Michael Kohlhaas - Heinrich Von Kleist - E-Book

Michael Kohlhaas E-Book

Heinrich Von Kleist

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Beschreibung

Kleists berühmte Novelle über das Streben nach Gerechtigkeit und Selbstjustiz: Der Pferdehändler Michael Kohlhaas reist nach Sachsen, um seine Tiere dort zu verkaufen, doch der Junker von Tronka verlangt unrechtmäßigerweise einen Passierschein. Als Kohlhaas hinter den Schwindel kommt, jedoch keine Gerechtigkeit vom Gericht erfährt, sieht Kohlhaas rot und lässt sich in blinder Rache nicht mehr aufhalten...-

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Heinrich von Kleist

Michael Kohlhaas

(Aus einer alten Chronik)

Saga

Michael KohlhaasCoverbild/Illustration: Shutterstock Copyright © 1810, 2020 Heinrich von Kleist und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726540178

 

1. Ebook-Auflage, 2020

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.

 

SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk

– a part of Egmont www.egmont.com

AN den Ufern der Havel lebte um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts ein Roßhändler, namens Michael Kohlhaas, Sohn eines Schulmeisters, einer der rechtschaffensten zugleich und entsetzlichsten Menschen seiner Zeit. – Dieser außerordentliche Mann würde bis in sein dreißigstes Jahr für das Muster eines guten Staatsbürgers haben gelten können. Er besaß in einem Dorfe, das noch von ihm den Namen führt, einen Meierhof, auf welchem er sich durch sein Gewerbe ruhig ernährte; die Kinder, die ihm sein Weib schenkte, erzog er in der Furcht Gottes zur Arbeitsamkeit und Treue; nicht einer war unter seinen Nachbarn, der sich nicht seiner Wohltätigkeit oder seiner Gerechtigkeit erfreut hätte; kurz, die Welt würde sein Andenken haben segnen müssen, wenn er in einer Tugend nicht ausgeschweift hätte. Das Rechtsgefühl aber machte ihn zum Räuber und Mörder.

Er ritt einst mit einer Koppel junger Pferde, wohlgenährt alle und glänzend, ins Ausland und überschlug eben, wie er den Gewinst, den er auf den Märkten damit zu machen hoffte, anlegen wolle: teils nach Art guter Wirte auf neuen Gewinst, teils aber auch auf den Genuß der Gegenwart: als er an die Elbe kam und bei einer stattlichen Ritterburg auf sächsischem Gebiete einen Schlagbaum traf, den er sonst auf diesem Wege nicht gefunden hatte. Er hielt in einem Augenblick, da eben der Regen heftig stürmte, mit den Pferden still und rief den Schlagwärter, der auch bald darauf mit einem grämlichen Gesicht aus dem Fenster sah. Der Roßhändler sagte, daß er ihm öffnen solle. „Was gibt’s hier Neues?” fragte er, da der Zöllner nach einer geraumen Zeit aus dem Hause trat. „Landesherrliches Privilegium”, antwortete dieser, indem er aufschloß: „dem Junker Wenzel von Tronka verliehen.” – „So”, sagte Kohlhaas, „Wenzel heißt der Junker?” und sah sich das Schloß an, das mit glänzenden Zinnen über das Feld blickte. „Ist der alte Herr tot?” – „Am Schlagfluß gestorben”, erwiderte der Zöllner, indem er den Baum in die Höhe ließ. – „Hm! Schade!” versetzte Kohlhaas. „Ein würdiger alter Herr, der seine Freude am Verkehr der Menschen hatte, Handel und Wandel, wo er nur vermochte; forthalf und einen Steindamm einst bauen ließ, weil mir eine Stute draußen, wo der Weg ins Dorf geht, das Bein gebrochen. Nun! Was bin ich schuldig?” – fragte er und holte die Groschen, die der Zollwärter verlangte, mühselig unter dem im Winde flatternden Mantel hervor. „Ja, Alter”, setzte er noch hinzu, da dieser: „Hurtig! hurtig!” murmelte und über die Witterung fluchte: „wenn der Baum im Walde stehengeblieben wäre, wär’s besser gewesen für mich und Euch”; und damit gab er ihm das Geld und wollte reiten. Er war aber noch kaum unter den Schlagbaum gekommen, als eine neue Stimme schon: „Halt dort, der Roßkamm!” hinter ihm vom Turm erscholl und er den Burgvogt ein Fenster zuwerfen und zu ihm herabeilen sah. „Nun, was gibt’s Neues?” fragte Kohlhaas bei sich selbst und hielt mit den Pferden an. Der Burgvogt, indem er sich noch eine Weste über seinen weitläufigen Leib zuknöpfte, kam und fragte, schief gegen die Witterung gestellt, nach dem Paßschein. – Kohlhaas fragte: „Der Paßschein?” Er sagte, ein wenig betreten, daß er, soviel er wisse, keinen habe, daß man ihm aber nur beschreiben möchte, was dies für ein Ding des Herrn sei, so werde er vielleicht zufälligerweise damit versehen sein. Der Schloßvogt, indem er ihn von der Seite ansah, versetzte, daß ohne einen landesherrlichen Erlaubnisschein kein Roßkamm mit Pferden über die Grenze gelassen würde. Der Roßkamm versicherte, daß er siebzehnmal in seinem Leben ohne einen solchen Schein über die Grenze gezogen sei; daß er alle landesherrlichen Verfügungen, die sein Gewerbe angingen, genau kenne, daß dies wohl nur ein Irrtum sein würde, wegen dessen er sich zu bedenken bitte, und daß man ihn, da seine Tagereise lang sei, nicht länger unnützerweise hier aufhalten möge. Doch der Vogt erwiderte, daß er das achtzehntemal nicht durchschlüpfen würde, daß die Verordnung deshalb erst neuerlich erschienen wäre, und daß er entweder den Paßschein noch hier lösen oder zurückkehren müsse, wo er hergekommen sei. Der Roßhändler, den diese ungesetzlichen Erpressungen zu erbittern anfingen, stieg nach einer kurzen Besinnung vom Pferde, gab es einem Knecht und sagte, daß er den Junker von Tronka, selbst darüber sprechen würde. Er ging auch auf die Burg; der Vogt folgte ihm, indem er von filzigen Geldraffern und nützlichen Aderlässen derselben murmelte, und beide traten, mit ihren Blicken einander messend in den Saal. Es traf sich, daß der Junker eben mit einigen muntern Freunden beim Becher saß und um eines Schwanks willen ein unendliches Gelächter unter ihnen erscholl, als Kohlhaas, um seine Beschwerde anzubringen, sich ihm näherte. Der Junker fragte, was er wolle; die Ritter, als sie den fremden Mann erblickten, wurden still; doch kaum hatte dieser sein Gesuch, die Pferde betreffend, angefangen, als der ganze Troß schon: „Pferde? Wo sind sie?” ausrief und an die Fenster eilte, um sie zu betrachten. Sie flogen, da sie die glänzende Koppel sahen, auf den Vorschlag des Junkers in den Hof hinab; der Regen hatte aufgehört; Schloßvogt und Verwalter und Knechte versammelten sich um sie, und alle musterten die Tiere. Der eine lobte den Schweißfuchs mit der Blesse, dem andern gefiel der Kastanienbraune, der dritte streichelte den Schecken mit schwarzgelben Flekken: und alle meinten, daß die Pferde wie Hirsche wären und im Lande keine bessern gezogen würden. Kohlhaas erwiderte munter, daß die Pferde nicht besser wären als die Ritter, die sie reiten sollten, und forderte sie auf, zu kaufen. Der Junker, den der mächtige Schweißhengst sehr reizte, befragte ihn auch um den Preis; der Verwalter lag ihm an, ein Paar Rappen zu kaufen, die er wegen Pferdemangels in der Wirtschaft gebrauchen zu können glaubte; doch als der Roßkamm sich erklärt hatte, fanden die Ritter ihn zu teuer, und der Junker sagte, daß er nach der Tafelrunde reiten und sich den König Arthur aufsuchen müsse, wenn er die Pferde so anschlage. Kohlhaas, der den Schloßvogt und den Verwalter, indem sie sprechende Blicke auf die Rappen warfen, miteinander flüstern sah, ließ es aus einer dunklen Vorahnung an nichts fehlen, die Pferde an sie loszuwerden. Er sagte zum Junker: „Herr, die Rappen habe ich vor sechs Monaten für fünfundzwanzig Goldgülden gekauft; gebt mir dreißig, so sollt Ihr sie haben.” Zwei Ritter, die neben dem Junker standen, äußerten nicht undeutlich, daß die Pferde wohl so viel wert wären; doch der Junker meinte, daß er für den Schweiß fuchs wohl, aber nicht eben für die Rappen Geld ausgeben möchte, und machte Anstalten, aufzubrechen; worauf Kohlhaas sagte, er würde vielleicht das nächste Mal, wenn er wieder mit seinen Gäulen durchzöge, einen Handel mit ihm machen, sich dem Junker empfahl und die Zügel seines Pferdes ergriff, um abzureiten. In diesem Augenblick trat der Schloßyogt aus dem Haufen vor und sagte, er höre, daß er ohne einen Paßschein nicht reisen dürfe. Kohlhaas wandte sich und fragte den Junker, ob es denn mit diesem Umstand, der sein ganzes Gewerbe zerstöre, in der Tat seine Richtigkeit habe. Der Junker antwortete mit einem verlegnen Gesicht, indem er abging: „Ja, Kohlhaas, den Paß mußt du lösen. Sprich mit dem Schloßvogt und zieh deiner Wege.” Kohlhaas versicherte ihm, daß es gar nicht seine Absicht sei, die Verordnungen, die wegen Ausführung der Pferde bestehen möchten, zu umgehen, versprach, bei seinem Durchzug durch Dresden den Paß in der Geheimschreiberei zu lösen, und bat, ihn nur diesmal, da er von dieser Forderung durchaus nichts gewußt, ziehen zu lassen. „Nun!” sprach der Junker, da eben das Wetter Wieder zu stürmen anfing und seine dürren Glieder durchsauste: „laßt den Schlucker laufen. – Kommt!” sagte er zu den Rittern, kehrte sich um und wollte nach dem Schlosse gehen. Der Schloßvogt sagte, zum Junker gewandt, daß er wenigstens ein Pfand zur Sicherheit, daß er den Schein lösen würde, zurücklassen müsse. Der Junker blieb wieder unter dem Schloßtor stehen. Kohlhaas fragte, welchen Wert er denn an Geld oder an Sachen zum Pfande wegen der Rappen zurücklassen solle. Der Verwalter meinte, in den Bart murmelnd, er könne ja die Rappen selbst zurücklassen. „Allerdings”, sagte der Schloßvogt, „das ist das Zweckmäßigste; ist der Paß gelöst, so kann er sie zu jeder Zeit wieder abholen.” Kohlhaas, über eine so unverschämte Forderung betreten, sagte dem Junker, der sich die Wamsschöße frierend vor den Leib hielt, daß er die Rappen ja verkaufen wolle; doch dieser, da in demselben Augenblick ein Windstoß eine ganze Last von Regen und Hagel durchs Tor jagte, rief, um der Sache ein Ende zu machen: „Wenn er die Pferde nicht loslassen will, so schmeißt ihn wieder über den Schlagbaum zurück!” und ging ab. Der Roßkamm, der wohl sah, daß er hier der Gewalttätigkeit weichen mußte, entschloß sich, die Forderung, weil doch nichts anders übrigblieb, zu erfüllen, spannte die Rappen aus und führte sie in einen Stall, den ihm der Schloßvogt anwies. Er ließ einen Knecht bei ihnen zurück, versah ihn mit Geld, ermahnte ihn, die Pferde bis zu seiner Zurückkunft wohl in acht zu nehmen, und setzte seine Reise mit dem Rest der Koppel, halb und halb ungewiß, ob nicht doch wohl wegen aufkeimender Pferdezucht ein solches Gebot im Sächsischen erschienen sein könne, nach Leipzig, wo er auf die Messe wollte, fort.

In Dresden, wo er in einer der Vorstädte der Stadt ein Haus mit einigen Ställen besaß, weil er von hier aus seinen Handel auf den kleineren Märkten des Landes zu bestreiten pflegte, begab er sich gleich nach seiner Ankunft auf die Geheimschreiberei, wo er von den Räten, deren er einige kannte, erfuhr – was ihm allerdings sein erster Glaube schon gesagt hatte – daß die Geschichte von dem Paßschein ein Märchen sei. Kohlhaas, dem die mißvergnügten Räte auf sein Ansuchen einen schriftlichen Schein über den Ungrund derselben gaben, lächelte über den Witz des dürren Junkers, obschon er noch nicht recht einsah, was er damit bezwecken mochte; und die Koppel der Pferde, die er bei sich führte, einige Wochen darauf zu seiner Zufriedenheit verkauft, kehrte er, ohne irgend weiter ein bitteres Gefühl als das der allgemeinen Not der Welt, zur Tronkenburg zurück. Der Schloßvogt, dem er den Schein zeigte, ließ sich nicht weiter darüber aus und sagte auf die Frage des Roßkamms, ob er die Pferde jetzt wieder bekommen könne: er möchte nur hinuntergehen und sie holen. Kohlhaas hatte aber schon, da er über den Hof ging, den unangenehmen Auftritt, zu erfahren, daß sein Knecht ungebührlichen Betragens halber, wie es hieß, wenige Tage nach dessen Zurücklassung in der Tronkenburg zerprügelt und weggejagt worden sei. Er fragte den Jungen, der ihm diese Nachricht gab, was denn derselbe getan und wer währenddessen die Pferde besorgt hätte; worauf dieser aber erwiderte, er wisse es nicht, und darauf dem Roßkamm, dem das Herz schon von Ahnungen schwoll, den Stall, in welchem sie standen, öffnete. Wie groß war aber sein Erstaunen, als er statt seiner zwei glatten und wohlgenährten Rappen ein Paar dürre, abgehärmte Mähren erblickte; Knochen, denen man, wie Riegeln, hätte Sachen aufhängen können; Mähnen und Haare ohne Wartung und Pflege zusammengeknetet: das wahre Bild des Elends im Tierreiche! Kohlhaas, den die Pferde mit einer schwächen Bewegung anwieherten, war auf das äußerste entrüstet und fragte, was seinen Gäulen widerfahren wäre. Der Junge, der bei ihm stand, antwortete, daß ihnen weiter kein Unglück zugestoßen wäre, daß sie auch das gehörige Futter bekommen hätten, daß sie aber, da gerade Ernte gewesen sei, wegen Mangels an Zugvieh ein wenig auf den Feldern gebraucht worden wären. Kohlhaas fluchte über diese schändliche und abgekartete Gewalttätigkeit, verbiß jedoch im Gefühl seiner Ohnmacht seinen Ingrimm und machte schon, da doch nichts anders übrigblieb, Anstalten, das Raubnest mit den Pferden nur wieder zu verlassen, als der Schloßvogt, von dem Wortwechsel herbeigerufen, erschien und fragte, was es hier gäbe. „Was es gibt?” antwortete Kohlhaas. „Wer hat dem Junker von Tronka und dessen Leuten die Erlaubnis gegeben, sich meiner bei ihm zurückgelassenen Rappen zur Feldarbeit zu bedienen?” Er setzte hinzu, ob das wohl menschlich wäre, versuchte, die erschöpften Gäule durch einen Gertenstreich zu erregen, und zeigte ihm, daß sie sich nicht rührten. Der Schloßvogt – nachdem er ihn eine Weile trotzig angesehen hatte –versetzte: „Seht den Grobian! Ob der Flegel nicht Gott danken sollte, daß die Mähren überhaupt noch leben!” Er fragte, wer sie, da der Knecht weggelaufen, hätte pflegen sollen. Ob es nicht billig gewesen wäre, daß die Pferde das Futter, das man ihnen gereicht habe, auf den Feldern abverdient hätten. Er schloß, daß er hier keine Flausen machen möchte, oder daß er die Hunde rufen und sich durch sie Ruhe im Hofe zu verschaffen wissen würde. – Dem Roßhändler schlug das Herz gegen das Wams. Es drängte ihn, den nichtswürdigen Dickwanst in den Kot zu werfen und den Fuß auf sein kupfernes Antlitz zu setzen. Doch sein Rechtgefühl, das einer Goldwaage glich, wankte noch; er war vor der Schranke seiner eigenen Brust noch nicht gewiß, ob eine Schuld seinen Gegner drücke; und während er, die Schimpfreden niederschlukkend, zu den Pferden trat und ihnen in stiller Erwägung der Umstände die Mähnen zurechtlegte, fragte er mit gesenkter Stimme, um welchen Versehens halber der Knecht denn aus der Burg entfernt worden sei. Der Schloßvogt erwiderte: „Weil der Schlingel trotzig im Hofe gewesen ist! Weil er sich gegen einen notwendigen Stallwechsel gesträubt und verlangt hat, daß die Pferde zweier Jungherren, die auf die Tronkenburg kamen, um seiner Mähren willen auf der freien Straße übernachten sollten!” – Kohlhaas hätte den Wert der Pferde darum gegeben, wenn er den Knecht zur Hand gehabt und dessen Aussage mit der Aussage dieses dickmäüligen Burgvogts hätte vergleichen können. Er stand noch und streifte den Rappen die Zotteln aus und sann, was in seiner Lage zu tun sei, als sich die Szene plötzlich änderte und der Junker Wenzel von Tronka mit einem Schwarm von Rittern, Knechten und Hunden, von der Hasenhetze kommend, in den Schloßplatz sprengte. Der Schloßvogt, als er fragte, was vorgefallen sei, nahm sogleich das Wort, und während die Hunde beim Anblick des Fremden von der einen Seite ein Mordgeheul gegen ihn anstimmten und die Ritter ihnen von der andern zu schweigen geboten, zeigte er ihm unter der gehässigsten Entstellung der Sache an, was dieser Roßkamm, weil seine Rappen ein wenig gebraucht worden wären, für eine Rebellion verführe. Er sagte mit Hohngelächter, daß er sich weigere, die Pferde als die seinigen anzuerkennen. Kohlhaas rief: „Das sind nicht meine Pferde, gestrenger Herr! Das sind die Pferde nicht, die dreißig Goldgülden wert waren! Ich will meine wohlgenährten und gesunden Pferde wieder haben!” – Der Junker, indem ihm eine flüchtige Blässe ins Gesicht trat, stieg vom Pferde und sagte: „Wenn der H ... A ... die Pferde nicht wiedernehmen will, so mag er es bleiben lassen. Komm, Günther!” rief er – „Hans! Kommt!” indem er sich den Staub mit der Hand von den Beinkleidern schüttelte, und: „Schafft Wein!” rief er noch, da er mit den Rittern unter der Tür war, und ging ins Haus. Kohlhaas sagte, daß er eher den Abdecker rufen und die Pferde auf den Schindanger schmeißen lassen, als sie so, wie sie wären, in seinen Stall zu Kohlhaasenbrück führen wolle. Er ließ die Gäule, ohne sich um sie zu bekümmern, auf dem Platz stehen, schwang sich, indem er versicherte, daß er sich Recht zu verschaffen wissen würde, auf seinen Braunen und ritt davon.

Spornstreichs auf dem Wege nach Dresden war er schon, als er bei dem Gedanken an den Knecht und an die Klage, die man auf der Burg gegen ihn führte, schrittweis zu reiten anfing, sein Pferd, ehe er noch tausend Schritt gemacht hatte, wieder wandte und zur vorgängigen Vernehmung des Knechts, wie es ihm klug und gerecht schien, nach Kohlhaasenbrück einbog. Denn ein richtiges, mit der gebrechlichen Einrichtung der Welt schon bekanntes Gefühl machte ihn trotz der erlittenen Beleidigungen geneigt, falls nur wirklich dem Knecht, wie der Schloßvogt behauptete, eine Art von Schuld beizumessen sei, den Verlust der Pferde als eine gerechte Folge davon zu verschmerzen. Dagegen sagte ihm ein ebenso vortreffliches Gefühl – und dies Gefühl faßte tiefere und tiefere Wurzeln in dem Maße, als er weiterritt und überall, wo er einkehrte, von den Ungerechtigkeiten hörte, die täglich auf der Tronkenburg gegen die Reisenden verübt wurden – daß, wenn der ganze Vorfall, wie es allen Anschein habe, bloß abgekartet sein sollte, er mit seinen Kräften der Welt in der Pflicht verfallen sei, sich Genugtuung für die erlittene Kränkung und Sicherheit für zukünftige seinen Mitbürgern zu verschaffen.

Sobald er bei seiner Ankunft in Kohlhaasenbrück Lisbeth, sein treues Weib, umarmt und seine Kinder, die um seine Knie frohlockten, geküßt hatte, fragte er gleich nach Herse, dem Großknecht, und ob man nichts von ihm gehört habe. Lisbeth sagte: „Ja, liebster Michael, dieser Herse! Denke dir, daß dieser unselige Mensch vor etwa vierzehn Tagen auf das jämmerlichste zerschlagen hier eintrifft; nein, so zerschlagen, daß er auch nicht frei atmen kann! Wir bringen ihn zu Bett, wo er heftig Blut speit, und vernehmen auf unsre wiederholten Fragen eine Geschichte, die keiner versteht: Wie er von dir mit Pferden, denen man den Durchgang nicht verstauet, auf der Tronkenburg zurückgelassen worden sei, wie man ihn durch die schändlichsten Mißhandlungen gezwungen habe, die Burg zu verlassen, und wie es ihm unmöglich gewesen wäre, die Pferde mitzunehmen.” – „So?” sagte Kohlhaas, indem er den Mantel ablegte. „Ist er denn schon wieder hergestellt?” – „Bis auf das Blutspeien”, antwortete sie, „halb und halb. Ich wollte sogleich einen Knecht nach der Tronkenburg schicken, um die Pflege der Rosse bis zu deiner Ankunft daselbst besorgen zu lassen. Denn da sich der Herse immer wahrhaftig gezeigt hat und so getreu uns, in der Tat, wie kein anderer, so kam es mir nicht zu, in seine Aussage, von so viel Merkmalen unterstützt, einen Zweifel zu setzen und etwa zu glauben, daß er der Pferde auf eine andere Art verlustig gegangen wäre. Doch er beschwört mich, niemandem zuzumuten, sich in diesem Raubneste zu zeigen, und die Tiere aufzugeben, wenn ich keinen Menschen dafür aufopfern wolle.” – „Liegt er dennnoch im Bette?” fragte Kohlhaas, indem er sich von der Halsbinde befreite. – „Er geht”, erwiderte sie, „seit einigen Tagen schon wieder im Hofe umher. Kurz, du wirst sehen”, fuhr sie fort, „daß alles seine Richtigkeit hat und daß diese Begebenheit einer von den Freveln ist, die man sich seit kurzem auf der Tronkenburg gegen die Fremden erlaubt.” – „Das muß ich doch erst untersuchen”, erwiderte Kohlhaas. „Ruf’ ihn mir, Lisbeth, wenn er auf ist, doch her!” Mit diesen Worten setzte er sich in den Lehnstuhl; und die Hausfrau, die sich über seine Gelassenheit sehr freute, ging und holte den Knecht.