Mensch gegen Mensch - Paul Prussen - E-Book

Mensch gegen Mensch E-Book

Paul Prussen

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Beschreibung

Drei Realitäten regieren den Menschen innerlich: Unbewusstes aus der Vergangenheit, Alltagsbewusstsein aus der Gegenwart, Phantasiekosmos aus der Zukunft. Äußerlich treffen drei Typen Menschen aufeinander: Unbewusste Instinktive, gefühlvolle Realisten, fantasievolle Kreative. Das führt zu Erfahrungen, die man als Mensch gegen Mensch betiteln kann. Schließlich ist menschliches Erleben eingebettet in natürliche und kosmische Gegebenheiten. Wie all dies sich in Zukunft auf einer kleinen Insel im Pazifik abspielen könnte, davon handelt dieser psychologische Roman. Randy, Willi, Rosalba und Amor lassen grüßen. (ag) Randy Mathieu ist, im Jahr 2050, ein glücklicher, doch keineswegs unkritischer Großvater. Er lebt auf einer wahrhaft ungewöhnlichen Pazifikinsel, mit vielen Menschen, vertrauten und fremden, berechenbaren und launischen, in einer prachtvollen, manchmal bedrohlichen Natur. Dabei ist er in eine Ereignisfolge eingebunden, die mal wohltuend besänftigt, mal nervenzerreibend aufregt. Mensch gegen Mensch taucht im vorliegenden psychologischen Roman als wiederkehrendes Thema auf, variantenreich, multiformal und denkanregend. Äußeres und Inneres sind dabei eng ineinander verwoben, sie stimulieren und hemmen sich in ständiger Interdependenz. Ein Roman zum Vergnügen und Nutzen unserer geschätzten Leserschaft, wie wir hoffen. (pp)

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Danksagung

Fürs Lektorat danken wir Carlo, Charel, Erika, Gertrude, Henry, Hubertus, Jörg, Lotty, Margret und Rosi, ebenso Brigitte für die Zurverfügungstellung des Tschaggunser Autorenateliers. Einen weiteren Dank geht an die inspirierende Aura der Berge im Montafon und der Bäume im Bartringer Bësch. Schlussendlich sind wir dankbar, dass wir auch noch nach der Fertigstellung des gemeinsamen Werkes miteinander reden.

Inhaltsverzeichnis

1. Amor nervt Randy

2. Wie wir leben wollen

3. Sonnensturm

4. Pitcairn

5. Eröffnungsversammlung I

6. Eröffnungsversammlung II

7. Ein unerwarteter Fund

8. Randy und seine Kinder

9. Am Hafen

10. Rosalba in Christians Cave

11. Haben, Werden und Sein

12. Schritte zu echtem Bewusstsein

13. Abschied von T

14. Was will ich?

15. Irahkusinol

16. Es war einmal

17. Kinder, Kinder

18. Ein Brief

19. Gift

20. Rosalba in China

21. Beziehungen aller Art

22. Verwüstung

23. Starke Frauen und verletzte Männer

24. Geiselnahme

25. Angst, Hoffnung, Zweifel

26. Oceanas Geheimnis

27. Oceanas Rache

28. Gemeinschaft 3.0

29. Masken

Wir schreiben das Jahr 2041. Willi ist mein Name. Ja, genau, mit i und nicht mit y, wie sonst üblich. Im Grunde: Will-I. Laut dem Wunsch meiner Eltern mit der Bedeutung: „ich will“. Ich sollte unmissverständlich einen engen Bezug zum Wollen haben. Mittlerweile bin ich der Meinung, das merkt man eher in meinem Verhalten als in meinem Namen und schreibe einfach Willi. Das erspart im Übrigen so manche Erklärung.

Geboren bin ich 2018 in den USA. Meine lieben Eltern sind der unnachahmliche Theophanis Thymios, genannt T-Man und die einzigartige und ebenso liebenswerte Gertrude, genannt G-Woman. Noch bevor ich ein Jahr alt war, zogen wir nach Europa, und landeten schlussendlich im Ecovillage Amor.

Dort wuchs ich auf, umgeben von vielen, netten Erwachsenen, ein paar Kindern und meinen Eltern, die meine Entwicklung auf eine ausgesprochen lockere Art und Weise begleiteten. Hippiemäßig hätte man damals gesagt. Das war zwar angenehm und herausfordernd, erwies sich aber gleichzeitig auch als nicht unproblematisch. Und jetzt wohne ich hier mitten im Pazifik, an einem Ort, den Ihr in der Folge ausführlich kennenlernen und hoffentlich lieben werdet.

Ach ja, fast hätte ich das Eigentliche vergessen. Ich werde Dich begleiten, werte Leserin, und Dich, werter Leser, auf der Reise durch die folgenden Episoden. Allerdings nur, wenn Du das auch willst. Ja, ich weiß, Ihr braucht im Grunde keinen Begleiter. Einige mögen sich sogar etwas gestört fühlen. Die können dann meine Intermezzi einfach überspringen. Verpassen würden sie dann bloß meine sehr persönlichen Gefühle, Gedanken, Meinungen und Einschätzungen der Ereignisse.

Aber keine Angst: ich werde weder jemanden belehren noch moralisch beurteilen. Außerdem tauche ich bloß sporadisch auf und wenn, dann nie für lange Zeit.

Soweit fürs Erste.

Viel Vergnügen und viel Spaß auf Deiner Lesereise.

Lasse Dir ruhig genügend Zeit zum Verweilen.

Zum Fühlen, zum Denken, zum Träumen.

Willi

Ich schließe mich der Einladung von Willi an und bin sicher, Du wirst es nicht bereuen und Vergnügen und Spaß verspüren.

Ich heiße Rosalba, die weiße Rose und bin 22 Jahre alt. Für meine Eltern, Romy und Randy, hat dieser Name eine tiefe Symbolkraft. Jetzt, wo ich das äußere, fällt mir ein, dass ich sie nie gefragt habe, warum sie mir diesen Namen gaben. Nun kann ich es leider nicht mehr, denn meine Mutter, die Romy, ist kurz nach meiner Geburt gestorben. Ich habe eine Zwillingsschwester, die Teiram heißt. Im Moment vermisse ich meine Mama verdammt viel. Romy war eine außergewöhnliche Frau, so wurde mir von klein auf erzählt, sie hatte einen bewegten Lebenslauf und war von herausragender Sensibilität und Vitalität. Ein absolutes Glück für unseren Papa Randy, der sonst wohl nicht so gut und glücklich durchs Leben gekommen wäre. Der wäre vielleicht sogar, wie manche seiner Kollegen, im Suff versackt.

Ich bin froh, in der WG Tetranthropos und später in der Dorfgemeinschaft Ecovillage Amor aufgewachsen zu sein. Ich habe im Grunde nur gute Erinnerungen daran. Ich fühlte mich frei, genoss die Anwesenheit der vielen Erwachsenen und konnte mich optimal weiterentwickeln. Randy war in der Tat nie der klassische väterliche Einzelerzieher; stets waren viele Frauen und auch ein paar Männer an unserer Erziehung beteiligt.

Im Moment bin ich etwas angespannt. Ich habe nämlich den Eindruck, dass alle oder zumindest sehr viele von mir erwarten, dass ich die Rolle von Amor, dem Gründer von Tetranthropos, übernehmen und eine Art geistige Führerin sein soll, ein Wegweiser, ein Kompass für die andern. Doch das macht mich echt fertig, das übersteigt deutlich mein Stresspotential. Ich bin doch jung und möchte, und muss auf jeden Fall, noch jede Menge lernen. Naja, vielleicht bilde ich mir eine solche hohe Erwartungshaltung von Seiten der andern bloß ein, übertreibe es zumindest ein bisschen.

Aber nicht zu viel auf einmal. Ich werde noch etliche Gelegenheiten haben, um mich an Euch, liebe Leserinnen und Leser, zu wenden. Und darauf freue ich mich riesig.

Ich ahne, da kommt noch so Manches auf uns alle zu, und ich kann jetzt schon versprechen, dass es wohl niemals langweilig werden wird. Na dann, los geht’s: tauche in unsere Welt ein, sei wach und kritisch, eile mit Weile und melde Dich, wenn Dir danach zumute ist.

Bis zum nächsten Wiedersehen!

Rosalba

1. AMOR NERVT RANDY

Im Frühling 2041 stolziert Randy durch den frühlingshaft duftenden Wald der Ortschaft Threefolding, in der Nähe von Tetranthropos, der Wohngemeinschaft, die ihn vor etwa 20 Jahren aufnahm. Hier im Grün des Waldes fühlt er sich zu Hause, verbunden, voll angenommen, so wie er ist. Keine Kritik, keine Erwartungen, keine Missgunst. Er hört Vogelstimmen, nimmt seine Schritte wahr und spürt die Morgenfrische. Alte Herbstblätter bedecken den Weg, abgefallene Zweige, ein paar ausgetrocknete Früchte. Erste grüne Knospen sprießen. Er denkt an nichts Besonderes, ist ganz im Hier und Jetzt versunken, ganz eins mit der Natur. Hie und da bleibt er stehen, seine Sinne haben etwas entdeckt, was seine Aufmerksamkeit anzieht.

Plötzlich wird die Stille unterbrochen. Randy hört Amors Stimme: „Das Absolute, das SEIN ist. Ich bin, … wir alle sind im Sein, mit der Möglichkeit der Freiheit zur Entwicklung, zum Werden im Sein, zum bewussten Werden im Sein.“

„Was soll das denn?“, fragt sich Randy. „Hat der nichts Besseres zu tun, als mich hier zu überfallen? Langweilt er sich etwa?“ Aber Amors Stimme fährt fort: „Jeder umgesetzte Willensimpuls hin zu mehr Bewusstsein, aus unserer einmaligen individuellen Perspektive, schenkt sich dem Sein. Somit wird mit jedem bewusst gelebten Ich-Moment das Sein seiner Selbst mehr und mehr bewusst. Oder besser gesagt, wenn das Sein Bewusstsein wird, erkennt es sich sozusagen selbst im Spiegel. Ein Seins-Metabewusstsein entsteht. Das ist der eigentliche Sinn der Entwicklung.“

„Amor!“, schreit Randy jetzt laut und genervt. „Falsche Zeit für deine Lebensphilosophie. Bitte, lass mich jetzt allein in Ruhe hier im Wald.“

Dann ist es wieder still. Hatte er das geträumt? Oder waren die köstlichen Beeren, die er vorher verzehrt hatte, etwa giftig? Er schlendert ein paar Schritte weiter, aber dann geht es wieder los. Amor lässt sich nicht stören und doziert gemütlich weiter, so als ob er Randy nicht gehört hätte.

„Der Mensch, als Repräsentant des ‚Beziehungsfeldes‘, ist die verbindende dritte Kraft zwischen den alltäglichen Polaritäten. Er leidet immer nur an den eigenen Erfahrungen, Identifikationen und Bewertungen, niemals am Sein an sich. Das Sein trägt ihn lediglich.“

„Erzähl mir das später, Amor!“, äußert sich Randy jetzt echt verärgert. „Und überhaupt, hast Du mir das nicht eh schon hundertmal erzählt?“ Randy ist die Lust am Eintauchen in die Waldenergien vergangen und er flüchtet in Richtung Waldhütte. Amor ist nicht mehr zu hören. Leider ist die nährende Energie von vorhin verflogen. Randy sieht nicht einmal mehr die schönen frischen Pflänzchen, die am Wegesrand locken.

_____________

Rosalba und Theophanis sitzen, wie jeden Nachmittag am Amorhof zusammen auf einer Bank, wo sie gemeinsam meditieren und danach noch etwas plauschen. Sie sind ein erstaunlich gegensätzliches Gespann. Sie jung, er alt, sie mit sehr kurzen weißen Haaren, er mit langen grauen und wallenden Haaren, sie im weißen Kaftan, er in farbiger Hippiekleidung. Plötzlich hören sie gleichzeitig etwas: Rosalba von außen und der schwerhörige Theophanis hört es innerlich. Meist wird er T-Man oder einfach T genannt. Amor, was auch immer ihn heute reitet, hat sich neue Opfer auserkoren:

„Hallo ihr beiden. Was ich euch schon immer mitteilen wollte: Ymor musste uns verlassen. Sie hat eine Mission in einer anderen Dimension der Realität. Zum Abschied schenkte sie mir Voluptas und ich ihr Ambrosia. Bald werdet ihr zwei die beiden Repräsentanten der transpersonalen Ebene in der Gemeinschaft sein.“

T-Man und Rosalba schauen sich verdutzt an.

„Was war das denn für eine Mitteilung?“, fragt Rosalba.

„Sollen wir jetzt Joseph, Kena und Georg, die drei Weisen aus Tetranthropos, ersetzen?“, scherzt T-Man.

„Und wenn er es ernst gemeint hat?“

„Ich glaube, der hat gestern ein bisschen zu viel Met zu sich genommen.“

Sie schauen sich an und lächeln. Eigentlich sind sie Eingebungen von Amor gewohnt. Genauso wie die spezielle Kommunikation zwischen ihnen: Rosalba untermauert ihre Worte mit Gesten und T kann von den Lippen lesen. Aber diese Intervention Amors ist aus der Reihe gefallen. Doch nun schweigt Amor. Ist er etwa beleidigt?

Nach einiger Zeit, als sie sich wieder gefasst haben, fragt Rosalba: „Warum ging die Beziehung zwischen Dir und G-Woman eigentlich auseinander?“

T-Man blickt Rosalba, der hübschen jungen Frau, tief in die Augen. Er lächelt, zupft an seinem langen Bart und seufzt: „Warum willst Du das wissen? Es stimmt, darüber habe ich oft nachgedacht. Weißt du, am Anfang einer Beziehung freut sich jeder mit dem anderen zu sein. Du liebst den andern, wie er ist. Nach einiger Zeit schleichen sich dann langsam Erwartungen ein. Daraus ergeben sich Enttäuschungen. Wenn dann auch noch die Kommunikation nicht bestens verläuft, verliert die Beziehung an Anziehungskraft. Schaffen es allerdings beide, sich auf höherer Ebene zu verständigen, dann sind sie auf einem gemeinsamen Entwicklungsweg. Leider habe ich das trotz bester Voraussetzungen mit G nicht geschafft.“

Rosalba hält dem Blick stand und hört ihm interessiert zu.

„Bist Du wunschlos glücklich, Rosalba?“, will er seinerseits wissen.

„Eigentlich schon, vor allem seit ich gelernt habe, meine Wünsche loszulassen und trotzdem zufrieden zu sein. Meine Wünsche und mein Wille, das sind zwei Paar Schuhe. Wünsche werden meist von außen getriggert, Wille ist von innen erarbeitet. Ich versuche das Leben so anzunehmen, wie es sich zeigt, statt es immer wieder negativ zu bewerten oder es auf Biegen und Brechen verändern zu wollen. Jammern hilft halt nichts, ist eine einzige Energieverschwendung. Ich ziehe die halb vollen Gläser den halb leeren vor. Ich will, was ‚Es‘ will – in diese Richtung versuche ich Verantwortung zu übernehmen. Ich bleibe dabei achtsam für Zeichen, die mir bestätigen, dass ich auf dem richtigen Weg bin.“

„Das erinnert mich an meine neueste Erkenntnis.“

„Oho, da bin ich aber gespannt. Hast Du wieder gedacht?“, fragt sie mit einem leicht ironischen Unterton.

„Ja, hör mal zu. Ich mute Dir jetzt mal einige mutige Gedankensprünge in geraffter Form zu. Von 1-3-4, der ‚integralen Dreigliederung zum vierten Weg der Liebe‘ zu 1-3-5. In anderen Worten, 134, das heißt von der Eins, der Ganzheit über die Drei, die Dreigliederung zur Vier, dem integralen vierquadrantischen Menschsein. Andererseits 135, von der Eins, dem höchsten Willen, als Teil des Absoluten, zur Drei, der dreigliedrigen Seele des Menschen, dem Denken, Fühlen und Wollen, hin zu dem echten Menschsein, das durch die Fünf repräsentiert ist.“

Typisch T-Man. Wer braucht da nicht zusätzliche Erklärungen?

„Die Fünf ist in vielen östlichen und westlichen Kulturen die Zahl der Liebe als unteilbare Summe der männlichen Zahl drei und der weiblichen Zahl zwei. Fünf ist die Zahl des Menschen, des Mikrokosmos, zugleich aber auch die der Wahlfreiheit. ‚Der Mensch hat sich zu einer Vierheit entwickelt, zu einem Wesen der Schöpfung, aber auf der Erde tritt zu ihm das fünfte Glied, das Geistselbst. … Er ist dadurch frei geworden, dass er auf der Erde die Keimanlage zu dem fünften Glied, dem Geistselbst, bekommen hat‘, meinte schon seiner Zeit Rudolf Steiner.“

„Ich weiß, … die äußeren materiellen, die körperlichen, die inneren seelischen, die integral-beobachtenden und die universellgeistigen Ebenen des Menschen. Oder auch die 5 als die Spitze, die Ecken und die Mitte der Basis des Tetraeders. Du kriegst nie genug von solchen Gedankenspielen, nicht wahr? Du magst sie einfach.“

„Absolut!“

„Mich machen sie aber manchmal müde, einfach müde. Sie sind mir dann zu einseitig.“

„Wie meinst Du das, Rosalba?“

Sie legt ihren Kopf auf seine Schulter und ihren rechten Zeigefinger auf seinen Mund. Er gibt nach und sagt nichts mehr. Sie sitzen jetzt einfach auf der Bank und lassen sich von der Sonne bescheinen.

Er wollte gerade noch ergänzen, dass man ein Tetraeder schon mit der 5 in Zusammenhang bringen könnte. Er kommt nicht umhin innerlich weiter zu spinnen. Er denkt, die Beziehung mit Pi, also 3,1416 sei aber noch interessanter. Denn, die 3 drücke dabei Gurdjieffs Gesetz der Drei aus, die 1 die Einheit, die sich in den 4 Seiten des Tetraeders zeigen kann, also die Drei erhöht zur Vier, oder auch die 1 erkennbar in den 6 Tetraeder-Kanten. Letztere stellen den Ablauf eines Prozesses dar, als Gesetz der Sieben, wie es im Enneagramm der Fall ist.

Aber er schweigt.

_____________

Randy ist mittlerweile in der Waldhütte angekommen. Gertrude oder G-Woman, wie sie auch genannt wird, schaut ihm verführerisch in die Augen. Randy ist verwitwet und G-Woman lebt, wie gerade erwähnt, nicht mehr mit T-Man zusammen. Beide feiern hier in der Hütte eine tantrische Auszeit. Es war ihre Idee. Lange war Randy nicht so richtig dafür zu begeistern. Dann ließ er sich doch noch überreden. Es gibt ihm vor allem die Möglichkeit, ausgiebig im Wald zu verweilen.

G sitzt knapp bekleidet auf dem uralten, moosgrünen, samtüberzogenen Sofa. Sie steht langsam auf und nimmt einen Eiswürfel aus ihrem Drink, den sie soeben aus dem sonnengetriebenen Kühlschrank geholt hat. Dann fängt sie an, damit ihre Brustwarzen langsam und lasziv zu massieren. Sie stöhnt, drückt Randy den Eiswürfel in die Hand und bittet ihn weiterzumachen. Ihre Brustspitzen werden steifer und strecken sich ihm verführerisch entgegen. Das sympathische Nervensystem ist am Werk. Randy zögert zunächst, ehe er sich traut. Er kann den Nippeln nicht widerstehen, berührt sie mit den Lippen; seine Zunge spielt mit ihnen. Er saugt lustvoll und knetet gleichzeitig ihre zarten Brüste mit seinen Fingern. Dann streift er ihre Lippen mit dem Eiswürfel, die voller Begierde sind, und küsst sie innigst.

„Das reizt mich. Du reizt mich“, flüstert sie ihm ins Ohr. Daraufhin schmeißt er den Eiswürfel hinters Sofa, reißt sich sein T-Shirt vom Oberkörper, zieht ihr das letzte Kleidungsstück aus. „Nicht so hastig, sei nicht so gierig.“ Recht hat sie, denkt Randy, nimmt etwas von dem Rosenöl, das er selbst zubereitet hat und massiert ihren ganzen Körper damit. Mal sanft, mal fester, bis beide Körper glitschig aneinander gleiten.

Vor lauter Verlangen merkt Gertrude nicht, dass sie ihn kratzt. Dabei erhöht der leichte Schmerz noch sein Verlangen. Ihre Zungen kämpfen und spielen zugleich, getrieben von der lustvollen Erwartung, mit dem andern eins zu sein.

____________

In Sizilien sind Pietro, Irahkusinol, oft Ira genannt, und ihr Freund Kevin bei ihrem Vater Luigi und seiner zweiten Frau Kushala zu Gast. Luigi ist ein reicher Geschäftsmann, böse Zungen munkeln, er sei ein Mafioso. Die schwarz-weißen Gangsterschuhe an seinen Füssen würden ihnen recht geben. Ein dünner Schnurrbart, gegeltes Haar, eine goldene Halskette und die Gamaschen deuten ebenso in diese Richtung. Der enge Familienclan sitzt auf der Terrasse zu Tische. Sie speisen üppig und hören dabei die Nachrichten: Heute Morgen hat es eine starke Sonnen-Eruption gegeben. Ein Sonnensturm wie in den Jahren 1847, 1859, 1921, 1940, 1956 und 1972 ist nicht ausgeschlossen, gilt aber als wenig wahrscheinlich. Zur Erinnerung: Beim letzten Mal gab es schwere Störungen in der Telegraphie, an Signalanlagen der Bahn oder bei der Stromversorgung. Moderne Computer und eine Menge Spezialisten haben das heutzutage alles bestens im Griff. Dazu kommt, dass die Risikozone für extreme geomagnetische Stürme nach Erkenntnissen der Wissenschaftler meist zwischen dem 50. und 55. Breitengrad auftritt. Italien ist davon kaum betroffen.“

„Da liegt Tetranthropos schon etwas ungünstiger“, meint Kushala. Das ist die Lebensgemeinschaft, in der sie vor ihrer Heirat mit Luigi lebte.

„Keine Sorge, meine Liebste, Du hast doch gehört, dass sie alles unter Kontrolle haben“, beruhigt Luigi sie.

_____________

Von solchen Nachrichten bekommen T-Man und Rosalba nichts mit. Sie schirmen sich möglichst von Alltagsnachrichten ab. Sie philosophieren weiter, genießen den Gedankenaustausch, haben einfach Spaß an Wortspielereien.

Rosalba kommt auf Ts 135-Theorie des echten Menschseins zurück: „Mir gefällt die 1-3-5 als Weg für den vollkommenen Menschen besser als die 2-4, Charakteristik des unbewussten Menschen. Mentale Logik, polares Denken - rechts, links, gut, schlecht, konservativ, progressiv, männlich, weiblich, ohne Ausgleich, ohne vermittelnde Kommunikation im ‚Beziehungsfeld‘ als drittes Element, finde ich herzlos. Das klingt rein mechanisch, wie ein Computer, der nur 0 und 1 kennt.“

T unterbricht sie mit einer Ouspensky-Aussage über die Zweiheit, eine Behinderung wahrer Erkenntnis: „Der Dualismus ist das Haupt-Idol, befreien wir uns von ihm.“

„Genau“, bejaht Rosalba spontan, „unzählige Konflikte entstehen durch das Aufeinanderprallen von Gegensätzen, überall auf der Welt. Und dazu kommt oft die rein materielle Sicht beim Handeln, repräsentiert durch die 4 und symbolisiert durch das Quadrat. Wie harmonisch dagegen die Einheit, der Dreiklang und die 5 als Geistselbst des Menschenwesens. Oder nicht?“

„Du sagst es.“

T-Man ist glücklich, wenn er verstanden wird. Und das tut er in diesem Moment. Da fühlt er sich im Sein angekommen oder zumindest nahe dran. Er nimmt Rosalbas Hand und drückt sie, was sie geschehen lässt. Sie spürt, wie seine Theorien für ihn zur Realität werden. Einfach schön!

„Wo stehst denn Du auf dem Weg zum echten Menschwerden, Rosalba?“

„Mir liegt eher das praktische Üben auf meinem Weg zu innerer Harmonie. Etwa wenn ich versuche, statt mich zu ärgern, mich nicht mehr ärgern zu lassen. Dann liegen die Verantwortung und die innere Freiheit der Möglichkeiten bei mir selbst.

Die äußeren Fakten sind wie sie sind, aber bei den Interpretationen unserer Wahrnehmungen bestehen viele Möglichkeiten. Ich übe auf die Fakten zu reagieren, nicht so sehr auf meine subjektiven Einschätzungen dieser Realität. Also schlussendlich auf mich selbst. Meine Gehirnwindungen, die von alten Erfahrungen, Informationen und Denkgewohnheiten geprägt sind, suggerieren mir oft voreilige, selektive und vereinfachende Schlüsse.

Also muss ich mich enthalten, spontan und schnell zu reagieren. Das verändert schon sehr viel. Meine Wahlfreiheit nimmt zu. Und dabei weiß ich natürlich auch, dass die Welt für mich ist, wie ich sie persönlich sehe: Ich bin eine Bewusstseinsperspektive des Seins, des ICH BIN.“

„Ja, ja, unsere Bewertungen … die wir allzu oft für die Wahrheit halten. Nicht aus dem Wissen, sondern aus dem Gefühl heraus. Die bessere Lösung ist vielmehr die Orientierung an den Werten unseres höchsten Gewissens.“

„Mein Gewissen sagt mir, dass ich jetzt endlich nach Hause sollte, der Abwasch von heute Mittag wartet auf mich.“

____________

In der Hütte knistert das Feuer. Randy schaut G zu, wie sie eine leckere Pilz- und Kräuterpfanne zubereitet. Der Geruch erfüllt den ganzen Raum. Ihre langen, gewellten Haare, mit drei Blumen geschmückt, hat sie hochgesteckt und mit einem grünen Zweig befestigt. Es ist angenehm warm und G hat nur eine Schürze um, und wie gewohnt verrückte Armbänder und Ringe. Randy sitzt auf der Holzbank, schnitzt an einem Holzstab. Er genießt es, liebevoll auf Gertrude zu blicken. Dabei erregt es ihn sehr, ihre Brüste seitlich ansatzweise zu sehen. Das war schon immer eine seiner Fantasien, sich auf diese Art und Weise, reizvolle Brüste vorzustellen. Er findet auch, dass ihre nackten Füße die schönsten Füße der Welt sind. Er erinnert sich gerne an Momente, in denen sie ihn damit unter dem Tisch zwischen seinen Schenkeln streichelte. Dann war er ihr hilflos ausgeliefert und das wusste sie. Diese Empfindung wird nur noch durch die unwiderstehliche Kombination ihres Lächelns und ihrer schwarzen Augen übertroffen. Schaut sie ihn verführerisch an, ist er gar nicht mehr zu halten. Ein Prickelfestival im Anmarsch, Gänsehaut pur, inneres Brodeln, vulkanisches Erregungspotential. Aber noch ist es nicht so weit.

Die Vorstellung einer Nachspeise, bei der sie sich die Früchte gegenseitig in den Mund stecken und von der Haut ablecken, beflügelt seine Fantasie umso mehr. Einen Augenblick lang kommt ihm Romy in den Sinn. Verdammt lang ist es her. Vielleicht könnte er G auch einfach auf die Tischkante hochheben, sie ausgiebig riechen; sie duftet so verdammt gut. Er möchte jeden Fleck ihrer Haut erkunden und in jede Öffnung ihres Körpers gelangen. Unwiderstehlich!

Draußen scheint die Sonne und beide ahnen nicht im Geringsten, was sich nicht weit von hier zusammenbraut.

2. WIE WIR LEBEN WOLLEN

Peili, Nexus und Volo, weitere drei Bewohner von Tetranthropos und Amordorf, sind auf ihrer Reise in einem Ökodorf in Skandinavien angelangt. Dort hören sie folgende Nachrichten: „Die Auswirkungen eines kleinen Sonnensturmes sind für morgen, spätestens übermorgen zu erwarten. Einige lokale Stromversorgungsschwierigkeiten sind dabei nicht auszuschließen. Kommunikationsbeeinträchtigungen sind ebenfalls möglich, weil Sonnenstürme im Extremfall Satelliten in ihrer Funktion beeinträchtigen können. Eine gewisse Menge an elektrisch geladenen Gasen, sogenannten Plasmawolken, sind nach einer Sonneneruption ins All gelangt. Wir haben gestern darüber berichtet. Die nationale Flugbehörde schließt Verschiebungen im Flugverkehr nicht aus. Informieren Sie sich vor Flügen bei Ihrer Fluggesellschaft. Wir werden Sie auf dem Laufenden halten. Und nun etwas Unterhaltung …“

„Glaubst Du, wir müssten uns sorgen?“, fragt Volo und kuschelt sich schutzsuchend an ihren geliebten Nexus.

„Mal eine andere Art Turm, dieser SonnensTurm“, blödelt Peili.

____________

Am nächsten Tag, am selben Ort, zur gleichen Zeit sitzen Rosalba und Theophanis auf ‚ihrer‘ Bank und was tun sie? Sie reden miteinander.

T-Man hakt zum Thema Gewissen nach: „Sind wir uns einig, dass Bewusstsein das beste Mittel für einen Zugang zu unserem höchsten Gewissen darstellt?“

Rosalbas Reaktion lässt nicht auf sich warten: „Absolut. Lieber Bewusstsein fördern als fordernde, lustfeindliche und intolerante Moralansprüche stellen. Früher grenzte man diejenigen aus, die man als ungläubig abstempelte. Heute sind es diejenigen, die man als unwissenschaftlich bezeichnet, das heißt, die dem rein materiellen Credo nicht folgen. Polarisierung erzeugt Konflikte, während hingegen ein freier Dialog unterschiedlicher Meinungen zu tragbaren Lösungen führt.“

T-Man lächelt Rosalba wohlwollend an.

„Du weißt, ich halte mich gerne an die Astrologie. Sie zeigt uns die vorhandenen Energien und ihre Schwingungen an, innerhalb und außerhalb von uns. Sie gibt uns Möglichkeiten, wie wir das Anstehende in Freiheit bewältigen können, individuell und kollektiv. Mögen wir sie nutzen oder auch nicht. Wenn wir uns nicht entscheiden, dann entscheidet das Leben. Die Konsequenzen unserer Entscheidungen, die mal mehr, mal weniger bewusst und willensimpulsiert ausfallen, tragen wir immer. Aber nicht als Belohnung oder Bestrafung, sondern als logische Konsequenz.“

Rosalba ist voll im Thema und wirft ein: „Irren kann eine Chance sein: wir können aus Fehlern lernen und uns weiterentwickeln. Über Erfolge freuen wir uns. Wir empfinden Zufriedenheit und inneren Frieden. Die Erfolgschancen steigen, je mehr wir in Kontakt mit unserem höchsten Gewissen sind. Andernfalls ist es eher eine Trial-and-error-Angelegenheit. Allerdings scheint es nie eine gute Lösung zu sein, Irrenden Vorwürfe zu machen, sie zu beschuldigen oder sie gar auszuschließen. Vielmehr sind offenherzige Gespräche mit den Betroffenen vonnöten, und zwar auf dem höchstmöglichen Bewusstseinsniveau, wie es uns der ‚Spiral-Dynamics-Ansatz‘ zeigt.“

„Denkst Du an den verlorenen Sohn im Lukasevangelium?“

„Wie kommst du denn darauf? Aber ja, eine schöne Geschichte, denke ich. ‚Du kannst‘, finde ich ein wunderbares Motto, ‚du musst nicht‘. Die Freiheit und ihre Möglichkeiten stehen dabei im Mittelpunkt. Ich denke, wenn Du nach dem physischen Tod wieder in die geistigen Sphären trittst, wirst Du eh dort aufgenommen, was auch immer Deine Entscheidungen im irdischen Leben waren. Du bist eine Zelle von einem großen geistigen Organismus. Und das wirst Du immer bleiben. Dankbar wird Deine Lebensperspektive integriert, wie bescheiden Dein Beitrag auch sein mag. Kostbar ist er allemal, da einzigartig. Aber jetzt rede ich ja fast wie Amor.“

„Ist doch ok, Rosalba.“

____________

Im Amordorf sind Sonnenstürme höchstens ein Nebenthema. Zu sehr ist die Gemeinschaft mit ihrer eigenen Entwicklung beschäftigt. Starostka, ehemalige Bürgermeisterin von Threefolding, sitzt mit ihrer Freundin Regina beisammen. Beide sind das Doppelgespann, das die Gemeinschaft organisatorisch vorantreibt. Die Zukunft ist wie so oft ihr Gesprächsstoff. Stara, wie Starostka meist genannt wird, trägt wie immer ein weißes Hemd mit Weste, dazu eine enganliegende schwarze Lederhose. Sie hat eine sportliche Figur, trotz der etwas breiteren Hüften und dem üppigen, aber knackigen Po. Ihre Haare sind mal lang, mal kurz, mal glatt, mal gewellt, mal blond, mal rötlich. Heute ziert, wie bei Regina, eine blaue Strähne ihr kurzes, braunes Haar. Regina ihrerseits ist wie immer sportlich angezogen, ganz im Blauton ihrer Augen. Beide teilen sich seit kurzem ein Geodetic Dome House, wo sie es sich heute bei einem leckeren Kakao und frischen Croissants gemütlich machen.

Sie sprechen über den gestrigen Abend, an dem Stara der Community ihr neuestes Manifesto ‚Wie wir leben wollen‘ vorgestellt hat. Die wesentlichen Eckpfeiler dieses Vorhabens lauten:

Wir sind

Zellen eines großen Ganzen

.

Wir gehen vom egozentrischen und ethnozentrischen

Denken zu

weltzentrischem und kosmozentrischem Denken

über.

Wir lassen alte, nicht mehr zeitgemäße Vorstellungen los und gestalten gemeinsam die Zukunft in einem

solidarischen co-kreativen Prozess

. Gemeinschaft und Gemeinwohl statt Geld anhäufen, Profitmaximierung und Konkurrenzdenken.

Wir

agieren lokal

und

vernetzen

uns

global

.

Wir pflegen eine positive, optimistische Herangehensweise im Sinne eines

halb vollen Glases

und eines

sonnigen Gemüts

.

Mein transpersonaler Kern

ist der Ort, an dem sich jeder verankern kann und wo er mit allem in einem übergeordneten Energiefeld zusammenschwingt.

Wir achten und pflegen unseren irdischen

Körper

auf allen Ebenen:

Ernährung, Bewegung, Sexualität, Berührung, Energie, Atmung usw.

Wir versuchen, wenn immer nur möglich, eine vielperspektivische

integrale Sichtweise

einzunehmen.

Wir wollen uns weiterentwickeln, unsere Schattenseiten integrieren und unser

Bewusstsein erweitern

.

Wir wollen Lebensfreude, Glück, Lachen, Schwingung, Wärme, Verzeihen, Vertrauen, Empathie … verschenken und

mit allen teilen

.

„Wie war’s für Dich, Stara?“

„Die Diskussion fand ich ganz ok, nur störten mich die Interventionen, die meinten, das Thema Sonnenstürme sei wichtiger als Zukunftsfragen.“

„Genau, das war nicht sehr aufbauend. Mich treibt aber weiter die Frage herum, ob es nicht doch ein Fehler war, das Thema Demokratie und Geld im Manifesto außen vor zu lassen.“

„Wir waren und sind uns doch aber einig, dass es allgemeiner gehalten sein sollte. Weniger politische Forderungen wie Volksgesetzgebung, Vollgeld oder bedingungsloses Grundeinkommen.“

„Ja schon, aber ich glaube, wir beide sind uns in Punkto Demokratie nicht mehr so einig, wie es mal war. Ich habe das Gefühl, Du stellst in letzter Zeit die Universalität der direkten Demokratie in Frage. Eine Elite gewählter unabhängiger Intellektueller sollten uns regieren oder wie stellst Du Dir das vor?“

„Nein, so kann ich das nicht stehen lassen. Also: lieber Intellektuelle als Demagogen, Autokraten oder Populisten, die nichts anderes als emotionales Herumquatschen zu Stande bringen. Jeder Bürger sollte das gleiche Recht haben, zu diesen Intellektuellen zu gehören. Weder Erbrecht noch Parteienprivilegien, sondern integrale multiperspektivische Bildung sollte die Voraussetzung sein, zur Regierung zu gehören. Bedingungsloses Grundeinkommen und gleiche Chance zur Bildung absolut für alle Bürger. Dann ist jeder frei, aktiv Politik zu betreiben oder einfach nur zu wählen.“

„Aber auch partizipative Demokratie sollte nicht fehlen z.B. bei einzelnen Sachfragen oder zwecks Rücknahme eines Mandats unter bestimmten Voraussetzungen, oder?“

„Darüber kann man reden. Neben den Stimmen für Jemanden wäre mir auch die Möglichkeit gegen Jemanden zu stimmen sehr wichtig. So würde man Extremisten und vorprogrammierte Polarisierung von vornherein ausschließen können.“

„Kommen wir doch auf gestern zurück …“

„… aber nicht, bevor das nächste Croissant dran glauben muss!“

__________

In Sizilien tummeln sich Kevin und seine Freundin Ira wie Frischverliebte am Strand herum. Nicht immer herrschte solche Harmonie, sie haben schon mehr als eine Trennung hinter sich. Doch im Moment ist das alles vergessen. Beide sind Rockmusiker und ihre Band macht gerade eine Tour- und Aufnahmepause. Das tut beiden gut und sorgt für die nötige Entspannung. Sie haben vor, die Nacht am Strand zu verbringen. Mit Sekt, guter Musik und Tanz, Nacktbaden und einfach die funkelnden Sterne im Meeresspiegel genießen.

Die Vorfreude ist groß. Ira meint, das Leben gewinne so an genussvoller Qualität. Kevin bestätigt, dass auch für ihn dieses kribbelige Gefühl der Erwartung, diese Mischung aus Glücks- und Angstgefühlen etwas Besonderes sei.

Ira liebt ganz besonders, spezielle soziale Momente. Sie teilt gerne kulturelle oder natürliche Highlights mit Freunden, bei einem Konzert oder auf einem Berggipfel. In Gegenwart eines Geliebten können es aber auch ganz banale Momente sein, wie miteinander im Zug sitzen oder einfach herumschlendern. Gefühle sind zwar subjektiv, aber ein gemeinsames Energiefeld teilen, ist einfach wunderschön und durch nichts zu ersetzen.

Kevin betont immer wieder, wie atemberaubend das Funkeln in Iras Augen in solchen Momenten ist. Auch heute erhofft er dieses sublime Leuchten in ihren Augen. Er kostet gerade diese Vorstellung aus, als sie plötzlich fragt:

„Kevin, machst Du Dir Sorgen wegen dieser Sonnenstürme?“

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T, dessen Beuys-Hut seine langen grauen Haare wie gewohnt bedeckt, zupft an seinem wallenden Bart: „Jetzt vertrau ich Dir etwas an, was wenige Menschen von mir wissen. Ich hatte vor langer Zeit eine Nahtoderfahrung. Ja, tatsächlich. Ein neues Gefühl für mich. Ich erlebte ein komplettes Loslassen von Konzepten, erweiterte mich in eine Art Licht-Liebesraum und fühlte mich vollends angenommen, wie ich war, ohne Wenn und Aber. Schon merkwürdig. Sowas hätte ich nicht für möglich gehalten. Dieser Transformationsmoment des Sterbens hat nichts mit den üblichen Konzepten des Todes zu tun. Er bestätigt voll und ganz das, was Du vor ein paar Tagen über das Eintreten in geistige Sphären nach dem physischen Tod gesagt hast.“

T und Rosalba spüren eine Eintracht, die sie beide mit Demut und Dankbarkeit erfüllt.

T-Man denkt an Volo, die immer betont, dass extreme Ordentlichkeit und Sauberkeit, sowie Sicherheitsfanatismus eine Art Agenten des Todes sind. Auch kalte Technologie ist ein zusätzlicher Versuch, das Lustbetonte im Menschen unter Kontrolle zu bringen oder gar zu unterdrücken. Für manche Menschen scheint Ekstase eine Horrorvision zu sein. „Gefährlich, gefährlich“, pflegt Volo dann zu sagen. Theophanis muss innerlich herzlich lachen.

„Spiritualität ohne Integration des sogenannten Animalischen auf einer höheren Ebene bleibt eine hohle elitäre Floskel“, wiederholt sie ebenfalls öfters.

T-Man ist heute voll in Schwung und kann sich nicht enthalten zu berichten: „Rosalba, weißt Du was? Ich habe eine neue Landkarte des Menschen entwickelt, die ich TM-9 getauft habe, ausgesprochen ‚ti-äm-nein‘.“

„Oh nein! Ist der Name Deiner Karte etwa ein Geschenk an Dein Ego?“ fragt Rosalba etwas spöttisch und stößt T-Man augenzwinkernd mit dem Ellbogen in die Hüfte.

„Rosalba, die Landkarte ist als Orientierungswerkzeug gedacht. Sie kann eine Hilfe sein, solange man sich nicht damit identifiziert und sie nicht mit der Realität verwechselt.

Sie hat drei vertikale Dimensionen und drei horizontale Ebenen: jeweils körperlich, seelisch und geistig.

Das Körperliche ist der Sitz meiner Ego-Alltagspersönlichkeit.

Das Seelische meine innere Natur, meine Essenz.

Das Geistige, mein höherer Wille, das ICH BIN.“

Auf die, diese Landkarte ergänzende, soziale Dimension und ihre drei Ebenen, komme ich später noch zu sprechen.“

„TM-12?“, fragt Rosalba etwas schelmisch.

T grinst und zeigt Rosalba ein Abbild seiner neuen Landkarte.

„Das ist nicht uninteressant, T. Aber kannst Du mir bitte einige praktische Verknüpfungen nennen zur besseren Orientierung?“

„Gerne. Die körperliche Spalte kennen wir alle, wir haben ein Dach über dem Kopf, reden miteinander und haben etwas zu essen.

Der inneren seelischen Natur nach sind wir verschieden, individuell subjektiv ausgeprägt. Randy z. B. fühlt sich wohl in der Natur, Kevin hat eine Vorliebe für Musik, wir beide lieben kreatives Denken. Sich Gedanken machen und lieben tun wir alle. Da stellt sich eher die Frage, auf welchem Niveau und mit welchen Ansprüchen wir das tun sowie welche Bewusstseinstiefe wir anstreben.

Verschiedene Begriffe würdest Du womöglich in einem anderen Kasten verorten als ich, z.B. den Begriff Liebe. Ein Austausch darüber würde mir helfen, die Landkarte weiterzuentwickeln.

In der geistigen Rubrik der Werte können klassische Religionen stehen. Außerdem kann wahre Freude echte Verbundenheit mit etwas Größerem bedeuten, was Dich tief berührt, ein Vorahnungsgefühl des Geistigen.“

„Genau, ich sehe, die geistige Dimension begreift Sinnlichkeit und Sinn.“

„Ja, den Sinn und Wert Deiner Existenz, ihr höheres Ziel als geistige Ebene der geistigen Dimension. Die körperliche Ebene der geistigen Dimension, also die sinnliche Erfassbarkeit des Zieles, zeigt, ob der Wille zur Tat geschritten ist und sich konkret manifestiert hat.

Rosalba meint: „Auf den ersten Blick steht deine Sicht im Einklang mit meiner Sicht der drei Realitäten, in denen der Mensch lebt.

Zunächst die materielle Alltagsrealität der Fakten und des Tuns.

Dann die seelischen Perspektiven des Bewertens, wie zum Beispiel Erwartungen, Glaubenssätze, Ängste usw. Man weiß, dass Perspektivenwechsel, genau wie der Wunsch und Glaube an bessere Möglichkeiten, helfen können, die persönliche Realität zu verändern.

Als dritte Realität sehe ich das geistige Universum der Möglichkeiten, die aus Schwingungen verschiedenster Frequenz und aus Energie- und Informationsfeldern bestehen. Multi-Perspektivismus, Mehrdimensionalität, Imagination und kreative Fantasie spielen dabei eine wichtige Rolle. Ein unendliches Energiepotential steht Dir hier zur Verfügung.“

„Ja durchaus, dem kann ich gänzlich zustimmen.“

„Das freut mich T. Aber vielleicht vertrete ich eine andere Sicht, was das Gute, Schöne und Wahre angeht. Das Gute sehe ich als Solidarität im Bereich der Materialität, das Schöne als die Freiheit der Perspektivenwahl und das Wahre als Gleichheit der geistigen Möglichkeiten.“

„Dieses Thema könnte uns in der Tat lange beschäftigen. Leider fehlt mir jetzt die Zeit dazu, aber schau Dir das Ganze mal in Ruhe an, Rosalba. Beim nächsten Mal machen wir dann gern weiter. Ich muss nämlich noch ein paar Freunden bei einer Konstruktionsarbeit helfen. Bis dann.“

Und weg ist er.

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Stara und Regina joggen heute. Noch nicht außer Atem meint Stara: „Ich schlage mich zurzeit öfter mit dem Thema ‚Bevormundung und Manipulation‘ herum. Die Religionen oder vehr ihre Institutionen sind ja echte Champions, um mit Moral und Angst zu manipulieren. Das ist ein ideales Beeinflussungsinstrument, wenn du Massen beherrschen willst. Mitläufer, meiner Meinung nach, eine der größten Gefahren für unsere Gesellschaft, in Friedens- wie in Kriegszeiten, sind ein ideales Ziel für Angstszenarien. Man braucht bloß zu behaupten, irgendeine Minorität nehme einem was weg, was einem eigentlich zustünde. So entstehen Sündenböcke und die helfen Extremisten Machtpositionen einzunehmen. Kirchen, Politiker und Wirtschaftskonzerne wissen es bestens, Menschen mit Angst, Belohnungs- und Bestrafungsfantasien für ihre Zwecke zu missbrauchen. Macht, Geld, Gier sind dabei die bekannten Motive. Das Drohmuster ‚Du musst …, sonst ...‘, das geht mir sowas gegen den Strich.“

„Genau“, meint Regina zustimmend.

„Das Leistungsprinzip geht auch in diese Richtung, wenn auch nicht so deutlich. In vielen Schulen, Betrieben …“

„ … gilt ‚du müsstest‘ als Devise.“

„Regina, Du hast es erfasst. Aber komm, wir machen ´ne kurze Stretchingpause.“

„Gute Idee, Stara.“

Dankbar erholen sich ihre Körper vom Laufen und vor allem vom vielen Reden. Die Bäume ringsherum machen es ihnen vor.

„Neben ‚du musst‘ und ‚du müsstest‘ gibt es dann noch das subtilere ‚du sollst oder du solltest‘. Viele philosophischspirituelle Schulen tendieren in diese Richtung. Sie geben dir die sogenannte Wahrheit vor. Mitläufer, besonders in Sekten, üben dann zusätzlich Druck als Co-Abhängige aus. Wie ich schon sagte, trau ich da eher meinem eigenen Gewissen. Warum sollte mir einer zum Beispiel suggerieren oder gar vorschreiben: ‚Wenn du nicht dies oder jenes machst, dann vergeudest du deine kostbare Lebenszeit. Das steht dir zwar frei, aber dann musst du auf eine höhere spirituelle Entwicklung verzichten.‘

Das ist doch auch eine Art Bestrafung. Sie unterstellen, man komme zwar nicht in die Hölle, aber bestrafe sich selbst!“

Regina schlägt vor, nun die Natur ohne Worte in Stille zu genießen. „Du hast Recht“, erwidert Stara.

3. SONNENSTURM

G träumt davon, wie sie Randy in sich spürt, sich mit ihm hin und her schaukelt und sich dabei selbst lustvoll stimuliert, alle ihre Klitoristeile, ihre inneren und äußeren Schamlippen, die Schwellkörper, den Schaft, die Vorhaut und schlussendlich ihre Eichel. Am liebsten möchte sie synchron mit ihm in den siebten Himmel, von Lustwelle zu Lustwelle durchflutet werden. Ihrem lauten Stöhnen könnte er dann nicht widerstehen. Sie möchte seine neckenden Finger überall auf und in ihrem Körper spüren. Auch in ihrem vaginalen Innenraum, bis sie dort anschwillt, immer mehr. Schlussendlich würden sich ihre Liebessäfte in einer Lustexplosion genussvoll über ihn ergießen.

Währenddessen streunt Randy durch den Wald. Er ahnt nichts von Gs Fantasien, den ausgiebigen Liebkosungen, zärtlichsten Streichel- und Kuschelmomenten und leidenschaftlichem Knutschen. „Keiner kann besser küssen als Du, G“, sagt Randy in solchen Momenten immer wieder und das weiß sie.

Plötzlich huscht ihm ein Eichhörnchen ihm über den Weg und das erfreut ihn.

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Unterdessen meldet Radio Threefolding: „Mehrere zehn Milliarden Tonnen Materie, mit Geschwindigkeiten bis zu sieben Millionen Kilometer pro Stunde, stieben aus den jüngsten Eruptionen aus der Sonnenkorona. Sie entstehen, wenn sich große Plasmablasen über die Sonnenoberfläche erheben. Die Plasmawolke wird voraussichtlich demnächst auf das irdische Magnetfeld treffen und dieses schlagartig zusammendrücken, was in der oberen Erdkruste Ströme induziert. Sie koppeln sich in lange Stromleitungen ein, so dass sich darin hohe Spannungen aufbauen und starke Ströme fließen. Unsere Stromversorgung könnte eventuell bedroht werden. Erste Krisensitzungen finden in den meisten Ländern bereits statt. Bleiben Sie eingeschaltet.“

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Ein paar Tage später sind Rosalba und Theophanis wieder mitten im Gespräch über Ts neue Landkarte.

„Was meinst du mit Humor auf der seelischen Ebene der geistigen Dimension, T?“

„Zwischen Sinn und Sinnlichkeit sehe ich auf der seelischen Ebene die Energien von Mond, Venus und Merkur vereint. Der Mond repräsentiert das Gefühl, an einem schönen Venus-Prozess teilzunehmen. Im Grunde eine archetypisch weibliche Angelegenheit. Merkur, als Kommunikator zwischen oben und unten, gesellt sich dazu. Wenn er seine Aufgabe nicht mit Spaß und Freude macht, dann ist am Prozess etwas faul. Die Tat und das erscheinende Resultat auf der unteren Ebene sprechen mehr für die männlichen Qualitäten von Mars und Sonne.“

„Lass mich raten. Obenhin gehören Saturn und Jupiter, als klärende Strukturierung des Ziels und als Expansion seines Wirkens, oder?“

„Ja, so ungefähr kann ich das gelten lassen. Es expandiert das Gute durch das Schöne ins Wahre, wenn das Ziel erreicht wird.“

„Und die mittlere Dimension? Die mittlere Ebene des Seelischen als Schwingung, sowie die Begriffe ‚Musik‘ und ‚Fühlen‘, inspirieren mich zum Tanzen.“

Rosalba geht auf den erstaunten T zu, nimmt ihn bei den Händen und tanzt spontan mit ihm durch den Raum. Die Kunst der Kreativität webt liebevoll die Ideen in ihre innere Natur hinein. So kommt diese in Bewegung, hin zur eigenen Sinnerfüllung. Inspirierende Ideen, schwingende Rhythmen und erstrahlende Naturerfahrungen können Tore öffnen …

„Die körperliche Dimension bedient schlussendlich die körperlichen Grundbedürfnisse nach Nahrung, Kommunikation und energetischer Erholung“, ergänzt T, nachdem er sich irgendwann außer Atem auf den Stuhl sinken lässt.

„Die zusätzliche vierte, soziale Dimension, repräsentiert die Idee der sozialen Dreigliederung mit Freiheit im kulturellen Bereich, Gleichheit in rechtlicher Hinsicht und Solidarität im wirtschaftlichen Austausch.“

„Ok, ok … das wäre dann, wie schon bemerkt T-12, als Sahnehäubchen, oder?“ fragt Rosalba und schenkt ihm liebevoll einen Kuss auf sein drittes Auge.

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Randy und G wandern händchenhaltend durch den Wald und sind glücklich. Als sie beim Waldbach ankommen, schauen sie sich kurz an, entledigen sich spontan ihrer Kleidungsstücke und hüpfen nackt hinein. Als sie sich gegenüberstehen, pulsiert ihr Verlangen allmählich durch ihre Körper. Er küsst ihre nackte Schulter. Sie reckt sich ihm entgegen und küsst ihn ebenfalls. Haut berührt Haut. Dieses Berühren und Berührt-Werden wird durch die Kühle des Wassers intensiviert. Sie schließt ihre Augen und genießt den Moment. Genuss pur. Er hält die Augen offen und fühlt die innere Nähe zu diesem so geliebten Wesen so richtig. Gleichzeitig liebkost er instinktiv ihren Hals mit seiner Zunge. Dann überrascht er sie mit einem kleinen, erotischen Biss. Sie reißt sich los, springt tiefer ins Wasser und fängt an, ihn mit Spritzen zu necken. Sie spielen wie kleine Kinder und haben vollen Spaß daran. Dabei vergessen sie alles um sich herum. Plötzlich sagt sie „Randy, schmeck mich, überall. Ja, nimm mich jetzt, hier!“

Das lässt er sich nicht zweimal sagen. Unter seinen gekonnten Streicheleinheiten bäumt sich ihr Körper auf und es zuckt wie ein energetischer Blitz zwischen ihren Hüften, ungehemmte Leidenschaft breitet sich aus. Sie sind nur mehr eins.

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Georg, Kena und Josef sitzen beisammen im Institut, ohne Randy. Der ist nicht dazu gestoßen, er nimmt ja ein paar freie Tage mit G-Woman in seiner Waldhütte. Die drei hören, wie viele Menschen, die Nachrichten, die zurzeit sehr beängstigend klingen.

… in einigen Hochspannungstransformatoren der Stromnetze sind die Spulen durchgebrannt. Viele Transformatoren in Schlüsselpositionen wurden zerstört. Die Stromversorgung ist beeinträchtigt, aber es ist noch unklar, in welchem Ausmaß. Nach kurzfristigen Lösungen wird gesucht. Das Problem besteht darin, dass die meisten Länder betroffen sind, vor allem allerdings die nördlichen Länder. Die internationale Vernetzung der Stromproduzenten ist so weit fortgeschritten, dass überall Ausfälle zu erwarten sind.

Die kosmische Strahlung ist in tiefere Luftschichten gelangt. Die Elektronik in Flugzeugen könnte massiv gestört werden und Flugreisende könnten mit höheren Strahlendosen bombardiert werden. So wurden viele Flugrouten vorsichtshalber gesperrt.

Die drei haben zwar schon viel erlebt, aber sowas noch nie. Grund zur Beängstigung?

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„Weißt Du, was das Tetraeder der gesunden Psyche ist?“ fragt Theophanis die Rosalba.

„Nein, aber Du wirst es mir sicher gleich verraten.“

„Wenn die Spitze die ‚gesunde Psyche‘ darstellt, dann besteht die Basis aus einem Körper, der Berührungen von Menschen, Tieren, Bäumen, Pflanzen zulässt. Dazu kommt die Seele, die den sozialen Austausch erlebt: wahrgenommen, gehört oder wertgeschätzt. Als drittes ergänzt der Geist, der einen Sinn im größeren Ganzen gefunden hat, diese Basis.“

„Dafür kriegst Du jetzt einen Tetraeder-Kuss. Du darfst Dir die vier Stellen aussuchen.“ T errötet und sagt etwas verlegen: „Was hast Du gesagt, Rosalba? Du weißt, ich bin doch schwerhörig.“ Sie umarmt ihn herzlich, was er gerne geschehen lässt.

Rosalba denkt gerade, dass sie ihre Schwester Teiram vermisst, die sie auch gern umarmen würde. Aber die ist zurzeit so weit weg, in Pitcairn, auf der anderen Seite der Weltkugel. Da kommt Willi gerade von seiner Ausbildung zurück.

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Nur einen Tag später klingen die Nachrichten immer bedrohlicher. Die Tageszeitung berichtet:

Die Lage spitzt sich weiter dramatisch zu. Hier die Zusammenfassung der Hauptereignisse.

Die Trinkwasserversorgung und die Elektroversorgung sind nur noch stundenweise garantiert. Proviant in den Tiefkühltruhen könnte schnell verderben. Heizungen werden bald nicht mehr für konstante Wärme sorgen können. Viele Kraftwerke stehen still, weil ihnen die Brennstoffe ausgehen. Die Reserven werden schnell knapp werden. Nachlieferungen sind nicht zu erwarten. Strombetriebene Pumpen fallen aus. Somit kann kein Öl und kein Gas durch die Verteilernetze befördert werden. Die Kühlung der Kernkraftwerke bereitet große Sorgen. Die medizinische Versorgung ist stark eingeschränkt, Notstromaggregate werden eingeschaltet. Die Tankstellen rationieren die Mengen oder sind geschlossen, weil die Pumpen ausfallen. Privatverkehr und Warentransport sind massiv gefährdet. Züge, Straßen- und U-Bahnen fahren nur noch unregelmäßig.

Satelliten sind nicht mehr voll funktionsfähig, Computer streiken und dies mit weitreichenden Folgen. Auch das Telefonnetz leidet, der Funkverkehr ist gerade noch funktionsfähig. In den Geschäften gab es Hamsterkäufe, die Regale leeren sich rasch. Es gibt lange Schlangen vor den Geschäften. Nachschub ist alles andere denn garantiert. Internationale Hilfe ist nicht zu erwarten.

Die meisten Menschen sind mittlerweile von den spärlichen, noch übriggebliebenen Nachrichten abgeschnitten. Ein Rest von Internet, Funk, Batterieradios bleibt für einige wenige zugänglich. Von den nationalen Krisenzentralen gibt es nur mehr tröpfchenweise Informationen, mal per Satellit, mal von Amateurfunkern oder über die Fernsehanstalten, insofern sie noch funktionsfähig sind. Aber für wie lange noch? Gerüchte und Verschwörungstheorien nehmen ihren gefährlichen Lauf. Das löst mächtig Angst und Panik aus. Viele sind mittlerweile intensiv damit beschäftigt, ihr Leben im basic mode zu reorganisieren und ihre Familienmitglieder und Freunde zu kontaktieren, was aber immer schwieriger wird. Viele sind irgendwo gestrandet. Mobilfunknetze sind tot, die Akkus der meisten Mobiltelefone sowieso leer und nicht mehr aufladbar. Das schafft Situationen, die derart ungewohnt sind, dass mehr als einer regelrecht ausflippt.

Die Versorgung mit Wasser ist weitgehendst unmöglich, da die Pumpen ausgefallen sind. Das heißt: weder Trinkwasser noch Dusche oder Klospülung. Das Hygieneproblem eskaliert zunehmend. Feuer können nicht mehr gelöscht werden, mit verheerenden Folgen. Rettungsdienste, Feuerwehr und Polizei sind nur mehr teilweise funktionsfähig. Doch das ist noch nicht alles.

Auch die Lebensmittelversorgung ist endgültig zusammengebrochen. Supermärkte sind geschlossen, denn das Personal hat kaum Anreisemöglichkeiten, ebenso die Tankstellen. Der öffentliche Verkehr ist größtenteils inexistent, Regale sind leergekauft, Lieferketten stehen still, Kassen funktionieren nicht mehr. Dazu kommt das Problem, dass das Bargeldabheben jeden Tag schwieriger wird. In der Massentierhaltung sterben die Tiere qualvoll, die Kühe können nicht mehr gemolken werden, Notschlachtungen sind kaum mehr möglich, die elektronische Futtervergabe ist ausgefallen. Die Seuchengefahr steigt massiv. In den Gärtnereien funktionieren Bewässerung, Heizung und Beleuchtung nicht mehr. Suppenküchen werden eingerichtet. Die Kernkraftwerke werden alle heruntergefahren, die Kühlung ist dank Notstromaggregaten noch gewährleistet, aber wie lange noch? Nicht alle Posten sind mehr besetzt.

In den Kliniken werden die Betten knapp, die Geräte auf den Intensivstationen fallen reihenweise aus, die Aufnahmestationen sind hoffnungslos überfüllt. Dialyseeinheiten können nicht mehr die notwendige Arbeit garantieren. Durch Unfälle, Feuer und weitere Umstände nimmt die Zahl der Verletzten dauernd zu. Die Rettungsdienste sind hoffnungslos überlastet. Medikamente werden knapp, Nachschub ist nicht zu erwarten. Alten- und Pflegeheime stoßen an ihre Grenzen, Bettwäsche kann nicht mehr gewaschen werden, Nahrung wird rudimentär und Individualbedürfnisse sind nicht mehr zu befriedigen. Die Zahl der Todesopfer steigt rasant. Notquartiere werden eingerichtet.

Hunger und Durst werden allmählich unerträglich. Der Schwarzmarkt blüht. Die Gewalt nimmt zu, mit sich häufenden Plünderungen und Ausschreitungen. Nationale und internationale Flüchtlingsströme beginnen sich zu formen. Sicherheitsbehörden wie Polizei und Bundeswehr sind bereits jetzt überfordert.

Es wird von Tag zu Tag schlimmer: Panik breitet sich aus. Manche drehen vollkommen durch oder handeln absolut irrational. Kontrollverlust ist an der Tagesordnung. Anarchie bricht aus. Solche Zustände hat noch kein Lebender erlebt. Geht die Welt jetzt unter? Ist das das Ende der Menschheit auf Erden?

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Wie sieht es im Amordorf aus? Zunächst besser als in der Stadt. Gemüse und Fleisch sind noch vorhanden und die Kühe können per Hand gemolken werden. Es gibt genügend Holz und in fast jedem Haus einen Ofen, auch Felle und Decken fehlen nicht. Abends werden Kerzen angezündet. Die Solidarität ist auch selbstverständlich. Hier würde man noch eine Zeit lang über die Runden kommen, wäre da nicht der Zulauf aus der Stadt, in der quasi nichts mehr funktioniert und immer verheerendere Zustände herrschen. Flüchtlinge stranden auch hier zuhauf und die Sitten werden rauer. Regeln werden kaum noch beachtet und die Anarchie wächst und wächst. Der Zusammenbruch des Dorfes naht gefährlich, wenn nicht ein Wunder geschieht.

Zu Peili, Nexus und Volo in Schweden gibt es keinen Kontakt mehr, eben so wenig gibt es Nachrichten von Randy und G-Woman, die nichts ahnen von dem, was sich hier in kurzer Zeit zusammengebraut hat. Aber man weiß wenigstens, wo sie sind. Stara versucht noch eine Zeit lang, ein Chaos im Amordorf zu verhindern. Tatkräftig wird sie dabei von Cantara, Regina und Widad unterstützt – reine Frauenpower. Sie wissen aber so langsam nicht, wie es noch weitergehen kann und wie sie und das Dorf überleben sollen.

Auf einmal taucht Kushala aus heiterem Himmel auf. So eine Überraschung! Wie ist das möglich? Regina hatte ihr kürzlich eine Nachricht nach Sizilien geschickt, als das noch möglich war. Diese ist anscheinend angekommen. Aber sie jetzt leibhaftig hier!?

„Wo kommst Du denn her?“, fragt die verblüffte Stara.

„Direkt aus Sizilien. Wir sind von der ganzen Katastrophe ziemlich verschont. Nur hier im Norden geht ja gar nichts mehr. Ich bin gerade mit Luigi etwas abseits des Dorfes gelandet. Wir haben versucht, das sehr diskret zu gestalten. War gar nicht so einfach, aber das erzähl ich euch dann später. Ich dachte, ich kann euch diesen Zuständen nicht überlassen, euch nicht im Stich lassen. Und dann sind wir einfach los. Wir können zehn Personen mitnehmen. Was machen wir? Wer ist denn überhaupt hier? Und spätestens in zwei Stunden müssen wir los und dann sehen wir weiter.“

Stara hat sich schnell gefangen und fängt an zu organisieren. Zunächst müssen alle erreicht werden, dann bleibt eine knappe Stunde Zeit, ein paar Dinge zusammenzukratzen und auf ins Ungewisse. Einer muss in den Wald, einer nach Tetranthropos und einer in die Stadt. Besonders in letzterer wird es eventuell schwierig werden Cantara, Widad und Regina aufzutreiben. Das will Stara selbst übernehmen. Ohne ihre Freundin Regina will sie nicht weg. Rosalba und T-Man wollen nach Tetranthropos zu Georg, Kena und Joseph. Willi soll zu Randys Waldhütte, um ihn und seine Mutter zu holen.

Eine Stunde später sind fast alle tatsächlich am verabredeten Sammelplatz. Schlechte Nachrichten haben T-Man und Rosalba, denn sie haben keinen der drei Bewohner von Tetranthropos überzeugen können mitzukommen. Stara hatte alle Mühe, die drei Frauen zu finden, vor allem Cantara, aber schlussendlich ist es, wie durch ein Wunder, im letzten Moment gelungen. Gertrude und Randy stehen neben Willi, wie aus allen Wolken gefallen, und sie scheinen noch nicht wirklich zu begreifen, was hier los ist. In vierzig Minuten will Kushala alle mit ihrem Gepäck zu Luigi führen und das, ohne allzu großes Aufsehen zu erregen. Es soll auf keinen Fall ein Kampf um die zur Verfügung stehenden Plätze entstehen.

Eine Stunde später fliegen elf Menschen einer ungewissen Zukunft entgegen. Voller Angst um das Wohlergehen der drei Tetranthroposianer und der drei Schweden-Reisenden.

Was wird Teiram wohl in Pitcairn von dem ganzen Geschehen mitbekommen?

Wo ist Amor?

Ich bin geschockt von der momentanen Situation. Total geschockt.

Wie doch alles noch so harmonisch und rund war vor wenigen Tagen! Ich vermisse meine täglichen Gespräche mit T-Man. Der ist so weise, zen und cool, und außerdem überrascht und inspiriert er mich immer wieder aufs Neue. Deshalb haben wir beide auch so gut wie gar nichts mitbekommen von der schrecklichen Katastrophe mit den Sonnenstürmen. Die Flucht und alles, was kurz vorher und nachher passierte, erlebte ich als niederschmetterndes Trauma. Da hilft leider weder Meditation noch Gespräch, es taugen keine Übungen, keine Theorien über den Menschen und das All. Da muss gehandelt werden.

Mit gemischten Gefühlen bin ich dann mit den andern im Hubschrauber geflohen. Klar, es verschaffte mir ein highmachendes Gefühl des Gerettet-Seins, mit meiner Familie und einigen Freunden. Unbeschreiblich und unfassbar wohl für den, der das noch nie erlebt hat. Traurig war ich trotzdem, dass die drei Älteren nicht mitgekommen sind. Und, unter uns gesagt, sobald Kushalas Mann, der Luigi, mit in einer Sache steckt, wie hier beim Hubschrauberflug, da überkommen mich unweigerlich Zweifel und Bedenken. Der scheint zwar zuvorkommend und hilfsbereit, aber ich weiß nicht so recht, irgendetwas stimmt nicht bei dem, ohne dass ich sagen könnte, was es genau ist.

Luigi bietet uns allen die Insel Pitcairn im Pazifik als Wohnort an, wo Teiram bereits lebt. Trotzdem ist das nicht unbedingt meine Wunschvorstellung, um unser Projekt weiterzuentwickeln. Aber wie heißt es? Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul. Also versuche ich, so gut es geht, diese unerwartete Option als eine Chance zu betrachten.

Hoppla, stopp, stopp. Ich merke, dass ich dem weiteren Verlauf der Story schon vorgreifen möchte. Das kriege ich immer wieder als Feedback mitgeteilt, dass ich wahrlich zu viel auf einmal erreichen möchte. Am schlimmsten empfinde ich es, als überheblich, arrogant, so von oben herab gesehen zu werden. Erträglicher sind Bezeichnungen wie ungeduldig, ehrgeizig oder unsensibel.

Stimmt das denn wirklich? Bin ich so? Ehrlich gesagt, glaube ich das nicht.

Rosalba