Mentoring im pädagogischen Kontext: Professionalisierung und Qualifizierung von Lehrpersonen -  - E-Book

Mentoring im pädagogischen Kontext: Professionalisierung und Qualifizierung von Lehrpersonen E-Book

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Beschreibung

Mentoring als reflexiver Erfahrungsraum und Instrument der Personalentwicklung kann Lehrpersonen im Berufseinstieg aber auch Studierende in den schulpraktischen Studien einen gelingenden Einstieg in die Profession ermöglichen. In diesem Sinne ist unter Mentoring andere selbstbestimmt und erfolgreich machen zu verstehen und wenn Lehrpersonen selbstverantwortlich erfolgreich sind, dann kann das für Schülerinnen und Schüler nur Gutes bedeuten. Durch Mentoring nehmen wir auf mehreren Ebenen wahr, wie wir bilden.

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Johannes Dammerer | Christian Wiesner |Elisabeth Windl (Hrsg.)

Mentoring im pädagogischen Kontext:

Professionalisierung und Qualifizierung vonLehrpersonen

Wahrnehmen, wie wir bilden

Johannes Dammerer | Christian Wiesner |Elisabeth Windl (Hrsg.)

Mentoring impädagogischenKontext

Professionalisierungund Qualifizierungvon Lehrpersonen

Wahrnehmen, wie wir bilden

Pädagogik für NiederösterreichBand 10

Inhalt

Erwin Rauscher

Zum Geleit

Johannes Dammerer, Elisabeth Windl & Christian Wiesner

Vorwort der Herausgeber/in

I. Prolegomena zum Mentoring: Ein- und Weiterführung von Handlungsfeldern

Maria-Luise Braunsteiner & Andreas Schnider

Mentoring als wesentliche Bedingung für ein Professionalisierungskontinuum von Lehrpersonen

Elisabeth Windl

Mentoring in den Pädagogisch-praktischen Studien – Von der Meisterlehre zum kollaborativen Mentoring

II. Eröffnende Perspektiven und theoretische Konzeptualisierung

Manuela Keller-Schneider

Und nun bin ich Lehrer/in!

Herausforderungen für berufseinsteigende und mentorierende Lehrpersonen

Johannes Dammerer

Mentoring für beginnende Lehrpersonen – ein Instrument der Personalentwicklung

Petra Hecht & Peter Theurl

Mentoring goes Inclusion – Mentoring aus inklusiver Perspektive

Christian Wiesner

Strukturdynamische Modellierung von Mentoring: Bewegungen, Richtungen und Ausrichtungen

Franz Hofmann

Die Bedeutung des Selbstzugangs für Mentoring-Prozesse.

Der Weg von der „Qual der Wahl“ zur Selbststeuerung der persönlichen professionellen Entwicklung

III. Ausgestaltungen, Problemstellungen und Lösungen

Claudia Mewald

Lesson Study und Mentoring im Berufseinstieg

Johannes Dammerer

Blended Mentoring für beginnende Lehrpersonen

Franz Rauch

Aktionsforschung – am Beispiel von Universitätslehrgängen

Julia Niederfriniger, Petra Heißenberger & Ulrike Haider

Zur Konzeptualisierung von Shadowing als eine Form des Mentorings zum Zweck nachhaltiger Rekonstruktion von Schulleitungsaufgaben Eine Pilotstudie zur Wirkung eines Nudgingkonzepts in der PädagogInnenbildung NEU

Johanna E. Schwarz & Claudia Weinzettl

Onboarding – Schule ahoi!

Vorteilhafte Aspekte zum Personalentwicklungsinstrument Mentoring bei der Einarbeitung von Lehrkräften in das Schulsystem

Susanne Bartonek & Verena Ziegler

Tutoring und Coaching in Abgrenzung zu Mentoring in der Phase des Berufseinstiegs von Lehrpersonen

Stefanie Artner-Ninan

Feedback als Instrument im Mentoring-Prozess

IV. Erfahrungs- und Reflexionsräume

Christian Wiesner

Wertorientiertes Mentoring: Werte, Werthaltungen und Wertberührungen

Wert- und Sinnerfahrung als Thema des Mentorings – Reflexionen und Klärungen

Agnes Turner

Die verstehende Haltung im Mentoring aus psychodynamischer Sicht

Eva Maria Ortmayr & Doris Heinz-Weichart

Ausbildung zur Mentorin/zum Mentor am Beispiel des Curriculums des Verbunds Nord-Ost

Zum Kompetenzprofil für Mentorinnen/Mentoren

Philipp Ruprecht

Zur Lehrkohärenz des Hochschullehrgangs „Mentoring: Berufseinstieg professionell begleiten“ der Pädagogischen Hochschule Niederösterreich

Robert Nehfort

Abseits von „richtig“ und „falsch“ Perspektivenwechsel erweitert Handlungsräume

Robert Nehfort

Wer etwas zu sagen hat, muss zuhören können

Zuhören, Fragen stellen, Feedback geben als zentrale Elemente der Beratung

V. Forschungs- und Werkstattberichte

Johannes Dammerer & Kathrin Schwab

Konzepte und Modelle zur Entwicklung von Lehrpersonen im Vergleich

Johannes Dammerer & Martina Schramel

Der gute Tag für beginnende Lehrpersonen

Autorinnen und Autoren

Stichwortregister

Erwin Rauscher

Zum Geleit

Das Letzte, was man findet, wenn man ein Werk schafft, ist die Erkenntnis, was man an seinen Anfang zu stellen hat. Dieser einleitende Gedanke von Blaise Pascal überschreibt ein Geleitwort, das kein Leitwort, vielmehr ein bloßes Begleitwort sein will und kann. Denn inmitten der Füllwörter pädagogischer Professionalität vertritt es ein einfaches Ziel: Mentoring ist andere erfolgreich machen.

Mentoring ist nie Besserwisserei, aber es soll zum Bessermachen führen. Mentoring ist nicht ständig von den eigenen Erfolgen berichten. Ein guter Mentor, eine gute Mentorin ist, wer Hoffnung austeilt. Mentoring ist Brücken schlagen oder gar selbst Brücke sein. Mentees brauchen keine Straßensperren, sie wollen Wegweiser. Und Wegweiser sind Hinweise, die Richtung anbieten, nicht Waggons, in die man einsteigt, um zu sehen, wohin der Zug fährt.

Gegensatzpaare sind heute obsolet geworden: Erfahrung versus Erstversuch; Führung versus Geführtwerden; Fördern oder Gefördertwerden; Anbieten oder Annehmen; alter Hase – junger Spund; Lotse gegen Matrose; Kompetenzaufbaumeister gegen Kompetenzaufbauwerk … all das klingt nach klassischem Mentoring: Der Mentor hilft dem Mentee, seinen eigenen Weg zu finden, indem er Wissen, Erfahrungen und auch sein Netzwerk in die Mentoring-Beziehung einbringt.

Lob etwa ist eine obsolete Kategorie: Denn Lob macht den Gelobten klein. Der Lobende will ein Gönner sein, nach dem Motto Die Eule sagt dem Spatzen: Du hast aber einen großen Kopf. Wer lobt, der blickt herab. Und wenn er dann auch noch Gunst spendet statt Anerkennung, sollte man wegblicken. Wenn Lob aus Absicht zur Methode wird, verkümmert die Idee seiner Ursache oder seines Anlasses. Mentoring braucht nicht Lob, sondern Wertschätzung: Sie nämlich geschieht von unten nach oben oder zumindest auf Augenhöhe! Wertschätzung ist eine Metapher für Achtung und Geltung. Berechnende Menschen versprühen Lob: Sie kennen keine Wertschätzung. Sie gebrauchen nur: Sie begegnen nicht. Wertschätzung des Unnützlichen nennt man Kultur. Wertschätzung des Menschlichen nennt man Begegnung. Erst durch Begegnung öffnet sich Kultur. Und ohne Kultur wäre Bildung bloßes Anwenden und Gebrauchen.

Mentoring liebt und lebt eine Trias aus Solidarität, Subsidiarität und Identität. Solidarität ist: Helfen statt bloß Erklären. Subsidiarität ist: Vertrauen statt bloß Kontrollieren. Identität ist: Wir alle gemeinsam statt nur ich und du und die anderen.

Wissenschaft bringt Erkenntnis, aber Dichtkunst bringt Stimmung. Deshalb sei einem Werk, das Mentoring anleitend expliziert, ein Gedicht vorangestellt, das begleitend persifliert – es stammt von Joachim Ringelnatz und handelt von zwei Brüdern: Der Weekend traf den Weekbeginn: | „Guten Morgen!“ | „Guten Abend!“ | Sie mochten sich anfangs nicht leiden, | Und immer hatte von beiden | Der eine ein unrasiertes Kinn. | Trotz dieser trennenden Kleinigkeit | Lernten sie doch dann sich leiden | Und gingen klug und bescheiden | Abwechselnd durch die Zeit. | Und gaben einander Kraft und Mut | Und schließlich waren die beiden | Nicht mehr zu unterscheiden. | Und so ist das gut.

Baden, am 1. Juni 2020

Univ.-Prof. MMag. DDr. Erwin Rauscher ist Rektor derPädagogischen Hochschule Niederösterreich

Johannes Dammerer, Elisabeth Windl & Christian Wiesner

Vorwort der Herausgeber/in

Wir freuen uns, mit diesem Sammelband eine Zusammenarbeit zwischen verschiedenen hochschulischen und universitären Institutionen vorlegen und einen Beitrag zur „Pädagogik für Niederösterreich“ leisten zu können. Der Sammelband widmet sich einem seit Jahrzehnten immerwährend aktuellen Thema: der Professionalisierung von Lehrpersonen durch Mentoring im schulischen Kontext und der Qualifizierung durch Mentoring als Beitrag zur Entwicklung des Schulsystems. Bei einer näheren Betrachtung handelt es sich bei Mentoring um einen vielschichtigen Begriff, der in diesem Sammelband möglichst umfassend dargestellt werden soll.

Der Sammelband wendet sich an ein breites Publikum, da die Beiträge für die Akteurinnen/Akteure im Bildungssystem, in der Schulentwicklung und in der Professionalisierung von Lehrpersonen geschrieben wurden. Daher strukturiert sich das vorliegende Werk nach unterschiedlichen Dimensionen, welche die Mehrperspektivität auf das Phänomen des Mentorings eröffnen und vergangene, gegenwärtige und zukünftige Perspektiven aufgreifen.

Der vorliegende Sammelband geht im Besonderen auf eine nunmehr jahrelange Expertise in der Professionalisierung und Qualifizierung an der Pädagogischen Hochschule Niederösterreich unter dem Gründungsrektor Erwin Rauscher zum Thema Mentoring zurück. Ausgelöst wurde diese intensive Auseinandersetzung an der Hochschule durch vielfältige und zahlreiche Veränderungen in der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrpersonen und Schulleitungen. Dabei wurden Herausforderungen sowohl in der Professionalisierung und Theorieentwicklung als auch in der Forschungsmethodik offenkundig und es entstand an der Pädagogischen Hochschule Niederösterreich der Impuls, in Kooperation mit Institutionen und Personen die Anstrengungen und Bemühungen zu diesen Herausforderungen zu bündeln und einen übergreifenden sowie breiten Austausch über das Thema Mentoring gemeinschaftlich zu führen.

Der Auftakt in diesem Sammelband wird durch kundige Prolegomena zum Mentoring gestaltet, die in den Themenbereich des pädagogischen Mentorings einführen und darüber hinaus in Ideen, Perspektiven und in den Handlungsfeldern weiterführend sind. Die Pädagogische Hochschule Niederösterreich involviert sich als Bildungsinstitution in der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrpersonen und Schulleitungen wesentlich bei der Schaffung, Verwirklichung und Weiterentwicklung einer bestmöglichen Gestaltung eines professionellen Mentorings und sieht sich im Besonderen in der pädagogischen Herausforderung mitverantwortlich, ein ganzheitliches Professionalisierungskontinuum von Lehrpersonen zu ermöglichen (Beitrag Braunsteiner & Schnider in diesem Sammelband). In der Ausbildung werden Studierende in den Pädagogisch-praktischen Studien im Sinne von Mentoring mit dezidiertem Blick auf das historische Gewordensein der praxisorientierten Professionalisierung und einer professionsorientierten Qualifizierung betreut (Beitrag Windl). Im Berufseinstieg wurde durch die PädagogInnenbildung NEU in Österreich ab dem Schuljahr 2019/20 auf Basis der gesetzlichen Grundlage von 2013 (Bundesgesetzblatt Nr. 211) eine Induktionsphase installiert, in welcher beginnende Lehrpersonen nun ausdrücklich von Mentorinnen/Mentoren begleitet werden.

Am Hochschullehrgang mit Masterabschluss Mentoring – Berufseinstieg professionell begleiten an der Pädagogischen Hochschule Niederösterreich nahmen seit 2013 zahlreiche Lehrpersonen teil und auch in anderen Hochschullehrgängen lassen sich viele Lehrpersonen zu Mentorinnen/Mentoren ausbilden, um Studierende und beginnende Lehrpersonen auf Basis einer fundierten Professionalisierung und Qualifizierung zu begleiten. Ebenso werden in diesem Bereich zahlreiche Weiterbildungsangebote und auch internationale Forschungsprojekte durchgeführt, die in Publikationen und Masterarbeiten dokumentiert werden.

Der vorliegende Sammelband versucht aus unterschiedlichen Perspektiven einen Überblick über aktuelle Problemstellungen zu geben, Verfahren, Methoden und Techniken im Mentoring aufzuzeigen und möchte Erfahrungs- und Reflexionsräume eröffnen.

Im zweiten Abschnitt des Sammelbands werden eröffnende Perspektiven aufgezeigt, dabei werden im Besonderen auf Grundlage fundierter theoretischer Konzeptualisierungen (Beitrag Keller-Schneider) und eines Verständnisses von Mentoring als gelingender Personalentwicklung (Beitrag Dammerer) auch eine inklusive Betrachtung (Beitrag Hecht & Theurl), eine feldtransformationale Modellierung von Mentoring (Beitrag Wiesner) und die Ermöglichung von Individualisierung und Differenzierung im Mentoring (Beitrag Hofmann) angeboten.

Der anschließende Abschnitt widmet sich spezifischen Ausgestaltungen, Problemstellungen und Lösungen: Unterschiedliche Verfahren, Methoden und Techniken, die im Mentoring Anwendung finden, werden vorgestellt und diskutiert. Der Abschnitt beginnt mit Lesson Study und Mentoring im Berufseinstieg (Beitrag Mewald) und führt über das neue Konzept des Blended Mentorings (Beitrag Dammerer) zur Aktionsforschung (Beitrag Rauch) und zum Feedback als Reflexionsinstrument im Mentoring-Prozess (Beitrag Artner-Ninan). Aus dem Bereich der Organisationsentwicklung wird das Thema Onboarding (Beitrag Schwarz & Weinzettl) vorgestellt und auch eine Klärung von Tutoring- und Coachingprozessen im Mentoring (Beitrag Bartonek & Ziegler) versucht. Im Besonderen wird das Shadowing für schulische Führungskräfte in Bezug zum Mentoring vorgestellt und diskutiert (Beitrag Heißenberger, Niederfriniger & Haider).

Der vierte Abschnitt eröffnet Erfahrungs- und Reflexionsräume: Sowohl die verstehende und auch beratende Haltung von Mentorinnen/Mentoren (Beiträge Turner, Nehfort) als auch eine kritische Reflexivität von Werten und Sinn zur Bildung einer bewussten Haltung und Lehrerpersönlichkeit (Beitrag Wiesner) werden diskutiert. Dabei wird auch die spezifische Ausbildung von Mentorinnen/Mentoren im österreichischen Verbund Nord-Ost (Niederösterreich, Wien) grundlegend analysiert (Beitrag Ortmayr & Heinz-Weichert) und kritisch diskutiert. Auch zur Kohärenz des Hochschullehrgangs „Mentoring: Berufseinstieg professionell begleiten“ der Pädagogischen Hochschule Niederösterreich wird Stellung bezogen (Beitrag Ruprecht).

Den Abschluss bilden zwei Forschungs- und Werkstattberichte zum „guten Tag“ von beginnenden Lehrpersonen (Beitrag Dammerer & Schramel) und zu Entwicklungsmodellen von Lehrpersonen (Beitrag Dammerer & Schwab).

Der vorliegende Sammelband und auch die Professionalisierung des Mentorings an der Pädagogischen Hochschule Niederösterreich wären ohne die wohlwollende Unterstützung des Gründungsrektors Erwin Rauscher nicht möglich gewesen. Die Herausgeber/innen danken im Besonderen allen Autorinnen/Autoren, dem Lektorat und vor allem Markus Hatzer, Franz Kurz, Ilona Mader und Valerie Meller vom Studienverlag für die verlässliche und wertschätzende Zusammenarbeit bei der Herstellung und der Publikation dieses Werks. Wir danken den Gutachterinnen/Gutachtern für die kritische Durchsicht und das immer konstruktive Feedback, wodurch die Qualität der eingereichten Beiträge maßgeblich gesteigert werden konnte. Herzlichen Dank!

Johannes Dammerer, Elisabeth Windl & Christian Wiesner

Herausgeberin und Herausgeber des Sammelbands „Mentoring im pädagogischen Kontext“ Baden, im Juni 2020

I

Prolegomena zum Mentoring: Ein- und Weiterführung von Handlungsfeldern

Maria-Luise Braunsteiner & Andreas Schnider

Mentoring als wesentliche Bedingung für ein Professionalisierungskontinuum von Lehrpersonen

Abstract

Die PädagogInnenbildung NEU sieht erstmals eine verpflichtende Induktionsphase für alle zukünftigen Lehrpersonen, die bereits eine grundlegende Berufsfähigkeit erworben haben, vor. Berufseinsteiger/innen werden in dieser Phase von Mentorinnen/Mentoren begleitet, deren Rolle zunehmend in den Fokus der Lehrerbildungsforschung rückt. Mentoring steht dabei für die wechselseitige Beziehung mit Qualifikations- und Lerneffekten für Mentees und Mentorinnen/Mentoren. Im vorliegenden Beitrag werden die Aufgaben und Herausforderungen, die sich daraus ergeben, mit Blick auf die Kompetenzentwicklung von angehenden Lehrpersonen, Anforderungen an die professionellen Kompetenzen von Mentorinnen/Mentoren und Chancen für Kollegien, Schulleiter/innen und das Lernen von Schülerinnen/Schülern fokussiert.

1  Einleitung

Mentoring in der Lehrerbildung wird allgemein als Strategie für individuelle und institutionelle Unterstützung gesehen, die – verwirklicht in einer Lernpartnerschaft von zwei Personen – die professionelle (Weiter-)Entwicklung von Lehrpersonen (Fischer & van Andel, 2002, S. 3), das Wohlbefinden und die Einführung für Berufsanfänger/innen (Hobson, Ashby, Malderez & Tomlinson, 2009) zum Ziel hat. Dem Anspruch, diese Strategie nachhaltig weiterzuentwickeln bzw. umzusetzen, wird durch die Reform der Pädagoginnen-/Pädagogenbildung in Österreich entsprochen bzw. nachgegangen. In allen deutschsprachigen Ländern werden in den letzten Jahren verstärkt Anstrengungen zur Verbesserung der Ausbildung von Lehrpersonen unternommen (z. B. Qualitätsoffensive Lehrerbildung in Deutschland, PädagogInnenbildung NEU in Österreich, neu gestaltete Berufseinführung Kanton St. Gallen u. a.), um die Qualität der Lehrerbildung besonders eng mit der Frage nach der Kompetenzentwicklung von angehenden Lehrpersonen zu verbinden (Hascher, 2019).

2  Internationale Befunde und empirische Evidenzen

Die Intensivierung der Forschung zur Wirksamkeit der Lehrerbildung – und damit zur Verbesserung des Outputs von Schulen – leistet entscheidende Beiträge zur Qualität der Lehrerbildung (König & Blömeke, 2009; Kunter, Kunina-Habenicht, Baumert, Dicke, Holzberger & Lohse-Bossenz, 2017). Obwohl es dabei vielfach um die Erstausbildung und den Berufseinstieg geht, wird dem Professionalisierungskontinuum als lebensbegleitende Aufgabe besonderes Augenmerk geschenkt. Sowohl in der Schulforschung wie auch in den aktuellen Ansätzen der Schul- und Unterrichtsreform rücken Lehrer/innen und vor allem Lehrerkollegien in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit (Terhart, 2013, S. 90). Schulqualität entsteht nicht nur in den Klassenzimmern, sondern auch auf der Basis kollegialer Zusammenarbeit (S. 91). Kooperation wird im Kontext von Schulentwicklung zur Förderung der Schulqualität als bedeutsames Prozessmerkmal erkannt (Keller-Schneider & Albisser, 2013; Keller-Schneider, 2019). Zur Verbesserung der Schulqualität insgesamt sind Reformen der Lehrerbildung daher ebenso bedeutsam wie die Fort- und Weiterbildung von im System tätigen Lehrpersonen, da viele Studien den Zusammenhang einer nachhaltigen beruflichen Weiterentwicklung mit signifikanten Lerngewinnen für Schüler/innen nachweisen können (Yoon, 2007). Personalentwicklung und Schulentwicklung sind dabei untrennbar miteinander verbunden.

In Ländern mit leistungsstarken Schulsystemen ist zu beobachten, dass sowohl der Praxis während des Studiums (Barber & Mourshed, 2007) und dem Berufseinstieg (induction) hohe Bedeutung zugemessen wird als auch dem Einsatz von Coaches, unterstützenden Expertinnen/Experten oder Mentorinnen/Mentoren an Schulen, die die professionelle Weiterentwicklung (continuous learning) des Kollegiums zum Ziel haben (Darling-Hammond & Rothman, 2011). In Österreich leisten besonders das Konzept und die Arbeit von Lerndesignerinnen/Lerndesignern an Neuen Mittelschulen (NMS) einen essenziellen Beitrag, um diesem Anspruch gerecht zu werden (Westfahl-Greiter & Hofbauer, 2010).

Dem Mentoring kommt daher in mehrfacher Weise hohe Bedeutung zu. Es unterstützt den Berufseinstieg von Lehrpersonen und kann mithelfen, deren Zurückfallen auf direktive Verhaltensweisen aus dem eigenen Schulerleben (Dann, Müller-Fohrbrodt & Cloett, 1978; Mayer & Neuweg, 2009) zu verhindern und es kann einen Beitrag zur jeweiligen Schulkultur und damit zur Schulqualität am Standort leisten.

Studienergebnisse weisen darauf hin, dass die Verbindung zwischen dem, „was angehende Lehrpersonen während ihres Studiums tun und was sie in der Lage sind zu tun, wenn sie in der Klasse angekommen sind, nicht stark genug ist“ (Barber & Mourshed, 2007, S. 28).

Lehrpersonen der Berufseingangsphase sind vor Herausforderungen gestellt, die in der Dynamik der Gesamtheit vor Aufnahme der Berufstätigkeit nicht erlebt werden können. Trotz Verzahnung von Studium und Praxis während der Grundausbildung kann die Komplexität der Anforderungen nicht simuliert werden (Keller-Schneider, 2008, S. 5).

Unsicherheiten von Berufsanfängerinnen/Berufsanfängern sind unter anderem geprägt von den vielseitigen Rollenerwartungen (Malm, 2009). Zur Überwindung dieser Ungewissheiten wird das Bilden von Partnerschaften durch Kooperation und reflexive Praxis vorgeschlagen (Helsing, 2007). Diese könnte durch die (1) shared practice, (2) collaborative learning networks und (3) scholarly reflection on practice erreicht werden (Pickering, Daly & Pachler, 2007, S. 270). Neben der Bedeutung von Mentorinnen/Mentoren liefern Forschungsbefunde demnach Evidenzen für die Bedeutung von Lehrerkollegien.

Mentoring in der Lehrerinnenbildung und im Bildungssystem kann in unterschiedlichen Kontexten und mit unterschiedlichen Zielen verlaufen. Fischer & van Andel (2002) fassen den Kontext des Mentorings weiter und beziehen auch die Bedeutung von Schülerinnen/Schülern als Mentees mit ein. Für den hier gemeinten Kontext ist die Rolle der Mentorin/des Mentors für die Unterstützung in der Schulpraxis und der Induktionsphase bedeutsam. Allerdings wird die von den Autorinnen angeführte Zielsetzung „Learn how to teach from a model‐teacher“ für die Schulpraxis – zumindest in den Curricula für die Lehramtsstudien in Österreich – durch das Reflective Practitioner Modell ersetzt (Schnider, 2020).

3  Realisierung von Mentoring in der neuen Pädagoginnen- und Pädagogenbildung

In der Betrachtung einschlägiger Forschungsbefunde sowie europäischer und internationaler Entwicklungen in der Lehrerbildung erweist sich das Konzept der neuen Pädagoginnenund Pädagogenbildung in entscheidenden Bereichen als konform mit den Erkenntnissen und Standards (z. B. Masterniveau für alle Lehrpersonen) und innovativ in der Struktur (z.B. altersgruppenspezifische anstelle einer schultypenspezifischen Ausbildung). Die PädagogInnenbildung NEU reiht sich zudem in jene Hälfte der Länder in Europa ein (18 von 33), die eine systematische Unterstützung (Induktion, Mentoring, Training) beim Berufseinstieg (Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 2007; OECD, 2014) umsetzt.

...„Neu“ [in der Lehrerinnen-/Lehrerbildung] bezieht sich daher auf die Gesamtkonzeption und ihre Umsetzung – konzeptionell, gesetzlich, institutionell. Viele einzelne als richtig erkannte Änderungsschritte werden in einer national verbindlichen Architektur von LehrerInnenbildung NEU geordnet, strukturiert und miteinander so verbunden, dass komplexe Kausalitäten ineinander greifen können (Empfehlungen der Expertinnen-/Expertengruppe, 2010, S. 16).

Das Konzept wurde in seiner Architektur von Beginn an als Professionalisierungskontinuum angelegt. Der individuelle Kompetenzerwerb zur Lehrerinnen-/Lehrerpersönlichkeit soll sich in mehreren ineinander greifenden Phasen entwickeln und muss als berufsbiografische Entwicklungsaufgabe gesehen werden.1

Die erste Phase des Kompetenzerwerbs stellt die Absolvierung eines achtsemestrigen Bachelorstudiums dar, in der pädagogisch-praktische Studien integrativ verankert sind. In der zweiten Phase sieht das Konzept ein zwei- bis dreisemestriges berufsbegleitendes konsekutives Masterstudium vor. In dieser Phase findet der von Mentorinnen/Mentoren begleitete Berufseinstieg (= Induktionsphase) statt, der neben dem Ernstfall Schule insbesondere von der Entwicklung einer Masterthesis, die ihre Forschungsfragestellungen aus diesem konkreten Bezugsfeld Schule heraus entwickeln soll, bestimmt ist. Beim Mentoring im Berufseinstieg „befinden sich die Mentees [also] an einer biografischen Schaltstelle“ (Universität Göttingen, o. J.).

Die Empfehlungen der Expertinnen-/Expertengruppe aus dem Jahr 2010 (S. 21) basieren auf Evidenzen und sie betonen die Bedeutung der Berufseinstiegsphase für die gesamte Profession der Pädagoginnen/Pädagogen in Österreich: Demnach hängt die Wirksamkeit der Lehrerinnen-/Lehrerbildung im Wesentlichen von folgenden Faktoren ab:

•   der gesellschaftlichen Attraktivität des Lehrerinnen-/Lehrerberufs insgesamt

•   der Güte der Auswahl geeigneter Personen

•   der Qualität der Grundbildung (I. Phase)

•   der Qualität der Berufseinstiegsphase – Induktionsphase (II. Phase)

•   der Qualität von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen (III. Phase)

Die Berufseinstiegsphase qualitätsvoll zu begleiten und professions- und wissenschaftsorientiert zu unterstützen, stellt damit einen wesentlichen Baustein zur Wirksamkeit der Pädagoginnen- und Pädagogenbildung dar, die auch, wie oben erwähnt, der Gefahr entgegenwirken soll, dass Junglehrer/innen, die in dieser Phase alleingelassen werden, hinter ihren Ausbildungsstand zurückfallen (Mayer & Neuweg, 2009).

Dazu bedarf es eines dementsprechend qualifizierten Personals, das in seiner Tätigkeit als Mentor/in sowohl den Berufseinstieg begleiten als auch vor allem auf die Entwicklung einer Forschungsarbeit der Mentees Bedacht und Bezug nehmen kann. Hier zeigt sich bereits, dass die Tätigkeit in der Phase des Berufseinstiegs den Mentorinnen/Mentoren etwas andere Qualitäten und Kompetenzen abverlangt als z. B. in der berufsausbildenden Phase innerhalb der pädagogisch-praktischen Studien. Sich im Gesamtfeld einer ganz konkreten Schule mit ihren Bedingungen und Einflussfaktoren orientieren und agieren zu lernen, ist in diesem Sinne eine der wesentlichsten Kernkompetenzen, die Neueinsteiger/innen während dieser Phase zu erwerben suchen.2

Die gesetzlichen Grundlagen sprechen eine klare Sprache, was die Bedeutung der Induktionsphase betrifft:

§5 (1) Die Induktionsphase dient der berufsbegleitenden Einführung in das Lehramt. Die Landesvertragslehrperson in der Induktionsphase ist durch eine Mentorin oder einen Mentor zu begleiten.

§5 (3) Die Landesvertragslehrperson in der Induktionsphase hat mit der Mentorin oder dem Mentor zusammenzuarbeiten und ihre Tätigkeit den Vorgaben entsprechend auszurichten. Sie hat den Unterricht anderer Lehrkräfte nach Möglichkeit zu beobachten und im Rahmen ihrer Fortbildung spezielle Induktionslehrveranstaltungen an der Pädagogischen Hochschule oder an der Universität zu besuchen. (Dienstrechtsnovelle 2013 – Pädagogischer Dienst, vom 27. Dezember 2014,§39a VBG)

Mentorinnen/Mentoren haben in der neu im Dienstrecht geregelten und festgelegten Induktionsphase nicht in erster Linie das Unterrichten der neuen Kolleginnen/Kollegen zu begleiten und zu beurteilen, sondern beim Hineinbewegen in ein ganz konkretes Berufsumfeld einer gesamten Schule mit ihren zahlreichen Zielgruppen – Partnerinnen/Partnern und Beteiligten – und in den unterschiedlichsten Situationen einer Schule beratend beizustehen. Es gilt sich dabei klar vor Augen zu halten, dass ein abgeschlossenes Bachelorstudium laut NQR-Niveau Level 6 besagt, dass Berufseinsteiger/innen mit einem Bachelor-Niveau-6-Abschluss fortgeschrittene und vertiefte Kenntnisse haben und erworbene und trainierte Fähigkeiten und Fertigkeiten besitzen. Somit sind diese in der Lage, als Lehrer/innen ihren Unterricht zu gestalten, zu reflektieren, weiterzuentwickeln und sich in ihrem Berufsfeld professionell zu verhalten. Mentoring muss daher auf Augenhöhe zwischen einer erfahrenen Lehrperson (Mentor/in) und einer weniger erfahrenen Lehrperson (Mentee) stattfinden.

Ab dem Schuljahr 2019/20 und bis zum Schuljahr 2029/30 dürfen im Mentoring der Berufseinstiegsphase sowie in den pädagogisch-praktischen Studien Lehrpersonen zum Einsatz kommen, die bereits bisher zumindest als Praxis- und Betreuungslehrer/in tätig sind (BMBWF, S. 5).

Es gilt aber zu beachten, dass Praxislehrpersonen im Rahmen der pädagogisch-praktischen Studien Studierende in einem recht begrenzten Feld im Klassenalltag in unterschiedlichen Altersgruppen und Schulen begleiten, Mentorinnen/Mentoren hingegen innerhalb der Induktionsphase neben anderen Aufgaben, wie z. B. fachliche Begleitung, auch damit rechnen müssen, dass die ihnen anvertrauten jungen Kolleginnen/Kollegen z. B. in Stresssituationen eventuell wieder in alte und unreflektierte Muster zurückfallen könnten. Sie müssen gleichsam stärker auch als Coaches agieren, die vor allem in der Lage sind, mental zu begleiten. Beratungs- und Begleitungskompetenzen müssen daher in der Funktion als Mentor/in innerhalb der Berufseinstiegsphase stärker ausgeprägt sein als bei Praxislehrpersonen. Schließlich gilt es zu erkennen, dass in diesem Berufseinstiegsverhältnis zwischen Mentor/in und Mentee eine spannende und zukunftsorientierte Win-win-Situation entstehen kann. Angehende Lehrer/innen und Berufsanfänger/innen können innerhalb eines lernenden Systems wichtige Beiträge für das je eigene Professionalisierungskontinuum von erfahrenen und schon länger im Dienst stehenden Lehrpersonen leisten und professionsspezifisches Potenzial u. a. in den Bereichen „Innovation (inhaltlich, didaktisch), Außensicht (Betriebs- und Systemblindheit fehlt), Engagement und Begeisterung und Gruppendynamik ins Kollegium (bzw. in Teile davon, wie etwa Fachbereiche)“ einbringen (Kraler, 2008, S. 6).

So kann erst das Schulfeld mit dem gesamten Spektrum der Dienstpflichten als ein für die Professionsweiterentwicklung umfassendes Lernfeld hinsichtlich des Anliegens des Berufseinstiegs anerkannt werden. Um das überhaupt umsetzen zu können, braucht es qualitativ hoch ausgebildete Schulleiter/innen und Mentorinnen/Mentoren, die insbesondere voneinander lernen und miteinander agieren können und wollen. Das war einer der ausschlaggebenden Gründe dafür, dass im Jahre 2011/12 von der damals für die Pädagogischen Hochschulen zuständigen Ministerin Claudia Schmied Grundkonzepte für zwei Weiterbildungs-Masterstudien (1. für Schulleiter/innen und 2. für Mentorinnen/Mentoren) ausgeschrieben und in der Folge vonseiten der Hochschulen Studienkonzepte dazu eingereicht wurden. Diese Konzepte wurden von einem unabhängigen ExpertInnenteam begutachtet und für die konkrete Umsetzung ausgewählt.

Zur Umsetzung eines solchen Gesamtausbildungskonzepts, in dem Schulen als Lernorte eine konstituierende Bedeutung zukommt, müssen die Fort- und Weiterbildungsangebote für diese beiden Gruppen aufeinander abgestimmt sein. Damals wurde konzeptionell angedacht, dass es zumindest für jeden Bezirk einige wenige auf Masterniveau ausgebildete Mentorinnen/Mentoren und Schulleiter/innen geben sollte, die gemeinsam verantwortlich für alle Mentorinnen/Mentoren und Schulleiter/innen dieses Bezirkes bzw. dieser Bildungsregion sein sollen. Diese Hochschullehrgänge mit Masterabschluss werden an einigen Pädagogischen Hochschulen nach wie vor angeboten.

4  Entwicklungsfelder und Chancen für die Schulen

Mit der neuen Ausbildung rücken die Rollen der Mentorinnen/Mentoren und der Praktikumslehrer/innen (die schon bisher entscheidende Akteurinnen/Akteure in der Ausbildung waren) in den Fokus der Lehrerinnen-/Lehrerbildungsforschung (Gergen, 2019; Aspfors & Fransson, 2015; Raufelder & Ittel, 2012; Gawlitza & Perels, 2013). Dabei werden sowohl die Ausbildung der Mentorinnen/Mentoren adressiert als auch die Rahmenbedingungen und die Wirksamkeit ihres professionellen Tuns, das sich an den individuellen Entwicklungsaufgaben der Berufsanfänger/innen orientieren muss. Schulleiterinnen/Schulleitern kommt dabei eine entscheidende Rolle zu.

Erste Ergebnisse aus Studien zum Mentoring im Berufseinstieg in Österreich identifizieren vonseiten der Berufsanfänger/innen Herausforderungen in den Bereichen sozioemotionales Klima im Kollegium (Plattner, 2015) oder zum Beispiel in der Administration und Organisation im Schulalltag, wie auch in Fragen der Verschriftlichung der Jahresplanung und des Sozialverhaltens von Schülerinnen/Schülern (Holzinger, Kopp-Sixt, da Rocha & Völkl, 2015). Vonseiten der Mentorinnen/Mentoren werden das zeitliche Management und der Aufbau von Vertrauen zu den Mentees als herausfordernd gesehen, während Schulleiter/innen die generationenübergreifende Zusammenarbeit und die Teambildung thematisieren (ebd.). Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Mentoring ein adäquates Instrumentarium darstellt, um Unterstützung zu bieten und Überforderung zu vermeiden. Die Ergebnisse stimmen weitgehend mit den Vorschlägen überein, die im Handbuch zur „Entwicklung kohärenter und systemweiter Einführungsprogramme für Junglehrer“ (Europäische Kommission, 2010) angeführt werden, dass es nämlich für ein kohärentes, systemweites Einarbeitungsprogramm dreier Elemente bedarf: persönliche Unterstützung, soziale Unterstützung und berufliche Unterstützung.

Das Zusammenspiel von erfahrenen Lehrpersonen mit Lehrpersonen mit weniger Erfahrung stellt eine Herausforderung an die professionellen Kompetenzen von Mentorinnen/Mentoren dar, die sowohl an deren Auswahl als auch an die Konzeption ihrer Aus- bzw. Weiterbildung hohe Anforderungen stellt. Gleichzeitig stellt diese Zusammenarbeit eine große Chance für einzelne Kolleginnen/Kollegen, Kollegien, Schulleiter/innen und die Qualität einer spezifischen Schule dar, denn Schule lebt von Weiterentwicklung und Innovation: „When principals hire a new teacher, they should be more interested in the school becoming like the new teacher than in the new teacher becoming like the school „ und „New staff members can play essential roles in the growth of a school“ (Whitaker, 2002, p. 147 zit. n. Kraler, 2008, S. 6). Über die professionellen Kompetenzen von Mentorinnen/Mentoren existieren noch wenige Forschungsergebnisse (Aspfors & Fransson, 2015), sowohl, was deren Vorbereitung als auch deren professionelle Weiterentwicklung betrifft. Hier müssen weitere Forschungen bzw. Evaluationen Erkenntnisse zur Weiterentwicklung bringen.

5  Ausblick

Aus Sicht der Autorin/des Autors sollte den folgenden exemplarisch formulierten Fragen besonderes Augenmerk geschenkt werden:

Ad Qualifikation:

•   Wie kann die Auswahl und bestmögliche Qualifikation von Mentorinnen und Mentoren sichergestellt werden?

•   Welches Kompetenzmodell liegt der Mentorinnen-/Mentorenausbildung zugrunde? Da die Begleitung auch für die Masterarbeit gilt, sollten die Mentorinnen/Mentoren auch eine masterwertige Ausbildung haben?

Ad Rollenverständnis:

•   Wie kann die Tandem-Beziehung zwischen Mentor/in und Mentee eine hierarchiefreie oder zumindest reziproke Beziehung werden/bleiben?

•   Wie kann die Rolle von Mentorinnen/Mentoren im System aufgewertet werden?

Ad Qualitätsentwicklung an Schulen:

•   Wie kann sichergestellt werden, dass Mentorinnen/Mentoren, Studierende und Berufseinsteiger/innen zum professionellen Erscheinungsbild an Schulen gehören?

•   Wie können erforderliche Rahmenbedingungen an Schulen (vor allem Zeit) gesichert werden?

•   Welche Auswirkungen haben erfolgreiche professionelle (Mentorinnen/Mentoren-) Teams auf die Leistungen der Schüler/innen?

Der Berufseinstieg als sensible Phase in der beruflichen Sozialisation kann daher nicht nur aus der Perspektive des Fachs gesehen werden. Bei der Unterstützung der individuellen Entwicklungen von Berufseinsteigerinnen/Berufseinsteigern im Professionsfeld Schule, die ihren Beginn in der diadischen Beziehung zwischen Mentor/in und Mentee hat, müssen systemische Auswirkungen von und auf Mentees als Chance und Herausforderung mitgedacht werden. Das (selbstverständliche) Lernen in Systemen mit der Verantwortungsübernahme aller Stakeholder erfordert eine partizipative Haltung z. B von Kollegien und Schulleitungen, die durch eine gemeinsame Verantwortung getragen wird und die damit Auswirkungen auf alle Ebenen des Gesamtsystems hat.

Literaturverzeichnis

Aspfors, J. & Fransson, G. (2015). Research on mentor education for mentors of newly qualified teachers: A qualitative meta-synthesis. Teaching and Teacher Education 48, 75–86.

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1    Damit wird auch mehrfach geäußerter Kritik entgegengewirkt, dass Änderungen oft nur einen Teilbereich der Lehrerbildung beträfen, die Teilbereiche aber nicht zusammenpassten und eine Gesamtkonzeption fehle (Neuweg & Mayr, 2009).

2    Im Gegensatz dazu war das Unterrichtspraktikum (bis 31.8.2019) ein Teil der vormals universitären Ausbildung für AHS-Lehrpersonen, die den größten Teil der praktischen Ausbildung erst am Ende eines Fachstudiums angesiedelt hatte und somit in ihrer Ausrichtung den derzeitigen pädagogisch-praktischen Studien eher ähnlich war und eine eher „spärliche professionelle Begleitung“ (Plattner, 2015, S. 10) aufwies. Für die Ausbildung von Pflichtschullehrpersonen gab es ein solches nach dem Studium angesiedeltes Unterrichtspraktikum nicht.

Elisabeth Windl

Mentoring in den Pädagogisch-praktischen Studien – Von der Meisterlehre zum kollaborativen Mentoring

Abstract

Der vorliegende Artikel betrachtet – basierend auf der praktischen Ausbildung angehender Lehrer/innen – die Rolle und Funktion von Praxislehrpersonen aus der historischen Perspektive bis zur Gegenwart, wobei der Fokus auf die Ausbildung von Primarstufenlehrenden gelegt wird. Dieser historische Abriss ermöglicht ein besseres Verständnis für die derzeitigen Herausforderungen von Mentoring in den Pädagogisch-praktischen Studien im Rahmen der PädagogInnenbildung NEU in Österreich.

1  Einleitung

Das Dilemma zeigt sich bereits in der Begriffsklärung. Wie werden sie genannt, die Personen, die Studierenden die Möglichkeit bieten, an ihren Schulen und in ihren Klassen pädagogische Erfahrungen zu sammeln: Besuchsschullehrer/innen, Praxisbetreuer/innen, Ausbildungslehrer/innen, Praxislehrer/innen, Praxispädagoginnen/Praxispädagogen, Praxismentorinnen/Praxismentoren, Praxisbegleiter/innen? Die Begriffe variieren und die Begriffszuordnungen sind meist ein Ausdruck für jene Aufgaben, die dieser Personengruppe im Laufe der historischen Entwicklung der Lehrerbildung zugeschrieben werden. Zum besseren Verständnis wird daher dieser Beitrag mit einem historischen Abriss der Lehrerbildung in Österreich mit Fokus auf den Praxisbezug eingeleitet. Daraus werden die Aufgaben der Praxislehrpersonen (dieser Begriff wird als neutrale Bezeichnung verwendet, wenn keine epochale Bedeutung einen anderen Begriff verlangt) in den historischen Abschnitten bis zur Gegenwart abgeleitet. In einer Conclusio werden die dargestellten Perspektiven zusammengefasst und es wird ein Ausblick gegeben. Es sei darauf verwiesen, dass sich dieser Artikel aus Komplexitätsgründen ausschließlich mit der Ausbildung von Primarstufenlehrenden beschäftigt und sich nicht dem Theorie-Praxis-Problem in der Lehrerbildung bzw. der Effektivität von Praxis im Allgemeinen widmet.

2  Die Ausbildung von Primarstufenlehrenden – ein historischer Abriss

Dieses Kapitel rekonstruiert die historische Entwicklung des Praxisbezugs in der Ausbildung von Primarstufenlehrenden, um daraus die Entwicklung der Aufgaben der Praxislehrpersonen abzuleiten und darzustellen. Lehrerbildung steht immer im Zusammenhang mit der Funktion der Schule in der jeweiligen geschichtlichen Epoche. Vor der Zeit Maria Theresias und ihrer „Theresianischen Schulordnung“ (1774) wurde, ganz im Sinne der allgemein praktizierten, traditionellen Meisterlehre, die mittelalterliche Auffassung vertreten, dass sich gleichzeitig mit dem nötigen Wissen auch das erforderliche Lehrenkönnen entwickelt (Martig, 1901). Eine praktische Ausbildung gab es nicht und angehende Lehrpersonen lernten durch Beobachtung und Nachahmung sowie aus eigenen Erfahrungen beim Unterrichten (von Felbinger, 1905). Eine Praxislehrperson zur Unterstützung im engeren Sinne wurde nicht eingesetzt.

Bereits zur Zeit Maria Theresias war die katholische Kirche, wie auch heute, in die Lehrerausbildung eingebunden. Kurz nach Einsetzung der Studienhofkommission sprachen die Bischöfe von Salzburg, Passau und Wien bei der Kaiserin vor, um eine Neuregelung der Lehrerausbildung zu bewirken. Diese erfolgte dann in den Normalschulen, deren Unterklassen gleichzeitig auch die Übungsschulen wurden. In den sogenannten dreimonatigen „Präparandenkursen“ hatten die Kandidaten elf Wochenstunden theoretischen Unterricht (Eigenschaften und Pflichten rechtschaffener Lehrer; der Lehrstoff zur Unterweisung; Kenntnis der Methode; das Nötigste von Schulzucht; das Führen der Kataloge), weiters hatten sie Hospitationen und zum Teil praktische Übungen zu absolvieren (Freiherr von Helfert, 1860, S. 415). Den Abschluss der Ausbildung stellten der Nachweis von ausreichenden Kenntnissen in den einzelnen Unterrichtsfächern und die unterrichtlichen Leistungen bei Lehrauftritten dar (Boyer, 1991, S. 138–139; Boyer 2012, S. 85–94). Dies waren die ersten Versuche, die Volksschullehrerausbildung über das Niveau einer naiven pädagogischen Meisterlehre zu erheben (Eder, 1985, S. 211).

Das erste Gegenüberstellen von Theorie und Praxis setzte ein und fand im Reichsvolksschulgesetz 1869 durch die Einführung der bis 1941 viersemestrigen Lehrerbildungsanstalt – vorerst nach Geschlechtern getrennt – ihren organisatorisch-rechtlichen Niederschlag (Hechenblaikner, 2018, S. 1–26). Mit 14 Jahren traten die Schüler/innen in diese Institution ein, absolvierten zuerst zwei Jahre Allgemeinbildung und dann zwei Jahre Berufsbildung. Die Ausbildung umfasste umfangreiche schulpraktische Übungen in den letzten Ausbildungsjahren. Hospitationen in naheliegenden Volksschulen wurden von den künftigen Lehrpersonen ebenso durchgeführt wie eigene Unterrichtsversuche an den Übungsschulen, die unter der Leitung von Übungsschullehrpersonen vor- und nachbereitet wurden. Das Reifeprüfungszeugnis berechtigte zur Ausübung des Volksschullehrerberufs, die eigentliche Lehramtsprüfung konnte aber erst nach einer zweijährigen Dienstzeit als Lehrer/in vor einer Prüfungskommission abgelegt werden.

Forderungen nach Akademisierung der Lehrerausbildung wurden erhoben, aber eine allgemeine Regelung war wegen der zunehmenden Polarisierung nach dem Ersten Weltkrieg nicht möglich. Daher beschritt man in Wien 1925 unter der von Otto Glöckel geführten Schulreform andere Wege und richtete viersemestrige hochschulmäßige Lehrerausbildungskurse für die Ausbildung von Maturantinnen/Maturanten zum Volksschullehrer/zur Volksschullehrerin ein (Messner, Krainz-Dürr & Fischer, 2018, S. 120–143). An der Universität Wien erfolgte die fach- und erziehungswissenschaftliche Ausbildung, die pädagogischdidaktische Ausbildung übernahm das Pädagogische Institut der Stadt Wien, die schulpraktische Ausbildung wurde an den Institutionsschulen abgehalten. Vom christlich-sozialen Unterrichtsminister wurde 1927 ein Konzept zur Umwandlung der Lehrerbildungsanstalten zu sechssemestrigen „Lehrakademien“, d. h. die Anhebung der Lehrerausbildung auf postsekundäres Niveau vorgelegt. Zunehmende politische Spannungen, die schlechte Finanzlage sowie die steigende Lehrerarbeitslosigkeit verhinderten die Gesetzwerdung dieses Entwurfs. Als zehn Jahre später diese Akademien beschlossen wurden, kam es aber durch den Verlust der Selbstständigkeit Österreichs nicht zur Durchführung. 1941 wurde die vierjährige Lehrerbildungsanstalt zu einer fünfjährigen Ausbildung erweitert. Die Zuerkennung der realgymnasialen Hochschulreife an der fünfjährigen Lehrerbildungsanstalt im Jahre 1951 verdeutlichte die Notwendigkeit einer Trennung von höherer Allgemeinbildung und Berufsbildung.

Die Neugestaltung der Lehrerausbildung war der politische Hauptstreit der fünfziger Jahre. Die Sozialistische Partei forderte viersemestrige Pädagogische Institute, die Hochschulcharakter aufweisen sollten. Die österreichische Volkspartei wollte sechsjährige Lehrerbildungsanstalten unter Belassung des Grundsatzes der ganzheitlichen Lehrerausbildung, die eine Berufsentscheidung mit 14 Jahren notwendig machte (Engelbrecht, 2015; Kövesi, 1975; Seel, 2010). Die beiden ersten Jahre sollten in erster Linie als berufsspezifisch-pädagogische Ausbildung organisiert werden. Als Kompromiss dieser beiden Ansichten wurden im Schulgesetzwerk 1962 die Pädagogischen Akademien als zweijährige – später dreijährige – postsekundäre schulische Einrichtungen, die auf der Reifeprüfung einer allgemeinbildenden oder berufsbildenden Schule basierten, zur Ausbildung von Pflichtschullehrerinnen/Pflichtschullehrern eingeführt (Boyer, 1991, S. 138–142).

Die Pädagogischen Akademien boten eine einphasige, theoretische und praktische Studieninhalte verbindende Ausbildung an. Die Absolventinnen und Absolventen konnten unmittelbar nach Abschluss des Studiums eine Stelle als Lehrer/in antreten, denn ihr Abschluss inkludierte die Lehrbefähigung mit allen rechtlichen Voraussetzungen für den Berufseintritt. Charakteristisch für die Pädagogischen Akademien war der Praxisbezug, dessen Bedeutung sich auch dadurch zeigte, dass Lehrpersonen an Pädagogischen Akademien ein Lehramt an Pflichtschulen und mehrere Jahre besonders qualifizierter Lehrtätigkeit in diesem Bereich nachweisen mussten. Jeder Pädagogischen Akademie war eine Übungsvolksschule angeschlossen. Im Lehrplan der Pädagogischen Akademien waren die Aufgaben der schulpraktischen Ausbildung, die 20 % der Gesamtausbildung umspannte, und aus einem Verbund der sieben Studienfächer (a) Unterrichtsbesuche, (b) Unterrichtsanalyse, (c) Lehrübungen, (d) Lehr- und Unterrichtsbesprechungen, (e) Lehrverhaltenstraining, (f) Stadt- und Landschulpraktika, (g) Außerschulisches Erziehungspraktikum bestand, genau fixiert (Klement & Künz, 1991, S. 431–438). Mit dem Akademiestudiengesetz 1999 wurden die Lehramtsstudien an Pädagogischen Akademien zu Diplomstudien (Akademiestudiengesetz 1999 – AstG).

Im Jahr 2005 (Hochschulgesetz 2005) erfolgte der Beschluss im Parlament, die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Pflichtschullehrerinnen/Pflichtschullehrern an Pädagogischen Hochschulen durchzuführen. Die Pädagogischen Akademien und die Pädagogischen Institute (bisher zuständig für die Fort- und Weiterbildung von Lehrerinnen/Lehrern) wurden aufgelöst und beide Institutionen in den neu gegründeten Pädagogischen Hochschulen subsumiert. Die Erstausbildung im Umfang von sechs Semestern startete mit 1. Oktober 2007 und die Absolventinnen/Absolventen schlossen ihr Studium mit einem Bachelor of Education ab (Engelbrecht, 2015, S. 241). Bei dieser Reform kam es zu organisatorischer, aber vor allem zu Beginn zu wenig personeller Veränderung, daher wurde teilweise der Vorwurf „Schilderwechsel“ laut (Schratz, 2012).

Im§8 (6) des Hochschulgesetzes waren die Aufgaben der Pädagogischen Hochschulen in Bezug auf die schulische Praxis verankert: „Die Pädagogische Hochschule hat weiters durch die Schul- bzw. Berufspraxis sowie durch wissenschaftlich-berufsfeldbezogene Forschung und Lehre die Befähigung zur verantwortungsbewussten Ausübung von Berufen im Bereich pädagogischer Berufsfelder, einschließlich jener der Berufspädagogik, zu vermitteln“ (Hochschulgesetz 2005).

Die bisherigen Übungsschulen erhielten die Bezeichnung Praxisschulen. 2013 wurde in Österreich die gesetzliche Basis für die PädagogInnenbildung NEU gelegt, die in einem achtsemestrigen Bachelorstudium und mindestens zweisemestrigen Masterstudium die Lehrer/innen nicht mehr nach Schularten, sondern nach Alterskohorten von Schülerinnen/Schülern (Primarstufenlehrer/innen und Sekundarstufenlehrer/innen) kompetenzbasiert ausbildet, mit den Zielen einer inhaltlichen Aufwertung, weiteren Akademisierung und Harmonisierung der Ausbildung an Pädagogischen Hochschulen und an Universitäten.

Dem Transfer neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die pädagogische Arbeitswelt sowie dem Aufgreifen praktischer Erfahrungen und deren Reflexion vor dem Hintergrund systematischer wissenschaftlicher Deutungen kommt in der Aus-, Fort- und Weiterbildung eine zentrale Rolle zu (Braunsteiner, 2014, S. 1–3).

In der PädagogInnenbildung NEU kommt es zu einer begrifflichen Veränderung. Die Schulpraktischen Studien werden in Pädagogisch-praktische Studien umgewandelt, die laut Dienstrechtsnovelle 2013 40 ECTS-Anrechnungspunkte umfassen müssen, um einen Einsatz als Pädagogin/als Pädagoge im Schuldienst zu ermöglichen. Durch die Verschränkung der Studienfachbereiche Allgemeine bildungswissenschaftliche Grundlagen, Fachwissenschaften und Fachdidaktiken mit den Pädagogisch-praktischen Studien sollen Fragestellungen aus der Praxis die Grundlage für eine theoretische Auseinandersetzung in unterschiedlichen Lernsettings sein, um den Kompetenzerwerb der Studierenden zu unterstützen (Braunsteiner, Schnider & Zahelka, 2014, S. 59). Die Pädagogisch-praktischen Studien „sollen nicht nur Traditionen weiterführen, sondern müssen einer neuen, innovativen Perspektive verpflichtet sein“ (Reusser & Fraefel, 2017, S. 10). Sie stellen die Schnittstelle zwischen der beruflichen und akademischen Welt dar, „die dafür sorgt, dass multiple Perspektiven und Wissensressourcen zu einem zukunftsfähigen Professionswissen von Lehrpersonen verschmelzen“ (Fraefel & Seel, 2017, S. 7).

3  Die Aufgaben der Praxislehrpersonen im historischen Wandel

Nach der Betrachtung der historischen Entwicklung der Primarstufenlehrerausbildung in Österreich wird abgeleitet davon im ersten Unterkapitel der Fokus auf die Betreuung der Auszubildenden in der Praxis in den unterschiedlichen geschichtlichen Epochen gelegt und im zweiten Unterkapitel die derzeitige auf wissenschaftlichen Befunden beruhende Situation der Praxislehrpersonen erläutert.

3.1 Die Entwicklung zur Ausbildungslehrerin/zum Ausbildungslehrer

Vor der Zeit der „Theresianischen Schulordnung“ (1774) gab es keine Betreuung von angehenden Lehrpersonen im engeren Sinne. Das Lernen für die Praxis erfolgte durch Beobachtung und Nachahmung. Erst in den dreimonatigen Präparandenkursen an den Normalschulen erhielten die Studierenden sowohl in der Praxis als auch in spezifischen Lehrveranstaltungen Unterstützung. Dies waren die ersten Versuche, die Volksschullehrerausbildung über das Niveau einer naiven pädagogischen Meisterlehre zu erheben.

In den Lehrerbildungsanstalten kamen Übungsschullehrpersonen zum Einsatz, die Hospitationen und eigene Unterrichtsversuche von angehenden Lehrpersonen vor- und nachbereiteten. Als interessant können die Nachbesprechungen bezeichnet werden, in denen die Übungsschullehrperson unmittelbar im Anschluss an den Unterrichtsauftritt der Studierenden ein Referat über die gesehene Stunde hielt. Die schulpraktischen Übungen (Lehrbesuche, Lehrversuche, Lehrübungen, Lehrbesprechungen) wurden später nicht mehr als „praktische Übungen“, sondern als „Schulpraxis“ (Gönner, 1967, S. 165–166) bezeichnet. Die Praxislehrpersonen teilten den angehenden Lehrerinnen/Lehrern ganz genau mit, was sie zu tun hatten, um Unterricht „richtig“ zu gestalten. Die Tradierung des Wissens der Praxislehrperson stand im Zentrum der Bemühungen – ohne Beachtung individueller und situationsspezifischer Bedürfnisse.

Bereits zu Beginn der Einführung der Pädagogischen Akademien wurde die Betreuung der Studierenden in der Praxis gesetzlich geregelt. Sogenannte Besuchsschullehrer/innen bekamen eine Abgeltung für ihre Tätigkeit (Gehaltsgesetz 1956,§59). Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass dieser Paragraph bis heute Gültigkeit hat. Große Anstrengungen wurden bereits zu diesem Zeitpunkt unternommen, um den berufspraktischen Bezug der Ausbildung qualitätsvoll zu gestalten und sich so vom Vor- und Nachahmen einer indoktrinierten Meisterlehre abzusetzen. Es war das Ziel, den Studierenden erziehungswissenschaftlich fundierte Handlungsanweisungen zu vermitteln (Theoriewissen) und deren Umsetzung in der Praxis anzuregen. Um das Gelingen dieser Umsetzung zu verbessern, wurden neue Lehrveranstaltungen entwickelt. Die Lehrveranstaltung „Unterrichtsanalyse“ diente der wissenschaftsbezogenen Reflexion des in der Hospitation vorgeführten bzw. des von den Studierenden durchgeführten Unterrichts. In der Lehrveranstaltung „Lehrverhaltenstraining“ wurden Skills und komplexe Handlungsmuster eintrainiert. Die Anzahl der Veröffentlichungen zur Schulpraxis stieg und diese befassten sich vorwiegend mit der Operationalisierung des „Lehrverhaltens“ zu Beobachtungs-, Trainings- und auch Beurteilungszwecken (Brandauer, 1973, S. 172–187). Der Begriff „Besuchsschullehrer/in“ verdeutlicht das Aufgabenfeld: Die Studierenden besuchten die Klassen der Praxislehrperson, probierten zu unterrichten und bekamen Hilfe von der Besuchsschullehrperson.

Auch der neue Lehrplan für die Pädagogischen Akademien Anfang der 80er Jahre änderte nicht viel an der bestehenden Situation. Der technologische Zugang zum Lehrerhandeln ging zwar etwas zurück, aber die Identifikation der Praxislehrpersonen mit dem theoretischen Wissen erfolgte kaum. Manche Lehrpersonen an den Pädagogischen Akademien wurden von den Lehrerbildungsanstalten übernommen, die mit der theoretischen Untermauerung ihrer Praxis Schwierigkeiten hatten. Sie sagten den Studierenden – ohne wissenschaftliche Begründung –, wie die Praxis funktioniert. Praxislehrpersonen agierten meist direktiv und an der Oberflächenstruktur des Unterrichts und setzten sich beispielsweise damit auseinander, wie aus ihrer Sicht Klassenführung zu erfolgen hat (Fraefel, 2018, S. 47).

Zu Beginn der 90er Jahre rückte die Tätigkeit der Ausbildungslehrer/innen, wie sie nun genannt wurde, in das Blickfeld. Diese Begriffsänderung war der erste Schritt für eine sichtbare Übernahme von Verantwortung für die Ausbildung der Studierenden. Bisher gab es, abgesehen von einigen Schulungen, die sich vorwiegend mit Neuerungen und Veränderungen im Ausbildungsbereich beschäftigten, keine Qualifizierungen für die Ausbildungslehrer/innen. Die Professionalisierung der Ausbildungstätigkeit wurde erstmals im Lehrplankommentar 1987 (Buchberger, Rieder & Riedl, 1987, S. 12–43) angesprochen, einige Jahre später wurde auf Initiative des Bildungsministeriums ein Handbuch zur Praxisberatung veröffentlicht (Brenn et al., 1991). In diesem wird die Orientierung der schulpraktischen Ausbildung am sogenannten „4-K-Modell“ festgemacht: Im jeweiligen Kontext der Schulpraxis soll kooperativ, kontinuierlich und kriterienbezogen gearbeitet werden. Ausbildungslehrer/innen und Studierende sollten gemeinsam individuelle schulpraktische Ausbildungsschwerpunkte, wie beispielsweise Unterrichtseröffnungen oder Gruppeneinteilungen festlegen, dazu passende Kriterien formulieren und für längere Zeit an diesen arbeiten. Die Tätigkeit der Ausbildungslehrer/innen war im Handbuch ausführlich beschrieben und setzte sich aus den folgenden Handlungsbereichen zusammen: Vorbesprechen, Beobachten, Nachbesprechen und Beurteilen. Um die Ausbildungslehrer/innen optimal zu qualifizieren und einen Professionalisierungsschub einzuleiten, wurde mit Unterstützung des Bildungsministeriums ein Handlungsforschungsprojekt zur Förderung der Beratungskompetenz gestartet, an dem Ausbildungslehrer/innen und Praxisberater/innen aus den Pädagogischen Akademien teilnahmen. Im Zuge des Projekts kam es zur Umstellung auf das „5-K-Modell“ durch die Erweiterung um die Dimension „Kreativität“, das von persönlich bedeutsamen Fragen der Ausbildungslehrer/innen ausgehend die kreative Auseinandersetzung mit der eigenen Ausbildungspraxis anregen und damit die Weiterentwicklung der „Schulpraktischen Studien“ – so war die neue Bezeichnung – fördern sollte (Klement & Teml, 1996, S. 3). Die Professionalisierungsbestrebungen fanden ihren Niederschlag in Qualifikationskursen für Ausbildungslehrer/innen.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass es im Bereich der Schulpraktischen Studien in der Lehrerbildung zu einem Paradigmenwechsel kam, der mit dem konstruktivistischen Lernansatz in Verbindung stand. Schulpraxis war nicht mehr nur Fertigkeitstraining, sondern die Entwicklung der Lehrerpersönlichkeit durch kritisches Erkunden und Analysieren. Das selbstgesteuerte Evaluieren rückte in den Mittelpunkt. Der Begriff Praxisberatung machte jenem der Praxisbetreuung Platz. In der Praxisbetreuung ging es um die Anregung zur Reflexion der Unterrichtpraxis der Studierenden, um eine offene Auseinandersetzung mit den Praxiserfahrungen, basierend auf selbstständigem und eigenverantwortlichem Lehrerhandeln. Daher standen Lern- und Entwicklungsprozesse der Studierenden im Mittelpunkt der Bemühungen von Ausbildungslehrer/innen, die förderliche Lernsituationen für diese Lern- und Entwicklungsprozesse zur Verfügung stellten und diese unterstützten (Klement & Teml, 1996, S. 15). Seit damals wird Lernen als Prozess der Selbstaneignung verstanden, der der Selbstorganisation bedarf. Damals wie heute bilden Lehrerbildungsinstitutionen nicht „fertige Lehrer/innen“ (Behr, 2017, S. 25) aus, sondern Personen, die eine fragende Einstellung zum Unterricht einnehmen und die ihre berufliche Entwicklung selbst steuern. Ausbildungslehrer/innen wurden daher als reflexive Praktiker/innen verstanden. Das Paradigma wechselte von Vorgaben zu Fragen. Dahinter versteckte sich, dass die konkrete Bewältigung von Problemen der Studierenden nicht direkt vermittelt werden kann. Daher sollen Ausbildungslehrer/innen Studierenden solche Situationen anbieten, die das Sammeln von eigenen Erfahrungen ermöglichen und sie sollen sie bei diesen Erfahrungen begleiten. Kooperative Formen der Beurteilung, bei denen die Balance von Fremd- und Selbstbewertung gesucht wurde, rückten ins Zentrum, also weg von der Beurteilung hin zur Qualitätssicherung (Janik, 2003). Fasst man die Entwicklung der Tätigkeitsfelder der Praxislehrpersonen aus historischer Sicht zusammen, dann kann gesagt werden, dass der Versuch des Abbaus der anweisenden Meisterlehre deutlich zu erkennen war. Die normgerechte Performanz der Studierenden im Sinne eines „Schaulaufens“ (Fraefel, 2018, S. 47) und deren Beurteilung war zwar immer noch bedeutsam, aber die Beratung der Studierenden und die angeleitete Reflexion der Unterrichtstätigkeit im Sinne der Aktionsforschung bekamen immer größere Bedeutung. Weiterhin sollten die Studierenden jedoch durch Fertigkeitstraining unterstützt werden.

3.2 Kollaboratives Mentoring in der PädagogInnenbildung NEU

Dieses Kapitel widmet sich dem gegenwärtigen Paradigma zur Unterstützung des Professionalisierungsprozesses der Studierenden in den Praktika, basierend auf den gesetzlichen Vorgaben der PädagogInnenbildung NEU und zahlreichen einschlägigen Forschungsergebnissen.

Für die Gestaltung der Pädagogisch-praktischen-Studien in der PädagogInnenbildung NEU wurden seitens der Expertengruppe die Empfehlungen abgegeben, dass diese einen zentralen Erfahrungsort darstellen sollen, welcher Bewährung und Überprüfung theoretischer Erkenntnisse in Verbindung mit konkreter Praxis ermöglicht (Braunsteiner, 2014). Spezifische curriculare Strukturen und hochschuldidaktische Lehr-Lern-Formate, wie kollaborative Lerngemeinschaften, Peer-Feedback-Tandems, Lesson-Studies und individuelle Praxisreflexionen – begleitet durch Mentorinnen und Mentoren – sollen eine theoriegeleitete und mehrperspektivische Lernorganisation sicherstellen (Curriculum Bachelorstudium Primarstufe der PH NÖ, 2018, S. 35). Für die weiteren Überlegungen gilt es zu bedenken, dass sich in den letzten Jahren die Diskussion zum Theorie-Praxis-Verhältnis verändert hat und die Betonung nicht mehr auf der Balance zwischen Theorie und Praxis liegt, sondern auf der Beschreibung des Verhältnisses von Theorie und Praxis (Gröschner, 2019, S. 43). Bereits in den Vorgaben lassen sich deutliche Unterschiede zu den bisherigen Praxiskonzepten erkennen: Einerseits die begriffliche Veränderung „Pädagogisch-praktische Studien“ und andererseits die neue Bezeichnung der Praxislehrpersonen als „Mentorinnen und Mentoren“. Ein Paradigmenwechsel in den Pädagogisch-praktischen Studien mit Abwendung von der Performanz der Studierenden hin zu der Frage „Wie unterrichte ich wirkungsvoll?“ ist erkennbar, d. h., der Fokus wird auf die Schüler/innen und deren Lernen gerichtet. „In einem tendenziell komplexitätsreduzierten Arrangement zu Trainingszwecken sind die Schülerinnen und Schüler eher Figurantinnen und Figuranten und werden nicht ausreichend als Subjekte verstanden“ (Fraefel, 2018, S. 47).

Bedeutsam ist daher in diesem Kontext die Entwicklung bzw. Anbahnung eines „reflexiven Habitus“ (Helsper, 2001, S. 11) bei den Studierenden. Dieser soll sie in die Lage versetzen, sich selbst von außen zu betrachten, um Schwierigkeiten oder Lücken des eigenen Lernens zu beobachten und daraus abgeleitet neue, kreative Wege zu gehen und das Lernverhalten zu verändern. Mit diesen Bemühungen in engem Zusammenhang steht die Erkenntnis, dass es für den Erfolg von Praktika bedeutsam ist, dass die Praxislehrpersonen und die Hochschule über kohärente Konzepte und Strategien der Professionalisierung verfügen (Fraefel, 2018, S. 43–44). Es geht um den Aufbau von Mentoring-Beziehungen, die weniger einseitig und hierarchisch sind, und um Konzepte, die dialogisch ein tiefes Verständnis und dadurch eine professionelle Haltung im Beruf entstehen lassen (ebd., S. 48).

Dies kann dadurch geschehen, dass zwei oder mehrere Erwachsene als mündige und kritisch denkende Menschen an einem Praxiskonzept arbeiten, sich austauschen, um Dinge besser zu verstehen und neue Wege professionellen Handelns zu suchen und auch zu erproben. Dies wird als „kollaboratives Mentoring“ (ebd., S. 49) bezeichnet. Gegenstand des kollaborativen Mentorings ist die Frage, wie man gemeinsam ein Ziel erreicht. Dies steht in engster Verbindung mit den Aufgaben und Funktionen der Mentorin/des Mentors im Sinne einer Ko-Konstruktion, die Co-planning, Co-teaching und Debriefing (Reusser & Fraefel, 2017, S. 19) in einem „hybriden Raum“ (ebd., S. 23) umfasst. Das Konzept des „hybriden Raums“ bezeichnet einen gemeinsamen Lernort von Studierenden, Mentorinnen/Mentoren und eventuell auch von Schülerinnen/Schülern, die zusammenarbeiten. Mit diesen „geht eine herrschaftsarme Diskurskultur einher, die die Lehramtsstudierenden ‚auf Augenhöhe‘ ernst nimmt, die Partizipation aller Akteurinnen und Akteure vorsieht, das Aushandeln und das Vertreten hoher Standards von Professionalität ermöglicht und auch einfordert und Kooperation unter allen Akteurinnen und Akteuren, wo immer möglich, anstrebt“ (ebd., S. 20). Es geht also um ein ganz anderes Verhältnis zwischen Studierenden und Mentorinnen/Mentoren, welches weniger hierarchisch und imperativ fordernd ist, sondern aushandelnd. Betrachtet man unter dieser Prämisse das Co-planning, so wird ein diskursiver Raum eröffnet, in dem die Studierenden und die Mentorin/der Mentor gemeinsam darauf fokussiert sind, was die Schüler/innen lernen und wie das entsprechende Lernergebnis aussehen soll. Sowohl die Mentorinnen/Mentoren als auch die Studierenden bringen ihr auf unterschiedlichen Wissens- und Erfahrungsständen basierendes Vorwissen ein, diskutieren dieses und suchen die bestmögliche Lösung. Beim Co-teaching übernehmen alle Beteiligten die Verantwortung für den Unterricht. Dies hat vor allem für die Studierenden den Vorteil, dass sie diese nicht allein tragen müssen und es ihnen daher leichter fällt, die Schüler/innen und deren Lernen mehr ins Blickfeld zu nehmen (Fraefel, 2018, S. 53–55).

Fasst man die derzeitigen Bestrebungen zu den Pädagogisch-praktischen Studien zusammen, dann ist eine deutliche Veränderung des Fokus zu erkennen. Die Schüler/innen und deren Lernen rücken in den Mittelpunkt des Geschehens und nicht die Performanz der Studierenden. Es ist daher nicht mehr die vorrangige Aufgabe der Mentorinnen/Mentoren, in Form einer Nachbesprechung den gehaltenen Unterricht der Studierenden zu analysieren, sondern sie besprechen gemeinsam mit den Studierenden die Lernergebnisse der Schüler/innen. Davon ausgehend entwickelt sich erneutes Co-planning, Co-teaching und Debriefing.

4  Resümee und Ausblick

Die historische Betrachtungsweise der Lehrerbildung bildet die Grundlage für das Verständnis der unterschiedlichen Tätigkeitsbereiche und Rollen von Praxislehrpersonen in den unterschiedlichen historischen Epochen bis zur gegenwärtigen Situation. Ausgedrückt wurde und wird dies durch die differenten Bezeichnungen wie Besuchsschullehrer/in, Ausbildungslehrer/in oder Mentorin/Mentor. Wie bereits angeführt, zeigt diese Entwicklung der Betitelung auch die zunehmende Professionalisierung in diesem Bereich.

Dieser Blick zurück bildet gleichzeitig die Basis für die Zukunftsperspektiven. In den Pädagogisch-praktischen Studien stehen die Ausbildungsinstitutionen vor der Herausforderung, die Mentorinnen/Mentoren auf das neue Paradigma, welches das Lernen der Schüler/innen ins Zentrum rückt und bei welchem die Studierenden gemeinsam mit den Mentorinnen/Mentoren an diesem Bildungsprozess arbeiten, „einzuschwören“. Dies ist ein schwieriger Weg und mit den früheren Veränderungen auf dem Weg zur Ausbildungslehrerin/zum Ausbildungslehrer vergleichbar. Viele Mentorinnen/Mentoren haben selbst noch eine andere Ausbildung erlebt und fallen daher leicht in tradierte Muster zurück. Außerdem ist es ihnen verständlicherweise ein großes Anliegen, ihre eigenen Erfahrungen an die Studierenden weiterzugeben. Eine Möglichkeit zur Unterstützung dieses Change-Prozesses und einer Qualitätssteigerung der Lehrerbildung insgesamt bieten „Partnerschaftsmodelle“ (Bach, 2017, S. 44), bei denen die „Schulen“ gemeinsam mit den „Pädagogischen Hochschulen“ die Verantwortung für die Ausbildung der Studierenden übernehmen.

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II.

Eröffnende Perspektiven und theoretische Konzeptualisierung

Manuela Keller-Schneider

Und nun bin ich Lehrer/in!

Herausforderungen für berufseinsteigende und mentorierende Lehrpersonen

Abstract

Der Einstieg in die eigenverantwortliche Berufstätigkeit stellt strukturbedingt zu bearbeitende Entwicklungsaufgaben. Den hier dargelegten theoretisch fundierten und empirisch gestützten Befunden folgend nehmen Berufseinsteigende die beruflichen Anforderungen sehr wichtig, sie erleben sich kompetent und in einem mittleren Maß beansprucht. Die größten Herausforderungen sind, den Schülerinnen und Schülern in ihrem Lernen gerecht zu werden, die Klassenkultur zu lenken und die eigenen Ansprüche zu regulieren. Ihr Verständnis von Unterricht ist bedeutend, inwiefern Anforderungen als erfüllend oder erschöpfend wahrgenommen werden. Mentoratspersonen sind in der Begleitung dieser eigenverantwortlich tätigen Lehrpersonen gefordert, ein entsprechendes Verständnis der Rolle, von Vermittlung, Führung und Kooperation zu entwickeln, um der doppelten Verpflichtung (Berufseinsteigende – Profession) nachzukommen.

1  Einleitung

Der Einstieg in die eigenverantwortliche Berufstätigkeit als Lehrerin oder als Lehrer stellt Anforderungen, auf die im Rahmen der Ausbildung nur begrenzt vorbereitet werden kann, da die Reichweite der beruflichen Verantwortung im von Beurteilung geprägten Ausbildungskontext begrenzt ist. Die Komplexität und die Dynamik der gleichzeitig zu meisternden Anforderungen nimmt durch die Übernahme der gesamten beruflichen Verantwortung in der Rolle als eigenverantwortliche Lehrperson sprunghaft zu (Keller-Schneider, 2010a), wie aus der folgenden Aussage einer neu in den Beruf einsteigenden Lehrperson hervorgeht.

Die tausend Dinge, die ich beachten muss und dabei noch ruhig das Ganze überblicken soll, strapazieren mich arg. Wie kann ich gleichzeitig den Unterricht führen und dabei den Lernprozess jedes Kindes im Auge halten? Wie kann ich die Arbeitsatmosphäre sicherstellen, wenn noch keine Klassengemeinschaft besteht? Wie soll ich den Eltern klar und professionell gegenübertreten, wenn ich noch unsicher bin, wie ich als Lehrerin sein will? Wie kann ich im Team mitdenken und mitgestalten, wenn ich noch nicht weiß, was denn alles zur Arbeit innerhalb einer Schule gehört und welche ungeschriebenen Gesetze ich selbstverständlich beachten muss? (Barbara Binder, nach sieben Wochen Berufstätigkeit, Ausschnitt aus einem Supervisionsgespräch, in Keller-Schneider, 2010a, S. 9).

Die Freude, die Verantwortung nun selbst zu übernehmen, wird aber auch von Zweifeln begleitet, die Sache recht zu machen. In der nachfolgenden Aussage spiegelt sich diese Ungewissheit und verweist auf den Wunsch nach Rückhalt und Absicherung.

Ich habe mich ja so gefreut, endlich selber entscheiden und auch mal etwas wagen zu dürfen. Doch manchmal wünsche ich mir, dass mir jemand sagen würde, wie ich es machen soll. Das wäre sehr entlastend, dann kann ich auch nichts dafür, wenn es schiefgeht. Doch jetzt muss ich alles selber entscheiden und erst noch die Verantwortung dafür übernehmen, ohne dass mir jemand sagt, ich hätte das gut gemacht (Tanja Turnher, in Keller-Schneider, 2010a, S. 8).