund
müd und wund;
immer um die dritte Stunde
macht er nächtlich dort die Runde,
starrt er in den blauen Schlund.
In der dunklen Wasserschale
sieht er ruhn den bleichen Mond,
ruhn den Mond,
hört er seufzen die versunknen
bleichen Lippen und die trunknen
Küsse, die er so belohnt –!
und ihn lockt ein banges Rühren,
und von tiefer banger Macht
süß und sacht
fühlt er sich hinabgebogen,
sinkt er in die warmen Wogen,
schließt sich über ihm die Nacht ...
Auf der schlafenden Lagune
wie ein großer schwarzer Schwan
irrt ein Kahn;
wo die Uferwellen glimmen,
sieht man früh ein Ruder schwimmen
auf der leeren Wasserbahn.
Graf Richard, was jagst du und jagst durchs Feld,
als fliehst du vor deinem Gewissen?! –
Es war deine Pflicht, es war dein Recht!
dein Weib beim Knecht:
das haben sie büßen müssen!
Graf Richard, was fliehst du und fliehst durch die Nacht:
die Tote liegt still auf der Bahre! –
wie damals so still, wie damals so kalt,
als mit Gewalt
sie zogst zum Traualtare! – –
Dahin, dahin am Eichenhain!
herunter vom Feld! die Straße hinein!
zurück, zurück zum Schlosse! –
Wie schleichen die Nebel herüber vom Moor,
wie schaun aus dem Walde die Schatten hervor!
Dem Reiter wird wirr und dem Rosse.
Dahin, dahin mit hängendem Zaum!
vorüber, vorüber an Baum und Baum!
will die Burg denn noch immer nicht ragen? –
Noch Einmal küssen in heimlicher Stund'
die blasse Wunde, den weißen Mund!
Ich – hab' sie – aus Liebe erschlagen! – –
Was taucht hervor aus Dunstes Wogen,
was schimmert so sanft, so bleich?
was kommt so lockend einhergezogen,
was breitet die Arme so weich! –
Allmächtiger Vater, sie lebt! sie verzeiht!
nun bin ich erlöst, nun bin ich befreit!
Was schwebt zurück, was schwebt entgegen
vorbei an Stamm und Stamm?
was wallt und winkt mit leisem Bewegen
herunter vom sichern Damm! –
Halt stille doch, Liebchen! ich nehm' dich aufs Pferd!
ich hab' dich so lange, so heiß begehrt! – –
Ich will dich haben – heut wirst du Mein –
nicht länger vergebens dein Ehemann sein! –
Und glühenden Blicks er sich vorwärts bengt,
und glühenden Auges der Rappe keucht ...
Die Nebel quellen vom Moore.
Willst wieder entweichen –? so stirb, Geduld!
will länger nicht betteln um Deine Huld!
jetzt fasse ich dich! jetzt halt' ich die Braut – –
Braut– gurgelt's, verröchelt's im Schlamm, im Kraut ...
Die Nebel rollen am Moore.
Nach einem französischen Volkslied.
Der Seemann kommt vom Krieg zurück,
so sacht!
verbrannt so sehr, verstaubt so sehr!
»Wo kommst du, armer Seemann, her?
so sacht, so sacht?«
Frau Wirtin, ich komme vom Krieg zurück,
so sacht.
»Schnell Wein! vom Weißen, der hinten steht!
schnell! eh' der Seemann weitergeht!
so sacht, so sacht!«
Der wackre Seemann sitzt und trinkt,
so sacht.
Er sitzt und trinkt und summt ein Lied;
die schöne Wirtin er weinen sieht –
so sacht, so sacht.
Was habt Ihr, schöne Frau Wirtin? sagt!
so sacht?
thut leid Euch Euer weißer Wein,
von dem sich schenkt der Seemann ein?
so sacht, so sacht?
»Mein weißer Wein thut mir nicht leid:
so sacht:
mein toter Mann kam mir in Sinn,
Ihr seht ihm gleich um Aug' und Kinn
so sacht, so sacht.«
O sagt mir, schöne Frau Wirtin, sagt!
so sacht!
zwei Kinder von ihm hattet Ihr –
hört' ich im Dorf – nun habt Ihr vier?
so sacht, so sacht?
»Man hat mir manchen Brief geschickt,
so sacht,
und zeigte seinen Tod mir an;
da nahm ich einen andern Mann –
so sacht, so sacht.«
Der wackre Seemann leert sein Glas,
so sacht.
Und ohne Dank, mit nassem Blick
ging er zu seinem Schiff zurück –
so sacht, so sacht.
Klar ruhn die Lüfte auf der stillen Flur;
fern dampft der See; in Dünsten goldig flimmernd
verschwimmt der Sonne letzte rote Spur;
die zarten Wolken wallen hoch und schimmernd.
In laue Dämmrung hüllt sich das Gefild,
die Nebel wachsen aus der warmen Erde;
ein matter Duft vom feuchten Grase quillt,
heim zieht der Hirte mit der satten Herde.
Die letzte Biene summt zum Korbe dort,
und schweigend wird es auf der weiten Halde;
nur eine Grille singt noch einsam fort,
und sanft ein Rauschen wacht im nahen Walde.
Zu weicher Ruhe löst sich jede Kraft,
der Wind selbst schläft wie aus der Welt geschieden,
kaum regt die Aehre sich am schwanken Schaft ...
So sei doch froh, mein Herz, in all dem Frieden!
So war's auch damals schon – so lautlos,
du tote Braut, so bleich die Luft,
und unterm Dach der Trauerbuche
am Gartensaum hing dumpf ein Duft
von Lindendolden und Hollundern
wie Weihrauch in der Leichengruft:
verstummt auch wir, doch – stumm vor Glück.
Begraben – erster Schwur und letzter Schwur!
Oh sinke, Nacht! Im blassen Dunstgeschwele
du einsam Licht, so fern und schwach,
lisch aus, du Mahnbild der verlornen Seele!
Lisch aus! was lockst du mich ins graue Feld?
was such' ich noch und irre – und bestehle
um seine Ruhe nur mein Weh?
Bang schweigt die Flur, kaum wagt die stille Nacht
zu nahen dieser Stille, – jeder Hauch
im feuchten Korne wie ertrunken, –
erdrückt vom Himmel, florumsunken
die dunkeln Weiden wie erstarrter Rauch, –
wie furchterstickt das Blatt am Strauch, – –
und dumpf aufschluchzend wünsch' ich mir den Tod.
Nach Shakespeare's 129. Sonett.
In wüster Schmach Vergeudung heil'ger Glut
ist Wollust, wenn sie praßt, – und leergepraßt
bricht Schwüre sie, verleumdet, lästert, haßt,
buhlt mit dem Grauen, bangt und giert nach Blut, –
gesättigt kaum, von Ekel schon gehetzt, –
sinnlose Lüsternheit und, kaum verraucht,
sinnlose Düsterkeit, in Wut getaucht,
als hätt' ein Tollkraut die Vernunft zerfetzt, –
maßlos im Rausch, im Taumel, in der Wahl, –
im Wunsche Wahnsinn, Wahnsinn in der Brunst, –
erdürstet Ueppigkeit, genossen Dunst, –
verzückt vor Wonne, dann erdrückt von Qual ...
Ach, Jeder kennt und – Jeder geht den Weg:
zu dieser Hölle diesen Himmelssteg!
Nach dem italiänischen Poëm eines Wahnsinnigen.
Vom Felsen her zum grünen Holze,
vom grünen Holze hin zum Hügel
eilt, Vögelchen, dein freier Flügel:
Ziel nicht, Weg nicht ist Dir bekannt.
Und Wir? wir Menschen mit unserm Stolze?
Wie Räder um eiserne Zapfen schwirren,
im ewig gleichen Kreis wir irren:
immer getrieben, immer gebannt.
Ein Traum.
Ich rang in Zweifeln schon die ganze Nacht.
Mich treibt ein Geist, und folgen muß ich ihm;
doch darf ich folgen? ist's ein Geist der Wahrheit?
ist's Eitelmut? so zagte meine Seele.
Und Furcht ergriff mich vor dem unverstandnen
Gebet der Kindheit: Nicht wie Ich will, Vater –
in deine Hand befehl' ich meinen Geist!
Und heft'ger rang ich, wie einst Jesus rang ...
Da führte mich der Geist hinweg. Ich stand
an eines Weltmeers sturmgeworfner Fläche.
Sehr finster war's. Doch fernher sah ich ragen,
im düstern Graulicht düstrer noch getürmt,
ein starr Gebilde wie ein Felseneiland.
Die Wogen rollten und die Tiefe brüllte,
und ich erkannte: eine Sintflut war's,
die eine alte Welt hinunterschlang.
In grauenhafter Ohnmacht mit den Wellen
zwei letzte Menschen rangen, Mann und Weib.
Ich sah sie sinken. Doch noch einmal tauchten
des Weibes Glieder krampfig zuckend hoch,
noch einmal ächzte sie: und ihrem Schooß
entwand im Schaume sich ein blühend Kind.
Aus Wolken plötzlich quoll der volle Mond,
die Fluten schwiegen und die Wellen hüpften,
und wiegend trugen sie das neue Leben
auf sanften Armen an das Felsgestade.
Und nun gewahrt' ich auf dem schroffen Gipfel
ein andres Weibeswesen. Schwarzverhüllt
in regungsloser Starrheit thronte sie;
sie saß, als ob ihr Haupt den Himmel rührte,
und Scheu befiel mich vor der Wundersamen.
Doch lächelnd langte nach ihr auf das Kind.
Und nieder zu ihm neigte sich die Hohe
und nahm es mit gelassner Hand ans Herz
und säugte es – und küßte es – und schaute
ihm lang' ins Auge, und mit mildem Glanz
umfing ihr Blick des Kindes Angesicht;
es war, als wachte drin die Seele auf.
Und in dem Arm der Göttin wuchs das Kind
und wuchs und wuchs und – sprach das erste Wort.
Da nahm es von der Brust die Rätselhafte
und setzte mit gelassner Hand es wieder
hinab ans Ufer, wo ein neues Land
sich aus den Fluten hob, und – hieß es gehen;
mit stummem Wink wies in die Ferne sie,
dann saß sie ehern thronend wieder da.
Auf stand der Knabe, Scheu befiel auch ihn,
der erste Schmerz schlich über seine Stirne;
doch still gehorchend ging er, schritt und wuchs,
und immer wachsend schritt er weiter immer,
bis ich im Nebeldunst des Horizonts
ihn einem Schatten gleich verschwinden sah.
Nicht achtete das Weib des Wandrers mehr;
aus weitem Auge schaute sie ins Dunkel,
als harrte immer neuer Menschen sie,
aus ihrer Brust die Schmachtenden zu tränken.
Da wallte heiß in mir ein Sehnen auf:
nur Einmal wollt' ich ihr ins Auge sehen,
dies Zauberauge, das dort über mir
aus seiner Höhe jen der tiefen Flut
so rein und mild im Mondlicht schimmerte.
Und flehend hob ich zu ihr auf die Hände:
Oh, komm! komm her zu mir und sieh mich an,
wie du den Säugling ansahst! Einmal nur
thu mir das Wunder deiner Seele auf!
oh gieb mir Frieden! gieb mir deine Ruhe! –
Da stieg sie dröhnend von dem Felsen nieder,
vor ihren Schritten teilte sich die See,
und näher, näher, immer näher kam sie,
in trunknem Jubel wankt' ich in die Kniee:
Sie kommt! sie neigt sich mir! mir, Mir allein!
Verzückte Thränen schossen mir ins Auge,
in tausend Farben floß um mich das Licht, –
da stand sie vor mir,
Ein Traum.
Und wieder saß ich spät mit mir allein,
der Geisterstimmen dumpfe Schlacht belauschend,
die wild im Hirn um meine Seele rangen,
und wußte nichts von mir: ein schwirrend Heer
von Wünschen, kreiste vor mir selber ich
und sah die Wunschgespenster sich verknäueln
in Wut und Gier, von Wut ich mit erwühlt,
von Qual und Wollust, wie die Flatternden
sich würgten und sich fraßen und sich lüstern
umwanden, neue Schaaren zu gebären.
Bis sich auf einmal, im verzückten Rausch
des Mitgefühls, mir in die Augenhöhlen
die Nägel meiner Finger krallend gruben,
daß ächzend ich emporfuhr aus dem Brüten.
Und taumelnd wankt' ich auf, zum Fenster hin,
inbrünstig langend nach der sanften Nacht ...
Da dehnte sich im Dunstlicht unter mir
Berlin– mit seinen Türmen, seinen Kuppeln,
mit seinen Schloten, seinen Ruhmessäulen
heraufgebaut ins fahle Blau, als langte
aus ihrem Grabe scheintot eine Riesin
und reckte alle Finger bettelnd hoch:
nur leben will ich – leben – atmen – essen!
Und rauschen hört' ich die Milliarden Wünsche,
die ungestillten, die das Mauerwerk
das nachtumarmte barg in seinem Schooß:
den Hunger, der mit dürrem Knöchel sich
das Grablied trommelte auf nackter Diele, –
die Not, die winselnd durch die Straßen kroch, –
das Elend, das in Träumen wüst sich narrte ...
Und ich erschrak ob meiner eitlen Qual;
und ein Erbarmen, graunvoll, grenzenlos,
stieß mich zurück in meine Einsamkeit.
Und trübe starrt' ich in die grelle Lampe
und trüber noch auf meinen Schatten, der
langwehend an der Wand hing, schwankend, nickend –
und starrte – – und entsetzte mich: der Schatten
bewegte, drehte sich, und winkte, nickte,
und wandelte vor mir, und trat zu mir, –
und eine Stimme tönte matt und hohl:
Komm! Wunsch ist Lust, Erfüllung Tod! Komm, schaue! –
Wir wandelten. Ein greller Mittag lag
schwül brütend auf dem gelben Sand der Wüste;
und um mich nur der schwarzvermummte Führer,
der stummen Mundes immer weiter wallte;
in seine Spuren trat ich wie gebannt.
Da gähnte jählings uns ein Abgrund an ...
Zurück ich wich; doch ruhig stand der Düstre
und wies zur Rechten, wo emporgetürmt
am Abhang ragte ein gewalt'ger Bau,
und aus dem Mantel klang es schwer und dumpf:
Der Tempel der Erfüllung! – und ich bebte,
von ungewissen Schauern angefaßt.
Da tönte wieder mir die Grabesstimme:
Drei Wünsche sind gewährt dir! wähle! sprich!
Und rasselnd sprangen droben auf die Pforten ...
Und grübelnd stiert' ich in des Tempels Schlund, –
mir war, als wogten die Milliarden Wünsche
des Erdrunds drin, die ungestillten alle, –
von Schmerz und Lust erglüht' ich, – durstgeschüttelt
mein ganz Gefühl, zu strafen den Versucher, –
und heiser schrak ich auf in Haß und Wonne:
So soll denn jeder höchste Wunsch auf Erden
erfüllt sein jedem Einzigen! – – Jedem Einzigen:
gleichgiltig scholl es wider im Gewand.
Und rückwärts deutete der Ungerührte
dem Saum der Wüste zu; der regte sich,
und aus dem Boden hob ein Tummeln sich,
als schwärmten Geier wimmelnd um ein Aas.
Und fort vom Rand her schob es schwärzlich sich
gleich Wolkenklumpen, ballte sich und schwoll,
erbrauste, schwoll und löste sich, und rollte
und wälzte tosend auseinander sich
heran zu uns, die Ebne überströmend
wie Qualmgebrodel sturmgepeitscht, und näher
und näher immer zog's, und schüttete
sich aus vor uns zu Haufen, Schaaren, Zügen
von Leibern gelb und weiß und schwarz und braun;
die Erde stöhnte, wie sie rasend rannten
und keuchend flogen; und da schossen schon
die Ersten uns vorbei, vom Wettlauf triefend,
hinauf am Abgrund, zu den Stufen hin
den gleißenden des Tempels, – ihnen nach
der Unzählbaren brandendes Gewühl.
Und schaudernd sah ich ihrer Augen Gier;
doch unbewegt stand neben mir der Führer ...
Und aus dem Säulenthor zurück nun tauchten
mit dem errafften Gut, dem höchsterstrebten,
dem tiefstersehnten, Die zuerst gewählt;
und freudebangend, zitternd spähte ich.
O Wahn, o Hoffnung –! wie sie kindisch johlten
und tanzten, in den Händen Tand und Spielwerk!
doch Andre kamen – fibernd spähte ich:
Da schleppte unter beiden Armen Einer
verstaubte Folianten, Einer krümmte
sich goldbepackt, behutsam trug ein Dritter
ein Pflänzlein, eine Schöne äugelte
verliebt mit ihrem Diamantenschmuck,
und jetzt – aufstammelnd griff ich in die Luft –
wildjauchzend stürmte aus dem Thor ein Häuptling,
die blutige Kopfhaut eines Feindes schwang er,
und oben auf den Stufen rangen Zwei
zum Mord verknotet um ein jammernd Weib.
Mitfühlend wand sich, bog sich krampfgespannt
mein Arm; da – ließ – mich's – los; ein weher Grimm,
ein ekler Zorn, ein unermeßlicher,
stand auf in mir und bäumte mein Genick,
zum Himmel stieß ich die gepreßten Fäuste:
O rotte, Allmacht, aus dies Wurmgezücht!
vertilgtsei, wer nicht liebt! es lebe nur,
wer in der Einen Sehnsucht sich verzehrt,
die Alle glücklich macht! es lebe nur,
wer Alle will von Leid und Schmerz erlösen! – –
Erlösen – tönte die vermummte Stimme;
– der zweite Wunsch! klang's schaurig mahnend nach.
Und plötzlich, mir zu Füßen kam's gerollt
herab vom Abhang knackend, schollernd, krachend
hinab zum Abgrund, Leiber über Leiber,
verrenkt im Todeskampf; doch toller immer
den Berg empor zur Tempelhalle tobte
der Unzählbaren brandendes Gewühl;
und aus dem Säulenschooße quoll und quoll es
die Stufen nieder – krachend, schollernd, knackend –
von Sterbenden und Leichen – mir zu Füßen
den Schlund hinunter. Und die Sonne sank
und sank und sank, und immer neue Haufen
Zerschmetterter verschlang der grause Rachen ...
Aufschreien wollt' ich – flehen, daß nur Einer,
nur Einer spräche das geweihte Wort, –
auf that mein Mund sich, doch der Laut zerriß:
der Freund, der liebste, prallte her zermalmt –
zermalmt die Brüder beide – beide Schwestern!
und da, da – »Mutter!« – meine Mutter klomm
da, da! hinauf; jetzt bat sie; weh – für Mich,
für ihres Sohnes Glück blos flehte sie
und – starb für ihr Gebet! – Stier sah ich an
das Gräßliche, hohlglotzend, thränenleer;
verdorrt mein Herz mir däuchte, irr mein Sinn;
mein eigen Angesicht, im Dämmerdüster
rings um mich schwamm es, fahl, zerfurcht, versteint
von Gram und Grauen; in die Kniee brach ich,
die Fäuste schlug ich hämmernd mir ans Ohr,
zu töten das Gedröhn das marternde
der Knochen, die zum Abgrund rasselten
im Rücken mir; da – – neigte nieder sich
Der im Gewand, ein mildes Dunkel hüllte
mein flirrend Aug', ein tiefes Schweigen floß
süßkosend um mein Haupt, und wie ein Hauch
sanftraunend klang die Frage: Und dein dritter,
dein Eigner Wunsch? dein letzter?! – säuselnd sog
der Nachtwind ein das lockende Gemurmel ...
Und stammeln wollt' ich; doch die Worte kreisten
im Hirn mir, hetzten sich in toller Jagd,
gestaltlos, schemenhaft, – und eine Angst,
ein Schrecken vor mir selbst, und eine Furcht
vor meiner Eignen Gier, der lauernden,
umklammerten die Kehle mir, – zerknirscht
im Staub ich lag: nicht wagt' ich mehr, zu wünschen.
Und endlich, bettelnd, stöhnt' ich: Gnade! Gnade!
und schlug die Augen auf – –, da grüßte mich
langwehend, nickend an der Wand der Schatten,
und schwelend stand die Lampe – und verlosch.
So müd hinschwand es in die Nacht,
sein flehendes Lied, sein Bogenstrich;
und seufzend bin ich aufgewacht.
Wie hat er mich so sanft gemacht,
so sanft und klar
der Traum – und war
doch also trüb und feierlich.
Hoch hing der Mond; das Schneegefild
lag weit und öde um mich her,
wie meine Seele weit und leer.
Und neben mir – so kalt und wild,
so stumm und stolz wie meine Not,
als wollt' er weichen nimmermehr,
saß starr – und wartete – der Tod.
Da kam es her, wie einst so mild,
so bang und sacht,
aus ferner Nacht;
so kummerschwer
kam seiner Geige Hauch daher,
und vor mir stand sein stilles Bild.
Der mich umflochten wie ein Band,
daß meine Blüte nicht zerfiel
und daß mein Herz die Sehnsucht fand,
die große Sehnsucht ohne Ziel:
so müd er nun, so trüb er stand,
und stand so dumpf und feierlich,
und sah nicht auf, noch grüßte mich, –
nur seine Töne ließ er irr'n
und weinen durch die bleiche Flur,
und mir entgegen schaute nur
auf seiner Stirn,
ein Auge hohl und rot und fahl,
der tiefen Wunde dunkles Mal.
Und trüber quoll das trübe Lied,
und quoll so heiß, und wuchs und schwoll,
so heiß und voll
wie Leben, das nach Liebe glüht, –
wie Liebe, die nach Leben schreit,
nach ungenoßner Seligkeit,
so wehevoll,
so wühlend quoll
das strömende Lied und flutete, –
und leise leise blutete
und strömte mit
auf seiner Stirne, rot und fahl,
der tiefen Wunde dunkles Mal.
Und müder glitt die müde Hand,
und vor mir stand
ein blasser Tag,
ein ferner blasser Jugendtag,
da dumpf im Sand
zerfallen seine Blüte lag,
da seine Sehnsucht sich vergaß
in ihrer Schwermut Uebermaß
und seiner Traurigkeiten müd
zum Ziel Er schritt, –
und lauter weinte auf das Lied,
das mahnende Lied, und flutete,
und seiner Saiten Klage schnitt
und seine Wunde blutete
und weinte mit
in meiner Seele starre Not,
als sollt' ich hören ein Gebot,
als sollt' ich fühlen, was ich litt,
und fühlen alles Leidens Schuld
und alles Lebens süße Huld, –
und also, blutend, wandt' er sich
ins bleiche Dunkel – und verblich.
Und bebend hört' ich hohl vergehn,
entfliehn das Lied, und wie so zart
so zitternd ward
der langen Töne fernes Flehn, –
und fühlte kalt ein Rauschen wehn
und grauenschwer
die Luft sich rühren um mich her,
und wollte bebend doch ihn sehn,
sein Lauschen sehn,
Der wartend saß bei meiner Not,
und wandte mich, – da lag es kahl.
das weiße Feld: und still und fahl
zog fern vondannen – auch der Tod.
Hoch hing der Mond; und mild und müd
hinschwand es in die leere Nacht,
das flehende Lied, –
und schwand und schied,
des toten Freundes flehendes Lied;
und seufzend bin ich aufgewacht.
Tauchet, heil'ge Klänge, wieder
ganz in meinen Glauben mich!
Quellet, quellt, ihr alten Lieder:
füllet ganz mit Reinheit mich!
daß ich in die Kniee fallen,
Ein Mal wieder beten kann,
Ein Mal wie ein Kind noch lallen
und die Hände falten kann!
Denn ich fühl's: die Liebe lebet,
die in Ihm geboren worden,
ob sie gleich in Rätseln schwebet,
ob gleich Er gekreuzigt worden;
denn ich sehe fromm sie werden –
heute, Ewig fromm – die Menschen,
wenn es klinget: Fried' auf Erden
und ein Wohlgefall'n den Menschen!
Altes Weihnachtslied ergänzt.
Uns ist ein' Ros' entsprungen
aus einer Wurzel zart;
wie uns die Alten sungen,
von Jesse kam die Art;
und hat ein Blümlein bracht
mitten im kalten Winter,
wol zu der halben Nacht.
Das Blümlein war so reine
und duftete so süß;
mit seinem milden Scheine
verklärt's die Finsternis;
und leuchtet immerdar,
tröstet die Menschenkinder
holdselig, wunderbar.
Ein Stern mit hellem Scheine
hat es der Welt verkündt,
den Hirten und den Heiden,
wo man dies Blümlein findt.
Nun ist uns nicht mehr bang,
seit aus der dunklen Erde
solch köstlich Knösplein sprang.
Ein Spott- und Trost-Märchen.
War einst ein Vöglein Wandelbar,
an welchem Alles seltsam war.
Ein rechter Wildfang wollt' es sein
und hatte doch ein Humpelbein,
das arme lust'ge Vöglein.
Allein das Vöglein hatte auch
ein wundersam Gefieder;
das schillerte wie Purpurschaum,
und auf der Brust der weiche Flaum
wie ein Perlmuttermieder.
Vom vielen Zwitschern eigner Art
das Schnäblein ihm ganz silbrig ward,
und seiner Aeuglein Scheinen
gar lieblich launisch wechselte
gleich blauen Edelsteinen.
So trug sich Vöglein Wandelbar
von Außen sonderlich fürwahr,
doch was das Sonderlichste war:
tief Innen trug's unwandelbar
ein Herz von lautrem Golde!
Und Alles war dem Vöglein gut,
wie's hüpfelte und glänzte, –
und Jeder nahm's in seine Hut:
solang 's im sichern Hofe saß,
er ihm das Nest umgrenzte.
Bis unser Vöglein langsam
sich wuchs zu einem Vogel aus;
da mußt' es aus dem warmen Haus
allein ins weite Land hinaus.
Das schien ihm, ach, so bangsam.
Die Andern liefen gar so schnell,
das Ihre zu erjagen;
da kommt mit seinem Wackelschritt
solch armes Entlein nicht gut mit,
und – muß den Spott noch tragen.
Sie fließen es und traten es
und rupften es gescheit,
und in dem wilden Drängen
blieb bald sein schutzlos Schimmerkleid
an Busch und Dornen hängen.
Zwar Mancher blieb auch stehen:
vermahnten dann und schalten
den ungeschickten Wandelbar,
und wußten doch, daß lahm er war,
und – blieben selbst die Alten!
Doch endlich war es ihm geglückt,
mit letzten Kräften, arg zerpflückt,
ein Bäumlein zu erschwingen;
da dacht' er endlich auszuruhn
und sich in Schutz zu bringen.
Verwandelt war nun ganz und gar
der arme Vogel Wandelbar,
so funkelnd einst; nur hier und da
ein gleißend Federlein noch sah
aus seinem grauen Kittel.
Und auch der Aeuglein helles Licht
war blaß wie welk Vergißmeinnicht;
alleindas Silberschnäbelein
war ihm geblieben noch vonklein,
wenn's auch nur schwach noch zirpte.
So saß er fern denn vom Gewühl
und sang mit bitterm Wehgefühl,
wie er so gar verlassen!
und wußte doch, daß Lahme nicht
zu soviel Schnellen passen.
Ein Rabe aber kam vorbei,
den ärgerte die Melodei
und auch das Silberschnäbelein,
er schrie: »Ich mag nicht solch Geschrei!
geh, packe dich vonhinnen!
ich will mir hier mein Nest herbau'n,
und für uns Beide ist kein Raum!«
und stieß das Vögelchen vom Baum
und riß ihm aus dem Kleide
auch noch sein letzt Geschmeide.
Da war ihm aller Mut dahin,
der Mut sogar zum Klagen;
mit seinem müden Humpelbein
schlich matt und weinend es feldein
und dachte voll Verzagen:
»Jetzt nenne Garnichts mehr ich mein,
jetzt kann ich nur gleich sterben!
jetzt will ich in die Wüstenei,
wo Keinen störet mein Geschrei,
und still für mich verderben.«
Ja, garnichts garnichts mehr war sein
von all dem schönen bunten Schein;
sogar das Schnäblein hatte ganz
verloren seinen blanken Glanz
von all den vielen Thränchen.
Und als das Vöglein das gesehn,
ist fast sein Herz gebrochen;
zum Sterben hat sich's hingesetzt, – –
da kam der goldne Mond zuletzt
und hat zu ihm gesprochen:
»Du armes Vöglein Wandelbar,
was härmst du dich denn immerdar
um deine Tandjuwelen?
Du töricht Vöglein Wandelbar,
hast du vergessen ganz und gar,
was Keiner dir kann stehlen?!
Ward dir denn nicht viel mehr geschenkt
als blos der Prunk, an den sich hängt
der Andern leeres Streben?
Was weinst du denn und machst dir Schmerz?
ward dir tiefinnen nicht ein Herz
von lautrem Gold gegeben?!«
Da ward dem Vogel Wandelbar
auf einmal Alles licht und klar;
da wußt' er bis an seinen Tod
unwandelbar trotz aller Not,
warum sich's lohnt zu leben!
Die Felder liegen weiß;
wohin ich schau'
ins fahle Nebelgrau,
scheint Schnee und Eis.
Doch da – ein Sonnenstrahl
bricht durch den Flor
und zieht den Blick empor
mit Einem Mal,
und von der Erden
ringt jung ein Duft
sich durch die Luft: –
will's Frühling werden?
Sie ist erwacht,
des Winters einzige Blume.
In Tod und Nacht
träumte die stumme
Botin des Frühlings
von Licht und Leben.
Wie sie sich heben
alle die sprießenden Spitzen,
zum Himmel bange
bebend sich richten!
aber droben
die Sonne schläft.
Roh durchs Land die Stürme toben,
lachen kalt der schlichten
furchtsam strebenden Zarten,
heulen ein Lied von Krieg und Streit:
Nur die Starken, Harten
preiset der Reigen
der eisernen Zeit!
Duftlos neigen sich
die weißen reinen
scheuen Köpfchen
zur Erde wieder
entsagend nieder
und weinen
selber ins Grab sich.
Doch nicht minder,
du einsame Blume,
tröstet dein Blühen
die Menschenkinder.
Nicht ist vergebens
dein kurzes Mühen:
alles des Lebens
Brausen und Glühen,
das uns der Frühling schickt,
du fühlst es nahn!
Mit neuem Glauben blickt
auf seine Bahn,
winkt ihm Dein Gruß,
rastlos wandernd der Mensch.
Keimt doch zitternd in Ihm auch
manche lautere Blume
aus dem dunklen Grunde des Herzens,
die verblühen muß,
ehe die andern
sicher strebenden,
mächtiger treibenden
Wurzeln sich regen:
Zielenentgegen! –
Bruchstück.
Nun still, mein Schritt, im stillen Nebelfeld!
hier rührt kein Leben mehr an meine Ruhe:
hier darf ich fühlen, daß ich einsam bin.
Kein Laut; kein Hauch; der bleiche Abend hält
im dichten Mantel schwer die Luft gefangen.
Sothut es wohl dem unbewegten Sinn ...
Mein Herz nur hör' ich noch; doch kein Verlangen
nach Leben ist dies Klopfen, – Lust und Schmerz
ruhn hinter mir versunken gleich zwei Stürmen,
die sich umarmen und im Wirbel sterben, – –
was störst du mich, mein allzu lautes Herz?!
Was willst du Schatten dort im Erlenbusch?
und schwankst? und winkst? – – –
– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Weißt du noch, wie weiß, wie bleich
in den Maiendämmerungen,
wenn du meinen Hals umschlungen,
wenn ich dich ans Herz gerissen,
um uns schwankten die Narzissen?
Weißt du noch, wie heiß, wie weich
in den lauen Juninächten,
wenn wir müde von den Küssen
um uns flochten deine Flechten,
Düfte hauchten die Narzissen?
Wieder leuchten, wieder grüßen:
wenn die Dämmerungen sinken,
wenn die lauen Nächte winken:
hauchen Düfte die Narzissen, –
weißt du noch, wie heiß – – wie bleich?
Wie mit zauberischen Händen
greifen Träume in mein Leben,
will ein Altes sich vollenden,
will ein Neues sich begeben ...
Eine Flamme sah ich lodern
hoch und rein aus goldner Schale,
und die Flamme schien zu fodern:
wirf dein Leid in diese Schale!
Und anbetend hingezwungen
fühlt' ich Gluten mich umfangen,
rauschend küßten ihre Zungen
Auge mir und Stirn und Wangen.
Und ich fühlte stumm vergehen
all mein Leid mit Einem Male,
rauschend mich als Flamme wehen
selber in der goldnen Schale ...
Wie mit zauberischen Händen
greifen Träume in mein Leben.
Will ein Altes sich vollenden?
will ein Neues sich begeben?
Da träumte ich von einem Weibeswesen, das ich nicht kannte, einem nie geseh'nen, oft geahnten, seltsam wirklichen. Wir lagen im Taumel der Einheit, und ich schaute dem Wesen in die Augen: bis hinab in die Seele. Und die Seele schien mir wie ein Buch, und in dem Buche las ich: Gattenliebe, Sinnlichkeit, – Mutterliebe, Keuschheit, – Menschenthum, Empfänglichkeit, – Wahrheitswille, Beharrlichkeit. Und es war, als ständen diese Eigenschaften vor mir auf zu seltsam wirklichen Gestalten, nie geseh'nen, oft geahnten Weibeswesen; die schlangen einen Reigen. Und obschon Alles voll Bewegung war in diesem Reigen innerlich, genoß ich schauend nur Eines: heitere Ruhe.
Plötzlich thut, was dunkel war,
dir sich grund und offenbar;
und dann kannst du nicht verstehen,
daß du sonst es nicht gesehen.
Aus dem Grund der Welt durch dich
offenbart der Welt es sich;
aus der Ewigkeit geboren
bleibt es ewig unverloren.
Was Natur in trüben Bächen
still durch alle Seelen gießt,
Dichtermund soll's heilig sprechen
daß es immer reiner fließt.
Aus der Enge in die Weite
drängt der Geist und lockt das Leben;
doch es kann sich erst erheben,
Wen ein groß Gefühl befreite.
Wie versunkne Himmelreiche
Dir im Auge sah ich quellen
deiner Seele stille Quellen,
und es tauchte aus den Wellen
meiner Unschuld frühe Leiche.
Und von fern auf goldnen Wogen
kam ein Leuchten hergezogen,
und den bleichen Mund umschwebte
sanft ein Glühn, als ob er lebte
und noch Einmal Gott erbebte.
Doch im Wasser hört' ich's wallen,
hohl ein Qualgelächter schallen:
und ich sah mit schwarzen Krallen
drohn die Sünde, und im dunkeln
Schlund ihr grünes Auge funkeln.
Und es rauschte, und die Leiche
schwand hinab; der Glanz verglühte ...
Gieb mir Du zurück die Blüte,
meiner Reinheit tote Blüte,
die versunknen Himmelreiche!
Ich träume oft von einer bleichen Rose.
Sie blüht in eines hohen Berges Schatten,
zum Lichte fleht sie mit dem schmachtend matten
dem Blumenblick aus ihrem dunklen Loose.
Und mich ergreift's, daß tröstend ich sie kose.
Doch weiter muß auf meinem Pfad ich schreiten:
zum Gipfel, wo die Lorbeern stolz sich breiten!
So steh' ich zaudernd zwischen Berg und Rose.
Denn wie ich auch den Fuß mag von ihr kehren:
ich kann der tiefen Sehnsucht nicht mehr wehren,
aus ihrem Schooß den süßen Duft zu schlürfen.
Da: bin ein Gott ich worden durch die Reine?
auf schweb' ich mit ihr zu dem heil'gen Haine,
wo auch die Rosen immergrünen dürfen!
Frühling, Wonnegebieter,
sonnestarker, lauterster Gott der Erde,
willst du endlich erscheinen,
mir auch erscheinen?
Nach soviel Stürmen,
soviel quälender Wetterwut,
nach manchem falschen Sonnentage
voll kalten, stechenden Glanzes:
willst du endlich geboren werden,
mein Heiland? –
Ja! mir künden heilige Schauer:
du auferstehest,
den ich dunkel geahnt
in den Dämmertagen der Kindheit
und den ich verloren, vergessen
im selbst sich vergötternden Jünglingsrausch ...
Oh, senke die Strahlen
Deines milden Himmelsauges
sänftigend, verklärend mir
in die sehnsucht offne Seele
O durchfülle mich ganz mit Deinem Odem,
Frühling, äther entsprossener,
Segen atmender, reiner Sonnensohn!
Erfülle mich mit deiner Werdelust,
nicht der gärend schäumenden,
der ziellos wilden, taumelnden Lust
stürmenden Knabenübermutes:
mit Deiner ruhig quellenden,
still knospenden,
sicher schaffenden Freudigkeit
erfülle mich, du Glückbeseelter! –
Schon jauchze ich.
Ja! du erhörst mein Gebet!
Du bist in mir, Frühling:
bist, was in mir jubelt –
du erhörtest mich schon
vormeinem Gebet!
Du, Du, Frühling, wurdest
mir in bangender Seele
heimlich ein anderer, neuer Frühling:
mein ersterFrühling!
Erster Frühling,
einziger Frühling,
bleibe! weile!
verlaß mich nicht,
flüchten gleich die Tage!
Dann werden machtlos nahen
meinem geweihten Haupt
des Sommers sengende Sorgen
und des Herbstes trüber Mißmut
und des Winters kalte Oede.
Erster Frühling,
einziger Frühling,
meinFrühling –
Du brachtest mir die Erlösung:
bringe mir auch das Himmelreich!
Rose und Goldkäfer
Ich habe den Traum der Rose belauscht,
der still, vom kühlen Duft umsprüht,
aus ihrer Blumenseele glüht;
ich hab' ihn mit allen Sinnen belauscht,
bis ich berauscht.
Von Sonnenstrahl die Rose träumt,
der sich tags ihr flammend ins Innerste wühlt,
der im Mondlicht nachts sie weich umspült,
der mit schaffender Macht das All durchschäumt;
von ihm sie träumt.
Dochvon dem Goldkäfer weiß sie nicht,
der still zum stillen Glutkelch klimmt,
in dem die Sehnsucht zehrt und glimmt
nach ihr, nach ihr. Sie achtet's nicht.
Sein Auge bricht.
Es prangt die Rose in stolzer Pracht
und freut sich ihrer Glut und lacht:
Ich hab' die tiefduftigste Seele, ich!
ich bin die Königin sicherlich
von meinen Blumenschwestern.
Ein schimmernder Käfer zur Rose schwirrt;
von Lust, von Liebe er surrt und girrt
der schönen Stolzen, der Alles lauscht
mit jedem Sinn, wenn der Dufthauch rauscht
aus ihrem Feuerkelche.
Und sie neigt sich dem Käfer in kühler Gunst:
Ich kann nicht lieben mit irdischer Brunst,
ich glühe allein dem Sonnenschein,
der das All durchwogt, ins Herz hinein
mir seine Flammen zu gießen!
Und als der dritte Abend nah
und der Goldkäfer wieder zur Rose sah,
von Furcht und Hoffnung still entfacht:
da war die stolze Blütenpracht
verwelkt im Strahl der Sonne.
Die Nixe in der stillen Flut,
sie weiß nicht, daß der Tod
aus ihrem wasserdunklen Blick
den Erdensöhnen droht.
Sie kann nicht lieben, hassen nicht:
du Menschenkind allein
schaust in das rätseltiefe Auge
die Eigne Seele hinein.
Da schwillt und quillt entgegen dir
verdoppelt Glück und Weh;
du schaust und schaust, vergehst, versinkst, –
verwundert rauscht der See.
Psalm eines Verstoßenen.
Jetzt ist es aus! jetzt bin ich ganz zerrissen!
Nun brach vom Herzen mir das letzte kleine
Stück Hoffnung noch, das letzte eine