Memoiren eines Barons I - Gustav Schilling - E-Book

Memoiren eines Barons I E-Book

Gustav Schilling

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Beschreibung

Der junge Baron schildert sein ausschweifendes Leben auf seinem Landsitz und in allen Metropolen Europas.....-

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Gustav Schilling

Memoiren eines Barons I

Die Denkwürdigkeuen des Herrn v.H.

Saga

Memoiren eines Barons ICopyright © 1986, 2019 Gustav Schilling und VerlagAll rights reservedISBN: 9788711717158

1. Ebook-Auflage, 2019Format: EPUB 2.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nachAbsprache mit dem Verlag gestattet.

Es ist gut, wenn wir uns gelegentlich daran erinnern, daß das Freud’sche „Unbewußte“ schon viele tausend Jahre vor Freud existierte. Das gilt auch für die verschiedenen geistigen und seelischen Krankheiten, die – für den Laien – so faszinierende Bezeichnungen haben wie Schizophrenie, Paranoia, manisch-depressive Psychose und viele andere. Unglücklicherweise aber hat der übermäßige Gebrauch dieser Begriffe mehr Schaden als Nutzen angerichtet.

Die zeitgenössische Psychologie neigt mehr und mehr dazu, starre Klassifizierungen und orthodoxe Nomenklatur in der Diagnostik zu vermeiden. So werden in der Psychotherapie die Begriffe ,krank‘ und ,normal‘ bald außer Mode sein. Es ist daher angebracht, allzu leichte und pauschale Diagnosen zu vermeiden, wenn es darum geht, die psychologische Anatomie historischer Gestalten zu erklären, deren Verhalten und Handlungen weit über das hinausgehen, was allgemein als ,normales Benehmen‘ angesehen wird.

Es wäre daher auch zu einfach, behaupten zu wollen, daß der große Napoleon zu seiner Welteroberung getrieben wurde, weil er damit seine physisch kleine Gestalt kompensieren wollte. Es ist häufig beobachtet worden, daß kleine Leute versuchen, ,größer‘ zu erscheinen, indem sie sich aggressiv verhalten und im Berufs- und Gesellschaftsleben übermäßig ehrgeizig sind, so daß der Begriff ,Kompensationstrieb‘ hier vielleicht gerechtfertigt erscheinen mag. Aber bei einer solchen Diagnose kann man nie ganz sicher sein, solange die fragliche Person nicht über einen längeren Zeitraum beobachtet worden ist.

Wenn es um die psychologische Klassifizierung verstorbener Personen geht, so basieren alle Ansichten und Meinungen auf mehr oder minder zuverlässigen Aufzeichnungen, wie Tagebüchern, Biographien, Briefwechsel und anderen Dokumenten von Zeitgenossen.

Im Falle des Autors der vorliegenden Memoiren können wir daher nur eine hypothetische Diagnose stellen und annehmen, daß er sie geschrieben haben muß, um damit seine wohlbekannte Impotenz zu kompensieren. Aber wenn wir uns auf verfügbares, historisches Beweismaterial verlassen wollen, müssen wir auch eine sehr materialistische Motivation anerkennen: Dem Autor wurde für dieses Buch eine stattliche Summe Geldes angeboten. Nicht von irgendeinem Verleger, sondern von einer Gruppe seiner Freunde.

Gustav Schilling (1766–1839) hatte ungeheuere Spielschulden gemacht, die er unbedingt bezahlen mußte, wenn er nicht riskieren wollte, mit Schande aus dem Kgl. Sächsischen Regiment ausgestoßen zu werden, für das sein Vater ihm ein Offizierspatent gekauft hatte. Hauptmann Schilling stand im Ruf, ein unterhaltsamer Erzähler zu sein. Seine Offizierskameraden tolerierten ihn nur, weil er sie oft mit seinen Clownerien und pikanten Geschichten amüsierte. Als er ihnen schließlich eingestehen mußte, nicht imstande zu sein, all die vielen Schuldscheine einzulösen, die er ausgestellt und unterschrieben hatte, war man bereit, ihm zu helfen.

Fünf seiner Gläubiger versprachen ihm, nicht nur seine Schulden zu streichen und alle anderen zu bezahlen, sondern boten ihm außerdem eine zusätzliche, nette Summe, falls er sich verpflichte, eine detaillierte Geschichte seines Liebeslebens zu schreiben. Dieses offenbar großzügige Angebot war jedoch von Sadismus motiviert. Das wußten aber nur diejenigen, denen ein besonders tragischer Faktor in Schillings Leben bekannt war. Er war physisch unfähig, den Geschlechtsverkehr auszuüben.

Es ist nicht überliefert, ob seine Impotenz psychisch bedingt war oder durch eine physische Abnormität verursacht wurde. Er war als Feinschmecker und Vielfraß bekannt, der zur Fettleibigkeit neigte und mit der hohen, schrillen Stimme eines Eunuchen sprach. Daraus können wir entnehmen, daß sein Geschlechtsapparat vielleicht durch einen Unfall in der Jugend geschädigt wurde. Sein Zustand könnte aber auch durch angeborene Unzulänglichkeit seiner Geschlechtsdrüsen bedingt gewesen sein.

Die erstaunliche Tatsache, daß Schilling trotz seiner physischen Leiden Offizier in der Kgl. Sächsischen Armee werden konnte und schließlich sogar zum Hauptmann befördert wurde, war nicht ausschließlich der finanziellen Intervention seines Vaters zu verdanken, sondern auch der eigenartigen Tatsache, daß man beim Sächsischen Offizierskorps die eine oder andere Abnormität tolerierte, vorausgesetzt allerdings, daß sie durch entsprechend hohen gesellschaftlischen Rang kompensiert wurde. Das starre Klassenbewußtsein jener Zeit kommt auch darin zum Ausdruck, daß der Autor sich einen aristokratischen Decknamen zulegte: Herr von H***. In der Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts galt der Gebrauch von Initialen als sicheres Zeichen dafür, daß sich dahinter ein angesehenes Mitglied des Adels verbarg.

Ebenso wie seine literarischen Ergüsse dem Marquis de Sade eine unfreiwillige Therapie boten, die ihn davor bewahrte, seine psychopathischen Triebe auszutoben, erfüllten auch die fiktiven Memoiren von Gustav Schilling eine therapeutische Aufgabe, indem sie ihm erlaubten, mit niedergeschriebenen Fantasien sein von der Öffentlichkeit vermutetes, anrüchiges Eunuchentum zu kompensieren. Jetzt endlich war er imstande, seinen Offizierskameraden, die ihn im Grunde genommen mehr oder minder verächtlich behandelten, zu beweisen, daß ihm, dem dicken Clown, Männerfreuden keineswegs fremd waren . . . zumindest in der Theorie. Jetzt brauchte er nicht mehr unter Schuldgefühlen zu leiden, wenn er seiner Fantasie freien Lauf ließ, um die wildesten Bettszenen in Gesellschaft der begehrenswertesten und verführerischsten Frauen zu erfinden. Diese Frauen entstammten allen Gesellschaftsschichten, vorwiegend aber der Aristokratie.

Es ist bekannt, daß Schilling mit seinem Buch, das sehr anzügliche und zweideutige Geschichten enthielt, einen großen Treffer landete und seine Offizierskameraden, die an sich geglaubt hatten, ihn mit ihrem Auftrag in höchste Verlegenheit bringen zu können, in Erstaunen versetzte. Die Tatsache, daß es sich nur um fiktive Memoiren handelte, schien die Offiziere überhaupt nicht zu kümmern. Ganz im Gegenteil! Man glaubte, daß ein Mann, der imstande war, sich derartige Sex-Abenteuer einfallen zu lassen und niederzuschreiben, doch irgendwie unter Beweis stellte, daß er – der dicke, eunuchengleiche Autor – vielleicht doch kein ganz so unbeschriebenes Blatt sei!

Wir wissen nicht, ob des Autors Beschreibung von Leuten und Orten, besonders im Ausland, seinen zeitgenössischen Lesern verriet, daß er von den Zuständen in Paris, London, Rom und anderen Metropolen überhaupt keine Ahnung hatte. Keiner seiner Leser dürfte auch genügend psychologische Einsicht besessen haben, um zu begreifen, warum der Autor Herrn von H*** als illegitimen Sohn eines Barons vorstellte, der ihn pflichtgemäß adopierte und mit allem Luxus umgab, wie ihn junge Edelleute jener Zeit genossen. Es scheint, daß Gustav Schillings Unbewußtes‘ ihn gezwungen hat, die Unzufriedenheit mit seinem mittelmäßigen, bürgerlichen Status preiszugeben und damit den Wunsch zu enthüllen, seinen aristokratischen Offizierskollegen ebenbürtig zu sein. Gleichzeitig kompensierte er die Schuldgefühle wegen seines vorgetäuschten Adelstitels, indem er eine illegitime Geburt erfand und dann seine Adoption durch einen legitimen Edelmann schilderte.

Abschließend eine Bemerkung über die literarische Form der Dialoge, die von den dramatis personae selbst in den intimsten Situationen bevorzugt wurde. So hat man in den letzten beiden Jahrhunderten tatsächlich gesprochen. Einfache Bürger bedienten sich eines höchst gezierten und affektierten Stils, den sie mit Kultur und Lebensart der privilegierten Klassen durcheinanderbrachten.

1

Ich verdanke mein Leben einer leidenschaftlichen Umarmung, mit welcher der alte Baron meine Mutter beehrte.

Der alte Baron war einer der reichsten Edelleute im Lande und das letzte Glied seines Geschlechtes. Ihm bedeutete es nichts, daß er die Anzahl seiner Vorfahren kaum noch zählen konnte. Trotz der Tatsache, daß er der Letzte seines Stammes war, verspürte er nicht das mindeste Verlangen zu heiraten und die lange Linie des alten Adelsgeschlechtes fortzusetzen. Ab und zu suchte er sich unter seinen Untergebenen ein junges Mädchen aus, dessen Reize ihm besonders verlockend erschienen. Er ließ es von einer Erzieherin ausbilden. Ein Schneider und eine Näherin sorgten dafür, daß dieses Mädchen makellos elegant gekleidet wurde. Danach liebte der alte Baron dieses Mädchen so lange, bis er ein anderes fand, das ihm noch besser gefiel.

Aber wenn er einer seiner Geliebten überdrüssig geworden war, so verstieß er sie niemals, ohne sie ausreichend zu entschädigen. Jede bekam eine stattliche Mitgift, deren Höhe sich jeweils danach richtete, welches Ausmaß an Entzücken er bei ihr gefunden hatte. So mancher Arzt, Schullehrer oder Steuereinnehmer war recht wohlhabend geworden, nur weil er eins der kleinen Mündel des Barons geheiratet hatte. Als Mündel bezeichnete er seine entthronten Geliebten. Eines Tages besuchte der alte Baron eine gewisse Stadt und bekam dort die Tochter des Barbiers zu Gesicht. Er sah, daß sie sehr schön war. Sofort schickte er seinen Kammerdiener los. Dieser Bote kehrte niemals erfolglos zurück. Er versagte auch diesmal nicht.

Die scheue Tochter des Barbiers besuchte den alten Baron bei Anbruch der Abenddämmerung und kehrte erst mehrere Stunden später zurück, schwer mit allerlei Geschenken beladen.

Nach zehn Wochen erhielt der alte Baron einen Brief von diesem armen Mädchen. Darin schilderte es, so gut es konnte, die Angst vor dem gestrengen Vater, falls dieser etwas von der leichten Veränderung in ihrem Zustand bemerkte.

Der alte Baron schickte nach dem alten Mann und versüßte ihm die bittere Pille durch angemessene Vergoldung. Anfangs tobte und wütete der alte Mann zwar noch, aber er beruhigte sich sehr schnell wieder, als der Baron ihm eine Mitgift von zweitausend Talern für die Tochter versprach und sich außerdem bereiterklärte, für Unterhalt und Erziehung des Kindes aufzukommen.

Soviel also über meinen Vater und meine Mutter.

Der alte Baron hielt sein Wort. Ich erhielt eine Erziehung und Bildung in der Stadt, wie es für seinen einzigen Sohn gar nicht besser hätte sein können. Keiner meiner Lehrer und Erzieher, die ihm Gutes über mich berichteten, kehrte ohne Geschenke zurück. Meine Mutter starb, als ich zehn Jahre alt war.

Der alte Baron hatte großen Gefallen an mir gefunden, und so adoptierte er mich mit fürstlicher Erlaubnis als seinen eigenen Sohn.

Als dies geschah, war ich siebzehn Jahre alt.

Meine Leser haben also einen beachtlichen Sprung gemacht, was meinen Lebensweg betrifft, und ich glaube nicht, daß sich irgendjemand dabei in irgendeiner Weise wehgetan hat.

Man behauptet, daß die meisten Kinder, die einer zufälligen Umarmung ihre Existenz verdanken, heißeres Blut und zartere, empfindsamere Nerven hätten. Auch sollen sie für alle Eindrücke und was weiß ich sonst noch, viel empfänglicher sein.

Doch wie dem auch sei, ich muß zugeben, daß ich aus der Art, wie meine Mutter mich empfangen hat, eine gehörige Portion Leidenschaft mit auf den Weg bekommen habe. Schon in sehr jungen Jahren wurde ich mir des Feuers in meinen Adern bewußt. Ich empfand eine seltsame Unrast in der Brust. Dies alles bescherte mir so manche unbehagliche Stunde. Ich liebte es, in die Augen schöner Mädchen zu schauen. Noch lieber war es mir, wenn ich die Hände eines Mädchens halten durfte. Doch die größte Freude bereitete es mir, wenn ich, falls sich gerade eine günstige Gelegenheit bot, ein Mädchen auf die Wangen oder – noch besser! – auf den Mund küssen konnte. Eine solche Gelegenheit ließ ich niemals ungenutzt verstreichen. Die Beschleunigung meines Herzschlages, dieses Zusammenkrampfen meiner Brust, das Anschwellen all meiner Muskeln und die Vibrationen, die meinen Körper durchpulsten, waren viel zu angenehme Erlebnisse für mich, als daß ich eine Gelegenheit, auch nicht die geringste, auslassen konnte, wenn ich mir davon eins dieser Gefühle versprechen durfte.

Ich hatte weder strenge Aufseher noch schlecht gelaunte Lehrer und Erzieher. Bedenkt man dazu mein gutes Aussehen, mein heiteres, sorgloses Wesen, meinen unbestreitbaren Charme, wie hätte ich da nicht des öfteren solche Gelegenheiten finden sollen?

2

Ich war siebzehn Jahre alt, als mein Vater mich offiziell adoptierte. Dieses Ereignis wurde eine Woche lang gefeiert. Viele Freunde vom benachbarten Adel waren anwesend. Mochten sie sich auch noch so sehr darüber ärgern, daß die Geliebte meines Vaters einen Platz an seinem Tisch hatte, als wäre sie seine rechtmäßige Ehefrau . . . niemand dachte daran, die Einladung zu dieser Feier auszuschlagen, denn nirgendwo in dieser Gegend war der Tisch so reichhaltig gedeckt, waren die Weine so köstlich, die Musik so schön wie im Herrenhaus des alten Barons.

Ich hatte einen sehr angenehmen Tag verbracht, mit den jungen Damen gescherzt und mir mehr als ein Dutzend kleiner Küsse verdient. Ich hatte auch ein, zwei Glas Wein mehr getrunken als üblich. War es da sonderlich überraschend, daß mein Blut ungewöhnlich fieberte, als ich in mein Schlafzimmer ging? Daß ich mich stundenlang unruhig herumwarf und im Bett wälzte, ohne einschlafen zu können?

Meine Schlafunterkünfte befanden sich neben denen meines Vaters und waren nur durch eine dünne Wand davon getrennt.

Ich konnte meinen Vater reden hören.

„Du läßt dir aber sehr viel Zeit, Lilla!“

“Hier muß ich noch mitteilen, daß mein Vater die Angewohnheit hatte, seiner jeweiligen Geliebten einen Namen zu geben, den er für passend hielt. Die Frau, der er diesmal seine Gunst geschenkt hatte, hieß Lilla. Jedenfalls wurde sie so gerufen.

Als ich die Stimme meines Vaters so klar und deutlich hörte, stand ich von meinem Bett auf. Plötzlich fiel mir ein dünner Lichtstreifen auf dem Fußboden meines Schlafzimmers auf. Ich sah, daß die Verbindungstür einen Spalt offen war. Lautlos schlich ich mich näher an die Tür heran, bis ich durch die Öffnung gerade das Bett meines Vaters sehen konnte. Ein klein wenig nach links gab es einen großen Spiegel, an dessen beiden Längsseiten Wandleuchter angebracht waren, in denen Kerzen brannten. Auch diesen Spiegel konnte ich sehr gut sehen.

Ich war von Angst und böser Vorahnung erfüllt. Meine Beine drohten den Dienst zu versagen und unter mir zusammenzuknicken. Schließlich fiel ich auf die Knie und blieb vor der Türöffnung hocken, als wäre ich auf dem Fußboden festgenagelt.

Lilla kam herein und ging auf die Tür zu. Sie war mit einem schlichten, weißen Gewand bekleidet. Jetzt löste sie die Nadeln aus dem Haar, das in langen Wellen auf ihre Schultern herabfiel.

„Ich mußte mich doch erst ausziehen“, sagte sie.

Der Baron, der ein Nachthemd anhatte, ging zu ihr, legte einen Arm um ihren Nacken und küßte sie.

„Und dann hast du dich wieder so sorgfältig angezogen, als wolltest du zum Tanz und nicht ins Bett gehen“, scherzte der Baron.

„Erwartest du das denn nicht von deiner Lilla?“

„Doch nur, damit ich dich wieder ausziehen kann.“

Während er dies sagte, ließ er seiner Ankündigung sogleich die Tat folgen. Das Gewand glitt leise raschelnd zu Boden.

Jetzt stand Lilla fast nackt, und ihre Reize wurden kaum von einem sehr kleinen Hemdchen verborgen. Mir verschlug dieser Anblick den Atem.

Lilla kehrte der Tür und damit auch mir den Rücken zu, warf beide Arme um den Nacken meines Vaters und schmiegte sich ihm geschmeidig an. Die beiden küßten sich voller Leidenschaft. Ich hörte ihren keuchenden Atem. Dies alles beeindruckte mich sehr und ließ mich wie angewurzelt verharren.

Jetzt ließ Lilla die Arme sinken.

Als das spärliche Hemdchen nun auch zu Boden fiel, verlor ich vollkommen das Bewußtsein.

Meine Leser müssen mir glauben, daß ich tatsächlich bewußtlos geworden war. Allerdings vermag ich nicht zu sagen, wie lange dies angehalten hat.

Als ich wieder zu mir kam, sah ich, daß mein Vater auf seinem Bett ruhte. Seine rechte Hand war sehr beschäftigt.

Ich war neugierig. Deshalb drückte ich sachte gegen die Tür. Zu meiner größten Zufriedenheit öffnete sie sich lautlos.

Lilla lag auf dem Rücken und hatte beide Beine hoch in die Luft gestreckt. Die Hand meines Vaters spielte ihr an einem gewissen Körperteil.

Jetzt richtete er sich auf und legte sich auf Lilla.

Ich konnte nun nichts weiter mehr sehen, als seinen Hintern, den er rhythmisch auf und ab bewegte, sowie Lillas Bein, das auf seiner linken Hüfte lag.

Was war das?

Die beiden atmeten immer schwerer und lauter.

Ich horchte fasziniert.

Ein leises Stöhnen folgte. Es wurde stärker und intensiver und schließlich von einem lauten „Aaah . . .!!!“ abgelöst. Was war das?

Der Baron legte sich nun wieder auf seine Seite des Bettes zurück.

Lilla küßte ihn, dann zog sie ihnen beiden die Bettdecke über.

Es dürfte leicht zu erraten sein, daß meine überhitzte Einbildungskraft mich nun nicht viel schlafen ließ. Jedesmal, wenn ich meine Lage wechselte und mich wieder einmal unruhig herumwälzte, dachte ich:

,Daran werde ich mich erinnern müssen!‘

Ich hoffte vergeblich, in dieser Nacht noch etwas Schlaf zu bekommen.

3

Bis dahin hatte ich Zugang zu vielfältiger Gesellschaft bekommen. Es gab stets hinreichend Zerstreuung und Unterhaltung. Deshalb besuchte ich die Zusammenkünfte meiner Schulkameraden nur sehr selten. Das war mit ein Grund, weshalb ich noch nicht viel über den Unterschied der Geschlechter wußte. Aber jetzt gaukelte mir meine überreizte Fantasie viele Bilder vor. Ich verspürte das brennende Verlangen, alles näher zu erforschen und mir vor allem Klarheit darüber zu verschaffen, was es mit dem Unterschied der Geschlechter auf sich habe.

Ich kehrte in die Stadt zurück und wohnte bei einem jungen Kaufmann, der vor etwa einem Jahr eine sehr nette und reizende Person geheiratet hatte.

Ein etwa vierzehnjähriges Mädchen bediente meine Gastgeberin und kümmerte sich auch um meine persönlichen, häuslichen Angelegenheiten.