Monstertouren - Sandra Schulz - E-Book
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Monstertouren E-Book

Schulz Sandra

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Beschreibung

Anti-Camperin verliebt sich in Wohnmobil: Ungewöhnliche Geschichten vom Campingplatz

Wir – das bin ich, die Anti-Camperin, die einen Camper heiratete. Das ist mein Mann, der mich genauso liebt wie unser Wohnmobil, und das ist unsere Tochter, die es vom Brutkasten auf den Strandparkplatz geschafft hat und am liebsten frühmorgens durch die Dachluke spricht. Mehr als die Hälfte ihres Lebens ist sie mittlerweile Camperin, mit Down-Syndrom und Matschhose.

Dies ist ein Buch für Menschen, die losfahren wollen. Ein Buch für Menschen, die erst langsam begreifen, was das Wohnmobil von ihnen verlangt. Ein Buch für Menschen, die nie verstehen werden, warum man sich das antut. Und für alle, die es schon lange verstanden haben.

Der Nutzwert dieses Buches ist der Lachwert. Ein Buch, das man gerne an Freunde verschenkt. Ein Buch, das man sich selbst noch schnell vor der ersten oder vor der fünfzigsten Tour kauft. Ein Sommerferien-Buch, auch für Wintercamping-Fans.

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SANDRASCHULZ, Jahrgang 1975, aufgewachsen in China, studierte Politikwissenschaft in Freiburg und Berlin. Ausbildung an der Berliner Journalisten-Schule, erst Redakteurin bei mare, Die Zeitschrift der Meere, seit 2008 Redakteurin beim SPIEGEL, für den sie mehrere Jahre aus Asien berichtet hat, unter anderem als China-Korrespondentin in Shanghai. Im September 2021 startete ihre Reihe »Das Monster und ich« im SPIEGEL-Ressort »Leben«, für das sie heute arbeitet. Ausgezeichnet wurde Sandra Schulz unter anderem mit dem Helmut-Stegmann-Preis und dem Axel-Springer-Preis.

Anti-Camperin verliebt sich in Wohnmobil: Ungewöhnliche Geschichten vom Campingplatz

Wir – das bin ich, die Anti-Camperin, die einen Camper heiratete. Das ist mein Mann, der mich genauso liebt wie unser Wohnmobil, und das ist unsere Tochter, die es vom Brutkasten auf den Strandparkplatz geschafft hat und am liebsten frühmorgens durch die Dachluke spricht. Mehr als die Hälfte ihres Lebens ist sie mittlerweile Camperin, mit Downsyndrom und Matschhose.

Dies ist ein Buch für Menschen, die losfahren wollen. Ein Buch für Menschen, die erst langsam begreifen, was das Wohnmobil von ihnen verlangt. Ein Buch für Menschen, die nie verstehen werden, warum man sich das antut. Und für alle, die es schon lange verstanden haben. Ein Buch, das man gerne an Freunde verschenkt. Das man sich selbst noch schnell vor der ersten oder vor der fünfzigsten Tour kauft. Ein Sommerferien-Buch, auch für Wintercamping-Fans.

SANDRA SCHULZ

MONSTER

TOUREN

Wie ich herausfand, dass

Familiencamping fröhlich macht,

auch wenn es nicht immer lustig ist

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Dataminings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

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Copyright © 2024 by Penguin Verlag

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München,

und SPIEGEL-Verlag Rudolf Augstein GmbH & Co. KG, Ericusspitze 1, 20457 Hamburg

Umschlaggestaltung und -abbildungen: www.buerosued.de | München

Satz: KCFG – Medienagentur, Neuss

ISBN 978-3-641-31367-8V001

www.penguin-verlag.de

Inhalt

VORWORT – Auf der Strecke geblieben

DERANFANG – Wie konnte das passieren?

DIETRÄUME – Einsamkeit, Wildnis? Von wegen. Joe ist immer schon da.

DIEENGE – Sie wollen Zeit mit Ihrer Familie verbringen? Jetzt nicht mehr.

DASMOBILEOFFICE – Was man von einem Klappstuhl-Chef lernen kann

DASABENTEUER – Warum Wintercamping eine eigene Disziplin ist

DIENATUR – Frühling ist, wenn das Wohnmobil die Halle verlässt.

DIEFAHRFEHLER – Kann man viele machen. Machen wir auch.

DIEREGELN – Rede mit deinem Nachbarn! Notfalls über sein Nummernschild.

DIEAUFGABEN – Schämen Sie sich nicht für das Beifahren!

DIEKRISE – Eine andere Geschichte. Ein bisschen traurig.

DIERÜCKFAHRT – Die Kunst, einfach nach Hause zu fahren

DIEUNTREUE – Ich schätze die Erotik der Wasserwaage. Mein Mann leider nicht.

UNSERWEIHNACHTEN – Mit Maria und Josef im Wohnmobil

DERSKIURLAUB – Abfahrt ins Bett

DASZUBEHÖR – Was hat sich bewährt? Wer muss raus?

DIEVERWANDLUNG – Ich fahre. Und mein innerer Walter fährt mit.

DIEÜBERRASCHUNGEN – Eingeschneit bei den Murmeltieren

DERSOMMER – Wie ich versuchte, im Wohnmobil einen Melonensalat zu machen

DIETOUR – Hab bitte keine Gefühle!

DIEMITFAHRER – Wenn ein Stinktier campen geht

DASFEINDBILD – Unverschämt sind immer die anderen.

DIEKÜCHE – Kochen, backen, grillen – Reisen mit Völlegefühl

DASSELBSTPORTRÄT – Jetzt redet er! Auf der A9

DIENACHT – Meeresbrise oder Raumkapsel?

DASCAMPINGWUNDERKIND – Unsere Geschichte

DASLOGBUCH – Die schönsten Abwesenheitsnotizen der Welt

DIETIPPS – Der Putzerfisch rät.

DIEGEMÜTSLAGE – Die Kröte spricht.

DASFINALE – Allein mit dem Monster

DERFRAGEBOGEN – Paartherapie auf der Autobahn

NACHWORT – Was bringt die Zukunft?

DANKSAGUNG

VORWORT – Auf der Strecke geblieben

Warum muss man den Mulch fürchten? Wieso unterhalten sich Menschen so gern, während sie mit ihrer Chemietoilette unterwegs sind? Können Wohnmobile Ehen zerstören?

Das sind Fragen, die ich mir lange nicht gestellt habe – so lange, bis ich anfing zu campen.

Ich habe nie davon geträumt, ein Wohnmobil zu haben. Aber jetzt ist es da und wartet. Auf mich, auf uns. Es wartet, dass die nächste Reise beginnt, in den Spessart oder an die Atlantikküste, auf den Campingplatz oder auf eine Löwenzahnwiese. Unser Monster gehört zu uns, und die Beziehung zu diesem Fahrzeug ist eine besondere, genauso wie unsere Familie.

Wir – das bin ich, die Anti-Camperin, die einen Camper heiratete. Das ist mein Mann, der mich genauso liebt wie unser Wohnmobil, und das ist unsere Tochter, die es vom Brutkasten auf den Strandparkplatz geschafft hat und am liebsten frühmorgens durch die Dachluke spricht. Mehr als die Hälfte ihres Lebens ist sie mittlerweile Camperin, mit Downsyndrom und Matschhose. Und vielen liebenswerten Eigenarten.

So habe ich immer angenommen, jedes Kind habe Interesse, wenn nicht sogar Begeisterung für Tiere. Aber wenn ich während der Fahrt rufe: »Schau, eine Kuh! Schau, ein Pferd!«, verzieht unsere Tochter keine Miene. Anders sieht es aus, wenn wir an Parkplätzen und Einfahrten vorbeirollen. »Mama, Womo, da!«, ruft unsere Tochter freudig, wenn sie wieder eines hinter ihrer Fensterscheibe entdeckt hat. Ich denke, es ist nicht übertrieben zu sagen: Wohnmobile sind eine Kategorie des Lebens für sie.

Und damit geht es ihr wahrscheinlich wie Ihnen. Oder sind Sie noch nicht so weit? Überlegen Sie noch, ob Sie vielleicht mal ein Fahrzeug mieten sollten oder sogar kaufen? Fragen Sie sich, ob Sie überhaupt der Typ dafür sind?

Eines müssen Sie sich von Anfang an klarmachen: Ein Wohnmobil macht Arbeit. Und gerade am Anfang, nach der ersten Euphorie, ist man mit der Fehleranalyse beschäftigt, führt Mängellisten, pocht auf Gewährleistung. Es soll Leute geben, die die erste Nacht vor dem Hof des Händlers verbringen, um bei Tagesanbruch reklamationsbereit zu sein. Wir hatten immerhin einen Babysitter besorgt, um das Wohnmobil in Ruhe abzuholen, und ich weiß noch, wie ich mir bei der Einweisung eifrig Notizen machte, während mein Mann nur fachmännisch nickte.

Dann das erste Fotomotiv: Mein Mann tankt. Es ist eine ganze Serie geworden. Auf Bild vier oder fünf neben der Zapfsäule legt er dem Wohnmobil eine Hand auf die Haube. Nicht besitzergreifend, eher ungläubig. Betört.

Die nächste Serie ist im Innenhof vor unserer damaligen Wohnung entstanden.

Wir stellten die neugekaufte Camping-Garnitur auf dem Stellplatz des abwesenden Nachbarn auf und aßen auf Klappstühlen zu Abend, mit Tischdecke auf dem Parkplatz, das Kind angeschnallt im Hochstuhl. Dazu eine Flasche aus dem Restbestand unseres guten Hochzeitsweins, weiß und trocken, mit einem Bild von uns beiden auf dem Etikett. Im Rücken, imposant, unser Wohnmobil, das Monster. Es war das erste Familienfoto zu viert.

Meine Erfahrung ist, dass die Probleme, die einem gleich zu Beginn ins Auge fallen, bleiben. Bei uns sind es der sperrige Mechanismus, mit dem man das Kaffeemaschinenfach herunterzieht, dazu die Elektronik im Kombigerät von Navi, Rückfahrkamera und CD-Spieler und eine gewisse innere Inflexibilität meines Mannes, ähnlich der des Kaffeemaschinenfachs. Da war ich auch reklamationsbereit, aber erst wusste ich nicht, an wen ich mich wenden sollte, und später gewöhnte ich mich daran.

Natürlich, manchmal kommt ein bisschen Wehmut auf, wenn ich an mein altes Leben denke. Ich war schon immer gut in Stadt - Land - Fluss, machte mir einen Spaß daraus, die Hauptstädte der Welt parat zu haben. Es gab Zeiten, da wartete mein Pass immer in irgendeiner Botschaft auf ein Visum. Ich war dauernd unterwegs, mit dem Rucksack im Urlaub oder mit dem Notizbuch für die Arbeit, in einem Nachtzug in Vietnam oder auf einer indischen Landstraße oder im 47. Stock eines Hochhauses, irgendwo in einer chinesischen Millionenstadt. Jetzt kann ich deutsche Mittelgebirge aufsagen. Wollte ich nie können.

Trotzdem hat sie mich gepackt, die Campingleidenschaft. Denn das Schöne am Wohnmobilfahren ist ja, dass man mit der Tür in den Tag fällt. Jeder Tag beginnt anders, mal auf einem Schwarzwald-, mal auf einem Alpengipfel, und einer der schönsten Morgen, die mir das Monster beschert hat, war an einem Stellplatz am Strand.

Im Halbdunkel hatte ich meine Vorbereitungen getroffen, ein verstohlenes Scharren nur, dann kehrte ich meiner Familie den Rücken und trat einen ersten Schritt ins Licht.

Ich finde ja, eines der besten Gefühle auf der Welt ist die Vorfreude, und so rein und so unbändig wie in diesen Minuten vom Stellplatz in die Dünen habe ich sie selten empfunden. In der rechten Hand eine Tasse Tee balancierend, in der linken ein Ofenpfännchen mit warmem Apfelstrudel, überquerte ich die menschenleere Küstenstraße am Atlantik, wissend, dass ich mich gleich in den Sand setzen würde, barfuß, glücklich und allein mit meinem Apfelkuchen und dem Meer.

Oder dieses herrliche Gefühl, in Flipflops am Alpenrandsee einzusteigen und in Flipflops auf 2000 Metern wieder auszusteigen, um die Badelatschen gegen Wanderschuhe einzutauschen und den nahen Gipfel zu erklimmen. Diese Zufriedenheit, die sich abends im Wohnmobil breitmacht, wenn alle erfüllt sind von den Bildern des Tages. Die eine denkt an das größte Schokoladeneis ihres Lebens, hausgemacht im Berggasthof, die anderen erinnern sich an den glitzernden Bergsee, und alle freuen sich daran, dass man angekommen ist nach langer Serpentinenfahrt und sich auf wundersame Weise wieder einmal alles gefügt hat: Der letzte Stellplatz jenseits der Baumgrenze hatte auf uns gewartet, und nun schauen die Eltern auf das schokoladenbraun gefärbte Gesicht der Tochter und die rotgefärbten Gipfel in der Abendsonne, und das Kind schaut auch: eine Folge Conni.

Um dann, noch in demselben Urlaub, auf dem Meeresgrund zu fahren, dieser freundliche Grusel, der sich schon auf den letzten Metern Festland einstellt, während man an dem Verkehrsschild vorbeifährt, das ein Auto in Wellen zeigt und die Warnung: »Bei Flut besteht Lebensgefahr«. Ein Grusel, der sich in Spaß verwandelt, während man in Kolonne den Weg befährt, der das Meer teilt, rechts und links Schlick, Algen und Rettungskörbe auf Stelzen, voll mit lachenden Touristen, in der Ferne lauter Punkte: Menschen mit Eimern auf Muschel-Beutezug und man selbst auf dieser gut vier Kilometer langen Straße, die nur dann sichtbar wird, wenn das Wasser weicht.

Immer dabei: ein Kind, das weder das Alpenpanorama noch den Meeresgrund besonders interessant findet, dafür das Loch im Strumpf, durch das man seinen großen Zeh bohren kann. Das begeistert ruft: »Guck mal!«, wenn es geschafft hat, auch den zweiten Zeh durchs Loch zu zwängen. Eine Mini-Camperin, die jederzeit dazu bereit ist, noch vor dem Frühstück zu einer kleinen Expedition aufzubrechen, so wie an jenem Morgen am Fluss, der in mehr Grüntönen leuchtete, als ich kannte. Einfach raus dem Schlafsack, raus aus dem Campingplatz, den Trampelpfad am Ufer entlang, mitten durch den Wald mit hinabhängenden Lianen.

Und dann dieser Duft von Eierkuchen, der das ganze Fahrzeug erfüllt, wenn man seine erste Schlafanzug-Wanderung schon hinter sich hat. Nirgends kann man gemütlicher frühstücken als im Wohnmobil, wenn man auf dem gedrehten Fahrersitz lümmelt, hinter den Scheiben Berg, See oder Ozean, und unsere Tochter auf die Sitzbank klettert, um dem Pfannkuchen beim Brutzeln zuzusehen und schnell noch einen Schinkenwürfel zu ergattern, bevor ihn mein Mann in die Bratpfanne wirft.

Beim Campen, finde ich, kann man viel übers Leben lernen, nicht nur, dass die besten Wanderungen die Schlafanzug-Wanderungen sind, von denen man am Vorabend noch nicht wusste, dass es sie geben wird. Man lernt auszuhalten, dass zusammenkommt, was nicht zusammenpasst: die Sehnsucht nach Freiheit und die Nähe zum Stellplatznachbarn, das Bedürfnis nach Privatsphäre und die Öffentlichkeit des Intimen, der Wunsch nach Individualität und die Gesetze der Tourismusindustrie, der Drang nach Originalität und das Diktat der Massenware. Und vielleicht der krasseste Widerspruch: das Bedürfnis nach Erholung und der Urlaub mit der Familie.

Es sind Sehnsüchte, die jedes Mal aufs Neue an der Realität scheitern, oft aber auf interessante Weise. Und so entstehen beim Wohnmobilfahren gute Geschichten, während man selbst mit seinen Träumen auf der Strecke bleibt. Was hilft: So zu tun, als stünde man auf einem Hügel und schaue sich selbst beim Strampeln in der Ebene zu. Denn die Komik des Lebens sieht man ja oft erst aus der Entfernung.

Und wenn es einem gelingt, mit dem einen Fuß schon auf dem Hügel zu stehen, während der andere noch strampelt, dann weiß man, warum es einen immer wieder auf die Straße zieht und wir nun schon seit über fünf Jahren freiwillig und gemeinsam auf der Strecke geblieben sind. Auf vielen wunderschönen Strecken, um genau zu sein.

Unsere Geschichte beginnt mit den ersten Touren, auf denen ich das Campingleben wie ein Insekt unter der Lupe betrachtet habe: neugierig, fasziniert und oft kopfschüttelnd. Sie erzählt, wann es bei mir zum Durchbruch kam und ich zur überzeugten Camperin wurde, nämlich ausgerechnet dann, als mein Mann anfing, über die Beschwernisse des Campingurlaubs zu klagen und unsere Tochter mit dem Monster fremdelte. Drei Jahre war sie alt, als sie das erste Mal in ein Wohnmobil stieg, neun Jahre wird sie sein, wenn Sie diese Zeilen lesen.

Wann unsere Campinggeschichte endet? Keine Ahnung. Wir sind, nach einer kleinen Krise, jetzt so weit, uns innerlich auf das nächste Jahrzehnt im Wohnmobil vorzubereiten. Denn längst ist unser Gefährt zum Gefährten geworden.

Das Gefühl, einfach losfahren zu können, um etwas zu erleben, ist für uns ein kostbares. Eines, auf das wir nicht hoffen konnten in einer Zeit, in der selbst das Naheliegende in die Ferne gerückt, unsere Zukunft im Dunkel verschwunden war: die Zeit der Schwangerschaft, als uns eine Diagnose nach der anderen bei unserem Kind ereilte: Trisomie 21, komplexer Herzfehler, drohende Frühgeburt und Hydrozephalus, »Wasserkopf« sagte man früher.

Damals war alles ungewiss, auch die Antwort auf solch einfache Fragen: Wie werden wir mit unserem Kind Urlaub machen? Wohin können wir dann noch reisen? Die Welt schien geschrumpft, alle Leichtigkeit dahin.

Doch nach der Geburt unserer Tochter mit 745 Gramm, nach vier Monaten Klinik und vier Operationen, zwei am Kopf und zwei am Herzen, begann ein neues Leben. Ein Leben, das oft anstrengend ist, aber ein Leben, in dem alles wieder vorkommt: Freiheit und Zufall, Glück und Leichtigkeit. Und oft sind wir beim Campen, wenn genau dieses Lebensgefühl sich einstellt.

Auch mit Downsyndrom kann man wunderbar campen. Das rollende Zuhause ist für viele Menschen mit körperlicher und geistiger Behinderung eine gute Art des Urlaubmachens, und unsere Tochter hat das Gemüt des Campers schon mitgebracht: Es kümmert sie nicht, wenn sie aussieht wie ein Wiedehopf, und sie ist immer zu einem Plausch mit Fremden bereit.

Ich erzähle Ihnen Geschichten vom Campen, die mich fröhlich machen – und Sie hoffentlich auch. Denn eines steht fest: Wer mit dem Wohnmobil unterwegs ist, erlebt Tage voller bezaubernder Widrigkeiten. Kommen Sie mit!

DER ANFANG – Wie konnte das passieren?

Mein Mann hatte mir gesagt, dass er ein Camper sei, gleich zu Beginn, als wir uns kennenlernten. Ich hatte gelächelt, wollte die Stimmung nicht sofort ruinieren. Ich sah an diesem ersten Abend im Sommer 2013, als wir in seinem VW-Bus saßen, über vieles hinweg, auch über die gelblichen Felle, die er über die Vordersitze gelegt hatte, echte Felle von seinem Vater, wie er betonte. Ich dachte kurz an Milben, dann sprachen wir über ein Wiedersehen.

Heute zahlen wir gemeinsam einen Kredit für unser neues Wohnmobil ab. Wir bekommen Weihnachtskarten von den Betreibern eines Campingplatzes und haben sogar einen eigenen Feiertag eingeführt, auf meinen Vorschlag hin: den Camper-Geburtstag. Es ist der 29. Juni.

Ich denke, Menschen können sich ändern. Aber was mit mir geschehen ist, verstehe ich bis heute nicht genau. Ich war eher der Dachterrassen-Typ – vor der Hochzeit.

Als wir das erste Mal unser Wohnmobil vor unserer Wohnung parkten, im Frühsommer 2018, sprach die Nachbarin von einem Monster. Es war seltsam, aber es verletzte mich ein bisschen. Ich finde unser Monster schön. Und natürlich überragt es die Hecke, wofür haben wir uns sonst verschuldet?

Wichtig ist, dass das Modell zu einem passt. Ich habe deshalb auf einer Beifahrertür bestanden. Jede Frau will mal aussteigen. Und jeder Mann auch. Und beim sogenannten »Vollintegrierten«, vorn mit riesiger Frontscheibe, ohne Tür zur Rechten, sitzt man schnell in der Falle. Teilintegriert heißt teilemanzipiert, das war meine erste Lektion, lieber ein echtes Fahrerhaus als ein gläserner Käfig.

Wer am Steuer sitzt, ist für mich keine Frage von Gleichberechtigung. Darf es auch nicht sein, denn ich bin das Monster bisher nur auf einer Wiese gefahren. 7,77 Meter mit ausschwenkendem Heck. Mir selbst reicht – vorerst – das gute Gefühl, dass mir die Hälfte des Wohnmobils gehört, bezahlt vom selbst verdienten Geld.

Zweite Lektion: Der Camper, wie jeder Urlauber, und erst recht wie jeder Individualtourist, lebt von der Abgrenzung. Ich zum Beispiel habe lange mit der Inneneinrichtung gehadert. Ich habe mich gefragt, ob mein Ich all dieses geschwungene Holzimitat verkraftet, all diese stoffbespannten Wandverkleidungen, habe mich und diese Inneneinrichtung mit den Augen anderer gesehen und so etwas wie Scham gespürt. Was, wenn die anderen glauben, dass mir das gefällt?

Mein Mann sagte: Wichtig ist, dass es praktisch ist. Heute weiß ich: Er hat recht. Die Schönheit eines Schranks liegt in seiner Funktionalität. Besser geschlafen haben wir auch als die Coolen im Dachzelt, obwohl ihr Schlafzimmer lässiger wirkt. Und dass der Mann vom ADAC das Design in Echtholz beim selbst ausgebauten Feuerwehrauto zu schätzen weiß, das 18 Liter Benzin frisst und schon im Teutoburger Wald liegen bleibt, glaube ich nicht. So rede ich mir selbst gut zu, um den Neid zu überdecken. Und mein Mann nickt.

Als ich im Urlaub plötzlich einen Beitrag las, in dem von rollenden Einfamilienhäusern die Rede war, auch noch geschrieben von meinem Chef, hat es mich trotzdem kalt erwischt. Selbstverständlich haben auch wir die fahrenden Geranien unseres Wohnwagen-Nachbarn belächelt. Aber ich fühlte mich trotzdem unangenehm angesprochen. Fühlte mich plötzlich alt. Unsexy, nur weil ich nicht auch meinen Jahresurlaub in einem abgetakelten VW-Bus verbringe. Mein Gott, mein wahres Ich sitzt natürlich am liebsten im Expeditionsfahrzeug, aber mein Mutter- und Ehefrau-Ich eben nicht. Immerhin haben wir uns gestreifte Sitzbezüge nähen lassen.

Im Geiste holte ich zum Gegenschlag aus. Ich stellte mir vor, wie ich meinen Chef fragen würde, warum er noch auf Campingplätze gehe. Um dann eher beiläufig davon zu erzählen, dass wir ja autark seien, Toilette, Dusche, alles an Bord. Und am schönsten sei es doch auf irgendeiner Wiese oder direkt an der Hafenmole. Ich überlegte mir immer gemeinere Fragen, etwa die, wie er das denn mit den warmen Croissants hinbekomme. Tatsächlich hatten wir bei den Extras einen Backofen genommen – eine wunderbare Entscheidung.

Mir ist klar, dass sich die Ambivalenz meines alternden Ichs in meinem Wohnmobil widerspiegelt: die Nähe zur Natur genauso zu lieben wie den Boost-Knopf für die heiße Dusche, den Sternenhimmel hinterm Panoramafenster genauso wie meine Matratze.

Als mein Mann und ich damals, an unserem ersten Abend, über unsere Zukunft sprachen, er hier, ich dort, Fernbeziehung über 500 Kilometer, jeder mit seinem Job verheiratet, da schlug er mir grinsend vor, ich könne ja kündigen, zu ihm ziehen und künftig eine Kolumne schreiben für die Lokalzeitung seiner Stadt. Eine »Vorzelt-Kolumne«, nannte er sie, weil er sich gerade ein neues Vorzelt für seinen VW-Bus gekauft hatte.

Umgezogen bin ich tatsächlich, zur Geburt unserer Tochter. Habe meine Altersvorsorge beim Autohändler verjubelt. Und jetzt dieses Buch. Ich denke, Menschen können sich ändern. Wenigstens habe ich bei der Hochzeit meinen Namen behalten.

PS: Sie überlegen, einen Probeurlaub im geliehenen Wohnmobil zu machen? Wenn es Ihnen Ernst ist mit dem Campen, tun Sie es nicht. Es macht die erste Woche keinen Spaß. Es ist eng, das Klo fängt an zu stinken, und Sie beherrschen die Technik nicht. Im schlimmsten Fall bleiben Sie mit dem Alkoven an einer Brücke hängen. Kaufen Sie lieber gleich, ohne Probeurlaub, ohne Probenacht. So wie wir. Der Mensch ist einfach so: Er liebt umso stärker, was er sich selbst eingebrockt hat.

DIE TRÄUME – Einsamkeit, Wildnis? Von wegen. Joe ist immer schon da.

Wir waren aufgebrochen mit einer Mischung aus Besitzerstolz und Freiheitsdrang, etwas, das ja selten im Leben zusammengeht. Vielleicht aber in unserem neuen Wohnmobil, dachten wir, unserem geliebten Monster. Wir rollten Richtung Frankreich – beschwingt in die Ferien, mit maximal 4,2 Tonnen.

»Woher weißt du eigentlich, dass man grüßt?«, fragte ich meinen Mann unvermittelt, als er auf der Landstraße wieder die Hand hob. Seine Lässigkeit wirkte sogar einigermaßen natürlich. »Vielleicht nötigst du einfach den anderen«, sagte ich. Er schien ein bisschen verunsichert, bestand aber darauf, dass er keinesfalls immer der Erstgrüßer unter den Wohnmobilfahrern sei, dass er das auch nicht gelesen habe, sondern dass das einfach klar sei, wobei er selbst wiederum keine Kastenwagenfahrer grüße.

Ich prüfte seine Behauptung auf den nächsten 20 Kilometern, beobachtete, wie er das Zucken in der Rechten unterdrückte. Als das nächste Wohnmobil auf der Gegenspur grußlos vorüberzog, triumphierte ich laut ausatmend, und er zischte: »Hund!«

Es gibt ja, das merkt man schnell, die Reisenden und die Steher. Die Steher sind so etwas wie Dauercamper, aber mit Motor. Ausgeschaltetem Motor. Ich habe unsere Touren immer als stete Fortentwicklung begriffen, weg vom Stehen, hin zum Reisen, vor allem aber fort von den anderen mobilen Besitzern. Campingplätze sind gut zum Üben, für unsere Tochter sogar das Größte, aber natürlich wollte ich bei unserer zweiten Tour der Wildnis näherkommen: Normandie, Bretagne. Im Rückblick muss ich sagen: Es sind gerade diese frühen Erfahrungen, die prägen.

Als ich nach Hunderten Kilometern auf einem französischen Stellplatz festsaß, eingeklemmt zwischen anderen Wohnmobilen, als mein Blick die spektakuläre Steilküste suchte und rechts und links nur lackierte Steilwände fand – die Monster der anderen –, wurde mir klar: Die Weite, nach der sich der Camper sehnt, beginnt erst hinter der Windschutzscheibe. Die Freiheit besteht darin, geradeaus zu gucken.

Und selbst die ist hart erkämpft. Denn dort, in der ersten Reihe mit Meerblick, steht immer schon Joe. Genauer gesagt: Er wird in allernächster Zeit dort stehen, er wird gleich eintreffen oder sofort dorthin zurückkehren – das sagen zumindest seine Freunde. Die fahren nämlich seit 30 Jahren an diesen einen Stellplatz mit Blick auf die Klippen und sichern die besten Plätze für Joe und die anderen, indem sie einen Klappstuhl XXL, wetterfest und mit Getränkehalter, auf jenen Platz stellen, den Joe gleich einnehmen wird. Dann, wenn er zurück ist vom Einkaufen für die anderen.

Wir regten uns auf und machten mit. Wir bereiteten uns am Vorabend darauf vor, am kommenden Tag das Abenteuer der Ungebundenheit zu erleben und gezielt in die einzige Lücke zu stoßen, die sich zwischen neun und zehn Uhr morgens auftut, wenn ein anderer fährt – einer von denen, der keine Freunde hat.

Wir reihten uns also ein, bezogen unser eigenes Fleckchen Wildnis vor der Schnauze des Monsters, und tatsächlich, wenn man dann erst einmal sitzt, mit kaltem Cidre in der Abendsonne, und die Segelschiffe an einem vorüberziehen, dann vergisst man viel, auch die hochgelegten, bestrumpften Füße des Klappstuhlnachbarn.

Und wenn man lange genug gesessen und getrunken hat, ist man so weit, das eigene Fußteil aus der Heckgarage zu holen, und spürt plötzlich die Leichtigkeit, die sich einstellt, wenn man alle Selbstbilder über Bord wirft. Vielleicht ist es doch nicht so schlimm, nicht mehr mit dem Rucksack, sondern mit dem Handstaubsauger unterwegs zu sein? Jetzt, wo man nicht mehr gegen indische Affen kämpft, sondern gegen Krümel, großflächig verteilt um den Kindersitz. Und was bringt einem die Hängematte, wenn auf dem Parkplatz der Baum dazu fehlt?

Doch auch diese Leichtigkeit muss man sich erst verdienen. Beim Campen gilt: Vorbereitung ist die Bedingung für Spontaneität. Wir haben uns zum Beispiel ein 25 Meter langes Stromkabel angeschafft und dazu noch ein zweites, kürzeres. Das mache uns frei in der Stellplatzwahl, und im Notfall könnten wir sogar koppeln, hatte mir mein Mann glücklich erzählt. Wasserdicht koppeln, mit einem kleinen Döschen. Darüber hatte er sich am meisten gefreut.

Ich wusste ja, dass ich einen Camper geheiratet hatte, aber die fast kindliche Freude an – sagen wir – Gasflaschenfüllstandsmessern rührte mich noch immer. Dabei hatte ich selbst unterschätzt, was es bedeutet, das Monster zu bewirtschaften. Autarkie endet dann, wenn die Entsorgung drängt, lernte ich, und Entsorgung heißt zum Beispiel: Grauwasser ablassen. Aber es heißt noch viel mehr.

Nie werde ich mein erstes Mal auf dem Campingplatz vergessen. Es war verstörend, all diese Menschen zu sehen, die einen rollenden anthrazitfarbenen Kasten hinter sich herzogen. Im Grunde wie am Flughafen, nur bekam ich diese Bilder einfach nicht übereinander. Früher hektische Blicke, welches Gate, Halle A oder B, Shanghai, Havanna, kurz vor dem Boarden zu sein – das war mein Lebensgefühl.

Aber die Männer auf dem Campingplatz zogen keine Rollkoffer hinter sich her, sondern ihre Chemietoilette. Sie waren auch nicht hektisch, sondern wollten reden, zum Beispiel über das Fischrestaurant im Dorf, und sie schienen sogar zu vergessen, dass sie eigentlich etwas vorhatten mit ihrer Chemietoilette. Dass sie dort nicht allein standen, sondern zusammen mit ihrer Chemietoilette.

Ich hoffe immer nur, dass ich meinen eigenen Mann nie so sehen werde. Ich weiß nicht, was das mit mir machen würde. Was hat es mit der Frau des Rentners gemacht, drei Parzellen neben uns, dass ihr Ehemann immer sagte: »Einer trage des anderen Last.« Oder: »Die Geschäfte laufen!« Und zwar jeden Morgen. Zu jedem, der an ihm vorbeiging.

Niemals möchte ich demjenigen in die Augen sehen, der nach dem Frühstück zu seinem Nachbarn an der Entsorgungsstation sagte: »Wir haben den gleichen Rhythmus, was?«

Eingebrannt hat sich mir die Warnung jenes Fachmanns, der uns seinerzeit in die Technik unseres neuen Wohnmobils einwies. Man müsse das Kassettenfach immer abschließen, hatte er gesagt. Es gäbe Camper, die fremde Chemietoiletten entwendeten, um Zeit zu gewinnen. Eine Ersatzkassette verspreche mehr Tage Ruhe.

Es war mir lange unbegreiflich, was Menschen dazu bringt, anderen die Toilette zu stehlen. Aber seitdem ich gesehen habe, mit welcher Genugtuung Joes Freunde immer an die Wassersäule flitzten, um das bereits bezahlte Restwasser, das der Vorgänger beim Tanken nicht genutzt hatte, in ihre eigenen Gießkannen abzufüllen, weiß ich, dass Besitz nicht vor Geiz schützt. Und manche macht die Sehnsucht nach Freiheit anscheinend kriminell.

Aber es musste doch noch etwas anderes geben, hoffte ich, selbst im Monster sitzend. Oder war Joe etwa überall? Aufs Handy starrend hatte ich geglaubt, die Geheimplätze derjenigen zu entdecken, die so taten, als wüssten sie, wo man wirklich allein ist mit seinem Fahrzeug und seiner Lichterkette – dass sich mein Mann dieser Kette gleich zu Beginn verweigert hatte, ist übrigens etwas, wofür ich ihm nachträglich dankbar bin.

Ich las also von einem wunderbaren, einsamen Stellplatz auf der Halbinsel Cotentin, lotste meinen Mann auf die Autobahn gen Norden, wir fuhren und fuhren, bis ich – immer noch googelnd – darauf stieß, dass sich dieser Platz ganz in der Nähe der Wiederaufbereitungsanlage La Hague befand.

Nun ja, was soll ich sagen, ich las die Einträge zu radioaktivem Abwasser laut vor, ich dachte an das AKW direkt hinter Joes Klippe, das ich erst bei der Abreise entdeckt hatte, und an den Notfallplan, der im Schwimmbad des vorherigen Campingplatzes aushing, hübsch gelegen innerhalb der Zehn-Kilometer-Zone. Wir wendeten. Mein Mann fand, ich habe »Atomprobleme«. Die Urlaubslaune war am Abklingen.

Es war einer dieser Momente, in denen man nachdenklich wird. Es gibt ja immer zwei Arten, auf einen Trend zu reagieren. Wäre es vielleicht klüger gewesen, nicht Wohnmobil-, sondern Hallenbesitzer zu werden?

Ich bin überzeugt davon, dass der beste Anlagetipp im Moment Wohnmobilhalle heißt. Einfach eine alte Scheune aufmöbeln und warten, bis die Neubesitzer betteln kommen. Spätestens im Herbst wird ihr Ton flehend. Nur, ich hatte damals keine alte Scheune, ich hatte meinen Mann. Und jetzt habe ich das Monster.

PS: Sie haben nicht wirklich geglaubt, dass ich Ihnen meine Lieblingsplätze verrate, oder? Die romantischen, herrlichen, unvergesslichen? Ich bitte Sie. Wir kennen uns doch gar nicht. Aber wenn Sie Joe sehen, grüßen Sie ihn ganz herzlich von mir.

Der Outdoorteppich

Einer meiner Lieblingsgegenstände an Bord ist wetterfest und gepunktet. Für mich war der Kauf unseres Outdoorteppichs der »ästhetische Durchbruch«, so habe ich es seinerzeit im Logbuch notiert, viel Orange, viele Kreise, ein bisschen Seventies. Natürlich braucht man eine Schicht zwischen der Fußsohle und dem Boden. Wer will schon barfuß in Dreck, Dornen, Zecken, Kronkorken oder Scherben treten, die sich zwischen den Grasbüscheln eines Stellplatzes finden lassen? Nur warum muss diese Schicht hell-, mittel- oder dunkelgrau sein, die Farbwelt der Campingausrüster?

Das Zubehör verwirklicht im Kleinen, woran man im Großen gescheitert ist: die Individualisierung. Unser Outdoorteppich soll unser Serien-Wohnmobil einfach fröhlicher machen. Andere schmücken die Ablage ihres Vollintegrierten mit ihrer Leuchtturmsammlung oder einem Windhund, winzig, aber lebendig.

Wem das nicht reicht, der tauft sein Fahrzeug. Ich möchte an dieser Stelle keine Namen nennen, um die Persönlichkeitsrechte der Wohnmobile nicht zu verletzen, aber ich habe beobachtet, dass es häufig zu Verniedlichungsformen kommt, also zu Endungen auf -le, -li oder -chen. Dabei gilt: Je größer das Wohnmobil, desto niedlicher.

Wir dagegen haben unsere Pünktchen, um das Monster gefälliger zu machen. Als ich das Polypropylen-Modell im Internet entdeckte, habe ich es sofort in verschiedenen Größen bestellt. Jetzt können wir bei Bedarf psychodelische Teppichlandschaften entwerfen. Weshalb auch klar ist, warum der Outdoorteppich und der Campingplatzbesitzer oft in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen. Schließlich verbringt man als Platzbesitzer große Teile seines Lebens auf einem Aufsitzrasenmäher.

Einer ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Jeden Morgen fuhr er die Grünanlage ab, und kaum dass einer seinen Stellplatz verlassen hatte, raste er heran, mähte und raste weiter, ja, er mähte mit aggressiver Lust. Heraus kam ein herrlicher Golfrasen, bei dem sich jeder Outdoorteppich von selbst verbot. Und wer das nicht verstand, dem wurde er verboten, der Teppich.

DIE ENGE – Sie wollen Zeit mit Ihrer Familie verbringen? Jetzt nicht mehr.

Kennen Sie diesen Druck, der sich kurz vor dem Hochzeitstag aufbaut? Gibt es Geschenke? Kann man nicht etwas Schönes machen, zumindest am Abend?

Und jetzt stellen Sie sich vor, Sie entscheiden sich für einen Wochenendtrip mit dem Wohnmobil, eine Fahrt ins Blaue, nur dass Sie das Blaue in Ihrer näheren Umgebung schon kennen, eigentlich auch wissen, dass keiner der umliegenden Campingplätze infrage kommt, alle voll und hässlich, aber vielleicht trauen Sie sich dieses Mal, nur dieses eine Mal, wild zu stehen, vielleicht auf einem Waldparkplatz, oh Gott, was für ein Abenteuer, vielleicht klopft morgens um fünf Uhr der Förster ans Fenster – solche Gedanken können ja auch belebend wirken.

Wir packten also, viel braucht man ja nicht, und natürlich kamen wir viel zu spät los für dieses wenige, und als wir dann angespannt der untergehenden Sonne entgegenfuhren, wollten wir wenigstens noch eine Wiese finden für ein Picknick im Abendlicht.

Der Rest ist schnell erzählt. Wir probierten eine Stichstraße nach der anderen, entweder endete sie im Schatten oder im Misthaufen. Rückwärtsfahrend grüßten wir die Pilzsammler. Dann die Anwohner. Bis wir im spitzen Winkel wieder auf die Hauptstraße trafen, was meinen Mann veranlasste, über den langen Radstand unseres Fahrzeugs zu referieren, insbesondere über den gewaltigen Überhang des Hecks, der ein Aufsetzen, gerade am Berg, wahrscheinlich mache.

Ich habe gelernt, in diesen Momenten zu schweigen. Die Atmosphäre einfach auf mich wirken zu lassen. Besonders intensiv ist es immer, wenn die Rückfahrkamera plötzlich ausfällt.

Ein bisschen irritiert hat mich der Satz meines Mannes schon, als wir dann abends, nach unzähligen, ungewollten Kilometern endlich zusammensaßen und das sogenannte »Ambiente«-Licht einschalteten, als wir also dasaßen und mein Mann plötzlich sagte: »Ich tue schon immer alles dafür, um die Karre nicht zu beschädigen.«

Nun ja, man soll nicht jeden Satz auf die Goldwaage legen, vor allem nicht, wenn der Hochzeitstag unmittelbar bevorsteht, aber ein wenig mehr Sorge um einen möglichen Personenschaden hätte ich mir schon gewünscht. Ich denke, was man auf jeden Fall sagen kann: Eine Ehe braucht, so wie das Wohnmobil, ein robustes Fahrgestell. Wobei das Wohnmobil selbst zur Belastungsprobe werden kann. Positiv formuliert: Man begegnet sich oft.

Im Grunde ist es wie Stopptanz. Jeder wuselt in seiner Fahrzeughälfte, faltet dieses auf, rollt jenes ein, bückt sich, streckt sich, bis beiden gleichzeitig einfällt, den Fahrzeugteil zu wechseln. Die ersten Male steht man frontal voreinander, mit hängenden Armen, abrupt ausgebremst.

Aber mit der Zeit werden die Bewegungen geschmeidiger, der eine beugt sich über den Gasherd, der andere schmiegt sich an den Kühlschrank, der eine dreht sich seitlich ein, der andere verschmilzt mit der Küchenzeile, und plötzlich erkennt man die Idee hinter der Linienführung: Die Aussparung bei der Arbeitsplatte ist so etwas wie eine Nothaltebucht im Innenraum. Die abgerundeten Ecken schützen vor Verletzungen.

Irgendwann aber kommt der Tag, an dem man plötzlich aneinander hängen bleibt. Bei den einen ist es schon vor der Hölzernen Hochzeit so weit, bei den anderen erst kurz vor der Silberhochzeit. Bei uns geschah es im Sommer nach dem ersten Lockdown. Plötzlich redet man in der Ehe über Gewicht. Ich rechnete noch in Kilos, mein Mann schon in Tonnen. Da merkte ich, er ist in Gedanken nicht mehr bei mir, sondern schon beim nächsten Modell.

»Man hat in seinem Leben immer drei Wohnmobile«, hatte der Fachmann beim Autohändler gesagt. Ein irrer Satz, fand ich damals. Aber ein Grund dafür schien nun klar zu sein, die Korrelation zwischen Körper- und Fahrzeugumfang, wobei es mit fortschreitender Ehe auch zu einer verzerrten Wahrnehmung kommen kann. Vielleicht ist der andere gar nicht dicker geworden, sondern rempelt einfach mehr?

Was in der Folge, genauer gesagt: nach der Auflösung des gemeinsamen Haushalts, zu einem weiteren Grund für einen Fahrzeugwechsel führen kann, so bestätigen es viele hinter vorgehaltener Hand. Der neue Partner verweigert das alte Mobil. Die neue Partnerin ebenso.