4,99 €
Monsieur Pampelmousse macht sich zusammen mit seinem Hund Pommes Frites auf den Weg in die Bretagne. Dort soll er den Jungfernflug eines luxuriös ausgestatteten Luftschiffes begleiten, bei dem auch eine Menge wichtiger Politiker mitfliegen. Doch schon bald nach seiner Ankunft überschlagen sich die Ereignisse: Ein international gesuchter Terrorist droht den Zeppelin in die Luft zu sprengen. Aber mit Hilfe von Pommes Frites feiner Nase kommt Pamplemousse dem Bösewicht auf die Spur ...
Eine kulinarische Cosy-Krimi-Reihe für Fans des englischen Humors und der französischen Küche. Jetzt als eBook bei beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung.
Dieser Krimi ist in einer früheren Ausgabe unter dem Titel "Monsieur Pamplemousse hebt ab" erschienen.
"Monsieur Pamplemousse und sein treuer Hund Pommes Frites sind wirklich komische und ganz bezaubernde Erfindungen." The Guardian
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Cover
Weitere Titel des Autors
Über dieses Buch
Über den Autor
Titel
Impressum
1. ES LIEGT ETWAS IN DER LUFT
2. NONNEN ÜBER NONNEN
3. TRÜFFELTRÄUME
4. LES SIX GLOIRES DE LA FRANCE
5. PNEUMATISCHE GEFÜHLE
6. DER MORGEN DANACH
7. DAS LUFTSCHIFF STEIGT AUF
8. EIN TÖDLICHES MISSGESCHICK
9. DÎNER MIT DEM DIREKTOR
Monsieur Pamplemousse und das verschwundene Soufflé
Monsieur Pamplemousse und der tödliche Kampf gegen die Kilos
Monsieur Pampelmousse macht sich zusammen mit seinem Hund Pommes Frites auf den Weg in die Bretagne. Dort soll er den Jungfernflug eines luxuriös ausgestatteten Luftschiffes begleiten, bei dem auch eine Menge wichtiger Politiker mitfliegen. Doch schon bald nach seiner Ankunft überschlagen sich die Ereignisse: Ein international gesuchter Terrorist droht den Zeppelin in die Luft zu sprengen. Aber mit Hilfe von Pommes Frites feiner Nase kommt Pamplemousse dem Bösewicht auf die Spur ...
Michael Bond, der geistige Vater des berühmten Bären »Paddington«, wurde am 13. Januar 1926 im englischen Newbury geboren. Neben den bekannten Kinderbüchern schrieb er auch eine Krimi-Reihe, in der der Gastrokritiker und Hobbydetektiv Monsieur Pamplemousse zusammen mit seinem Hund Pommes frites spannende Fälle lösen. Michael Bond lebte bis zu seinem Tod am 27. Juni 2017 in London, unweit der U-Bahn-Station Paddington.
Michael Bond
Monsieur Pamplemousse und das Geheimnis des Zeppelins
Aus dem Englischen von Werner Richter
beTHRILLED
Digitale Neuausgabe
»be« – Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment | Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
Für die Originalausgabe:
Copyright © 1989 by Michael Bond
Titel der britischen Originalausgabe: „Monsieur Pamplemousse Aloft“; Originalverlag: Hodder & Stoughton, London, Sydney, Auckland Toronto, 1989
Für die deutschsprachige Erstausgabe:
Copyright © Verlag Zabert Sandmann GmbH, Taufkirchen, 1992
Das Buch ist in der Erstausgabe unter dem Titel „Monsieur Pamplemousse hebt ab“ erschienen.
Für diese Ausgabe:
Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Lektorat/Projektmanagement: Kathrin Kummer
Covergestaltung: Massimo Peter-Bille unter Verwendung von Motiven © akg-images | PETER HASSIEPEN
eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar
ISBN 978-3-7325-6312-8
www.be-ebooks.de
www.lesejury.de
Pommes Frites sah es zuerst: Es war ein kleiner, wurstförmiger Gegenstand von der doppelten Größe einer Magnumflasche Champagner. Die silberne Oberfläche des Objektes glänzte in der frühen Morgensonne, als es aus dem relativen Dunkel des Boulevard de la Tour-Maubourg im siebenten arrondissement von Paris hervorschwebte und auf die Place du Santiago-du-Chili kam. Es glitt knapp über den Dächern dahin, verschwand für einen Moment hinter den Bäumen und erschien dann wieder vor der chilenischen Botschaft an der Ecke Avenue de la Motte-Picquet. Dort verharrte es in seinem Flug, stieg jedoch abrupt in die Höhe, als wollte es feststellen, was für Geheimnisse hinter der Fassade des weißen Gebäudes liegen mochten. Mit sichtlich gestillter Neugier vollführte es sodann eine scharfe Wendung um 270 Grad nach Backbord und machte sich wieder auf den Weg, wobei sein Kurs parallel zur Außenmauer des Hôtel des Invalides verlief, der letzten Ruhestätte der sterblichen Überreste von Kaiser Napoleon.
Die erste instinktive Reaktion, die Pommes Frites zeigte, war Ungläubigkeit, in die sich allerdings bald eine gewisse Besorgnis mischte. Nur allzu deutlich erinnerte er sich noch an die Fahrt durch die Lüfte, die er, an seiner aufblasbaren Hundehütte hängend, in den östlichen Pyrenäen unternommen hatte. Das Erlebnis war höchst unerfreulich gewesen, und er war nicht versessen darauf, es zu wiederholen. Er fand die Fassung wieder und stieß ein warnendes Geheul aus, das vage, angesichts der Umstände jedoch durchaus angemessen, an eine Luftschutzsirene erinnerte.
Pommes Frites allerdings gleich einen Bonus für seine scharfe Beobachtungsgabe zuzugestehen, hätte allen anderen Anwesenden im näheren Umkreis ein wenig Unrecht getan. Es war kurz vor halb zehn, und die meisten Passanten hatten andere, weitaus dringlichere Dinge im Sinn – wie etwa, rechtzeitig zur Arbeit zu kommen. Der Arbeiter im Overall vor der Metrostation war damit beschäftigt, die Rosen auf der winzigen, von einem Gitter eingefassten dreieckigen Grünfläche zu wässern, und die Taxifahrer, die nahebei in einer Schlange warteten, hielten den Blick fest auf niedrigere Horizonte gerichtet.
Um ehrlich zu sein, hatte auch Pommes Frites nicht eben das Glück des Tüchtigen gehabt, denn da er seinem Herrn im Metroaufgang ein Stück vorausgeeilt war, stand er plötzlich allein auf der Place du Santiago-du-Chili und starrte gerade am Denkmal von Marschall Vauban empor, als das Objekt vorbeischwebte. Selbst die geschichtlich Interessierten unter den Passanten schenkten der Statue nur selten mehr als einen flüchtigen Blick, und Pommes Frites musterte sie lediglich deshalb, weil es nichts Anregenderes zu sehen gab, während er einem einladenden Baum seine Reverenz erwies. In Gedanken war er keineswegs bei den vergangenen Heldentaten eines der berühmtesten Festungsbaumeister Frankreichs, sondern sann darüber nach, ob womöglich, wenn er ganz stillhielte, eine der Tauben, die auf dem Hut des braven Marschalls hockten, sich in trügerischer Sicherheit wiegen lassen und auf seinem Kopf Platz nehmen könnte. Pommes Frites besaß eine nicht eben hohe Meinung von Tauben, und obwohl er noch nie eine gefangen hatte, weigerte er sich, dies als völlig unmöglich zu verwerfen.
Indem er sich, soweit dies auf drei Beinen möglich war, herumdrehte, sah er das Flugobjekt über sich vorbeiziehen. Es ignorierte das Angebot an Erfrischungen, die das »Café l’Esplanade« an der Ecke des Platzes bereithielt, und schien auch nichts von den Landemöglichkeiten zu halten, die ihm die Esplanade des Invalides etwas weiter rechts bot, sondern gewann wieder an Höhe und verschwand, rasch schneller werdend, hinter den angrenzenden Gebäuden, gerade als Monsieur Pamplemousse aus der Metro kam.
Zu Pommes Frites’ großer Enttäuschung schenkte sein Herr dem Objekt nur wenig Beachtung. Auch er hatte andere, wichtigere Dinge im Kopf. Nach einem kurzen Blick auf das Ding in den Lüften klassifizierte er es als Firlefanz: das kurzlebige Spielzeug eines verwöhnten Görs aus dem nahe gelegenen sechzehnten arrondissement, dessen Eltern vermutlich mehr Geld als Verstand hatten. Erst vor einer Woche war ihm in einem der Warenhäuser auf dem Boulevard Haussmann ein Miniaturpanzer aufgefallen; das Spielzeuggefährt hatte mehr gekostet als sein eigenes Auto.
Die Möglichkeit, das Flugobjekt könne etwas damit zu tun haben, dass er zu so ungewohnt früher Stunde zu einer Besprechung mit dem Direktor gerufen wurde, kam ihm nicht in den Sinn.
Monsieur Pamplemousse misstraute bei diesen Einladungen stets – insbesondere wenn sie mitten beim Frühstück kamen, und noch mehr misstraute er ihnen, wenn er eigentlich gerade eine wohlverdiente Woche Urlaub zwischen seinen Dienstreisen machte. Doucette war ganz und gar nicht erfreut gewesen. Er hatte eigentlich versprochen, mit ihr an diesem Vormittag neuen Vorhangstoff einzukaufen. Aus der Küche war wütendes Scheppern von Geschirr gekommen, und er hatte seine croissants sehr behutsam verspeist, um nicht zu sehr auf den Teppich zu krümeln. Nein, dieser Tag hatte nicht eben gut begonnen.
Als sie sich eine Lücke im Autoverkehr zunutze machten und die Straße überquerten, wurde seine Stimmung noch trüber. Selbst der alles durchdringende Geruch nach frischen Limonen, der von den Topfpflanzen des »Esplanade« ausging und ihn normalerweise immer in gute Laune versetzte, ganz egal wie schlecht diese zuvor gewesen, verfehlte diesmal die gewohnte Wirkung. Eigentlich hatte er vorgehabt, Doucette von der Zentrale aus anzurufen – nur um zu hören, ob sie sich wieder beruhigt hatte –, doch schien ihm dies nun keine gute Idee mehr zu sein. Sie würde bestimmt fragen, wann sie ihn zurückerwarten könne, ob er zum Mittagessen zu Hause sei, und wenn ja, was sie ihm kochen solle. Das wiederum würde ihn ärgerlich machen, weil er nicht in der Lage war, auch nur eine dieser Fragen zu beantworten.
Er blieb an der Ecke des Platzes stehen und überlegte, ob er sich im café noch einen kleinen Schluck eau-de-vie genehmigen sollte – ein wenig »Mut aus der Flasche«. Wenn er ganz ehrlich war, gab es außer den Einkäufen noch einen zweiten Grund dafür, dass er dieser Tage nur ungern ins Büro ging. Madame Grante befand sich auf dem Kriegspfad, und wenn das der Fall war, gab es nur eine einzige vernünftige Reaktion: »Rückzug«. Ansonsten fand man sich plötzlich mitten im Schussfeld von feindlicher Artillerie und Heckenschützen wieder.
Die Feindseligkeiten hatten diesmal mit seinem letzten Auftrag für Le Guide zu tun, einem Auftrag, den er sich keineswegs ausgesucht hatte, bei dem er aber ohne eigenes Verschulden in Ausgaben gestürzt worden war, die weit über das in den Dienstvorschriften tolerierte Maß hinausgingen. Ausgaben von einer Art, die, schwarz auf weiß in einem P39er-Formular aufgelistet, Madame Grante dazu veranlassten, ihre Lippen – die sich selbst mit viel Phantasie nicht als voll, geschweige denn als üppig beschreiben ließen – dermaßen fest aufeinanderzupressen, dass es schwer zu sagen war, wo die Oberlippe aufhörte und die Unterlippe begann, außer wenn sie sich teilten, um eine weitere ätzende Bemerkung entschlüpfen zu lassen. Die Dinge waren so weit eskaliert, dass er schon dazu übergegangen war, sich Sandwiches ins Zimmer kommen zu lassen, statt in der Kantine zu essen, um ihr nicht etwa zufällig im Korridor zu begegnen, wo sie ihm, da war er sich ganz sicher, garantiert auflauerte.
Er konnte sich den Tonfall gut vorstellen, mit dem sie sein Spesenabrechnungsformular vorgelesen und dabei jedes einzelne Wort so laut und deutlich intoniert haben musste, dass selbst eine Hauptdarstellerin der Comédie Française ihren Lieblingsmonolog der hintersten Reihe des Parketts nicht besser hätte zu Gehör bringen können.
»Geflochtene Angelschnur aus Nylon, fünfzig Meter. Eine große Patrone mit Heliumgas. Diverse photographische Chemikalien. Eine aufblasbare Hundehütte aus Plastik. Zweiundzwanzig Damenschlüpfer, schwarz …«
Am meisten schmerzte Monsieur Pamplemousse, wie unfair das alles war. Dieses Spesenabrechnungsformular hätte gar nicht auf dem Schreibtisch von Madame Grante landen dürfen, und es wäre auch nie passiert, wenn nicht irgendwo auf dem Dienstweg einem kleinen Sachbearbeiter ein Irrtum unterlaufen wäre. Das Papier war nur für die Augen gewisser, nicht näher genannt werden wollender Personen in einer Abteilung des Innenministeriums bestimmt gewesen. Man hatte Versprechungen gemacht, und die Devise war strengste Geheimhaltung gewesen.
Deshalb war er schließlich zum Direktor gegangen und hatte von ihm eine Intervention verlangt. Dieser war der Aufforderung, wenn auch widerwillig, nachgekommen.
Damit hätte die Sache beendet sein sollen, und normalerweise wäre dies auch der Fall gewesen, hätte nicht Madame Grante die unselige Angewohnheit, alle ihr unklaren Sachverhalte grundsätzlich so lange zu untersuchen, bis bei ihr nicht mehr der geringste Zweifel bestand. Dass man ihre Erkundigungen auf der obersten Etage mit Schweigen beantwortet hatte, bedeutete keineswegs, dass alles vergessen – und schon gar nicht vergeben – war, davon war Monsieur Pamplemousse überzeugt …
Er nahm eine Plastikkarte aus der Innentasche, blieb vor einem unauffälligen Gebäude in der Rue Fabert stehen und hielt die Karte gegen eine Platte an der Mauer neben einer hölzernen Tür. Als Antwort kam ein Surren, und eine kleinere Tür, die in einen der Torflügel eingelassen war, öffnete sich. Monsieur Pamplemousse zog sie hinter sich zu, ging über den gepflasterten Hof und um den Springbrunnen in der Mitte herum. Als er sah, dass der Citroën CX25 des Direktors bereits auf dem für ihn reservierten Parkplatz stand, blickte er automatisch zur obersten Etage empor. Er sah gerade noch den Direktor persönlich auf dem Balkon vor seinem Bürofenster um eine Ecke verschwinden. Der Direktor schien in Eile zu sein und hatte so etwas wie ein Walkie-Talkie oder ein Funktelefon in der Hand. Trotz des tiefverwurzelten Sinns für Tradition, den man bei Le Guide pflegte, war er stolz darauf, immer auf der Höhe der neusten technischen Entwicklungen zu sein. Die Operationszentrale im Keller hätte auch im NATO-Hauptquartier nicht deplatziert gewirkt, nicht einmal in einem James-Bond-Film.
Während er auf das Kommen seines Mitarbeiters wartete, hatte der Direktor zweifellos die Morgensonne genossen und sich seinem Lieblingszeitvertreib hingegeben: dem Zählen der »Kasserollen« von Paris. Seine Arbeitsräume waren erst kürzlich auf das Gebäude aufgestockt worden und überragten die Dächer der umliegenden Häuser. Sie nahmen ein ganzes Mansardengeschoss ein. Wie die Brücke eines großen Ozeandampfers boten die Fenster eine unvergleichliche Aussicht auf alles, was tief unten vorging, und von dem Balkon, der rings um das Dachgeschoss verlief, konnte der Direktor in seiner Rolle als Kapitän ein wachsames Auge auf die Welt dort draußen haben. Zu besonderen Anlässen – etwa zum Tag der Bastille – veranstaltete er gerne Partys, bei denen er mit seinen Gästen den Balkon abschritt und ihnen all jene Pariser Restaurants zeigte, die das Glück hatten, aufgrund ihrer kulinarischen Verdienste eine »Kasserolle« in Le Guide verliehen bekommen zu haben. Stolz verkündete er dann, man könne bei schönem Wetter mit Hilfe eines Feldstechers insgesamt über hundert solcher Restaurants ausmachen, darunter nicht weniger als vier, denen die höchste Auszeichnung von drei »Kasserollen« das Recht verlieh, in einer eingelassenen Messingplatte auf der Balustrade des Balkons durch einen kleinen Pfeil ihre exakte Lage in Luftlinie verewigen zu lassen.
Gerade als Monsieur Pamplemousse weitergehen wollte, wurde sein Blick erneut von dem Schauspiel am Himmel in Bann gezogen. Das Objekt, das erst vor wenigen Minuten über die Place de Santiago-du-Chili hinweggeflogen war, kehrte zurück. Es schwebte einige Zeit lang in scheinbar quälender Unentschlossenheit, und dann – der Direktor kam gerade wieder im Laufschritt um die Ecke des Balkons, noch immer mit dem Funkgerät in der Hand – verschwand es durch eine offene Glastür in seinem Büro.
Alles in allem war Monsieur Pamplemousse nun ganz froh, dass er der Versuchung, sich auf dem Weg einen Drink zu genehmigen, widerstanden hatte. Zumindest wusste er so, dass er all das in stocknüchternem Zustand beobachtet hatte.
Derlei Hemmungen plagten Pommes Frites nicht. Er fürchtete das Schlimmste, als er seinem Herrn durch die Drehtür ins Hauptgebäude folgte, und stieß daher noch ein warnendes Heulen aus.
Auch Monsieur Pamplemousse’ Freude über die eigene Tugendhaftigkeit dauerte nur kurz. Fast augenblicklich änderte er seine Meinung: Ein Glas eau-de-vie wäre ihm nun höchst willkommen gewesen, denn direkt vor dem Empfangsschalter stand, ein Bündel Akten im Arm, Madame Grante. Sie sprach mit der Dame am Empfang. Dass sie ihm auflauerte, lag auf der Hand, denn kaum war er mit seinem Partner durch die Tür getreten, kam sie auf ihn zu, um ihn zu begrüßen. Er wappnete sich gegen die Attacke, während Pommes Frites, wie immer sehr empfänglich für die Stimmungen seines Herrn, beinahe unmerklich, aber dennoch grimmig die Zähne bleckte.
Beide mussten jedoch der Überreaktion geziehen werden. Denn ausnahmsweise legte Madame Grante nichts als Nettigkeit und ein freundliches Wesen an den Tag.
Ihr »Bonjour, Monsieur Pamplemousse!« kam in solch frühlingshaftem Tonfall geträllert, und auch das Lächeln, das sie dabei aufsetzte, war so sonnig, dass sogar Pommes Frites den Anstand besaß, eine verschämte Miene zu machen, als sie sich an ihn wandte.
»Bonjour, Madame Grante«, erwiderte Monsieur Pamplemousse ihren Gruß. Zu seinem großen Ärger war seine Stimme viel höher als gewöhnlich. Er räusperte sich und überlegte, was er als Nächstes sagen sollte, doch zum Glück wurde er vom Läuten der Liftglocke erlöst.
Sobald er sich in die Fahrstuhlkabine gerettet hatte, drückte er für den Fall, dass sie sich doch noch entschloss, ihm zu folgen, so rasch wie möglich den Knopf für die oberste Etage.
Als die Türen zugingen, überlegte er, ob wohl das eigenartige Verhalten von Madame Grante und der überstürzte Anruf des Direktors etwas miteinander zu tun haben konnten. Madame Grante auf dem Kriegspfad war zwar bedrohlich, aber zumindest wusste man, woran man war. Diese neue Madame Grante war völlig ungewohnt, und er war nicht ganz sicher, wie er sie behandeln sollte. Hatte ihr Begrüßungslächeln eine verstohlene Freude enthalten? Ein Funkeln des Triumphs vielleicht? Nein, es war etwas anderes gewesen. Etwas, das er nicht recht benennen konnte. Eine Vorahnung? Was es auch war, er hatte das ungute Gefühl, dass ihm Ärger drohte. Er würde sich in Acht nehmen müssen.
Mit einem kurzen Gruß in Richtung der Sekretärin des Direktors durchquerte er das Vorzimmer und klopfte an die Tür des Chefbüros.
Zu seiner Überraschung wurde ihm sofort geöffnet.
»Aristide! Entrez, entrez! Und Pommes Frites auch. Comment allez-vous?«
Der Direktor bückte sich, um Pommes Frites zu tätscheln, zog aber hastig die Hand zurück, als das Objekt seiner Aufmerksamkeit die Nackenhaare sträubte. Es war nur zu deutlich, dass er mit Schmeicheleien seine Zeit vergeudete. Pommes Frites’ Aufmerksamkeit konzentrierte sich nämlich auf etwas ganz anderes.
Monsieur Pamplemousse wollte ihn gerade tadeln, als auch er zusammenfuhr. Direkt vor ihm, mitten auf dem Schreibtisch des Direktors stand das Modell eines Luftschiffs. Aus der Nähe betrachtet, ähnelte es stark den Dekorationen in den Schaufenstern der großen Fluggesellschaften auf der Avenue des Champs-Élysées, musste aber, da er es immerhin mit eigenen Augen hatte fliegen sehen, weitaus komplizierter gebaut sein. Es handelte sich ganz offensichtlich um das Werk eines Meisters, so vollkommen war es bis ins letzte Detail, bis hin zu den winzigen Nachbildungen der Passagiere und Besatzungsmitglieder, die man durch die Plexiglasfenster auf beiden Seiten sah. Es war an einem kleinen Mast festgemacht, der sich über einer ausgebreiteten Europakarte erhob.
Strahlend folgte der Direktor ihren Blicken. Er trat an den Schreibtisch und betrachtete das Objekt ehrfurchtsvoll. »Nun, was halten Sie davon, Aristide?«
Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit fand Monsieur Pamplemousse nicht ganz die rechten Worte.
»Ein Geburtstagsgeschenk für Ihren Neffen, monsieur le directeur? Daran wird er bestimmt einen Riesenspaß haben.«
Der Direktor schüttelte irritiert den Kopf. »Nein, Pamplemousse, das ist kein Geburtstagsgeschenk für meinen Neffen.«
Um nicht noch weitere Verärgerung zu riskieren, beschloss Monsieur Pamplemousse, sich jedes weiteren Kommentars zu enthalten, doch richtete der Direktor sogleich eine zweite Frage an ihn.
»Stellen Sie sich vor, dieses Luftschiff wäre auf das mehr als Tausendfache seiner jetzigen Dimensionen aufgeblasen: Was sähen Sie dann vor sich?«
Da er eine Fangfrage vermutete, ließ sich Monsieur Pamplemousse mit der Antwort Zeit. »Ich sehe eine Menge kleiner Bruchstücke, monsieur le directeur«, erwiderte er unschuldig. »Denn unter dem Druck würde es bestimmt explodieren, oder?«
Der Direktor starrte ihn schweigend an. Er sah aus wie jemand, der gerade überlegt, ob er in einer wichtigen Angelegenheit die richtige Entscheidung getroffen hat. Seine Lippen bewegten sich, doch er sagte nichts. Schließlich, scheinbar nach einer Ewigkeit, bedeutete er Pamplemousse, in dem Lehnstuhl vor seinem Schreibtisch Platz zu nehmen, und ging im Zimmer auf und ab, während er seine Gedanken ordnete.
»Sie haben gewiss davon gehört«, begann er endlich, »dass vor kurzem eine Luftschiff-Verbindung zwischen der Bretagne und Grande-Bretagne aufgenommen wurde?«
Monsieur Pamplemousse nickte. »Ja, ich habe ein paar Photos gesehen.« Die Zeitungen waren in letzter Zeit voll davon.
»Gut.« Der Direktor schien zufrieden. »Das Projekt demonstriert wieder einmal deutlich die innige Verbundenheit zwischen unseren Ländern. Vor kurzem vereinbarten die beiden Regierungen, die schon 1904 vertraglich festgehaltene entente cordiale symbolisch zu bekräftigen. Wenn man sie mit dem Tunnel vergleicht, der zurzeit gerade unter dem Ärmelkanal gebaut wird und der erstmals eine direkte Eisenbahnverbindung schaffen wird, ist die Luftschiff-Verbindung zwar nur ein kleiner, aber doch sehr bedeutsamer Schritt.
Das Luftschiff, Pamplemousse, ist das Langstreckentransportmittel der Zukunft: eine sehr elegante Art des Flugverkehrs. Jedenfalls hat man im Palais d’Elysée die Parole ausgegeben, dass das Projekt unter keinen Umständen scheitern darf. Wir verleihen dem Flugverkehr damit neue Grazie; das Luftschiff verbindet die besten Aspekte des Neuen und des Alten. Einerseits erweckt es historische Assoziationen, die uns lieb und teuer sind, zum anderen steht es für den Aufbruch zu neuen Horizonten. Vor allem aber ist es sicher. Die gefahrvollen Tage der alten Zeppeline sind längst vorbei.«
Monsieur Pamplemousse schwieg. Es war schwer zu erraten, wohin der Direktor sich von seinem rhetorischen Höhenflug würde tragen lassen. So romantisch die Möglichkeit sein mochte, ein paar Dutzend Menschen relativ bequem durch die Lüfte zu transportieren, ließ sich dieses Verkehrsmittel doch kaum mit einer direkten Eisenbahnverbindung vergleichen, weder in Passagierzahlen noch in einer Kosten-Nutzen-Rechnung. Offenbar gab es da noch andere Aspekte.
»Und außerdem«, fuhr der Direktor fort, »wird diese Verkehrsverbindung auch jene lautstarke Minderheit in der Bretagne beschwichtigen helfen, die ihre Region innerhalb Frankreichs benachteiligt sieht und nur allzu oft separatistische Tendenzen propagiert. Da demnächst ein Wahltermin ansteht, ist diese Erwägung nicht unwichtig. Der britischen Seite wiederum gefällt das Projekt schon deshalb sehr, weil die Luftschiffe in England hergestellt werden sollen. Falls alles gut geht, könnte daraus ein Großauftrag werden.
Wie auch immer, beide Regierungen haben ihre eigenen Gründe, dieser Angelegenheit größte Wichtigkeit beizumessen. Das geht so weit, dass die beiden Staatsoberhäupter kürzlich beschlossen haben, an dem Jungfernflug des Luftschiffes teilzunehmen, der in vier Tagen stattfinden soll.«
Der Direktor machte eine kurze Pause und sprach dann mit leiser Stimme weiter. »Was ich Ihnen bis jetzt erzählt habe, Pamplemousse, ist allgemein bekannt. Nun aber komme ich zu dem Grund dafür, Sie so kurzfristig in die Zentrale zu rufen: Es hat sich eine Krisensituation ergeben.«
Er schob das Luftschiff und den Mast behutsam beiseite und zeigte auf die Karte. »Der Jungfernflug ist für Freitag, elf Uhr morgens, geplant. Das Luftschiff startet auf einem kleinen Flugplatz nördlich von La Baule und wird nach etwa sechs Stunden auf einem ähnlichen Landeplatz im Süden Londons niedergehen – die Distanz beträgt etwa fünfhundert Kilometer. Was, so frage ich Sie, Pamplemousse, werden die Passagiere wohl während dieser Flugzeit am allermeisten benötigen? Mir selbst ist diese Frage zwar schon unzählige Male gekommen, aber – so unglaublich es scheinen mag – sonst hat bisher niemand daran gedacht.«
»Sie wollen sagen … es gibt keine Bedürfniseinrichtungen an Bord?« Monsieur Pamplemousse wirkte einigermaßen konsterniert. »Das ist allerdings eine schwere Unterlassungssünde.«
»Nein, Pamplemousse, das meine ich nicht. In der momentanen Situation sind die ›Bedürfnisse‹, an die Sie zweifellos denken, ganz unten auf der Liste der Prioritäten.«
»Aber monsieur le directeur, mit Verlaub: Sechs Stunden sind eine lange Zeit. Nach gutem Essen und Trinken …«
»So wie die Dinge im Augenblick stehen, Pamplemousse, wird es gar nichts zu essen und zu trinken geben. Und zwar aus dem schlichten Grund, dass niemand daran gedacht hat, diesbezügliche Vorkehrungen zu treffen. Seit Wochen wird dieser Flug nun vorbereitet. Zeitpläne wurden abgestimmt und Sicherheitsmaßnahmen durchgeprobt. Jede noch so unwahrscheinliche Fehlerquelle wurde bedacht. Sämtliche Einzelaspekte des Fluges hat man durchexerziert – nicht nur einmal, sondern wieder und wieder. Alles bis auf diesen einen, so lebenswichtigen Faktor: die Ernährung.«
Der Direktor machte eine Pause, um seine Worte wirken zu lassen, ehe er weitersprach.
»Stellen Sie sich die Stimmung dort oben vor, wenn es ein Uhr mittags wird, ohne dass die Passagiere ein déjeuner serviert bekommen. Sie würde sehr rasch eisig werden, glauben Sie mir. Die entente wäre bald alles andere als cordiale. Hätte man die Vorbereitungen für den Flug in England getroffen, so könnte man es ja noch verstehen. Dort gäbe man sich vermutlich schon mit ein paar belegten Broten und einer Thermoskanne heißem Tee zufrieden – allerdings muss man zugeben, dass selbst das weit besser wäre als gar nichts –, aber dass man in La belle France einen derartigen Kardinalfehler begeht: tsss! Einfach unerträglich: Ganz Europa wird uns auslachen. Natürlich werden Köpfe rollen, aber das löst nicht das dringende Problem. Und hier nun, Aristide, kommen wir ins Spiel. Oder vielmehr: Sie kommen ins Spiel.«
»Ich, monsieur le directeur?« Monsieur Pamplemousse setzte sich abrupt auf. Hätte der Direktor aus nächster Nähe eine Schrotflinte abgefeuert, wäre er kaum erschrockener gewesen.
Der Direktor machte eine Miene, mit der er für gewöhnlich Aussagen des Inhaltes »Alles ist längst entschieden, Sie brauchen gar nicht erst mit Diskussionen anzufangen« begleitete. »Le Guide wurde damit beauftragt, die Unterlassung wiedergutzumachen. Wir haben völlig freie Hand. Natürlich wird man bei Michelin pikiert sein, und bei Gault-Millau werden sie kochen vor Wut. Beide dürften an diesem Vorgehen Anstoß nehmen, aber daran lässt sich eben nichts ändern. Wenn alles gut geht, können wir uns eine hübsche plume an den chapeau stecken.«
Das Innere einer Vitrine erhellte sich, als der Direktor sie öffnete, um ihr eine Flasche Champagner zu entnehmen. »Ich denke, dies ist ein Grund zum Feiern, obwohl ich zugeben muss, dass die ganze Sache nur durch puren Zufall zustande kam.
Gestern Abend speiste ich nämlich mit einigen Bekannten zu Abend, darunter etliche sehr hochgestellte Persönlichkeiten, und die Unterhaltung kam irgendwann auch auf das Luftschiff.
Aus rein beruflichem Interesse erkundigte ich mich, wen man denn für die Verköstigung der Passagiere engagiert habe. Aristide, die Stille, die auf meine Frage folgte, hätte man mit einem couteau à beurre schneiden können.
Ich will Sie nicht mit den Einzelheiten langweilen. Jedenfalls erhob sich jemand, dessen Namen ich Ihnen nicht nennen kann, vom Tisch, um einen Anruf zu tätigen. Als er zurückkehrte, sah er etwas blass aus, und die Tischgesellschaft ging der Reihe nach die Namen möglicher Kandidaten durch. Sie mussten jedoch einer nach dem anderen verworfen werden: Bocuse hält in Japan eine seiner Tourneen ab, Vergé ist irgendwo in Amerika. Wir inspizierten die ganze Liste, und um es kurz zu machen, auf einmal ruhten alle Blicke auf mir.«
Der Direktor ließ den Korken mit größter Behutsamkeit ploppen und untersuchte die zwei Gläser genau auf ihre untadelige Sauberkeit, ehe er einschenkte. »Die Ehre Frankreichs liegt in Ihren Händen, Aristide. Ich brauche wohl kaum zu erwähnen, dass Sie niemandem auch nur ein Sterbenswörtchen von der ganzen Sache anvertrauen dürfen. Dies ist auch einer der Hauptgründe, weshalb ich Sie ausgesucht habe. Ihre lange Erfahrung in Fragen der Sicherheit in Verbindung mit Ihrem außergewöhnlich empfindlichen Gaumen und der Ihnen eigenen Diskretion macht Sie zur idealen Wahl.
Ich kann mir niemanden vorstellen, der für die Aufgabe besser geeignet wäre, Pamplemousse.« Der Direktor hob sein Glas. »Auf Ihr Wohl, und auf den Erfolg Ihrer Mission. Ich habe mir bereits etliche Notizen für eine mögliche Speisenfolge gemacht, aber die endgültige Entscheidung überlasse ich selbstverständlich ganz und gar Ihnen.«
Nachdenklich nippte Monsieur Pamplemousse an seinem Champagner. Es war seine Lieblingsmarke: Gosset. Ein 62er Jahrgang, vermutete er. Er spürte deutlich das Aroma von Haselnüssen. Der Direktor musste die Flasche extra beschafft haben. All das gehörte ohne Zweifel zu seinen Überredungsmethoden. Dabei bedurfte es keiner großen Überredung: Die ganze Idee klang höchst verlockend. Seinen Urlaub würde er mit Vergnügen verschieben. Dies war doch einmal eine echte Herausforderung.