Mit Herz und Pfote - Monika K. - E-Book

Mit Herz und Pfote E-Book

Monika K.

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Beschreibung

Der Verlust zerreißt Grace schier. Doch Keks - ihr neuer Begleiter auf vier Pfoten erobert ihr Herz in Windeseile und zeigt Grace, dass sich eine neue Tür öffnet, wenn man nur bereit ist, die alte zu schließen. Auf ihrem gemeinsamen Weg voller Schmerz, Chaos, Abenteuern, Hoffnung und den Dramen des Lebens, entdeckt Grace eine neue Seite der Liebe, tief verborgene Geheimnisse und den größten Schatz ihres Lebens. Keks hingegen findet nicht nur ein Zuhause für immer, sondern eine ganze Familie.

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Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Ab der nächsten Seite begeben Sie sich auf die Reise zwischen Trauer und Freude, weinen und lachen, Verlust und Gewinn.

Weitere Titel der Autorin

Wie das Leben spielt – erschienen im April 2023

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1: Schritte in die Stille

Kapitel 2: Die Suche nach einer treuen Seele

Kapitel 3: Ein Herz für Keks

Kapitel 4: Keks – ein neues Zuhause und ein Neubeginn

Kapitel 5: Neuanfang mit vier Pfoten

Kapitel 6: Keks – Ankunft im Reich der Düfte

Kapitel 7: Vertrauen und Verantwortung

Kapitel 8: Keks – Entdeckung im grünen Paradies

Kapitel 9: Unerwartete Begegnungen und verborgene Wahrheiten

Kapitel 10: Keks – Instinkt und Trost in dunklen Stunden

Kapitel 11: Sandra – ungeplante Geschenke und ein rotes Licht

Kapitel 12: Die Suche nach der Wahrheit

Kapitel 13: Neue Bindungen und alte Geheimnisse

Kapitel 14: Keks – neue Freundschaften und geteilte Sorgen

Kapitel 15: Die Entdeckung einer neuen Verbindung

Kapitel 16: Zwischen Chaos und Zärtlichkeit

Kapitel 17: Begegnungen und Enthüllungen

Kapitel 18: Verwirrende Nähe – zwischen Freundschaft und Gefühlswirrwarr

Kapitel 19: Keks – Chaos und Kuschelstunden: Das turbulente Leben mit Grace

Kapitel 20: Verborgene Wahrheiten

Kapitel 21: Enthüllungen aus der Vergangenheit

Kapitel 22: Keks – Bindung und Trost

Kapitel 23: Zerrissene Bande und die Suche nach Halt

Kapitel 24: Neubeginn und alte Geheimnisse

Kapitel 25: Keks – Tränen und Trost im Sonnenschein

Kapitel 26: Zwischen Wahrheit und Zweifel

Kapitel 27: Neuanfänge und unerwartete Wahrheiten

Kapitel 28: Keks und Sammy – verführerische Düfte und ein kleines Missgeschick

Kapitel 29: Enthüllungen und Abschiede

Kapitel 30: Zerrissene Bande und die Suche nach Halt

Kapitel 31: Keks – Rückkehr ins Gleichgewicht

Kapitel 32: Versöhnung im Sommerregen

Kapitel 33: Keks – stürmische Rückkehr

Kapitel 34: Neubeginn auf vier Rädern

Kapitel 35: Ein unerwartetes Signal

Kapitel 36: Ein Versprechen am Meer

Kapitel 37: Keks – ein neues Abenteuer beginnt

Kapitel 38: Die Suche nach Wahrheit und Hoffnung

Kapitel 39: Im Labyrinth der Spuren

Kapitel 40: Am Rande es Abgrunds

Kapitel 41: Die nächtliche Sorge

Kapitel 42: Keks – Spürnasenabenteuer mit Bauchschmerzen

Kapitel 43: Die Suche ohne Spürnasenhilfe

Kapitel 44: Tag drei – letzte Chance

Kapitel 45: Keks – am Rande der Gewissheit

Kapitel 46: Frieden mit der Vergangenheit

Nachwort

Kapitel 1

Schritte in die Stille

Zum ersten Mal nach siebzehn Jahren läuft Grace alleine ihre morgendliche Runde um den Hügel. Bis vor wenigen Wochen, hat sie nie daran gedacht wie es wohl wäre, wenn Andrew nicht mehr neben ihr sei.

Tag für Tag, mit wenigen Ausnahmen, liefen sie um den Hügel, der die meiste Zeit des Jahres von der Sonne angeschienen wird und trotz der langen Zeit, wurden beide dieses Anblickes niemals müde. Es faszinierte sie immer wieder aufs Neue. Nicht umsonst trägt die achttausend Seelengemeinde den Namen Sunny Hill.

Grace ist in Sunny Hill aufgewachsen und Andrew folgte ihr nach der Verlobung vor achtzehn Jahren.

Grace schaut gedankenverloren auf den Hügel, bemerkt seine Schönheit heute jedoch nicht. Es ist das erste Mal nach Andrews tot, der ohne Vorwarnung und viel zu früh kam, dass Grace allen Mut und Kraft zusammennimmt und ihren gemeinsamen Weg geht … alleine.

Seit Grace vor sechs Wochen den Anruf bekommen hat, den Anruf der alles veränderte, hat sie das Haus nicht mehr verlassen. Dank ihrer Mutter Esther, die sie mit Essen und Trinken versorgt, gab es für Grace dafür auch keinen nennenswerten Grund. Noch nie in ihrem Leben hat sie sich so gehen lassen, wiederum, musste sie auch noch nie in ihrem Leben etwas so schlimmes überstehen.

Sie haben keine Kinder bekommen. Grace wollte nie welche. Sie konnte es sich einfach nicht vorstellen und Andrew war bereit sich dem anzupassen. Sein Wunsch war nie so übermächtig, dass er Grace deswegen verlassen hätte. Doch heute fragt sich Grace, wie es wohl wäre, wenn sie Kinder bekommen hätten. Wäre es dann einfacher Andrews tot zu überwinden? Schnell schüttelt sie diesen Gedanken beiseite, als sie laute Rufe hört. »Sammy … Saaaammmyyyy … komm her.«

In der Ferne sieht sie ihre Nachbarin Sandra und ihren Begleiter Sammy, ein schokobrauner Labrador. Sammy kommt mehrmals die Woche zu Grace in den Garten, sie spielen, Sammy lässt sich die Ohren kraulen und am Ende staubt er noch einen Knochen ab. Sammys Besuche waren die letzten Wochen die einzigen Besuche über die Grace sich aufrichtig freute und die ihr, zumindest für den Augenblick, halfen und das, obwohl Grace nie einen besonderen Bezug zu Hunden hatte. Sie öffnete meist nicht einmal die Tür, wenn es klingelte und nur Sammy konnte sich so elegant durch das Gebüsch quetschen, in dem sich mittlerweile ein Tunnel in seiner Form gebildet hat.

Sandra wohnt seit sechs Jahren zwei Häuser von Grace entfernt. Sie verbringen viel Zeit miteinander. Sie haben sich sofort angefreundet und auf Anhieb gut verstanden, aber im Moment war Grace sogar Sandras Anwesenheit zu viel des Guten. Obwohl sie ihre Mädelsabende manchmal vermisst, kann sie sich nicht dazu durchringen. Sandra ist mit ihren 41 Jahren noch immer alleinstehend, sie hat nur Sammy. In dieser Aufgabe geht sie voll auf. Grace kann sich nicht daran erinnern, dass Sandra jemals etwas von einem Mann erzählt hätte. Sie winkt immer ab, wenn es auf dieses Thema zusprechen kommt. Den Grund dafür hat Grace bis heute nicht herausgefunden, obwohl sie sonst über alles miteinander sprechen. Sandra ist eine attraktive Frau, findet Grace, darum kann sie noch weniger verstehen, warum Sandra es schwer haben sollte, einen Mann zu finden.

Grace winkt Sandra flüchtig und setzt sich wieder mit gesenktem Kopf in Bewegung, als sich auf einmal eine bleierne Müdigkeit über sie legt. Auch wenn sie die letzten sechs Wochen nahezu unentwegt liegend verbracht hat, zu allem anderen fehlt ihr die Kraft, fühlt sie sich unendlich erschöpft.

Andrews tot hat ihr alle Energiereserven geraubt. Natürlich ist sie sich dessen bewusst, dass das kein Dauerzustand sein kann, aber im Augenblick, kann sie nur kleine Schritte zurück ins Leben machen und heute macht sie den Ersten.

Mit 39 Jahren Witwe zu werden ist keineswegs etwas, womit man rechnet. Nicht, dass es nicht denkbar wäre, aber mit dem frühen Tod ist es doch immer dasselbe. Jeder denkt, das passiert mir nicht und lebt weiter als wäre es gewiss, dass man noch viel Zeit hat. Wie oft planen Menschen Dinge jahrelang voraus, nur um dann festzustellen, dass das Leben, das Schicksal oder wie man es nennen möchte, ganz andere Pläne mit ihnen hat.

Bisher verlief Graces Leben immer nach Plan. Sie wusste was sie will, bis wann dies geschehen soll und genau so kam es auch. Zumindest bisher. Natürlich hatte auch Grace in ihrer Jugend ein paar Ausrutscher, unplanmäßiges, aber es hat sie nie auf ihrem Weg ausgebremst, geschweige denn aus der Bahn geworfen.

Sie wollte auf keinen Fall kurz vor ihrem 40. Geburtstag Witwe werden, einsam in einem großen Haus leben, die Freude an ihrer Arbeit verlieren und sich so fehl am Platz, wie noch nie zuvor, fühlen.

Sie hat zwar einen großen Freundes- und Bekanntenkreis, aber Menschen gehörten noch nie zu ihren Favoriten. Ein bisschen quatschen hier und ein bisschen mit den Nachbarn da, das reicht ihr an sozialen Kontakten aus.

In Andrew hatte sie alles gefunden, was sie brauchte. Sie teilten denselben Musikgeschmack, mochten dasselbe Essen, liebten dieselben Urlaubsziele und hatten schon immer die gleiche Vorstellung vom Leben und dem Miteinander. Jetzt ist dieser eine Mensch, der Grace nicht störte, abgesehen von Sandra, plötzlich nicht mehr da.

Seitdem verbringt Grace die Nächte meist wach und wenn sie doch schläft, dann macht sie das auf dem Sofa. Es fällt ihr schon schwer, ihr gemeinsames Schlafzimmer nur zu betreten, wie soll sie darin dann die schlimmste Zeit des Tages überstehen. Die Nacht.

Die Tage ohne ihren geliebten Andrew sind zwar lang, ja, manchmal sogar unendlich, doch die Nächte, die Nächte sind für Grace eine wahre Qual. Nachdem sie aufgehört hat die Nächte durchzuweinen und in Alkohol zu ertränken, beginnt sie damit, nachts irgendwelche Serien zu schauen. Es interessiert sie zwar nicht, aber es lenkt sie etwas ab und bringt sie durch die Nacht oder sie wird irgendwann doch so müde, dass sie für wenige Stunden einschläft.

Jeden Morgen hofft sie darauf, sich endlich wieder besser zu fühlen, Leben in sich zu entdecken, einen Grund zu finden, das Sofa zu verlassen oder der Dusche einen Besuch abzustatten, doch nichts in der Art geschieht.

Das Einzige, das sie irgendwie jeden Tag schafft, ist es die Anrufe von Andrews Angestellten anzunehmen und seine beiden Buchläden am Leben zu erhalten. Wenn schon nicht Andrew, dann wenigstens das, was ihm am zweitwichtigsten war und das war seine Arbeit.

Er hat im Alter von 23 Jahren seinen ersten Buchhandel eröffnet. Nicht in Sunny Hill, sondern in der benachbarten Stadt, die mit ihren 50.000 Einwohnern für genug Publikum in der Innenstadt sorgt und trotz des beliebten Onlinehandels, hat er es geschafft einen weiteren, wenn auch kleineren Laden, zu eröffnen. Es hat ihnen nie an etwas gefehlt.

Andrew führte seine Läden mit so viel Leidenschaft, dass er sich nie Sorgen machen musste, dass die Menschen bald nicht mehr zu ihm kamen, lieber bestellten und es sich bequem in den Briefkasten liefern ließen oder direkt ein digitales Buch kauften.

Seine Buchhandlungen sind in der Stadt bekannt und immer gut besucht, denn sie sind anders. Sie haben Charme und den gewissen Wohlfühlfaktor. Trotz der zunehmenden Digitalisierung treffen sich dort Alt und Jung, stöbern in Büchern oder versinken so tief in einem Roman, dass sie die vielen anderen Menschen um sich herum gar nicht mehr wahrnehmen.

Im oberen Stock ist es wie ein Café eingerichtet, nur noch viel gemütlicher. So hat es sich über die vielen Jahre für manche als Rückzugsort bewährt. Ein Ort, an dem sie in Ruhe vor der Welt da draußen fliehen und in eine andere Welt eintauchen können. Als Stammkunden von Andrews tot erfahren haben, stand das Telefon nicht mehr still. Neben den vielen Beileidsbekundungen war die häufigste Frage, ob die Buchläden geöffnet bleiben und wie wichtig sie für die Stadt und die Menschen dort wären. Sogar der Bürgermeister bot seine Hilfe an. Wie die auch immer aussehen mochte. Grace weiß all das zu schätzen und eins ist ihr klar, sie wird die Läden niemals aufgeben. Wenigstens so kann etwas von Andrew weiterleben.

Kapitel 2

Die Suche nach einer treuen Seele

Grace hat immerhin vier Stunden geschlafen, das empfindet sie als großen Fortschritt.

Sie geht schlaftrunken in die Küche und schaut in den Garten hinaus. Es ist Mitte März und die Natur erwacht langsam zum Leben. Die Tage werden länger und die Nächte zum Glück kürzer. Sie betrachtet ihre Beete, die verwildert aussehen und hier und da gelitten haben, weil Sammy beim Spielen gerne mal quer hindurchläuft.

Sie nimmt sich einen Kaffee und setzt sich in den Garten um die Stille, die sie früher so mochte, durch Vogelgezwitscher zu ersetzen. Denn Stille ist zu ihrem größten Feind geworden. Stille lässt ihre Gedanken nur noch lauter werden und mit ihnen den Schmerz und die Trauer. Zugleich hat sie keinen Bedarf an gutgemeinten Ratschlägen von Freunden, Bekannten, Verwandten und was es noch so alles gibt. Egal was sie sagen, alles hat sie schonmal gehört. Jeder weiß doch wie schwer es ist in solch einer Situation die richtigen Worte zu finden, also müssen die immergleichen Floskeln herhalten. Grace denkt jedes Mal: Sag doch einfach lieber nichts, anstatt das wird schon wieder, es kommen wieder bessere Zeiten, irgendwann wird die Sonne auch für dich wieder lachen, lass den Kopf nicht hängen … keiner, wirklich keiner! Möchte sowas hören, während seine Welt in Trümmern liegt.

In Gedanken versunken und im Kopf in Rage geredet, wird Grace durch das Klingeln herausgerissen. Sie überlegt kurz, ob sie überhaupt aufmachen soll, Lust hat sie keine, aber sie kann sich nicht ewig vor der Menschheit verstecken, also schlurft sie mit wenig Begeisterung zur Tür.

»Oh, hallo Grace, es tut mir leid, dass ich dich so früh störe, aber hast du Sammy gesehen?« Wieso sagen die Leute immer oh, äh, wenn man ans Telefon geht oder die Tür öffnet … sie wollen doch was von einem und sind darauf vorbereitet, sie haben sich dafür entschied es zu tun und dann tun sie doch völlig erstaunt. Dieser Monolog in Graces Gedanken lenkt sie so sehr ab, dass sie Mühe hat, sich an Sandras Worte zu erinnern. Sie führt viele dieser Monologe in ihren Gedanken. Tag ein und Tag aus, nicht erst seit sie alleine ist. Sehr ermüdend, wie sie selbst findet.

»Hallo Sandra, nein tut mir leid, Sammy war heute noch nicht bei mir. Ist er weggelaufen?«

»Ich bin mir nicht sicher. Normalerweise ist er entweder bei dir oder bei meiner Schwester. Weiter entfernt er sich nie vom Haus, aber seit er vor einer Stunde gegangen ist, ist er nicht mehr wiedergekommen und er ist immer pünktlich auf die Minute, zumindest wenn es ums Fressen geht«.

Die Angst und die aufkommende Panik in Sandras Gesicht ist nicht zu übersehen. Nein, Grace ermahnte sich selbst, keine Floskel zu verwenden und sie mag Sammy sehr gerne und macht sich ebenfalls Sorgen.

»Wenn du möchtest, kann ich dir helfen. Wir teilen uns auf, so haben wir bestimmt die besten Chancen Sammy schnell wieder zu finden.«

Die Dankbarkeit über dieses Angebot steht Sandra ins Gesicht geschrieben und Grace ist so wenigstens abgelenkt und kann wieder einen weiteren Schritt Richtung Leben machen und wenn es nur ein halber Schritt wird, aber sie ist ihn gegangen.

Sandra hat die letzten Wochen unzählige Versuche unternommen Grace aufzumuntern, unter Menschen zu kriegen, sie abzulenken, doch Grace gab ihr einen Korb nach dem anderen. Meistens antwortete sie nicht einmal auf ihre Nachrichten. Sie fühlt sich zwar schlecht deswegen, aber sie war zu erschöpft, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Es war das Mindeste Sandra nun zu helfen.

»Danke Grace, ich übernehme die linke Seite der Straße, kannst du die rechte machen?«

»Aber sicher, ich rufe dich an, wenn ich ihn finde.«

»So machen wir das, bis gleich und vielen Dank.«

Grace klingelt an jeder Haustür auf der rechten Straßenseite. Es ist eine verdammt lange Straße und es wird noch eine Weile dauern, bis sie alle durch hat. Viele ihrer Nachbarn öffnen ihr noch im Morgenmantel die Tür und schauen sie aus kleinen Schlitzen, die später zu richtigen Augen werden, an. Es ist ihr irgendwie unangenehm, doch je länger sie das macht, desto mehr bekommt sie das Gefühl wieder zu leben. Etwas Gutes passiert in ihr, auch wenn es sie traurig stimmt, dass Sammy vermisst wird. Bei jedem der ihr die Tür öffnet, hat sie angst, in dessen Ausdruck Mitleid zu erblicken. Genau diesen Blicken wollte sie den letzten Wochen aus dem Weg gehen, weil sie es nicht ertragen kann und will. Doch es ist für Sammy und für Sandra.

Sie entwickelt eine Art Eifer, als wolle sie Gewinnen. Sie will Sammy unbedingt finden, sie möchte diejenige sein, die ihn wieder nach Hause bringt. Es wäre endlich mal wieder eine sinnvolle Tat in ihrem tristen Dasein.

Alle paar Minuten kontrolliert sie vorsichtshalber ihr Handy, damit sie nicht den erlösenden Anruf von Sandra verpasst. Doch ihr Handy ist genauso stumm, wie es die letzten Wochen auch um sie herum war. Tiefe, erdrückende Stille, die sie fest umklammert hält.

Am vorletzten Haus verlässt Grace langsam der Mut. Entweder es öffnet niemand die Tür oder Sammy wurde nicht gesehen. Jeder in der Straße kennt Sammy. Er darf ein tolles Hundeleben führen, durch die Straßen streunern, Besuche abstatten und er kommt wie eine Katze wieder zurück. Mit dem Unterschied, dass er nicht nur wegen des Futters wiederkommt, sondern, weil seine Familie auf ihn wartet und er spätestens am Abend mit Sandra auf dem Sofa kuscheln möchte.

Das macht Sammy schon seit eh und je. Niemand weiß so genau, wie viele Kauknochen, Leckerlis und übrig gebliebenes Essen Sammy tatsächlich täglich abstaubt, aber man sieht es ihm nicht an.

Während Grace am letzten Haus steht, klingelt ihr Handy.

»Grace, ich habe ihn gefunden«, schreit Sandra mit piepsiger Stimme durch das Handy. Grace fallen Steine vom Herzen, als sie das hört und das, obwohl es nicht mal ihr eigener Hund ist. Sie ist sich sicher, dass sie viele Tage nur überstanden hat, weil Sammy bei ihr war.

»Da bin ich aber erleichtert, geht es ihm gut?« Erkundigt sich Grace.

»Ja, er ist nur bis ans Ende der Straße gelaufen und hat eine Katze auf dem Baum beobachtet. Er wollte sie wohl so lange hypnotisieren, bis sie herunterfällt«, scherzt Sandra.

Grace muss lachen. Ja, seit Wochen muss sie das erste Mal wieder lachen und Sammy hat sie es zu verdanken. Na gut und weil sein Frauchen Humor besitzt.

»Ich bin wirklich froh, dass Sammy wohlauf ist. Möchtet ihr zwei vielleicht mit zu mir kommen? Auf einen Kaffee und eine Kaustange vielleicht?«

Grace weiß selbst nicht, wieso sie das gerade sagt. Es sprudelt einfach so aus ihr heraus und nun ist es ausgesprochen … und es fühlt sich zu ihrem eigenen Erstaunen gut an.

»Sehr gerne, wir sehen uns gleich.« Sandra ist kurz überrascht über die Einladung, freut sich aber sehr, endlich wieder Zeit mit ihrer Freundin verbringen zu können.

Grace legt auf und ein Lächeln streift ihr Gesicht. Sie streckt sich Richtung Sonne, schließt die Augen und spürt einen Moment nur, wie die warmen Sonnenstrahlen ihre Haut berühren. Kurz meint sie, nicht auf Erden zu sein, dafür dem Himmel so nah. Sie muss einige Zeit so gestanden haben, denn eine Nachricht von Sandra reißt sie zurück in die Realität.

Sandra wartet schon vor Graces Haus und wundert sich, dass Grace nicht da ist. Grace setzt sich ruckartig in Bewegung und ein lang vermisstes Gefühl beschleicht sie. Leichtigkeit.

Als sie auf die beiden zugeht, stürmt Sammy zu ihr und wedelt so sehr, dass sein Hinterteil wie wild Boogie-Woogie tanzt. Sie geht in die Hocke und holt sich von Sammy erstmal einen feuchten Kuss, quer über das Gesicht, ab.

»Igitt, Sammy, nein«, Grace wischt sich den Sabber mit dem Ärmel ab und wehrt gekonnt die nächste Knutschattacke ab.

»Schön, dich endlich mal wieder ein bisschen fröhlicher zu sehen«, sagt Sandra, die das Spektakel amüsiert beobachtet hat.

»Bei so viel feuchter Zuneigung, kann es gar nicht anders sein«, gibt Grace mit aufrichtiger Freude in der Stimme zurück.

Sie verbringen den restlichen Vormittag im Garten, wo Sammy den Rest ihrer Beete zertrampelt und Sandra ihr unzählige Anekdoten über Sammys Welpenzeit berichtet und das macht sie mit so viel Freude, dass Grace sich zu fragen beginnt, ob so ein treuer Begleiter, nicht auch für sie das Richtige wäre. Besonders jetzt, wo das Haus doch so leer ist.

»Die meisten Menschen, vor allen Dingen die, die noch nie einen Hund hatten, können es gar nicht verstehen, wie viel Freude einem ein Hund ins Leben bringt. Wie oft sie uns helfen, einen schweren Tag zu überstehen, wie oft sie uns zum Lachen bringen, während wir weinen, uns trösten und das Schönste: sie bleiben an deiner Seite, selbst wenn alle anderen gehen«, sagt Sandra und ihre Augen strahlen, als würde sie vom größten Glück des Lebens erzählen.

Grace lässt sich Sandras Worte durch den Kopf gehen, immer und immer wieder und beobachtet Sammy dabei, wie er fröhlich umherspringt, ein Eichhörnchen jagt, das er niemals bekommen wird und dabei trotzdem glücklich zu sein scheint. All diese Dinge hat bis vor kurzem noch Andrew in ihr Leben gebracht. Er hat sie zum Lachen gebracht, wenn sie weinte, hielt sie im Arm, wenn sie es brauchte und wenn sie nach einem schweren Tag nach Hause kam, war er es, der mit ihr Ausging, um sie auf andere Gedanken zu bringen und zu guter Letzt, er war derjenige, der bei ihr blieb, zumindest, bis er für immer ging.

Sandra durchbricht die Stille. »Vielleicht solltest du auch mal über einen Hund nachdenken? Du kommst doch gut zurecht mit Sammy und er ist so gerne bei dir.«

»Genau darüber hab ich gerade tatsächlich auch nachgedacht«, antwortet Grace überrascht und blickt zu Sandra, die schmunzeln muss. »Was meinst du, würde zu mir passen?«

Sandra wendet ihren Blick nun auch zu Grace, sie hat die gemeinsame Zeit sehr vermisst und auch wenn sie es all die Jahre unauffällig tat, zumindest hoffte sie immer, dass es unauffällig war, sie liebte es, Grace in ihre graugrünen Augen zu schauen.

»Lass mich mal überlegen … oh, ich weiß es, wie wäre es mit einem Labradoodle? Haart nicht, ist Menschen sehr zugewandt, durch und durch liebevoll und sensibel, also der perfekte Begleiter.«

»Ein Labra…was?« Fragt Grace und runzelt die Stirn. Grace kennt sich wirklich nicht mit Hunderassen aus, aber nicht haarend klingt super.

»Das ist eine Mischung aus einem Labrador, wie Sammy und einem Pudel.« Sandra zückt ihr Handy aus der Hosentasche und zeigt Grace Bilder. Grace ist sofort schockverliebt.

»Oh mein Gott, wie süß sehen die denn aus«, quietscht Grace beim Anblick der lockigen Hunde.

»Wenn du möchtest, kann ich dir bei der Suche helfen?« Sandra ist sofort Feuer und Flamme und schaut Grace erwartungsvoll, mit großen Augen an.

»Ich denke, ich möchte einen aus dem Tierheim oder Tierschutz. Es muss kein Welpe sein. Ich weiß auch nicht, ob ich dem gewachsen bin …« Fragend blickt Grace zu Sandra.

»Okay, tolle Idee. Natürlich ist es mit einem Welpen sehr anstrengend, aber wie alles im Leben hat es seine Vor- und Nachteile.«

Sandra freut sich aufrichtig und will am liebsten sofort los. Sie durchforsten die Internetseiten der benachbarten Tierheime.

»Dir ist aber klar, dass es nahezu unmöglich ist, eine bestimmte Rasse im Tierheim zu finden?« Natürlich ist Grace das klar, aber sie möchte das Schicksal, den Zufall oder das Glück entscheiden lassen. Wenn es wirklich so sein soll, dann sitzt da irgendwo eine Hundeseele die auf Grace wartet.

Kapitel 3

Ein Herz für Keks

Grace ist so angetan von der Idee, dass sie die halbe Nacht damit beschäftigt ist, zu recherchieren. Endlich hat sie etwas, worum sie sich gerne kümmert, was sie ablenkt und ihr zugleich Antrieb gibt und als Ersthundebesitzerin muss man so vieles bedenken und besorgen. Ihr raucht der Kopf von den vielen Informationen. Sie ist froh, dass Sandra ihr hilft, alleine traut sie sich das nicht zu.

Grace hat sich für heute Nachmittag mit Sandra verabredet, um die Tierheime zu besuchen, die in ihrer engeren Auswahl liegen, doch zuerst möchte sie Andrew besuchen.

Der Friedhof auf dem Andrew beerdigt wurde, liegt auf der anderen Seite des Hügels. Bis heute hat sie es nicht fertiggebracht hinzugehen. Bisher ist immer ihre Mutter Esther gegangen, um die Grabpflege zu übernehmen, aber das kann und will sie ihr auf Dauer auch nicht zumuten. Irgendwann muss sie diesen Schritt wagen. Immer einen Schritt weiter. Irgendwann muss sie auch wieder arbeiten. Sie liebt ihren Job als Grafikdesignerin, wobei sie die letzten Jahre nur noch Aufträge angenommen hat, bei denen sie ein Buchcover gestalten durfte. So kann sie all die neuen Bücher lesen und währenddessen formt sich in ihrem Kopf das Design.

Meistens haben die Autoren selbst nämlich nicht so ausgefallene Ideen, dabei ist das Cover das Wichtigste, damit einem Buch überhaupt Beachtung geschenkt wird.

Seit Andrews tot hat sie keinen Auftrag mehr angenommen und so manche warten noch auf die Fertigstellung. Doch, eins nach dem anderen, sagt sie sich immerzu. Immerhin sind da ja noch Andrews Läden und trotz dessen, dass es in jedem Laden einen Geschäftsführer gibt, der sein Handwerk versteht, muss sie sich immer wieder einklinken ins tägliche Geschäft. Während sie sich für den Aufbruch zum Friedhof richtet, klingelt es an der Tür.

»Hallo meine Liebe, ich wollte mal nach dir schauen.« Esther steht vor der Tür, mit einem Blumenstrauß.

»Hey Mum, komm rein, was verschafft mir die Ehre, sind die für mich?« Fragt Grace und deutet auf die Blumen.

»Ja, ich dachte, du könntest einen Hauch Frühling im Haus vertragen.« Sie sagt es mit ihrer üblichen, überschwänglichen Stimme. Esther ist durch und durch ein positiver Mensch, stets fröhlich, hilfsbereit und für alles zu haben. Graces Mutter kommt mindestens jeden zweiten Tag vorbei. In den ersten zwei Wochen ist sie nahezu täglich dagewesen. Obwohl Grace es kaum erträgt, dass jemand da ist, ist sie gleichzeitig froh, nicht pausenlos alleine in diesem großen Haus zu sein, in dem sie alles an Andrew erinnert. An den ersten Tagen nach seinem Tod war es für Grace so schwer im Haus zu sein, dass sie kurz davor war, es zu verkaufen und woanders einen Neuanfang zu starten. Für die Umsetzung fehlte ihr Kraft, darum verwarf sie die Idee recht schnell wieder.

»Hast du etwas vor?« Fragt Esther, während sie die Blumen ins Wasser stellt.

»Ja, ich wollte gerade los … zu Andrew.« Esther erstarrt in ihrer Bewegung. »Oh … bist du sicher schon so weit?« Sie schaut Grace sorgenvoll an. »Wenn du möchtest, kann ich dich begleiten, ich habe Zeit?« Grace überlegt lange, sie will ihre Mutter nicht vor den Kopf stoßen, doch sie weiß selbst nicht, wie sie reagieren wird, wenn sie erst einmal vor dem Grab steht, darum möchte sie lieber alleine sein. Sie war noch nie gut darin, ihre Gefühle vor anderen Menschen zu zeigen, nicht einmal vor ihrer Mutter.

»Danke, aber das muss ich alleine machen.« Esther nickt und geht mit der Vase ins Wohnzimmer um sie auf dem Esstisch zu drapieren.

»In Ordnung Liebes, dann werde ich mal gehen, melde dich … du weißt schon.«

»Natürlich, danke für die Blumen.«

Die Frage ihrer Mutter hat Grace nun doch nachdenklich werden lassen. War sie wirklich schon so weit? Wird sie es ertragen oder wieder zwei Schritte rückwärts machen in ihrer Trauerbewältigung? Sie weiß es einfach nicht. Sie hat auf so vieles keine Antworten. Musste man denn auf alles eine Antwort haben, nur weil man erwachsen ist? Nein! Unsere Lernprozesse im Leben enden niemals. In keinem Alter sind wir vor Fehlern gewappnet, aber wir werden immer an ihnen wachsen. Sie formen und verändern uns, ein Leben lang.

Der Weg zum Friedhof, hinter dem Hügel, ist heute beschwerlicher als sonst. Es stürmt und der Wind peitscht Grace so sehr ins Gesicht, dass sie es tief in ihrer Jacke vergraben muss. Sie hätte auch das Auto nehmen können, aber vielleicht will sie gar nicht so schnell da sein? So hat sie mehr Zeit sich zu überlegen, ob sie es schafft oder lieber umkehren soll. Vielleicht hat ihre Mutter recht … Grace bleibt stehen, starrt auf den Hügel, der sogar heute, trotz des Sturms, leicht von der Sonne geküsst wird. Ein paar ihrer Strahlen finden einen Weg durch das kleine Wolkenloch am Himmel. Grace bewundert ihre Stärke, doch es ist nicht ihre eigene und so beschließt sie umzukehren. Eine Mischung aus Erleichterung und schlechtem Gewissen begleitet sie den ganzen Weg zurück. Ein bisschen wütend ist sie auf sich selbst. Was würde Andrew wohl denken, dass seine eigene Frau nicht einmal sein Grab besuchen kann? Andererseits, sie kennt ihn gut genug, um zu wissen, dass er der verständnisvollste Mensch überhaupt war. Dieser Gedanke ist ihr Trost.

Eine Stunde hat sie nun noch Zeit, bis Sandra sie abholt. Dann startet ihr Abenteuer Hund. Grace freut sich und legt so viel Hoffnung in dieses Vorhaben, dass es ihre Lebensgeister weckt. Vielleicht kann eine Hundeseele ihre eigene retten und sie wird das Gleiche tun, dann wird auch endlich dieses riesige Haus nicht mehr so leer und still sein.

Auf die Minute pünktlich veranstaltet Sandra ein Hupkonzert vor Graces Haus. Sie lässt das Fenster herunter, streckt ihren Kopf hinaus und ruft: »Graaaace, los gehts.«

Grace stürmt aus der Tür, nimmt zwei Stufen auf einmal, als sie bemerkt, dass sie vor Aufregung ohne Schuhe los ist.

»Oh Mist, warte noch kurz«, ruft sie Sandra zu, die sich köstlich darüber amüsiert, wie Grace nur mit Socken an den Füßen aus dem Haus gesaust ist.

»Sag mal, bist du nervös oder was ist los?« Fragt Sandra lachend.

Grace verdreht scherzhaft die Augen, »du bist doch kein bisschen besser.«

»Da hast du wohl recht. Also, in welches Tierheim möchtest du zuerst?« Sandra blickt sie fragend von der Seite an, den Finger schon am Startknopf des Wagens.

»Puh, ich weiß nicht genau. Lass uns einfach mit dem naheliegendsten beginnen.«

»Alles klar, auf gehts in deinen neuen Lebensabschnitt«, sagt Sandra und hebt ihre Faust in die Luft, als würde sie in einen Kampf treten.

Sandras Freude bestärkt Grace nur noch mehr und auch die letzten Zweifel schwinden. Sie muss sich nicht davon selbst überzeugen, dass es richtig ist, sie fühlt es.

Ihre erste Anlaufstelle ist keine zehn Autominuten entfernt. Entpuppt sich jedoch schnell als Erfolglos.

»Es muss Liebe auf den ersten Blick sein«, sagt Sandra zu Grace, während sie ins Auto steigen und sich auf den Weg machen, um doch noch eine geeignete Fellnase zu finden.

»Und woher weiß ich das?«

»Glaub mir, du wirst es einfach spüren. Dafür gibt es keine Anleitung«, antwortet Sandra lächelnd und legt ihr die Hand auf die Schulter.

Grace versteht nicht so recht. Wonach soll sie Ausschau halten? Worauf achten? Sie fühlt sich schon wieder überfordert und die Angst, sich falsch zu entscheiden, keimt in ihr auf.

»Und was ist, wenn ich nichts spüre? Vielleicht nie wieder? Bei keinem Hund, bei keinem Menschen?«

Sandra ist von der Frage überrumpelt, sie klammert ihre Hände fester ans Lenkrad und ihr Blick wird starr. Was soll ich nur hierauf antworten? Sie möchte auf keinen Fall etwas Blödes sagen, aber je länger sie schweigt, desto schwieriger wird es.

So sagen beide eine ganze Weile nichts. Grace hat ihren Kopf gesenkt und schaut auf ihre Füße, als ob da unten im Fußraum die Antwort liegt, doch in Wirklichkeit macht es ihr eine Heidenangst, dass Sandra auf ihre Frage überhaupt nichts, rein gar nichts zu sagen hat.

Sandra parkt vor dem nächsten Tierheim, dreht sich zu Grace und sagt: »Ich bin mir ganz sicher, wenn es passt, wirst du etwas spüren, egal ob Hund oder Mensch, aber nicht mit dem Brecheisen, sondern mit Ruhe und Geduld, versprochen.« Grace kann Sandras Blick kaum standhalten, so gerührt ist sie von ihren Worten.

»Ich danke dir … für alles und Sammy natürlich auch. Lass uns hereingehen.«

Sandra antwortet ihr mit einem ermutigenden Nicken. Ein kurzes Funkeln flackert in ihren Augen auf.

Nachdem Grace dem Tierheimleiter David einiges über sich erzählt und er ihr versprochen hat, dass sie sicher einen geeigneten Anfängerhund findet und er sie gerne mit passenden Hunden bekannt macht, wird Grace noch aufgeregter.

Ihr Herz schlägt schneller als sonst, sie ist regelrecht nervös und hibbelig. So viele Gefühle, die sie lange nicht mehr verspürt hat.

»Ich denke, wir haben einige die vom Wesen her infrage kommen, auch wenn Sie noch keine Erfahrung haben, außer natürlich, mit ihrem Nachbarshund«, sagt David, während er vorausläuft und sie durch die verwinkelten Flure lotst. An den Wänden hängen Bilder von ehemaligen Tierheimhunden mit ihren neuen Besitzern. Alle strahlen in die Kamera. Das muss ein gutes Zeichen sein.

»Möchten Sie denn lieber einen Rüden oder eine Hündin?« Grace hat mühe mit dem schnellen Schritt von David mitzuhalten und dann soll sie auch noch so viele Fragen beantworten.

»Oh, darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht … wissen Sie was … es muss einfach Liebe auf den ersten Blick sein«, sagt Grace und wendet sich mit einem Lächeln zu Sandra, die mindestens genauso abgemüht aussieht, nicht den Anschluss zu verlieren.

»Das klingt perfekt. Gleich sind wir da.«

Drei Flure weiter sind sie endlich bei den Hunden angekommen. Sie werden schon von lautstarkem Gebell und Gejaule begrüßt. Grace will sich schon fast die Ohren zuhalten, so Ohrenbetäubend ist der Lärm, doch in derselben Sekunde fällt ihr Blick auf einen mittelgroßen, weißen, lockigen Hund, der als einziger nicht bellt oder an den Gittern hochspringt, sondern einfach nur da sitzt und sie anschaut. Auf der Tafel an der Tür steht: Keks, Rüde, 3 Jahre alt, Mischling, sensibel, verspielt, verkuschelt, klaut gerne.

Grace ist sofort hin und weg. Sie kniet sich zu ihm hin und lässt ihn an ihrer Hand schnuppern. Er hat braune, fast schwarz wirkende, Kulleraugen und eine braune Nase. Grace hat das Gefühl, er würde direkt in ihre Seele schauen. David und Sandra sind außer Sichtweite, sie sind einfach weitergelaufen. Grace hört nur noch ihre Stimmen in weiter Entfernung. Sie kann ihren Blick von dem süßen Keks gar nicht mehr abwenden. »Hey, du bist ja ein süßes Kerlchen«, flüster Grace ihm zu. Keks schaut sie gebannt an und legt seinen Kopf schief. Er versucht seine Pfote durch das Gitter zu schieben und gibt ein leises Fiepen von sich. In Grace geschieht etwas, das sie nicht in Worte fassen kann, aber es ist das Beste seit langem.

»Grace, wo bist du?« Ruft Sandra.

»Ich bin hier.« Sandra biegt gerade um die Ecke, als sie beobachtet, wie Grace ihre Hand durch das Gitter führt und Keks sie wedelnd ableckt. Regungslos bleibt sie stehen und sie ist sich sicher, dass Grace nun genau das spürt, was Sandra ihr versprochen hat. Der Anblick, der sich ihr bietet, ist einfach nur bezaubernd. Auch David kommt kurz darauf hinzu.

»Ach, hier sind Sie, kommen Sie mit, ich möchte Ihnen Steward vorstellen, er ist wirklich ein toller Kerl.«

Grace sieht zu David auf, ohne seine Worte richtig realisiert zu haben. »Aber was ist mit ihm hier, mit Keks?«

»Nun, Keks ist wirklich ein lieber Hund, aber er ist wegen seines Alters natürlich noch extrem aktiv und fordernd. Er muss auch noch einiges lernen, da seine Vorbesitzer sich leider nicht viel mit ihm beschäftigt haben. Er muss zur Hundeschule, Grundbefehle lernen und will geistig ausgelastet werden. Es ist noch ein langer Weg mit ihm und Sie müssen wissen, er ist ein Kleptomane.«

»Ein Kleptomane?« Frag Grace ungläubig, ohne ihren Blick von Keks abzuwenden.