Mona - Eine wahre Geschichte - Monika Micklich - E-Book

Mona - Eine wahre Geschichte E-Book

Monika Micklich

4,6

Beschreibung

In diesem Buch geht es um das Schicksal eines Mädchens, welches bereits früh erfahren muss, dass es keineswegs selbstverständlich ist, geliebt zu werden. Von der eigenen Mutter verstoßen, wächst sie bei Pflegeeltern, der Oma und sodann im Kinderheim auf. Dabei wird anschaulich erzählt, von welchen Schwierigkeiten ihr Erwachsenwerden begleitet wird. Körperliche Züchtigung, mangelnde Anerkennung, bis hin zum sexuellen Missbrauch - nichts bleibt ihr erspart ...

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Autoren:

Monika Micklich wohnt und lebt mit ihrem Ehemann in München.

Angelika B. Klein, lebt in München und schreibt hauptsächlich Romane und Thriller

www.facebook.com/AngelikaB.Klein

instagram: AngelikaB.Klein

Kinder, die man nicht liebt,

werden Erwachsene, die nicht lieben

Zitat: Pearl S. Buck

Die beste Erziehungsmethode für ein Kind ist,

ihm eine gute Mutter zu verschaffen.

Zitat: Christian Morgenstern

Die Aufgabe der Umgebung ist es nicht,

das Kind zu formen, sondern ihm zu erlauben,

sich zu offenbaren.

Zitat: Maria Montessori

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Epilog

VORWORT

Wir wissen es alle! Wir hören es jeden Tag in den Nachrichten! Kinder, jeden Alters, werden von skrupellosen Erwachsenen missbraucht. Dabei geht es nicht nur um den sexuellen Missbrauch, sondern auch die psychische Erniedrigung und massive Gewalteinwirkungen führen oft zu bleibenden Schäden bei den Kindern.

In diesem Buch geht es um das Schicksal eines Mädchens, welches bereits früh erfahren musste, dass es keineswegs selbstverständlich ist, geliebt zu werden. Von der eigenen Mutter verstoßen wuchs sie bei Pflegeeltern, der Oma und sodann im Kinderheim auf. Der sexuelle Missbrauch, den sie am eigenen Leib erfahren musste, fand aber nicht im Heim statt, wie man jetzt vermuten würde. Wie so oft, befinden sich die grausamsten Täter in den eigenen vier Wänden. Väter, Mütter, Onkels, Tanten, Großeltern.

Wer die Geschichte von Mona gelesen hat, weiß ein Stückchen mehr zu schätzen, wie wertvoll es ist, in einem liebevollen Elternhaus aufzuwachsen und behütet durch die verschiedenen Etappen des Erwachsenwerdens begleitet zu werden.

1

Mein Name ist Mona. Ich wurde an einem kalten Januartag im Jahr 1950 unter dem Namen Monika Micklich im Krankenhaus in Ludwigshafen geboren. Offensichtlich hatte ich es sehr eilig, denn ich kam zwei Monate zu früh zur Welt. Anfangs zeigte meine Mutter wenig Interesse an mir, was sich auch mit der Zeit leider nicht änderte. Erst viel später erfuhr ich, dass sie ihre Schwangerschaft – und somit mein angehendes Leben - beenden wollte. Bereits ein Jahr vor mir trug meine Mutter im Alter von 16 Jahren Zwillinge in sich, welche sie ohne schlechten Gewissens bei einer Engelmacherin wegmachen ließ. Da sich diese Erfahrung – eine alte Frau stieß ihr mehrmals mit einem langen Eisendraht in die Gebärmutter – tief in ihr Gedächtnis brannte, war ihre Angst vor einer erneuten Abtreibung jedoch größer, als die Furcht, sich ihr selbstbestimmtes Leben durch die Geburt eines Kindes zu zerstören. Wie wohl bekannt sein dürfte, war es im Jahr 1950 keineswegs üblich, junge Mädchen durch eine professionelle Ausschabung von ihrer ungewollten Schwangerschaft zu befreien.

So versuchte sie durch bewusst unvernünftige Handlungen, eine Fehlgeburt herbeizuführen. Sie legte sich in die Badewanne, welche viel zu heißes Wasser beinhaltete und kippte zwei Liter Rotwein in sich hinein. In einer bekannten Frauenzeitschrift hatte sie gelesen, eine schwangere Frau solle dies möglichst unterlassen, um keine vorzeitigen Wehen auszulösen. Nachdem diese Aktion erfolglos blieb, fuhr sie eine Woche später als Sozius bei einem Freund auf dem Motorrad mit. Ihrem ungewöhnlichen Wunsch, über mit Schlaglöchern übersäte Feldwege zu preschen, gab der junge Fahrer schließlich nach. Vielleicht sollte ich erwähnen, dass meine Mutter eine außergewöhnlich schöne Frau war. Kein Mann konnte ihr auf Dauer einen Wunsch abschlagen.

Vermutlich fielen ihr noch mehrere Wege ein, die bestehende Schwangerschaft zu gefährden, jedoch hatte keine von ihnen Erfolg. Bereits damals klammerte ich an meinem bevorstehenden Leben.

Nach meiner Geburt kam ich sofort in einen Brutkasten. Auch dort ging mein Überlebenskampf weiter. Innerhalb der zwei Monate, welche ich in der gläsernen Gebärmutter nachreifen sollte, erlitt ich zwei Herzstillstände und musste reanimiert werden. Hätte mein unreifes Gehirn bereits damals geahnt, welches Leiden ihm noch bevorstand, hätte es den Kampf möglicherweise nicht angetreten.

Im März 1950, als die ersten Sonnenstrahlen den Frühling ankündigten, wurde ich aus dem Krankenhaus entlassen. Das erste Zuhause, welches ich bezog, war die kleine Tiefparterre-Wohnung meiner Oma. Sie bestand lediglich aus einem Raum, welcher zugleich als Küche, Wohn- und Schlafzimmer diente. Meine Mutter, die zu dieser Zeit noch bei ihrer Tante Klara wohnte, war der Meinung, sie hätte in Amerika ein besseres Leben, weshalb sie meiner Oma unmissverständlich erklärte, würde diese mich nicht bei sich aufnehmen, gäbe sie mich zur Adoption frei.

„Annemarie! Du kannst doch diesen kleinen Wurm nicht einfach weggeben!“, entzürnte sich Oma.

„Das sagst ausgerechnet du! Du hast mich damals doch auch gleich zu Tante Klara abgeschoben!“, entgegnete meine Mutter aufgebracht.

„Das war …“, begann Oma sich zu rechtfertigen.

„Mir egal!“, wurde die Ältere schroff unterbrochen. „Wenn du die Kleine nicht nehmen willst, dann steckt das Jugendamt sie eben in eine Pflegefamilie. Ich bin noch nicht reif genug für ein Kind! Ich will mein eigenes Leben noch genießen, bevor ich mir einen Klotz ans Bein binde!“

Mit offenem Mund blieb Oma vor ihr stehen. Ihr trauriger Blick wanderte zu dem kleinen Bündel auf dem Bett.

„Ach, Monika! Was soll ich nur mit dir machen?“, flüsterte sie besorgt.

Also kümmerte sich meine Oma um mich, so gut sie konnte. Nach einigen Wochen sah sie sich jedoch außer Stande, weiterhin einen schreienden Säugling zu pflegen. Sie fühlte sich schlichtweg überfordert. Schweren Herzens entschloss sie sich dazu, mich fortzugeben.

Sechs Wochen später zog ich um. Meine Pflegeeltern hießen Anna und Rudolf Lubasch und wohnten in Neuhofen. Sie waren liebevoll und sorgsam.

Die nächsten drei Jahre wuchs ich zu einem selbstbewussten, rebellischen Mädchen heran. Meine leicht dunkle Haut und meine krausen schwarzen Haare, bescherten meinen Pflegeeltern des Öfteren fragende Blicke der Dorfbewohner. Einmal sprach ein Nachbar sie sogar unmissverständlich an: „Wo habt ihr denn das Morle her?“

Ab diesem Zeitpunkt war Tante Anna, wie ich meine Pflegemutter nannte, bemüht, meine Haarpracht möglichst kurz zu halten. Im Sommer trug ich meistens Hüte, im Winter Strickmützen, um den abschätzenden Blicken der Nachbarn zu entgehen.

Mein Pflegebruder hieß Richard, war zehn Jahre älter als ich und vergötterte mich. Täglich unternahm er Ausflüge mit mir über die Felder oder durch das Dorf. Allerdings bestehen meine stärksten Erinnerungen an die sommerlichen Nachmittage im Garten. Ein großer grauer Waschzuber stand unter dem Apfelbaum, in welchem ich nach Herzenslust plantschen konnte. Immer dabei war auch der kleine Foxterrier Purzel. Er ließ sich alles von mir gefallen, ohne jemals böse zu reagieren. Einmal lag er in der Küche unter dem Tisch. Ich schlich mich von hinten an ihn heran und griff nach seinem Schwanz. Anschließend zog ich ihn über den glatten Küchenboden bis zur Tür.

„Monilein…!“, rief Anna erschrocken. Augenblicklich ließ ich Purzel los, während Anna kopfschüttelnd auf mich zu kam und mir liebevoll über den Kopf strich. Für meine Pflegeeltern hatten Geschrei und Schläge nichts bei der Erziehung zu suchen. Sie war zwar auch nicht antiautoritär, aber doch so wohldosiert, dass ich ohne Angst aufwachsen konnte.

Meine Kindheit hätte so schön und sorgenfrei verlaufen können, hätte nicht meine Mutter plötzlich beschlossen, mich im Alter von drei Jahren von meinen Pflegeeltern wegzuholen. Offensichtlich hat das Jugendamt sich nach deren 21. Geburtstag an sie gewandt und erkundigt, ob sie mich zur Adoption freigeben würde. Plötzlich ermächtigt, frei über mich zu verfügen, entschied sie sich dafür, mich zu sich zu nehmen.

An einem heißen Junitag im Jahr 1953 wurde ich also meiner bisherigen Familie entrissen. Es flossen zahlreiche Tränen, sowohl bei mir und bei Richard als auch bei Onkel Rudolf und Tante Anna. Erst viel später erfuhr ich, dass Anna nach meiner Abreise in Depressionen verfallen ist. Sie musste in psychiatrische Behandlung, weil sie den Entzug ihrer angenommenen Tochter nicht verkraftete. Zwei Jahre später adoptierten sie ein kleines Mädchen, Hannelore, aus einem Waisenhaus.

2

Ich zog zurück nach Ludwigshafen, in eine kleine Zwei-Zimmer-Wohnung, welche meine Mutter zusammen mit ihrem Ehemann Fred Bell bewohnte. Ihren Traum, nach Amerika zu gehen, konnte sie noch nicht verwirklichen. Jedoch kam sie mit ihrer Ehe mit dem amerikanischen Staatsbürger Fred Bell ihrem Ziel einen Schritt näher, ungehindert auswandern zu können. Während dieser Zeit arbeitete meine Mutter als Unterwäschemodel bei der Firma Felina.

Fred war mir bereits bekannt. Er hat mich während des Aufenthalts bei meiner Pflegefamilie Lubasch regelmäßig besucht. Nachdem er nun mit meiner Mutter verheiratet war, stand für mich fest, dass dieser Mann mein Vater sein musste. Er war farbiger Afroamerikaner und stets freundlich und aufmerksam mir gegenüber. Warum meine Mutter mich während meiner ersten drei Jahre kein einziges Mal besucht hat, konnte ich nie in Erfahrung bringen.

Mein kleines Kinderbett stand in der Küche, zwischen Sofa und Vitrine. Das Schlafzimmer wollte meine Mutter selbstverständlich ungestört nutzen können. Noch heute überlege ich, warum sie mich zu sich geholt hatte. War es wirklich ihr eigener Wunsch? Hatte sie Sehnsucht nach mir und wollte mich bei sich haben? Oder war es Freds Idee? Vielleicht vermutete auch er, dass er mein leiblicher Vater war. Obwohl in meiner Geburtsurkunde ein gewisser Werner H. als Vater eingetragen war und jahrelang Unterhalt für mich bezahlt hat, glaubte ich nicht an dessen Beteiligung an meiner Zeugung. Werner war groß und blond mit blauen Augen. Ich dagegen ein leicht dunkelhäutiges Mädchen mit schwarzen krausen Haaren und dunklen Augen. Meine Haarstruktur änderte sich allerdings mit der Zeit. Die Kringel wurden zu Locken und schließlich zu glatten langen Strähnen. Auch meine Hautfarbe blieb nicht so dunkel. Aber als Kind war ich mir sicher, dass mein leiblicher Vater Fred Bell sein musste, auch wenn meine Mutter dies stets abstritt.

Zwei Tage nach meinem Einzug erfuhr ich das erste Mal in meinem Leben körperliche Gewalt.

Es war später Abend, als ich in meinem kleinen Bettchen lag und leise vor mich hinweinte. Ich vermisste Anna, Rudolf, Richard und Purzel. Ich verstand nicht, warum ich bei dieser fremden Frau wohnen musste, wo ich doch eine so liebevolle Familie hatte. Mein Körper zitterte vor Trauer, während ein leises Wimmern meinen Lippen entfuhr. Plötzlich hörte ich im Nebenzimmer Geräusche. Ich war mir nicht sicher, ob ich es bevorzugte, dass die Tür geschlossen blieb, oder Mama, so sollte ich die neue Frau nennen, zu mir kam und mich in den Arm nahm. Die Tür öffnete sich. Mit zusammengezogenen Augenbrauen stand meine Mutter in der Tür und blickte genervt auf mich herab.

„Sei doch endlich still! Dieses Gejammer macht mich fertig!“, presste sie ungeduldig hervor.

Mein Herz schmerzte, meine Kehle zog sich zusammen. „Ich will zu Tante Anna!“, rief ich mutig aus.

„Du wohnst jetzt bei mir. Ich bin deine Mama!“, erklärte sie bestimmt und starrte mich unentschlossen an.

Erneut begann ich zu weinen. Dieses Mal lauter und herzzerreißender als zuvor.

„Sei still!“, fauchte sie, woraufhin mein Schluchzen noch lauter wurde. Umso energischer sie mir das Weinen verbot, desto lauter wurde mein Klagen.

„Verdammt!“, schrie sie plötzlich. Im nächsten Moment packten mich zwei Hände und rissen mich aus meinem Bett. In Zeitlupe nahm ich wahr, wie ich durch das Zimmer flog und krachend an der gegenüberliegenden Wand aufprallte. Mit einem dumpfen Schlag landete ich auf dem Boden. Mein Rücken sowie mein rechtes Bein schmerzten. Als eine Gestalt auf mich zukam, hob ich instinktiv die Arme schützend vor meinen Kopf. Blinzelnd erkannte ich Fred, der mich behutsam aufhob und zurück ins Bett legte.

„Bist du in Ordnung?“, wollte er fürsorglich wissen.

Mein Blick glitt an ihm vorbei zur Türe. Meine Mutter war bereits wieder im Schlafzimmer verschwunden.

Langsam nickte ich. Seine sanften Augen lächelten mich an. Vorsichtig streichelte er mir über meinen Kopf, deckte mich zu und kehrte zurück zu seiner Frau.

Am nächsten Tag brachte Fred mich weg. Ich kam wieder zu meiner Oma, in die kleine Tiefparterre-Wohnung, wo ich mit ihr die nächsten drei Jahre wohnte.

3