Meine Lyrik - Richard Dehmel - E-Book

Meine Lyrik E-Book

Richard Dehmel

0,0

Beschreibung

Dehmel galt in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg als einer der bedeutendsten deutschsprachigen Lyriker. Berühmte Komponisten wie Richard Strauss, Hans Pfitzner, Max Reger, Arnold Schönberg, Heinrich Kaspar Schmid, Anton Webern, Karol Szymanowski und Kurt Weill vertonten seine Gedichte. Dieser Band enthält seine besten Gedichtsammlungen. Inhalt: Richard Dehmel - Biografie und Bibliografie Erlösungen - Eine Seelenwandlung in Gedichten und Sprüchen Aber die Liebe - Ein Ehemanns und Menschenbuch Weib und Welt Zwei Menschen Die Verwandlungen der Venus Der Kindergarten Schöne wilde Welt

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 703

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Meine Lyrik

Richard Dehmel

Inhalt:

Richard Dehmel – Biografie und Bibliografie

Erlösungen - Eine Seelenwandlung in Gedichten und Sprüchen

Vorwort

Erste Stufe: Ringen und Trachten

In Kraft und Schönheit

Erste Sehnsucht

1.

2.

An die Krämerseelen

Fehdebrief

Bekenntnis

Eine gantz new Schelmenweys

Novemberfahrt

Fußnoten

Empfang

Wechselwirkung

Protest

Abschied

Ruhig Blut!

Im Regen

Nächtliche Frage

Zuflucht

Nur ein Hund

Trost

Im Nebenzimmer

Der Versucher

Erste Begierde

Meeraugen

Verführung

Das alte Lied

Totenrache

Gespenstische Sühne

Das Weib des Matrosen

Sommerabend

Abendnebel

Wollust

Und Wir?

Die Wahrheit

Sternzauber

Der Wunsch

Erscheinung

Weihnachtsglocken

Das Wunderblümlein

Der Vogel Wandelbar

Frühlingsahnung

Schneeglöckchen

Nebel und Schatten

Narzissen

Läuterung

Offenbarung

Erleuchtung

Zweite Stufe: Liebe

Verloren?

Des Traumes Ziel

Frühlingsgebet

1. Käfers Ende

2. Ende der Rose

Menschenthorheit

Zweifel

Hoffnung

Im Traume

Sehnsucht

Gewittersegen

An meine Königin

Jetzt und immer

Abendgang

Kahnfahrt

Am Krankenbett

Nach der Krankheit

Allgegenwart

Deine Nähe

Entweihung

Frieden der Nacht

Waldnacht

Käferlied

Jünglings Sehnsucht

Mädchens Sehnsucht

Natur und Sehnsucht

1.

2.

3.

4.

5.

Ballnacht

Tiefste Sehnsucht

Geständnis

Rückkehr

Sühne

Einst!

Gebet an die Geliebte

Du zürnest nicht

Sieg

Erkenntnis

Lied des Mädchens

Nachtgebet der Braut

Liebe und Leidenschaft

Eine Weihnachtsstunde

Mein Auge

Vision

Symbol

Lobgesang

Trauschwur

Es werde!

Glück

Kranzgedicht zur silbernen Hochzeit der Eltern

Zu einer Hochzeit

Die Begegnung

Erwachen

Grusz

Stromüber

Klage der Gattin

Schutzengel

Das Weib des Jägers

Wiegenlied

Liebe und Ehre

Frühlings Einzug

Morgenandacht

Im Wandern

Mondnacht

Letzter Wunsch

Kunst und Liebe

Zur dritten Stufe: Leben und Arbeit

An Friedrich Nietzsche

Selbstentäuszerung: Selbsterfüllung

Der Unterschied

An die Kleingläubigen

An eine Gütige

An die Charaktervollen

Vorsicht!

Wirkung der Zeit

Blick in das All

Das Ziel

Gottheit, Menschheit, Kunst

Erklärung

Das Heiligtum der Musen

Der rechte Ton

Scheinkunst

An die »Ibsenreifen«

Le roman expérimental

Sinnbild

Die gröszere Aufgabe

Der gröszere Meister

1. Für die Sudelköche

2. Für die Schmudelköche

Moderne Lyriker

Ein bengalisches Licht

Naturtrieb

Der Reim

An einen Kritokraten

Kunstgenusz

Im Goethehaus zu Frankfurt

Vor der sixtinischen Madonna

Jugendweisheit

Ums Brot

Zeitorakel

Dichterfreundschaft

Deutsches Thun

Kunst, Wahrheit, Volk

Bergpsalm

Der befreite Prometheus

Das Urteil des Paris

Jesus in Gethsemane

Glaube, Liebe, Glaube

Dahin ...

Vierter Klasse

Zu eng

Ein Märtyrer

Die Magd

Ein Dankopfer

Bismarck

Deutung

Schutz

Aber die Liebe  - Ein Ehemanns und Menschenbuch

Hieroglyphe

Meinem Freunde Detleb, dem Dichter Liliencron

Wendekreislauf

Ein Ewiger

»Grüße!!!«

Bastard

Das Ideal

Einsamkeiten

Die drei Schwestern

Jesus der Künstler

Das Gesicht

Liebe

Zur Beichte

Aufblick

Heimweh in die Welt

Es war einmal

Auf der Geise

Der Pirat

Gastgeschenk

Mädchenfrühling

Nicht doch!

Oben und Unten

Helle Nacht

Lebe wohl!

So im Wandern

1.

2.

Bann

Gieb mir!

Und dennoch!

Das Menschliche

Antwort

Nur

Büßende Liebe

Bitte

Dann

Die zweite Nacht

Der Brand

Ueber den Sümpfen

Hamburger Lästerbrief

Wiedergeburt

Gewissen

Der tote Ton

Zu Gott

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

Drei Ringe

Rückkehr

Wiegenlied für meinen Jungen

Lied des vogelfreien Dichters

Lied der Gehenkten

Chinesisches Trinklied

Fromme Wünsche

Die beiden Schwestern

Das Urteil des Paris

Gebet der Sättigung

Loke der Lästerer

Die Illusion

An mein Volk

Machtsprüche

1.

2.

3.

Tragische Erscheinung

Weib und Welt

Gondelliedchen

Das Märchen vom Maulwurf

Maiwunder

Entladung

Begegnung

Ein Stelldichein

Ausblick

Am Ufer

Manche Nacht

Aus banger Brust

Heimat

Dann

Die stille Stadt

Der entzückende Krüppel

Die Reise

Das Kind

Ein Grab

Ruhe

Ernte

Stiller Gang

Die Harfe

Geheimnis

Drama

Klage

Zukunft

Enthüllung

Bewegte See

Der Sturm

Beschwichtigung

Mannesbangen

Jesus bettelt

Immer wieder

Alles

Hans im Glück

Verklärte Nacht

Das Schloß

Erfüllung

Morgenstunde

Schneeflocken

Orientalisches Potpourri

Der Schlangenkäfig

Warnung

Erwartung

Im Reich der Liebe

Drohung

Aufstieg

Störung

Furchtbar schlimm

Ein Ring

Wirrsal

Mit gedämpfter Stimme

Aus schwerer Stunde

Beschwörung

Zuversicht

Eva und der Tod

Verhör

Böser Traum

Mit heiligem Geist

Besuch

Gethsemane

Venus Consolatrix

Die Glücklichen

Der Arbeitsmann

Erhebung

Der Fluß

Morgen

Mittag

Abend

Nacht

Die gelbe Katze

Nacht für Nacht

Zwei Menschen

Erster Umkreis: Die Erkenntnis

Eingang

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

20.

21.

22.

23.

24.

25.

26.

27.

28.

29.

30.

31.

32.

33.

34.

35.

36.

Zweiter Umkreis: Die Seligkeit

Eingang

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

20.

21.

22.

23.

24.

25.

26.

27.

28.

29.

30.

31.

32.

33.

34.

35.

36.

Dritter Umkreis: Die Klarheit

Eingang

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

20.

21.

22.

23.

24.

25.

26.

27.

28.

29.

30.

31.

32.

33.

34.

35.

36.

Ausgang

Die Verwandlungen der Venus

Erotische Rhapsodie mit einer moralischen Ouvertüre

Ouvertüre:

Das entschleierte Schwesternpaar

Venus Anadyomene

Venus Primitiva!

Venus Pandemos

Venus Socia

Venus Excelsior:

Venus Creatrix

Venus Urania

Venus Religio

Venus Madonna

Venus Mater:

Venus Mamma

Venus Natura

Venus Bestia!

Amor Modernus Domesticus

Venus Adultera

Venus Maculata

Venus Perversa

Venus Mystica

Venus Idealis

Venus Metaphysica

Fußnoten

Venus Occulta

Venus Vita

Venus Mors

Venus Homo

Venus Sapiens

Venus Fantasia!

Venus Regina

Venus Consolatrix

Venus Universa

Venus Heroica:

Venus Mea

Der Kindergarten

Gärtnerspruch

Aussaat

Laufbahn

Vatergruss

Heimlich Geleit

Der Vogel Wandelbar

Triumphgeschrei

Schnurrige Predigt

Staatsereignis

Käuzchenspiel

Käferlied

Die Reise

Fitzebutze

Nochmals Fitzebutze

Das Maiwunder

Der Schatten

Der kleine Sünder

Fragefritze und die Plappertasche

Furchtbar schlimm

Zum Geburtstag

1. Mit zwei Lampen

2. Mit einer Handvoll Haselnüsse

An einem Hochzeitstag

Aurikelchen

Puhstemuhme

Das große Karussell

Die Schaukel

Das richtige Pferd

Die ganze Welt

Lazarus

Anfang

Ein Zimmermann

Ein Dachdecker

Ein Feuerwehrmann

Ein Schmied

Ein Maschinenbauer

Ein Eisenbahner

Ein Weltreisender

Ein König

Ein Tierbändiger

Ein Kunstreiter

Ein Jägersmann

Ein Gärtner

Ein Ackersmann

Ein Seemann

Ein Lotse

Ein Taucher

Ein Goldgräber

Ein Bergführer

Ein Luftschiffer

Ein Dichter

Ein Engel

Schluß

Schöne wilde Welt

Erste Hälfte

Zweite Hälfte

Meine Lyrik, R. Dehmel

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849609221

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Dieses Werk bzw. Inhalt und Zusammenstellung steht unter einer Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz. Die Details der Lizenz und zu der Weiterverwertung dieses Werks finden Sie unter http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/de/. Der Inhalt und die Zusammenstellung oder Teile davon wurden der TextGrid-Datenbank entnommen, wo der Inhalt und die Zusammenstellung oder Teile davon ebenfalls unter voriger Lizenz verfügbar sind. Eine bereits bestehende Allgemeinfreiheit der Texte bleibt von der Lizensierung unberührt.

Richard Dehmel – Biografie und Bibliografie

Lyriker, geb. 18. Nov. 1863 zu Wendisch-Hermsdorf in Brandenburg, verstorben am 8. Februar 1920 in Blankenese. Besuchte das Sophiengymnasium in Berlin, bestand sein Abiturium 1882 in Danzig, studierte erst Philosophie und Naturwissenschaften, dann Nationalökonomie, meist in Berlin, promovierte 1887 in Leipzig mit einer Schrift über Versicherungswesen, war hierauf acht Jahre Sekretär des Verbandes deutscher Privat-Feuerversicherungsgesellschaften und lebt jetzt als freier Schriftsteller in Blankenese bei Hamburg. Er veröffentlichte die durch eine starke Neigung zum Symbolismus charakterisierten Gedichtsammlungen: »Erlösungen« (Stuttg. 1891; 2. Aufl., Berl. 1898); »Aber die Liebe. Ein Ehemanns- und Menschenbuch« (das. 1893); »Lebensblätter« (das. 1895); »Weib und Welt« (das. 1897, 2. Aufl. 1901); ferner das Drama »Der Mitmensch« (das. 1895), das Tanzspiel »Luzifer« (das. 1899); »Ausgewählte Gedichte« (das. 1901) und mit seiner Gattin Paula: »Fitzebutze. Allerhand Schnickschnack für Kinder« (das. 1900). Vgl. Furcht, Richard D. (Mind. 1899); Moeller-Bruck, Richard D. (Berl. 1900); Bab, Richard D. (das. 1903).

Erlösungen- Eine Seelenwandlung in Gedichten und Sprüchen

  Leitspruch: Jugendsehnen, Jugendirren:

  ach, was mag sich draus entwirren?

  Nimmer ruht der Wünsche Spiel:

  jeder Tag entfernt das Ziel!

Richard Dehmel.

Vorwort

Keine Furcht! ich will nicht etwa, nach Art der Kasperle-Poeten vor den Jahrmarktbuden, hier den Ausrufer machen und erklären, was der Sinn des Buches »nämlich« sein soll. Ueber sein Innerstes Nichts, höchstens die Eine Bitte: diese Seelenwandlung zu lesen als die Geschichte einer Jugend, eben nicht blos als ein Bändchen von Gedichten zu durchblättern! –

Ein mehr Aeußerliches ist es, worüber ich mich kurz erklären will: die Abweichung von dem alten widersinnigen Brauche, jede Verszeile mit großer Letter anzubrechen, und die mancherlei Stellen in Sperrschrift. Es herrschen Vorurteile gegen solche Auffälligkeiten; man wittert poetische Schwächen dahinter oder – poetische Eitelkeit. Aber man vergesse nicht: die Druckschrift hat doch nur den Zweck, die lebendige Sprache zu ersetzen. Je rascher das gelesene Wort die Vorstellung des gehörten erweckt, umso besser ist der Zweck erfüllt. Daher alle Regeln der Rechtschreibung, daher die Interpunktionen und all die andern Erleichterungen dieses Verkehrs zwischen Auge und innerem Ohr. Und grade der Versdichter, der seine bannenden Wirkungen eben den verborgenen Sinnlichkeiten der lebendigen Sprache ablauscht, sollte kein mögliches Mittel verschmähen, durch das er sein gedrucktes Wort so schnell, eindringlich und fließend, als wenn er selbst es sprechen würde, dem Leser zu Gemüte führen kann. Zumal Dem, der laut liest, wird damit gedient sein; und erst der laut gelesene Vers führt in die Tiefen des Urteils wie des Genusses! –

Freilich wird es immer Stellen geben, wo all das Mannigfaltige an Stimmung und Empfindung, das der Dichter in Einer Wendung, Einem Bilde, Einer lautlichen Verknüpfung durch seine Kunst zusammenklingen läßt, den Hörer je nach seiner Sonderart zu Widersprüchen gegen Vortrag und betonendes Gefühl des Künstlers reizen würde. Aber eben Da hat Dieser umso mehr das Recht und vielleicht ein wenig gar die Pflicht, gleichsam als ein treuer Eckart seiner eigenen, in Lust und Schmerzen geborenen Kinder zärtlich den Finger zu heben und der unholden Welt still seinen schützenden Willen zu weisen. Und dem Leser bleibt ja unbenommen, sich nicht daran zu kehren. Wo aber etwa Unzulänglichkeit zu solchen Mitteln greift als Krücken der rhythmischen Ohnmacht, wird sie grade durch die Krücken erst recht ins Auge springen.

R.D.

Erste Stufe: Ringen und Trachten

  Wenn du auch irrst

  auf den Pfaden des Strebens:

  Nichts ist vergebens,

  denn du wirst.

  Nur: bleibe Herr deines Strebens!

In Kraft und Schönheit

In Kraft und Schönheit will ich singen

mein freies Lied! um Wahrheit nicht

braucht zitternd meine Glut zu ringen:

ich selbst bin wahr! – Auf Sturmesschwingen

zur lichten Lohe will ich zwingen

die Flamme, die der Glut entbricht!

In Kraft und Schönheit will ich lieben,

was Fleisch und Seele heiß umarmt!

Ich bin dem Geist der Brunst verschrieben:

der Same, der die Glut getrieben,

der fruchtbar bis zu Mir geblieben,

nach frischem Blut er lechzt und barmt!

In Kraft und Schönheit will ich hassen

den Feind der Kraft, der schönen Lust:

die Eklen, die im Schlamm der Gassen

die reine Saat zu Kot verprassen, –

die Dumpfen, die verglimmen lassen

den heil'gen Funken ihrer Brust!

In Kraft und Schönheit all mein Leben,

mein Trachten all: Das sei mein Wort!

Dann mag sich wider mich erheben

der Qualm der Zeit: es wird mein Streben

auf lichter Lohe ihm entschweben

und Flammen zeugen fort und fort!

Erste Sehnsucht

Frühling im Lande! – Gärend quoll sein Blut,

des Körpers enge Last den Wesen rings

in schwellenden Wonnewogen schier zersprengend,

durch alle Thäler, über alle Höh'n;

die strotzenden Knospen schienen nur zu harren

auf den Erlösungshauch, der endlich sie

aus ihrer starren Hülle sollte reißen,

sich satt zu trinken an der jungen Luft

und lebensselig all ihr keusches Grün

dem flammenden Kuß des Lichtes zu vermählen.

Hinein ich lauschte in dies trunkne Werden,

ein einzig lauschend Aug' und Ohr und Herz,

erlauschte Alles – Nichts – o Alles all:

des Baums, der Gräser Durst, den schmetternden Vogel,

den Gießbach, der zur Ebne zischend sprang,

und in der tiefen Ferne, unentwirrbar

dem zitternden Duft, der Menschenstadt Gewimmel.

Und Menschen, Bach und Halm und Baum und Vogel,

von Einer Brunst umschlungen fühlt' ich Alles,

in Eine Inbrunst Alles untertauchen,

in Eines branden mit dem strömenden Glanz –

und eine Sehnsucht mir die Brust bestürmen,

mich hinzugeben in das All der Welt

und von mir all mein Eigen Sein zu werfen.

Doch klammernd hielt mich die Erinnrung fest;

und taumelnd, in zerknirschten Wonnen ahnt' ich,

daß Menschenkindern nur ein Menschenherz,

selbstloser Liebe voll, die Fluten birgt,

erlöst zu werden von des Leibes Schranken

und selbstvergessen in das All zu sinken:

ein Andres Herz, selbstloser Liebe voll.

Nach Liebe, Liebe schrie es laut in mir,

nach einem Herzen, das für Mich nur schlüge,

für mich, für mich, der – selber lieblos immer!

Da brach's empor, da sah ich nackt mein Weh

und sah's und schlug die Hände vors Gesicht

und warf zur Erde mich und weinte.

Zweierlei Treiben

1.

Dir selbst entrinnen:

wohin und wie?

kommst nie von Hinnen,

zum Ziele nie!

Laß dich doch gehen,

laß dich doch treiben!

nur: lerne sehen,

lerne – dich reiben!

2.

Treiben? – Gut!

nur: keine Gesetze!

Ich bin die Flut,

ihr – seid die Klötze.

An die Krämerseelen

Oh wie sie messen, wenn sie Liebe schenken,

daß nicht zuviel der liebe Nächste nehme!

wie sie gewissenhaft den Handel lenken,

daß man nur recht der Menge sich bequeme!

O wie sie schelten, wenn mit tausend Händen

aus meiner Brust mich selbst ich möchte streuen,

um tausendfach mein Lieben auszuspenden,

um tausendfach mein Lieben zu erneuen!

Nein, nein! ich kann mich nicht wie Ihr begnügen,

ich kann nicht tropfenweis mein Herz verschütten:

eh' wollt' ich, meiner Liebe Fluten schlügen

empört in Stücken eure Bettelhütten!

Fehdebrief

Ich hasse dieses Mittelstraßenleben,

ich will nicht eure wohlgemeinten Reden,

ich passe nicht in euer Alltagsstreben,

ich will das Glück nicht, das da feil für Jeden!

Ich habe eine Welt in meinen Sinnen,

die Ihr nicht ahnt mit euern Biedergeistern!

Drum lasset das Bedauern, laßt das Meistern –

ich fühl's: ich werde einst die Schlacht gewinnen!

Und habt ihr dennoch Recht mit euern Lehren

und sollt' ich zu entketten nicht vermögen,

was in mir stöhnt und schreit dem Licht entgegen:

so werd' ich dennoch euern Rat nicht ehren!

Ich lege eher nicht das Schwert von Händen,

bis Wunden – oder Kronen mich ermatten;

und eher nicht entgürt' ich meine Lenden,

bis im Olymp ich – oder bei den Schatten!

Bekenntnis

Ich will ergründen alle Lust,

so tief ich dürften kann;

ich will sie schlürfen ganz und gar,

und stürbe ich daran.

Ich will entlodern all die Glut,

die mir im Herzen brennt;

ich will nicht zähmen ihrer Wut

hinrasend Element.

Ward ich durch frommer Lippen Macht,

durch sanfter Küsse Tausch?

Ich ward erzeugt bei wilder Nacht

in tollem Wollustrausch!

Nun will ich leben auch in Lust,

da mich die Lust erschuf; –

schreit nur den Himmel an um mich,

ihr Beter von Beruf!

Eine gantz new Schelmenweys

Wir Schelmbe sind ein feinen hauff,

da kann kein Herrgott wider auf!

Die Welt ist voll von Vnsern Preiß,

seit Adam stahl im Paradeys.

Uns bleibt kein geldt in unsern Sack,

Wir seyn ein fürnemb Lumpenpack,

Wir han das Allergrößt gefolg,

kein fuerst vnd Hertzog hat ein solch.

Zu nie keyn arbeitt taugen Wir

als für dem Edlen Malwesier.

Dem dienen wir und seyn nit faul:

ein jede Flaschen findt jr maul.

Wir han nit Weib, wir han nit Kind,

wir sind die rechten Sausewind.

Vnd läßt vns Eine Dirn nit ein:

die Ander wird so süsser seyn!

Wir schieren umb kein pfaff uns nit,

Wir han uns Eignen segen mit.

Vnd pfeiffen wir am letzten loch:

der Teuffel nimbt in Gnad vns doch!

Novemberfahrt

Ja, lacht nur, lacht! am Wege da

ihr pelzvermummten Gaffer!

Uns gab ein heißres Blut, hahah,

der Wein- und Weiberschaffer!

Und wenn wir etwas zittrig sind

und etwas rot die Nase,

so meint nur nicht, das sei vom Wind:

dasWetter liegt im Glase!

Wir fahren in die Welt hinein,

wenn Uns es will behagen;

wir fahren in dem Sonnenschein,

den wir im Herzen tragen!

Und wenn die olle Sonne sieht

so junge Dreistewichte,

dann wird sie gleich vor Angst verliebt

und macht ihr schönst Gesichte.

Hurrah, Novembersonnentag,

du Wunderwanderwetter:

derweil am Herd das Zimperpack

sich wärmt den Katterletter1!

Hurrah, so stark dein herber Duft,

so würzig seine Schwere!

Hurrrah – ich schlürfe deine Luft,

als ob es Rheinwein wäre!

Fußnoten

1 Anm. d. Setzers: DieQuatre Lettres?

Empfang

In den Kreis der Zechgenossen

bin ich wieder eingekehrt,

wo man mit den alten Possen

Bacchus und Gambrin noch ehrt.

An Comment und Schlägerhieben

hänget da der Freundschaft Band,

doch im Wappen steht geschrieben:

Freiheit, Ehre, Vaterland!

Zwar ertönt bei ihren Festen

manches große, volle Wort:

zugeschnitten aus den Resten

toten Ernstes – nun ein Sport!

Und sie haben mich empfangen,

wie man's Einst beim Willkomm hielt;

doch aus ihrer Worte Prangen

blassen Augs die Lüge schielt.

Und ich saß und saß und suchte

einesBlickes warmen Strahl, –

bis ich ihrem Anstand fluchte

und mich still vondannen stahl.

Wechselwirkung

Ich wüßte nicht mich nach der Form zu richten,

wird mir bedeutet von gestrengen Richtern.

Und freilich: leicht ereignet sich's an Dichtern,

daß sie formloser leben als sie dichten.

Denn leider müssen sie die Menschen sichten

dem Inhalt nach, der hinter den Gesichtern:

zwar Mancher hält's mit formgerechten Wichtern,

doch Mancher wägt nach schwereren Gewichten.

Und Mir ergeht es gar blos wie dem Trichter,

der von sich giebt, was man hineingetrichtert.

Gebt mir Gefühl – in echter Form, in schlichter:

und formvoll wird vonselbst sich alles schlichten!

doch wenn empfindungslos ihr splitterrichtert,

so werd' ich formlos nur nach Mir mich richten!

Protest

Zur Deutschheit wollet ihr bekehren,

lügt ihr der Menschheit ins Gesicht?

die Manneswürde wollt ihr lehren

und ehrt die Menschenwürde nicht?

Doch mögt ihr ruhig weitersingen

von eurer eignen Herrlichkeit:

nur laßt den armen Zöllner ringen,

wehrt Ihm das Ziel nicht, das so weit!

Verbannt ihn nicht aus euren Hallen,

darin auch seine Gottheit wohnt!

Noch läßt er's gerne sich gefallen,

daß Ihr als Pharisäer thront.

Ein Wahnbild gläubisch anzustarren,

steht eurer fetten Tugend gut;

nur laßt Den auf Erlösung harren,

der weiß, wie weh der Hunger thut!

Abschied

Ich habe Alles euch gegeben,

nun wollt ihr auch das Letzte noch:

nun soll ich knechten auch mein Streben,

zertreten mich für euer Joch?

Ich hab' in mir um euch gerungen,

für mein Herz wollt' ich eures auch,

Stolz, Liebe, Haß um euch bezwungen:

nun danket ihr nach altem Brauch!

Nun soll ich feige das Gefüge,

dran mitzurüsten ich geweiht,

verleugnen für die große Lüge,

an der sich jetzt berauscht die Zeit?!

Ja, eine Zeit gemacht zum Beten!

für jeden engsten Kreis ist heut

ein neuer Heiland uns von Nöten:

der alte starb, zu dem ihr schreit!

Doch nicht, daß man aus Luggeweben

die Dornenkrone selbst sich flicht:

ich habe Alles euch gegeben,

doch mein Gewissen geb' ich nicht!

Ruhig Blut!

Nur kein thörichtes Ereifern,

wenn die Wichte dich begeifern!

Diese Kautschukseelen fliegen

nur so höher vor Vergnügen,

um so mehr sie Hiebe kriegen.

Im Regen

In langen Tropfen rinnt es um mich nieder,

sie schlagen prasselnd durch die schlaffen Blätter,

die Vögel sträuben triefend das Gefieder:

es stimmt zu mir! es ist ein artig Wetter!

Trübsel'ger rauscht es in den Lüften immer,

der Himmel brütend scheint zu überlegen

das Loos der Erde – nirgend stört ein Schimmer:

versunken Laub und Licht, – nur Regen, Regen.

Die Welt fühlt grämlich ihres Alters Schwere:

kein Schein von Freude rings, kein Hauch von Trauer.

Und ziellos starr' ich, – schreit' ich, – fort, – ins Leere:

in mir und um mich grau – – und immer grauer.

Nächtliche Frage

Was will und wogt so wehe

mein Herz empor,

wenn ich dort oben sehe

der Sterne Chor?

Wie ferner Größe Glänzen

bestrickt ihr Licht

und läßt in meinen Grenzen

mich ruhen nicht, –

es bannt ihr zitternd Blinken

den bangen Blick

wie fernen Glückes Winken:

hinan – – zurück!

Und immer doch dies Beben,

und immer mehr!

Oh Stäubchen, Menschenleben,

und dochzu schwer?

Zuflucht

Hinterm kleinen Haus am kleinen Weiher,

dicht umdunkelt rings von Weidenruten,

breitet nickend eine junge Pappel

ihre Zweige zu den tiefen Fluten.

Seltsam heimlich ist's an diesem Orte;

schon als Knabe hab' ich hier gesessen

und umschwiegen von den hohen Binsen

weinend so mein junges Leid vergessen.

Wieder starr' ich in das schwarze Wasser,

aber keine Thräne kann ich finden;

nur die Pappelzweige seh' ich winkend

dort sich spiegeln in den stillen Gründen.

Nur ein Hund

Ja, Dir wird's schwer, mich zu verlassen!

dein Auge bricht, als ob du weinst,

und warst doch blos ein Kind der Gassen!

Ja, damals ahnt' ich nicht, daß einst

als letzter Freund ein Hund mir bliebe:

da sucht' ich noch bei Menschen Liebe.

Mein Hund, in deine treuen Augen

hab' manche Frage ich versenkt,

für die nicht Menschenblicke taugen,

wo man ein Tier braucht, das nicht denkt,

die Ohnmacht auch in Ihm zu sehen,

mit der wir selbst durchs Leben gehen.

Du hast mir nie ein Leid bereitet:

Das kann kein Mensch,der liebste nicht!

Nun liegt dein Leib vom Tod gebreitet,

verlöscht dein tröstend Augenlicht ...

Was will mir denn wie Glück noch scheinen?

mein Hund, mein Freund: ich kann noch weinen!

Trost

Es ist nicht gütig, in ein Auge schauen,

in dessen Schooß ein schweigend Weh sich windet:

das Rätsel lockt, die Scham des Mitleids schwindet,

denn eine tiefe Wollust schläft im Grauen.

Ihr Eitlen! wollt ihr Den mit Trost erbauen,

der selbst kein Wort für seine Schwermut findet?

Die Kränze, die der Schmerz um Särge bindet:

die echte Thräne wird sie stumm betauen!

Und meint ihr denn, wer Einsam sich befragte

mit seinem Leid, er hätt' es nicht bezwungen?

Wer mühsam sich in dunkler Tiefe plagte,

der weiß auch, wann zum Gipfel er gedrungen;

doch wer an seinem Leben nie verzagte,

hat um des Lebens Deutung nie gerungen!

Im Nebenzimmer

Schweigen auf Einmal

drinnen? – Horch!

Quellende Laute,

schmeichelnd raunende,

flüsternd berückende,

perlen daher;

quellende Klänge,

jauchzend wallende,

rauschend stürmende,

drängen, umwogen, erwühlen mich.

Weib, dich schauen!

Glühender Lippen schwellende Knospe,

schwellender glüht sie, erblüht zum Lied.

Schauen –! lauschen –!

Weib, die Laute,

Weib, die Laute:

fühlt sie dein Herz?!

Der Versucher

Da steht, da steht sie im Gewimmel!

an ihrem Busen in der Rechten,

wie Nachtgewölke ruhn am Himmel,

die aufgerafften dunklen Flechten, –

umstricken meinen Blick wie Schlangen,

mir träumt von Paradiesesnächten ...

Was schlägst du plötzlich so voll Bangen

den Mantel, Weib, um deine Flechten?!

Erste Begierde

O daß der Kuß doch Ewig dauern möchte,

den taumelnd auf die Lippen dir ich preßte,

als Du zum Abschied botest mir die Rechte,

daß starr wie Binsen stand der Schwarm der Gäste!

Nein, länger duld' ich nicht dies stumme Sehnen,

ich will nicht länger in verzücktem Harme

die liebekranken Glieder nächtens dehnen;

»O komm, du Weib! entbreit' ich meine Arme..

Oh, komm! noch fühlt dich zitternd jeder Sinn,

vom heißen Duft berauscht aus deinem Kleide,

sieht wogend glühn, du Flammenkönigin,

im Aschenflor um dich die Kupferseide.

Gieß aus in mich die Schale deiner Glut!

ich dürste nach der Sünde: nach dem Grauen

vor dieses Feuerregens wilder Brut,

vor diesen Weh'n, die wühlend in mir brauen.

Es schießt die Saat aus ihrem dunklen Schooß,

die lange schmachtend lag in spröder Hülle:

ich will mich lauter blühn, empor und los

aus meiner leeren Brunst zu Frucht und Fülle!

Matt werden will ich meiner schwülen Lust:

oh komm, du Weib! nimm auf in deine Schale

die Furcht, die Sehnsucht dieser jungen Brust:

noch trank ich nieaus euerm Rauschpokale ...

Auf Nelkendüften kommt die Nacht gezogen,

o kämst auch Du so süß und so verstohlen!

so mondesweiß dich in die Sammetwogen,

den Purpurflaum der schwärzlichen Violen,

die streun ich will, an diese Brust zu betten:

daß alle meine Mächte an des Weibes

enthüllten Göttlichkeiten sich entketten,

versink' ich – in den Teppich – Deines – Leibes!«

Meeraugen

Was will in deinen Augen doch

dies trauervolle dunkle Weh,

so tief und sehr?

so still und schwer

wie die Stürme, die schlafen gingen

im Schooß der grauen See.

Versinken will, versinken stumm

in dieser Augen müden Schooß

mein Herz – und will

wie Du so still

und schwer in Dein Herz tauchen

und reißen die Stürme los!

und will sich wiegen so mit dir

in rasender lachender Seligkeit

auf freiem Meer, – –

bis tief und sehr

die Wogen wieder ruhen,

verstürmtdein dunkles Leid.

Verführung

Ich weiß es wol, wie's keimt von Trieben

und quillt in dir und aufwärts bricht;

doch Mich, mich liebst du dennoch nicht,

sonst – müßte ich dich wiederlieben.

Sonst kämst du jauchzend hergeflogen

und fragtest nicht nach Ruf und Pflicht

und tauchtest schauernd mein Gesicht

in deines Busens heiße Wogen.

Sonst würdest du dich um mich flechten,

so wie die Winde zärtlich dicht

im Busch den Blütenzweig umflicht,

in heimlich bangen süßen Nächten.

Sonst wär' auch Ich nicht stumm geblieben,

wenn so dein Mund von Liebe spricht:

Ich nicht!– Nein, nein! du liebst mich nicht,

sonst müßte ich dich wiederlieben.

Das alte Lied

Die Rosenknospe gab sie mir,

als sie vondannen schied;

ich wollte lächeln, als ich ihr

versprach dafür ein Lied.

Sie sah mir weinend ins Gesicht,

sie wollte lächeln auch:

wir konnten Beide lächeln nicht,

Das ist so Abschiedsbrauch.

Nun lächelt sie in Einem fort,

die Ferne heilt das Weh;

die Rosenknospe ist verdorrt,

das Lied ist aus ... Juchheh!

Totenrache

Eine sehr betrübende Geschichte.

Durch die schlafende Lagune

seufzend zieht der lange Kahn

seine Bahn,

einsam zieht er durch der dunkeln

langen Wellen glattes Funkeln

wie ein großer schwarzer Schwan ...

Nun im Zelt der Barke flüsternd

regt sich eines Mundes Glut,

und die Flut

ebnet sich in weiten Kreisen:

heißer wird der Strom der leisen

Laute, – still! das Ruder ruht.

»Donna Anna, Deine Schwüre

sind viel dunkler als die Nacht!

Stolz verlacht

hab' ich all die Lästerzungen,

aber– wenn sie wahr gesungen:

hütedich! mein Auge wacht!«

»Liebster, willst du mich betrüben?!

fühlst du nicht, daß nie von Lust

je gewußt

meine Küsse, bis sie Deinen

bang und süß sich durften einen?«

und sie sinkt ihm an die Brust.

»Schwöre –« will er prüfend wehren,

aber an ihm liegt sie dicht:

»Fühlst es nicht?

wie der Vogel in die Weiten,

sehn' ich mich nach Seligkeiten!«

hebt sie schmachtend ihr Gesicht.

Und er sieht und fühlt bezwungen

ihres Leibes weiche Pracht,

warme Macht;

seine jungen Wangen blühen,

rötlich schwankt der Ampel Glühen,

Küsse stöhnen durch die Nacht.

Und den Mund umzuckt von Schlangen

sieht sie, wie er trunken ist,

sich vergißt, –

doch ihr Spott ist kaum verflogen:

wütend über sie gebogen

fühlt er ihrer Seele List, –

und ein Ringen – und ein Keuchen, –

»Gott, Erbarmen –« stickt ein Schrei

dumpf entzwei, –

hohl ein Brodeln im Canale, –

stille wird's mit Einem Male, – –

fern vom Turme schüttert's: Drei ...

Wochen fliehen, – wachend, träumend

sehnt er sich nach ihrem Mund

müd und wund;

immer um die dritte Stunde

macht er nächtlich dort die Runde,

starrt er in den blauen Schlund.

In der dunklen Wasserschale

sieht er ruhn den bleichen Mond,

ruhn den Mond,

hört er seufzen die versunknen

bleichen Lippen und die trunknen

Küsse, die er so belohnt –!

und ihn lockt ein banges Rühren,

und von tiefer banger Macht

süß und sacht

fühlt er sich hinabgebogen,

sinkt er in die warmen Wogen,

schließt sich über ihm die Nacht ...

Auf der schlafenden Lagune

wie ein großer schwarzer Schwan

irrt ein Kahn;

wo die Uferwellen glimmen,

sieht man früh ein Ruder schwimmen

auf der leeren Wasserbahn.

Gespenstische Sühne

Graf Richard, was jagst du und jagst durchs Feld,

als fliehst du vor deinem Gewissen?! –

Es war deine Pflicht, es war dein Recht!

dein Weib beim Knecht:

das haben sie büßen müssen!

Graf Richard, was fliehst du und fliehst durch die Nacht:

die Tote liegt still auf der Bahre! –

wie damals so still, wie damals so kalt,

als mit Gewalt

sie zogst zum Traualtare! – –

Dahin, dahin am Eichenhain!

herunter vom Feld! die Straße hinein!

zurück, zurück zum Schlosse! –

Wie schleichen die Nebel herüber vom Moor,

wie schaun aus dem Walde die Schatten hervor!

Dem Reiter wird wirr und dem Rosse.

Dahin, dahin mit hängendem Zaum!

vorüber, vorüber an Baum und Baum!

will die Burg denn noch immer nicht ragen? –

Noch Einmal küssen in heimlicher Stund'

die blasse Wunde, den weißen Mund!

Ich – hab' sie – aus Liebe erschlagen! – –

Was taucht hervor aus Dunstes Wogen,

was schimmert so sanft, so bleich?

was kommt so lockend einhergezogen,

was breitet die Arme so weich! –

Allmächtiger Vater, sie lebt! sie verzeiht!

nun bin ich erlöst, nun bin ich befreit!

Was schwebt zurück, was schwebt entgegen

vorbei an Stamm und Stamm?

was wallt und winkt mit leisem Bewegen

herunter vom sichern Damm! –

Halt stille doch, Liebchen! ich nehm' dich aufs Pferd!

ich hab' dich so lange, so heiß begehrt! – –

Ich will dich haben – heut wirst du Mein –

nicht länger vergebens dein Ehemann sein! –

Und glühenden Blicks er sich vorwärts bengt,

und glühenden Auges der Rappe keucht ...

Die Nebel quellen vom Moore.

Willst wieder entweichen –? so stirb, Geduld!

will länger nicht betteln um Deine Huld!

jetzt fasse ich dich! jetzt halt' ich die Braut – –

Braut– gurgelt's, verröchelt's im Schlamm, im Kraut ...

Die Nebel rollen am Moore.

Das Weib des Matrosen

Nach einem französischen Volkslied.

Der Seemann kommt vom Krieg zurück,

so sacht!

verbrannt so sehr, verstaubt so sehr!

»Wo kommst du, armer Seemann, her?

so sacht, so sacht?«

Frau Wirtin, ich komme vom Krieg zurück,

so sacht.

»Schnell Wein! vom Weißen, der hinten steht!

schnell! eh' der Seemann weitergeht!

so sacht, so sacht!«

Der wackre Seemann sitzt und trinkt,

so sacht.

Er sitzt und trinkt und summt ein Lied;

die schöne Wirtin er weinen sieht –

so sacht, so sacht.

Was habt Ihr, schöne Frau Wirtin? sagt!

so sacht?

thut leid Euch Euer weißer Wein,

von dem sich schenkt der Seemann ein?

so sacht, so sacht?

»Mein weißer Wein thut mir nicht leid:

so sacht:

mein toter Mann kam mir in Sinn,

Ihr seht ihm gleich um Aug' und Kinn

so sacht, so sacht.«

O sagt mir, schöne Frau Wirtin, sagt!

so sacht!

zwei Kinder von ihm hattet Ihr –

hört' ich im Dorf – nun habt Ihr vier?

so sacht, so sacht?

»Man hat mir manchen Brief geschickt,

so sacht,

und zeigte seinen Tod mir an;

da nahm ich einen andern Mann –

so sacht, so sacht.«

Der wackre Seemann leert sein Glas,

so sacht.

Und ohne Dank, mit nassem Blick

ging er zu seinem Schiff zurück –

so sacht, so sacht.

Sommerabend

Klar ruhn die Lüfte auf der stillen Flur;

fern dampft der See; in Dünsten goldig flimmernd

verschwimmt der Sonne letzte rote Spur;

die zarten Wolken wallen hoch und schimmernd.

In laue Dämmrung hüllt sich das Gefild,

die Nebel wachsen aus der warmen Erde;

ein matter Duft vom feuchten Grase quillt,

heim zieht der Hirte mit der satten Herde.

Die letzte Biene summt zum Korbe dort,

und schweigend wird es auf der weiten Halde;

nur eine Grille singt noch einsam fort,

und sanft ein Rauschen wacht im nahen Walde.

Zu weicher Ruhe löst sich jede Kraft,

der Wind selbst schläft wie aus der Welt geschieden,

kaum regt die Aehre sich am schwanken Schaft ...

So sei doch froh, mein Herz, in all dem Frieden!

Abendnebel

So war's auch damals schon – so lautlos,

du tote Braut, so bleich die Luft,

und unterm Dach der Trauerbuche

am Gartensaum hing dumpf ein Duft

von Lindendolden und Hollundern

wie Weihrauch in der Leichengruft:

verstummt auch wir, doch – stumm vor Glück.

Begraben – erster Schwur und letzter Schwur!

Oh sinke, Nacht! Im blassen Dunstgeschwele

du einsam Licht, so fern und schwach,

lisch aus, du Mahnbild der verlornen Seele!

Lisch aus! was lockst du mich ins graue Feld?

was such' ich noch und irre – und bestehle

um seine Ruhe nur mein Weh?

Bang schweigt die Flur, kaum wagt die stille Nacht

zu nahen dieser Stille, – jeder Hauch

im feuchten Korne wie ertrunken, –

erdrückt vom Himmel, florumsunken

die dunkeln Weiden wie erstarrter Rauch, –

wie furchterstickt das Blatt am Strauch, – –

und dumpf aufschluchzend wünsch' ich mir den Tod.

Wollust

Nach Shakespeare's 129. Sonett.

In wüster Schmach Vergeudung heil'ger Glut

ist Wollust, wenn sie praßt, – und leergepraßt

bricht Schwüre sie, verleumdet, lästert, haßt,

buhlt mit dem Grauen, bangt und giert nach Blut, –

gesättigt kaum, von Ekel schon gehetzt, –

sinnlose Lüsternheit und, kaum verraucht,

sinnlose Düsterkeit, in Wut getaucht,

als hätt' ein Tollkraut die Vernunft zerfetzt, –

maßlos im Rausch, im Taumel, in der Wahl, –

im Wunsche Wahnsinn, Wahnsinn in der Brunst, –

erdürstet Ueppigkeit, genossen Dunst, –

verzückt vor Wonne, dann erdrückt von Qual ...

Ach, Jeder kennt und – Jeder geht den Weg:

zu dieser Hölle diesen Himmelssteg!

Und Wir?

Nach dem italiänischen Poëm eines Wahnsinnigen.

Vom Felsen her zum grünen Holze,

vom grünen Holze hin zum Hügel

eilt, Vögelchen, dein freier Flügel:

Ziel nicht, Weg nicht ist Dir bekannt.

Und Wir? wir Menschen mit unserm Stolze?

Wie Räder um eiserne Zapfen schwirren,

im ewig gleichen Kreis wir irren:

immer getrieben, immer gebannt.

Die Wahrheit

Ein Traum.

Ich rang in Zweifeln schon die ganze Nacht.

Mich treibt ein Geist, und folgen muß ich ihm;

doch darf ich folgen? ist's ein Geist der Wahrheit?

ist's Eitelmut? so zagte meine Seele.

Und Furcht ergriff mich vor dem unverstandnen

Gebet der Kindheit: Nicht wie Ich will, Vater –

in deine Hand befehl' ich meinen Geist!

Und heft'ger rang ich, wie einst Jesus rang ...

Da führte mich der Geist hinweg. Ich stand

an eines Weltmeers sturmgeworfner Fläche.

Sehr finster war's. Doch fernher sah ich ragen,

im düstern Graulicht düstrer noch getürmt,

ein starr Gebilde wie ein Felseneiland.

Die Wogen rollten und die Tiefe brüllte,

und ich erkannte: eine Sintflut war's,

die eine alte Welt hinunterschlang.

In grauenhafter Ohnmacht mit den Wellen

zwei letzte Menschen rangen, Mann und Weib.

Ich sah sie sinken. Doch noch einmal tauchten

des Weibes Glieder krampfig zuckend hoch,

noch einmal ächzte sie: und ihrem Schooß

entwand im Schaume sich ein blühend Kind.

Aus Wolken plötzlich quoll der volle Mond,

die Fluten schwiegen und die Wellen hüpften,

und wiegend trugen sie das neue Leben

auf sanften Armen an das Felsgestade.

Und nun gewahrt' ich auf dem schroffen Gipfel

ein andres Weibeswesen. Schwarzverhüllt

in regungsloser Starrheit thronte sie;

sie saß, als ob ihr Haupt den Himmel rührte,

und Scheu befiel mich vor der Wundersamen.

Doch lächelnd langte nach ihr auf das Kind.

Und nieder zu ihm neigte sich die Hohe

und nahm es mit gelassner Hand ans Herz

und säugte es – und küßte es – und schaute

ihm lang' ins Auge, und mit mildem Glanz

umfing ihr Blick des Kindes Angesicht;

es war, als wachte drin die Seele auf.

Und in dem Arm der Göttin wuchs das Kind

und wuchs und wuchs und – sprach das erste Wort.

Da nahm es von der Brust die Rätselhafte

und setzte mit gelassner Hand es wieder

hinab ans Ufer, wo ein neues Land

sich aus den Fluten hob, und – hieß es gehen;

mit stummem Wink wies in die Ferne sie,

dann saß sie ehern thronend wieder da.

Auf stand der Knabe, Scheu befiel auch ihn,

der erste Schmerz schlich über seine Stirne;

doch still gehorchend ging er, schritt und wuchs,

und immer wachsend schritt er weiter immer,

bis ich im Nebeldunst des Horizonts

ihn einem Schatten gleich verschwinden sah.

Nicht achtete das Weib des Wandrers mehr;

aus weitem Auge schaute sie ins Dunkel,

als harrte immer neuer Menschen sie,

aus ihrer Brust die Schmachtenden zu tränken.

Da wallte heiß in mir ein Sehnen auf:

nur Einmal wollt' ich ihr ins Auge sehen,

dies Zauberauge, das dort über mir

aus seiner Höhe jen der tiefen Flut

so rein und mild im Mondlicht schimmerte.

Und flehend hob ich zu ihr auf die Hände:

Oh, komm! komm her zu mir und sieh mich an,

wie du den Säugling ansahst! Einmal nur

thu mir das Wunder deiner Seele auf!

oh gieb mir Frieden! gieb mir deine Ruhe! –

Da stieg sie dröhnend von dem Felsen nieder,

vor ihren Schritten teilte sich die See,

und näher, näher, immer näher kam sie,

in trunknem Jubel wankt' ich in die Kniee:

Sie kommt! sie neigt sich mir! mir, Mir allein!

Verzückte Thränen schossen mir ins Auge,

in tausend Farben floß um mich das Licht, –

da stand sie vor mir,

Der Wunsch

Ein Traum.

Und wieder saß ich spät mit mir allein,

der Geisterstimmen dumpfe Schlacht belauschend,

die wild im Hirn um meine Seele rangen,

und wußte nichts von mir: ein schwirrend Heer

von Wünschen, kreiste vor mir selber ich

und sah die Wunschgespenster sich verknäueln

in Wut und Gier, von Wut ich mit erwühlt,

von Qual und Wollust, wie die Flatternden

sich würgten und sich fraßen und sich lüstern

umwanden, neue Schaaren zu gebären.

Bis sich auf einmal, im verzückten Rausch

des Mitgefühls, mir in die Augenhöhlen

die Nägel meiner Finger krallend gruben,

daß ächzend ich emporfuhr aus dem Brüten.

Und taumelnd wankt' ich auf, zum Fenster hin,

inbrünstig langend nach der sanften Nacht ...

Da dehnte sich im Dunstlicht unter mir

Berlin– mit seinen Türmen, seinen Kuppeln,

mit seinen Schloten, seinen Ruhmessäulen

heraufgebaut ins fahle Blau, als langte

aus ihrem Grabe scheintot eine Riesin

und reckte alle Finger bettelnd hoch:

nur leben will ich – leben – atmen – essen!

Und rauschen hört' ich die Milliarden Wünsche,

die ungestillten, die das Mauerwerk

das nachtumarmte barg in seinem Schooß:

den Hunger, der mit dürrem Knöchel sich

das Grablied trommelte auf nackter Diele, –

die Not, die winselnd durch die Straßen kroch, –

das Elend, das in Träumen wüst sich narrte ...

Und ich erschrak ob meiner eitlen Qual;

und ein Erbarmen, graunvoll, grenzenlos,

stieß mich zurück in meine Einsamkeit.

Und trübe starrt' ich in die grelle Lampe

und trüber noch auf meinen Schatten, der

langwehend an der Wand hing, schwankend, nickend –

und starrte – – und entsetzte mich: der Schatten

bewegte, drehte sich, und winkte, nickte,

und wandelte vor mir, und trat zu mir, –

und eine Stimme tönte matt und hohl:

Komm! Wunsch ist Lust, Erfüllung Tod! Komm, schaue! –

Wir wandelten. Ein greller Mittag lag

schwül brütend auf dem gelben Sand der Wüste;

und um mich nur der schwarzvermummte Führer,

der stummen Mundes immer weiter wallte;

in seine Spuren trat ich wie gebannt.

Da gähnte jählings uns ein Abgrund an ...

Zurück ich wich; doch ruhig stand der Düstre

und wies zur Rechten, wo emporgetürmt

am Abhang ragte ein gewalt'ger Bau,

und aus dem Mantel klang es schwer und dumpf:

Der Tempel der Erfüllung! – und ich bebte,

von ungewissen Schauern angefaßt.

Da tönte wieder mir die Grabesstimme:

Drei Wünsche sind gewährt dir! wähle! sprich!

Und rasselnd sprangen droben auf die Pforten ...

Und grübelnd stiert' ich in des Tempels Schlund, –

mir war, als wogten die Milliarden Wünsche

des Erdrunds drin, die ungestillten alle, –

von Schmerz und Lust erglüht' ich, – durstgeschüttelt

mein ganz Gefühl, zu strafen den Versucher, –

und heiser schrak ich auf in Haß und Wonne:

So soll denn jeder höchste Wunsch auf Erden

erfüllt sein jedem Einzigen! – – Jedem Einzigen:

gleichgiltig scholl es wider im Gewand.

Und rückwärts deutete der Ungerührte

dem Saum der Wüste zu; der regte sich,

und aus dem Boden hob ein Tummeln sich,

als schwärmten Geier wimmelnd um ein Aas.

Und fort vom Rand her schob es schwärzlich sich

gleich Wolkenklumpen, ballte sich und schwoll,

erbrauste, schwoll und löste sich, und rollte

und wälzte tosend auseinander sich

heran zu uns, die Ebne überströmend

wie Qualmgebrodel sturmgepeitscht, und näher

und näher immer zog's, und schüttete

sich aus vor uns zu Haufen, Schaaren, Zügen

von Leibern gelb und weiß und schwarz und braun;

die Erde stöhnte, wie sie rasend rannten

und keuchend flogen; und da schossen schon

die Ersten uns vorbei, vom Wettlauf triefend,

hinauf am Abgrund, zu den Stufen hin

den gleißenden des Tempels, – ihnen nach

der Unzählbaren brandendes Gewühl.

Und schaudernd sah ich ihrer Augen Gier;

doch unbewegt stand neben mir der Führer ...

Und aus dem Säulenthor zurück nun tauchten

mit dem errafften Gut, dem höchsterstrebten,

dem tiefstersehnten, Die zuerst gewählt;

und freudebangend, zitternd spähte ich.

O Wahn, o Hoffnung –! wie sie kindisch johlten

und tanzten, in den Händen Tand und Spielwerk!

doch Andre kamen – fibernd spähte ich:

Da schleppte unter beiden Armen Einer

verstaubte Folianten, Einer krümmte

sich goldbepackt, behutsam trug ein Dritter

ein Pflänzlein, eine Schöne äugelte

verliebt mit ihrem Diamantenschmuck,

und jetzt – aufstammelnd griff ich in die Luft –

wildjauchzend stürmte aus dem Thor ein Häuptling,

die blutige Kopfhaut eines Feindes schwang er,

und oben auf den Stufen rangen Zwei

zum Mord verknotet um ein jammernd Weib.

Mitfühlend wand sich, bog sich krampfgespannt

mein Arm; da – ließ – mich's – los; ein weher Grimm,

ein ekler Zorn, ein unermeßlicher,

stand auf in mir und bäumte mein Genick,

zum Himmel stieß ich die gepreßten Fäuste:

O rotte, Allmacht, aus dies Wurmgezücht!

vertilgtsei, wer nicht liebt! es lebe nur,

wer in der Einen Sehnsucht sich verzehrt,

die Alle glücklich macht! es lebe nur,

wer Alle will von Leid und Schmerz erlösen! – –

Erlösen – tönte die vermummte Stimme;

– der zweite Wunsch! klang's schaurig mahnend nach.

Und plötzlich, mir zu Füßen kam's gerollt

herab vom Abhang knackend, schollernd, krachend

hinab zum Abgrund, Leiber über Leiber,

verrenkt im Todeskampf; doch toller immer

den Berg empor zur Tempelhalle tobte

der Unzählbaren brandendes Gewühl;

und aus dem Säulenschooße quoll und quoll es

die Stufen nieder – krachend, schollernd, knackend –

von Sterbenden und Leichen – mir zu Füßen

den Schlund hinunter. Und die Sonne sank

und sank und sank, und immer neue Haufen

Zerschmetterter verschlang der grause Rachen ...

Aufschreien wollt' ich – flehen, daß nur Einer,

nur Einer spräche das geweihte Wort, –

auf that mein Mund sich, doch der Laut zerriß:

der Freund, der liebste, prallte her zermalmt –

zermalmt die Brüder beide – beide Schwestern!

und da, da – »Mutter!« – meine Mutter klomm

da, da! hinauf; jetzt bat sie; weh – für Mich,

für ihres Sohnes Glück blos flehte sie

und – starb für ihr Gebet! – Stier sah ich an

das Gräßliche, hohlglotzend, thränenleer;

verdorrt mein Herz mir däuchte, irr mein Sinn;

mein eigen Angesicht, im Dämmerdüster

rings um mich schwamm es, fahl, zerfurcht, versteint

von Gram und Grauen; in die Kniee brach ich,

die Fäuste schlug ich hämmernd mir ans Ohr,

zu töten das Gedröhn das marternde

der Knochen, die zum Abgrund rasselten

im Rücken mir; da – – neigte nieder sich

Der im Gewand, ein mildes Dunkel hüllte

mein flirrend Aug', ein tiefes Schweigen floß

süßkosend um mein Haupt, und wie ein Hauch

sanftraunend klang die Frage: Und dein dritter,

dein Eigner Wunsch? dein letzter?! – säuselnd sog

der Nachtwind ein das lockende Gemurmel ...

Und stammeln wollt' ich; doch die Worte kreisten

im Hirn mir, hetzten sich in toller Jagd,

gestaltlos, schemenhaft, – und eine Angst,

ein Schrecken vor mir selbst, und eine Furcht

vor meiner Eignen Gier, der lauernden,

umklammerten die Kehle mir, – zerknirscht

im Staub ich lag: nicht wagt' ich mehr, zu wünschen.

Und endlich, bettelnd, stöhnt' ich: Gnade! Gnade!

und schlug die Augen auf – –, da grüßte mich

langwehend, nickend an der Wand der Schatten,

und schwelend stand die Lampe – und verlosch.

Erscheinung

So müd hinschwand es in die Nacht,

sein flehendes Lied, sein Bogenstrich;

und seufzend bin ich aufgewacht.

Wie hat er mich so sanft gemacht,

so sanft und klar

der Traum – und war

doch also trüb und feierlich.

Hoch hing der Mond; das Schneegefild

lag weit und öde um mich her,

wie meine Seele weit und leer.

Und neben mir – so kalt und wild,

so stumm und stolz wie meine Not,

als wollt' er weichen nimmermehr,

saß starr – und wartete – der Tod.

Da kam es her, wie einst so mild,

so bang und sacht,

aus ferner Nacht;

so kummerschwer

kam seiner Geige Hauch daher,

und vor mir stand sein stilles Bild.

Der mich umflochten wie ein Band,

daß meine Blüte nicht zerfiel

und daß mein Herz die Sehnsucht fand,

die große Sehnsucht ohne Ziel:

so müd er nun, so trüb er stand,

und stand so dumpf und feierlich,

und sah nicht auf, noch grüßte mich, –

nur seine Töne ließ er irr'n

und weinen durch die bleiche Flur,

und mir entgegen schaute nur

auf seiner Stirn,

ein Auge hohl und rot und fahl,

der tiefen Wunde dunkles Mal.

Und trüber quoll das trübe Lied,

und quoll so heiß, und wuchs und schwoll,

so heiß und voll

wie Leben, das nach Liebe glüht, –

wie Liebe, die nach Leben schreit,

nach ungenoßner Seligkeit,

so wehevoll,

so wühlend quoll

das strömende Lied und flutete, –

und leise leise blutete

und strömte mit

auf seiner Stirne, rot und fahl,

der tiefen Wunde dunkles Mal.

Und müder glitt die müde Hand,

und vor mir stand

ein blasser Tag,

ein ferner blasser Jugendtag,

da dumpf im Sand

zerfallen seine Blüte lag,

da seine Sehnsucht sich vergaß

in ihrer Schwermut Uebermaß

und seiner Traurigkeiten müd

zum Ziel Er schritt, –

und lauter weinte auf das Lied,

das mahnende Lied, und flutete,

und seiner Saiten Klage schnitt

und seine Wunde blutete

und weinte mit

in meiner Seele starre Not,

als sollt' ich hören ein Gebot,

als sollt' ich fühlen, was ich litt,

und fühlen alles Leidens Schuld

und alles Lebens süße Huld, –

und also, blutend, wandt' er sich

ins bleiche Dunkel – und verblich.

Und bebend hört' ich hohl vergehn,

entfliehn das Lied, und wie so zart

so zitternd ward

der langen Töne fernes Flehn, –

und fühlte kalt ein Rauschen wehn

und grauenschwer

die Luft sich rühren um mich her,

und wollte bebend doch ihn sehn,

sein Lauschen sehn,

Der wartend saß bei meiner Not,

und wandte mich, – da lag es kahl.

das weiße Feld: und still und fahl

zog fern vondannen – auch der Tod.

Hoch hing der Mond; und mild und müd

hinschwand es in die leere Nacht,

das flehende Lied, –

und schwand und schied,

des toten Freundes flehendes Lied;

und seufzend bin ich aufgewacht.

Weihnachtsglocken

Tauchet, heil'ge Klänge, wieder

ganz in meinen Glauben mich!

Quellet, quellt, ihr alten Lieder:

füllet ganz mit Reinheit mich!

daß ich in die Kniee fallen,

Ein Mal wieder beten kann,

Ein Mal wie ein Kind noch lallen

und die Hände falten kann!

Denn ich fühl's: die Liebe lebet,

die in Ihm geboren worden,

ob sie gleich in Rätseln schwebet,

ob gleich Er gekreuzigt worden;

denn ich sehe fromm sie werden –

heute, Ewig fromm – die Menschen,

wenn es klinget: Fried' auf Erden

und ein Wohlgefall'n den Menschen!

Das Wunderblümlein

Altes Weihnachtslied ergänzt.

Uns ist ein' Ros' entsprungen

aus einer Wurzel zart;

wie uns die Alten sungen,

von Jesse kam die Art;

und hat ein Blümlein bracht

mitten im kalten Winter,

wol zu der halben Nacht.

Das Blümlein war so reine

und duftete so süß;

mit seinem milden Scheine

verklärt's die Finsternis;

und leuchtet immerdar,

tröstet die Menschenkinder

holdselig, wunderbar.

Ein Stern mit hellem Scheine

hat es der Welt verkündt,

den Hirten und den Heiden,

wo man dies Blümlein findt.

Nun ist uns nicht mehr bang,

seit aus der dunklen Erde

solch köstlich Knösplein sprang.

Der Vogel Wandelbar

Ein Spott- und Trost-Märchen.

War einst ein Vöglein Wandelbar,

an welchem Alles seltsam war.

Ein rechter Wildfang wollt' es sein

und hatte doch ein Humpelbein,

das arme lust'ge Vöglein.

Allein das Vöglein hatte auch

ein wundersam Gefieder;

das schillerte wie Purpurschaum,

und auf der Brust der weiche Flaum

wie ein Perlmuttermieder.

Vom vielen Zwitschern eigner Art

das Schnäblein ihm ganz silbrig ward,

und seiner Aeuglein Scheinen

gar lieblich launisch wechselte

gleich blauen Edelsteinen.

So trug sich Vöglein Wandelbar

von Außen sonderlich fürwahr,

doch was das Sonderlichste war:

tief Innen trug's unwandelbar

ein Herz von lautrem Golde!

Und Alles war dem Vöglein gut,

wie's hüpfelte und glänzte, –

und Jeder nahm's in seine Hut:

solang 's im sichern Hofe saß,

er ihm das Nest umgrenzte.

Bis unser Vöglein langsam

sich wuchs zu einem Vogel aus;

da mußt' es aus dem warmen Haus

allein ins weite Land hinaus.

Das schien ihm, ach, so bangsam.

Die Andern liefen gar so schnell,

das Ihre zu erjagen;

da kommt mit seinem Wackelschritt

solch armes Entlein nicht gut mit,

und – muß den Spott noch tragen.

Sie fließen es und traten es

und rupften es gescheit,

und in dem wilden Drängen

blieb bald sein schutzlos Schimmerkleid

an Busch und Dornen hängen.

Zwar Mancher blieb auch stehen:

vermahnten dann und schalten

den ungeschickten Wandelbar,

und wußten doch, daß lahm er war,

und – blieben selbst die Alten!

Doch endlich war es ihm geglückt,

mit letzten Kräften, arg zerpflückt,

ein Bäumlein zu erschwingen;

da dacht' er endlich auszuruhn

und sich in Schutz zu bringen.

Verwandelt war nun ganz und gar

der arme Vogel Wandelbar,

so funkelnd einst; nur hier und da

ein gleißend Federlein noch sah

aus seinem grauen Kittel.

Und auch der Aeuglein helles Licht

war blaß wie welk Vergißmeinnicht;

alleindas Silberschnäbelein

war ihm geblieben noch vonklein,

wenn's auch nur schwach noch zirpte.

So saß er fern denn vom Gewühl

und sang mit bitterm Wehgefühl,

wie er so gar verlassen!

und wußte doch, daß Lahme nicht

zu soviel Schnellen passen.

Ein Rabe aber kam vorbei,

den ärgerte die Melodei

und auch das Silberschnäbelein,

er schrie: »Ich mag nicht solch Geschrei!

geh, packe dich vonhinnen!

ich will mir hier mein Nest herbau'n,

und für uns Beide ist kein Raum!«

und stieß das Vögelchen vom Baum

und riß ihm aus dem Kleide

auch noch sein letzt Geschmeide.

Da war ihm aller Mut dahin,

der Mut sogar zum Klagen;

mit seinem müden Humpelbein

schlich matt und weinend es feldein

und dachte voll Verzagen:

»Jetzt nenne Garnichts mehr ich mein,

jetzt kann ich nur gleich sterben!

jetzt will ich in die Wüstenei,

wo Keinen störet mein Geschrei,

und still für mich verderben.«

Ja, garnichts garnichts mehr war sein

von all dem schönen bunten Schein;

sogar das Schnäblein hatte ganz

verloren seinen blanken Glanz

von all den vielen Thränchen.

Und als das Vöglein das gesehn,

ist fast sein Herz gebrochen;

zum Sterben hat sich's hingesetzt, – –

da kam der goldne Mond zuletzt

und hat zu ihm gesprochen:

»Du armes Vöglein Wandelbar,

was härmst du dich denn immerdar

um deine Tandjuwelen?

Du töricht Vöglein Wandelbar,

hast du vergessen ganz und gar,

was Keiner dir kann stehlen?!

Ward dir denn nicht viel mehr geschenkt

als blos der Prunk, an den sich hängt

der Andern leeres Streben?

Was weinst du denn und machst dir Schmerz?

ward dir tiefinnen nicht ein Herz

von lautrem Gold gegeben?!«

Da ward dem Vogel Wandelbar

auf einmal Alles licht und klar;

da wußt' er bis an seinen Tod

unwandelbar trotz aller Not,

warum sich's lohnt zu leben!

Frühlingsahnung

Die Felder liegen weiß;

wohin ich schau'

ins fahle Nebelgrau,

scheint Schnee und Eis.

Doch da – ein Sonnenstrahl

bricht durch den Flor

und zieht den Blick empor

mit Einem Mal,

und von der Erden

ringt jung ein Duft

sich durch die Luft: –

will's Frühling werden?

Schneeglöckchen

Sie ist erwacht,

des Winters einzige Blume.

In Tod und Nacht

träumte die stumme

Botin des Frühlings

von Licht und Leben.

Wie sie sich heben

alle die sprießenden Spitzen,

zum Himmel bange

bebend sich richten!

aber droben

die Sonne schläft.

Roh durchs Land die Stürme toben,

lachen kalt der schlichten

furchtsam strebenden Zarten,

heulen ein Lied von Krieg und Streit:

Nur die Starken, Harten

preiset der Reigen

der eisernen Zeit!

Duftlos neigen sich

die weißen reinen

scheuen Köpfchen

zur Erde wieder

entsagend nieder

und weinen

selber ins Grab sich.

Doch nicht minder,

du einsame Blume,

tröstet dein Blühen

die Menschenkinder.

Nicht ist vergebens

dein kurzes Mühen:

alles des Lebens

Brausen und Glühen,

das uns der Frühling schickt,

du fühlst es nahn!

Mit neuem Glauben blickt

auf seine Bahn,

winkt ihm Dein Gruß,

rastlos wandernd der Mensch.

Keimt doch zitternd in Ihm auch

manche lautere Blume

aus dem dunklen Grunde des Herzens,

die verblühen muß,

ehe die andern

sicher strebenden,

mächtiger treibenden

Wurzeln sich regen:

Zielenentgegen! –

Nebel und Schatten

Bruchstück.

Nun still, mein Schritt, im stillen Nebelfeld!

hier rührt kein Leben mehr an meine Ruhe:

hier darf ich fühlen, daß ich einsam bin.

Kein Laut; kein Hauch; der bleiche Abend hält

im dichten Mantel schwer die Luft gefangen.

Sothut es wohl dem unbewegten Sinn ...

Mein Herz nur hör' ich noch; doch kein Verlangen

nach Leben ist dies Klopfen, – Lust und Schmerz

ruhn hinter mir versunken gleich zwei Stürmen,

die sich umarmen und im Wirbel sterben, – –

was störst du mich, mein allzu lautes Herz?!

Was willst du Schatten dort im Erlenbusch?

und schwankst? und winkst? – – –

– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

Narzissen

Weißt du noch, wie weiß, wie bleich

in den Maiendämmerungen,

wenn du meinen Hals umschlungen,

wenn ich dich ans Herz gerissen,

um uns schwankten die Narzissen?

Weißt du noch, wie heiß, wie weich

in den lauen Juninächten,

wenn wir müde von den Küssen

um uns flochten deine Flechten,

Düfte hauchten die Narzissen?

Wieder leuchten, wieder grüßen:

wenn die Dämmerungen sinken,

wenn die lauen Nächte winken:

hauchen Düfte die Narzissen, –

weißt du noch, wie heiß – – wie bleich?

Läuterung

Wie mit zauberischen Händen

greifen Träume in mein Leben,

will ein Altes sich vollenden,

will ein Neues sich begeben ...

Eine Flamme sah ich lodern

hoch und rein aus goldner Schale,

und die Flamme schien zu fodern:

wirf dein Leid in diese Schale!

Und anbetend hingezwungen

fühlt' ich Gluten mich umfangen,

rauschend küßten ihre Zungen

Auge mir und Stirn und Wangen.

Und ich fühlte stumm vergehen

all mein Leid mit Einem Male,

rauschend mich als Flamme wehen

selber in der goldnen Schale ...

Wie mit zauberischen Händen

greifen Träume in mein Leben.

Will ein Altes sich vollenden?

will ein Neues sich begeben?

Offenbarung

Da träumte ich von einem Weibeswesen, das ich nicht kannte, einem nie geseh'nen, oft geahnten, seltsam wirklichen. Wir lagen im Taumel der Einheit, und ich schaute dem Wesen in die Augen: bis hinab in die Seele. Und die Seele schien mir wie ein Buch, und in dem Buche las ich: Gattenliebe, Sinnlichkeit, – Mutterliebe, Keuschheit, – Menschenthum, Empfänglichkeit, – Wahrheitswille, Beharrlichkeit. Und es war, als ständen diese Eigenschaften vor mir auf zu seltsam wirklichen Gestalten, nie geseh'nen, oft geahnten Weibeswesen; die schlangen einen Reigen. Und obschon Alles voll Bewegung war in diesem Reigen innerlich, genoß ich schauend nur Eines: heitere Ruhe.

Erleuchtung

Plötzlich thut, was dunkel war,

dir sich grund und offenbar;

und dann kannst du nicht verstehen,

daß du sonst es nicht gesehen.

Aus dem Grund der Welt durch dich

offenbart der Welt es sich;

aus der Ewigkeit geboren

bleibt es ewig unverloren.

Zweite Stufe: Liebe

  Was Natur in trüben Bächen

  still durch alle Seelen gießt,

  Dichtermund soll's heilig sprechen

  daß es immer reiner fließt.

  Aus der Enge in die Weite

  drängt der Geist und lockt das Leben;

  doch es kann sich erst erheben,

  Wen ein groß Gefühl befreite.

Verloren?

Wie versunkne Himmelreiche

Dir im Auge sah ich quellen

deiner Seele stille Quellen,

und es tauchte aus den Wellen

meiner Unschuld frühe Leiche.

Und von fern auf goldnen Wogen

kam ein Leuchten hergezogen,

und den bleichen Mund umschwebte

sanft ein Glühn, als ob er lebte

und noch Einmal Gott erbebte.

Doch im Wasser hört' ich's wallen,

hohl ein Qualgelächter schallen:

und ich sah mit schwarzen Krallen

drohn die Sünde, und im dunkeln

Schlund ihr grünes Auge funkeln.

Und es rauschte, und die Leiche

schwand hinab; der Glanz verglühte ...

Gieb mir Du zurück die Blüte,

meiner Reinheit tote Blüte,

die versunknen Himmelreiche!

Des Traumes Ziel

Ich träume oft von einer bleichen Rose.

Sie blüht in eines hohen Berges Schatten,

zum Lichte fleht sie mit dem schmachtend matten

dem Blumenblick aus ihrem dunklen Loose.

Und mich ergreift's, daß tröstend ich sie kose.

Doch weiter muß auf meinem Pfad ich schreiten:

zum Gipfel, wo die Lorbeern stolz sich breiten!

So steh' ich zaudernd zwischen Berg und Rose.

Denn wie ich auch den Fuß mag von ihr kehren:

ich kann der tiefen Sehnsucht nicht mehr wehren,

aus ihrem Schooß den süßen Duft zu schlürfen.

Da: bin ein Gott ich worden durch die Reine?

auf schweb' ich mit ihr zu dem heil'gen Haine,

wo auch die Rosen immergrünen dürfen!

Frühlingsgebet

Frühling, Wonnegebieter,

sonnestarker, lauterster Gott der Erde,

willst du endlich erscheinen,

mir auch erscheinen?

Nach soviel Stürmen,

soviel quälender Wetterwut,

nach manchem falschen Sonnentage

voll kalten, stechenden Glanzes:

willst du endlich geboren werden,

mein Heiland? –

Ja! mir künden heilige Schauer:

du auferstehest,

den ich dunkel geahnt

in den Dämmertagen der Kindheit

und den ich verloren, vergessen

im selbst sich vergötternden Jünglingsrausch ...

Oh, senke die Strahlen

Deines milden Himmelsauges

sänftigend, verklärend mir

in die sehnsucht offne Seele

O durchfülle mich ganz mit Deinem Odem,

Frühling, äther entsprossener,

Segen atmender, reiner Sonnensohn!

Erfülle mich mit deiner Werdelust,

nicht der gärend schäumenden,

der ziellos wilden, taumelnden Lust

stürmenden Knabenübermutes:

mit Deiner ruhig quellenden,

still knospenden,

sicher schaffenden Freudigkeit

erfülle mich, du Glückbeseelter! –

Schon jauchze ich.

Ja! du erhörst mein Gebet!

Du bist in mir, Frühling:

bist, was in mir jubelt –

du erhörtest mich schon

vormeinem Gebet!

Du, Du, Frühling, wurdest

mir in bangender Seele

heimlich ein anderer, neuer Frühling:

mein ersterFrühling!

Erster Frühling,

einziger Frühling,

bleibe! weile!

verlaß mich nicht,

flüchten gleich die Tage!

Dann werden machtlos nahen

meinem geweihten Haupt

des Sommers sengende Sorgen

und des Herbstes trüber Mißmut

und des Winters kalte Oede.

Erster Frühling,

einziger Frühling,

meinFrühling –

Du brachtest mir die Erlösung:

bringe mir auch das Himmelreich!

Rose und Goldkäfer

1. Käfers Ende

Ich habe den Traum der Rose belauscht,

der still, vom kühlen Duft umsprüht,

aus ihrer Blumenseele glüht;

ich hab' ihn mit allen Sinnen belauscht,

bis ich berauscht.

Von Sonnenstrahl die Rose träumt,

der sich tags ihr flammend ins Innerste wühlt,

der im Mondlicht nachts sie weich umspült,

der mit schaffender Macht das All durchschäumt;

von ihm sie träumt.

Dochvon dem Goldkäfer weiß sie nicht,

der still zum stillen Glutkelch klimmt,

in dem die Sehnsucht zehrt und glimmt

nach ihr, nach ihr. Sie achtet's nicht.

Sein Auge bricht.

2. Ende der Rose

Es prangt die Rose in stolzer Pracht

und freut sich ihrer Glut und lacht:

Ich hab' die tiefduftigste Seele, ich!

ich bin die Königin sicherlich

von meinen Blumenschwestern.

Ein schimmernder Käfer zur Rose schwirrt;

von Lust, von Liebe er surrt und girrt

der schönen Stolzen, der Alles lauscht

mit jedem Sinn, wenn der Dufthauch rauscht

aus ihrem Feuerkelche.

Und sie neigt sich dem Käfer in kühler Gunst:

Ich kann nicht lieben mit irdischer Brunst,

ich glühe allein dem Sonnenschein,

der das All durchwogt, ins Herz hinein

mir seine Flammen zu gießen!

Und als der dritte Abend nah

und der Goldkäfer wieder zur Rose sah,

von Furcht und Hoffnung still entfacht:

da war die stolze Blütenpracht

verwelkt im Strahl der Sonne.

Menschenthorheit

Die Nixe in der stillen Flut,

sie weiß nicht, daß der Tod

aus ihrem wasserdunklen Blick

den Erdensöhnen droht.

Sie kann nicht lieben, hassen nicht:

du Menschenkind allein

schaust in das rätseltiefe Auge

die Eigne Seele hinein.

Da schwillt und quillt entgegen dir

verdoppelt Glück und Weh;

du schaust und schaust, vergehst, versinkst, –

verwundert rauscht der See.

Zweifel

Psalm eines Verstoßenen.

Jetzt ist es aus! jetzt bin ich ganz zerrissen!

Nun brach vom Herzen mir das letzte kleine

Stück Hoffnung noch, das letzte eine