Moralverkehr - Jana Winschek - E-Book

Moralverkehr E-Book

Jana Winschek

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Beschreibung

Die wohlbehütete Johanna hasst ihr Jurastudium und ist von Männern frustriert, die sexuell noch ahnungsloser sind als sie selbst. Aus Neugier nimmt sie einen Job als Volontärin bei einer Sex-Zeitschrift an. Ihre anfängliche Skepsis unterliegt schnell der Faszination dieser Branche. Bei ihren zahlreichen Recherchen flie-gen sämtliche moralischen Vorstellungen und unmoralischen Vorurteile über Bord. So trifft sie im Bordell auf gelangweilte Huren und sentimentale Freier und findet bei einer Domina Gefallen an der Macht der Peitsche. Die neuen Kontakte zu hemmungslosen Männern und zügellosen Frauen -erweitern ihren sexuellen Horizont nicht nur theoretisch. Johanna gerät immer wieder in obskure Situationen und überschreitet dabei Grenzen, die vorher unüberwindbar schienen. Und eines Tages findet sie auf dem Spielfeld der menschlichen Neigungen endlich auch ihren ganz eigenen Weg. Denn trotz der frivolen Abenteuer sucht die Romantikerin in Johanna immer wieder nach dem Mister Right und verliebt sich schließlich Hals über Kopf in -den Kriminalkommissar Nils. Aber will er sie auch? Moralverkehr ist ein rasanter und witziger Roman über eine junge Frau, die ihr enges Leben zurücklässt und sich aufmacht, erotisches Neuland zu entdecken. Die Heldin Johanna übt sich in der neu entdeckten Hemmungslosigkeit und tappt dabei in so manch erotisches Fettnäpfchen. Trotzdem behält sie den Blick für das Wesentliche: eine leidenschaftliche Beziehung mit dem smarten Nils.

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Jana Winschek

Moralverkehr

Erotischer Roman

1

Seifenblasen

»Ist das alles? 47,11 – für einen Vierer? Das ist ja lächerlich! Es fehlen gerade mal zwei Zahlen für sechs Richtige. Wenn die Gewinnsumme für einen Sechser im Millionenbereich liegt, kann ich doch bei vier Treffern nicht mit diesem Jammerbetrag abgespeist werden – rein rechnerisch. «

Auch wenn ich nicht Mathematik studiere, sondern Jura – was für mich persönlich schlimm genug ist –, bis sechs zählen kann ich gerade noch.

Die Frau an der Kasse, deren auftoupierte Lockenfrisur bei jedem Blick auf meinen Spielschein die Ränder der Markise ihres Lottostands ins Wanken bringt, schaut mich nur mitleidig an und beteuert: »Mehr wird’s nicht!«

Prima, dumme Sprüche kann ich gerade gut gebrauchen. Mir ist selbst klar, dass ich hier nicht bei einer Hilfsorganisation für notleidende Studenten gelandet bin. Die Dekoration der Glücksspieltheke erinnert viel mehr an eine billige Schaustellerbude. Bunte Wimpel, gestreifte Markise und von der Decke baumelnde Nummernbälle sollen gute Laune verbreiten. Fehlen nur aufgespickte Pferdchen, die im mechanischen Galopp um den Gnadenschuss betteln. In meiner mordlustigen Verfassung würde ich wahrscheinlich sogar mit geschlossenen Augen ein abgerissenes Plüschohr er-schießen – den ganzen Teddy gibt es natürlich erst bei sechs erlegten Kirmesgäulen.

»Wenn Sie  … 2,89 klein haben, kann ich Ihnen immerhin einen 50-Euro-Schein rausgeben, das ist doch auch was. «

Das hektische, um Zustimmung heischende Nicken der alternden Lottofee sorgt ausschließlich für ein bedenkliches Schlottern ihrer nach Keratin dürstenden Kehlläppchen als für Begeisterungsstürme meinerseits.

Klar! Die Form des Geldes steigert erheblich seinen Wert. »Ich möchte lieber alles in Fünfern plus Kleingeld.«

Wiegt schwerer und auch die Anzahl der Scheine macht einfach mehr her. In Zeiten der guten alten D-Mark bräuchte ich jetzt fast eine Hebebühne für meine Münzen.

Ich stopfe meinen Gewinn lose in die Hosentasche und klimpere demonstrativ mit den Fingern darin herum. Hört sich gut an! Ein einsamer Fuffi würde niemals ein derartiges, Reichtum vortäuschendes Geraschel und Geklimper erzeugen.

Tja, dumm gelaufen, war wohl nichts mit einem halbwegs sorgenfreien Leben für, sagen wir mal, wenigstens sechs Monate.

Mein Gewinn reicht nicht mal, um einen Spendenfonds für angehende Studienabbrecher einzurichten, für dessen Vorsitz ich hiermit vorausschauend plädiere.

Noch gehöre ich zum Kreis derer, die sich einst regelgerecht um einen Studienplatz beworben haben. Mit Erfolg. Seit fast zwei Jahren fülle ich diesen hart erkämpften Platz mit stumpfer Anwesenheit oder glänzender Abwesenheit aus. Für Rechtswissenschaften hatte ich mich entschieden, oder »Jura« – wie auch immer man es großspurig nennen mag.

Ich habe es mir freiwillig ausgesucht, weil ich schon immer Scheidungsanwältin werden wollte. Die Betonung liegt auf »wollte«! Leider habe ich inzwischen sogar vergessen, was mich jemals zu diesem Wunsch bewegt hat, und wie es dieser Wunsch schaffen konnte, sich in meinem Hirn derartig zu manifestieren, dass ich keine griffbereite Alternative parat habe. Keinen Plan B für die Momente, in denen ich merke, wie wenig von meinem Wunsch übrig geblieben ist außer den feuchten Tropfen der zerplatzten Seifenblase, die nach jedem quälenden Tag Uni aus meinen Augen quellen.

Ja, ich werde gequält, mit Verfassungsfragen, Bundesrat und Bundestag, mit Öffentlichem Recht. Das finde ich so ungerecht. Wenn ich mich dafür interessieren würde, hätte ich Politikwissenschaften studiert. Habe ich aber nicht. Ergo, was will ich damit? Auch wenn ich mit den zahlreichen Scheidungen in Politikerkreisen sicher schon reich geworden wäre.

All das will ich nicht mehr. Ich will die Scheidung – von der Uni! Ich will raus, raus aus diesen engen, muffigen Hörsälen, aus dieser Uni, die in mir nur Klinik- oder Turnhallengefühle weckt anstatt Kreativität und Energie. Was soll man auch erwarten, wenn der Weg zum Hörsaal durch das Krematorium führt? Der Geruch von eingelegten Leichenteilen in Formalin behindert jeglichen Lebensmut.

Eigentlich müsste ich mich in diesem Moment wieder in eine der engen Sitzreihen begeben, um dem sonoren Brummen der Gelehrten zu lauschen. Aber ich bin müde. Traurig. Verzweifelt. Ich mag nicht mehr. Ich setze ich mich auf eine Steinmauer und lasse jede Menge geplatzte Seifenblasen über meine Wangen laufen. Eins weiß ich mittlerweile ganz sicher: So kann es nicht weitergehen.

Etwas Neues muss her! Nur was?

Viel fällt mir nicht ein. Ich habe mich nicht ausreichend auf diese Situation vorbereitet, ein Studienabbrecher zu werden. Warum gibt es kein pro familia für Studenten, die keine mehr sein wollen? Dem Ganzen haftet so eine unsittliche Note an, als würde mir ein Stempel aufgedrückt: Studien-VERBRECHER! Aber warum? Mein Hirn gehört mir!

Ein unangenehmes Gefühl beschleicht mich. Haste nix, biste nix. Was kann ich schon groß vorweisen, außer meinem umwerfenden Talent – fragt sich nur wofür?

Was ist wohl am Ende wichtiger? Studium, Talent oder Leidenschaft – wie würde Justizia entscheiden?

Meine Ungeduld spielt mir mal wieder einen Streich. Sie hält mich davon ab, zehn oder mehr Semester auf einen Abschluss hinzuarbeiten.

Ich würde viel lieber etwas Praktisches machen. Ich brauche Ergebnisse, und zwar möglichst schnell. In diesem Punkt bin ich stets verlässlich: Ich weiß garantiert, was ich nicht mehr will, aber selten, was ich will.

Das Einzige, was mir spontan einfällt, ist, dass ich eventuell gerne für eine Zeitschrift arbeiten würde. freundin oder so. Doch selbst dafür braucht man heutzutage ein Studium.

Ein Teufelskreis.

2

Traumjobs zu vergeben

Die Sonne blendet mich. Ich schütze meine empfindlichen blauen Augen mit einer großen Dior-Sonnenbrille aus meinem letzten Spanien-Urlaub. CE-geprüft, immerhin.

Die Brille ist nicht nur Schutz, sie ist vielmehr Tarnung. Ich möchte lieber anonym bleiben. Wie sieht das denn aus, wenn ich am helllichten Tag auf der Parkbank sitze, so, als hätte ich nichts zu tun?

Geschäftig falte ich das Trostpflaster der Kiosktante auseinander. Die Tageszeitung von gestern. Meine Wunden verarzten kann ich mit dem Altpapier zwar nicht, aber mich zudecken – im Ernstfall. Ich hoffe inständig, dass es niemals so weit kommen wird und ich diese Parkbank noch vor Eintritt der Dämmerung wieder verlassen werde, um Platz zu machen für ihre nächtlichen Stammkunden. Ich will gar nicht wissen, bei wie vielen von ihnen die Vita mit einem abgebrochenen Studium verhunzt ist.

Mit angefeuchtetem Zeigefinger blättere ich bis zu dem Stellenteil durch, der mittwochs, also gestern, immer besonders dick ist. Mal sehen, was sich darin finden lässt.

Bankkauffrau? Nein! Banken sind noch langweiliger als Universitätsbibliotheken.

Beim Finanzamt suchen sie. Zahlen? Graue Bürogebäude? Auch nichts für mich. Das wäre allenfalls etwas, was den Wünschen meines Vaters entspräche, dicht gefolgt von der Empfehlung, eine Bankausbildung zu machen.

Es inserieren jede Menge Zeitarbeitsfirmen und eine dubiose Firma, die Vertriebsprofis, für ein sensationelles Produkt ohne Konkurrenz, eine Traumprovision verspricht.

Und natürlich werden wieder zuvorkommende, gut aussehende Damen für den Begleitservice bei bester Bezahlung gesucht. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie sich ein halbwegs intelligentes Mädel freiwillig für so einen Job hergeben kann.

Aber was haben wir denn hier  …

Das ist Ihre Chance! Traumjobs zu vergeben!

Wir suchen junge Leute, die Ideen haben!

Arbeiten Sie mit an »Star-Illu«, der erfolgreichen Illustrierten für junge Leute. Der Klaus Hartlieb Verlag, einer der führenden Zeitschriftenverlage, sucht ab sofort mehrere Volontär(e)/innen zur Ausbildung als Redakteur/in, die schon immer bei einer Zeitschrift arbeiten wollten!

•Bringen Sie Ihre eigenen Ideen ein!

•Lernen Sie die Kunst des Schreibens!

•Sie werden ausgebildet in einer jungen, motivierten Redaktion!

•Sie werden topfit gemacht im Journalismus!

•Sie können direkt nach dem Abitur, Studium oder der Ausbildung bei uns einsteigen!

Nicht lange überlegen! Senden Sie uns am besten sofort Ihre Bewerbung mit den üblichen Unterlagen.

Das hört sich ja fantastisch an! Der Verlag ist mitten in der Stadt – wie praktisch. Und der Titel Star-Illu klingt vielversprechend. Eben wie eine junge Illustrierte. Das muss ein Wink des Schicksals sein! Ich glaube an Schicksal. Alles hat seine Zeit. Und jetzt ist die Zeit gekommen, um sich beim Klaus Hartlieb Verlag als Volontärin zu bewerben.

In nur einer Stunde schaffe ich es, meine Unterlagen komplett fertigzustellen mit einem Anschreiben, das niemanden daran zweifeln lässt, wie prädestiniert ich für diesen Job bin. Nicht umsonst hatte ich als Leistungskurs Deutsch und habe für meine Aufsätze immer eine Eins kassiert. Das muss jetzt belohnt werden. In absoluter Hochstimmung, so gut gelaunt wie selten in den letzten 15 Monaten Studium, fahre ich zur Post, um meinem Schicksal den nötigen Stempel aufdrücken zu lassen.

*

Es ist ein erhebendes Gefühl, endlich den Schritt in eine neue, hoffentlich richtige Richtung getan zu haben. Natürlich beschleichen mich zwischendurch einige Ungewissheiten. Ob sich viele bewerben? Vielleicht auch welche mit mehr Erfahrung? Aber ich schlucke meine Selbstzweifel hinunter. Wird schon werden! Die Hoffnung stirbt zuletzt! Mit diesen Motivationsklassikern konserviere ich meine gute Laune.

Höchste Zeit, einen Blick in die Hefte zu werfen, für die ich in Zukunft eventuell arbeiten werde. Aber was soll der Geiz? Wieso nur eventuell? Wenn man eine Situation erreichen will, muss man daran glauben, sich in den Erfolgsmoment hineinversetzen, felsenfest davon überzeugt sein, dass es klappt.

Ich halte bei meinem Stammkiosk, dem Lädchen mit der Schießbudenfigur als Besitzerin.

Meine ganze Kindheit hindurch hat mich dieser kleine Laden begleitet, mich sozusagen beim Erwachsenwerden unterstützt. Ob mit bunten Radiergummis, leuchtenden Filzstiften, die nur im Dunkeln funkeln, Sammelbildchen und Glitzeraufklebern. Meine einzige Barbie habe ich hier nach langem Quengeln gekauft bekommen. Ich konnte nie verstehen, wie andere über 30 Stück von diesen Puppen haben konnten. Alle sehen sie gleich aus und trotzdem ähnelt keine der weiblichen Wirklichkeit. Ich hatte es eh nie so mit Puppen. Aber man will ja kein Barbie-Außenseiter sein. Fernbedienbare Autos fand ich viel interessanter.

Lesetechnisch war ich absolut mainstreamtauglich. Jeden Donnerstag verschlang ich die Micky Maus, hin und wieder ein Yps-Heftoder Fix und Foxi. Später dann auch meine erste Bravo, obwohl meine Schamgrenze damit schon fast erreicht war, weil ich mir einbildete, man könne mir ansehen, dass ich das Heft nur wegen den Rubriken Liebe, Sex und Zärtlichkeit und Sprich dich aus  … kaufte. Wie soll man denn sonst die richtige Technik für den perfekten Zungenkuss lernen?

Für den Konsum weiterer bravouröser Aufklärungsliteratur suchte ich vorsichtshalber die Anonymität eines Supermarktes, um hämischen Blicken zu entfliehen.

Obwohl die abgehalfterte Kiosk-Crew eigentlich auch dann dumm geguckt hat, wenn wir Kinder uns stundenlang nicht zwischen Sammelbildchen oder Wundertüte entscheiden konnten. 20 Pfennig wollten gut angelegt sein. Insgeheim fühlte ich mich auch immer beobachtet und verdächtigt, mir den ein oder anderen Radiergummi gesetzeswidrig anzueignen.

Bis heute ist mir nicht richtig klar geworden, welche von den drei Hobbyobservistinnen eigentlich die Chefin in dem Laden ist. Ich gehe mal davon aus, dass es die fette Matrone ist, die stets im Hinterzimmer hockt und mit ihrem Gehstock Anweisungen dirigiert. Das ist auch die Einzige, auf die der zum Inventar gehörende Yorkshirekläffer annähernd hört.

Mittlerweile müsste der Miniköter auch schon mindestens 20 sein, zumindest habe ich das Gefühl, als wäre er immer dort gewesen und mit mir groß geworden – altersmäßig. Ja, alles, was mein kleines Herz begehrte, konnte ich hier entdecken. Aber ich hätte nie gedacht, dass ich in diesem kleinen Laden mal den Schlüssel zu meiner Zukunft finden würde.

Etwas seltsam ist es schon, dass mir die Star-Illu bisher nie aufgefallen ist. Es sei der Flut an bunten Blättern geschuldet, die einst übersichtliche Zeitschriftenregale zu einem vollgeramschten Wühltischdschungel verwildern ließ. Wie soll man bei diesem Überangebot jeden Titel kennen?

Die Wände sind voll mit bunten Illustrierten, von deren Covern etikettenlose Adelige und aufgeblasene Möchtegernpromis um die Wette grinsen oder heulen – je nachdem, was gerade mehr Quote macht. Von Star-Illu keine Spur. Die Hefte scheinen so gut zu laufen, dass sie schon ausverkauft sind. Perfekt! Mal nachfragen. »Haben Sie die Star-Illu?« Die Ladenbesitzerin guckt mich entsetzt an, so als hätte ich sie gerade aufgefordert, sich nackt auszuziehen und auf der Theke zu tanzen. Kopfschüttelnd, mit abschätzig hochgezogener Augenbraue greift sie suchend unter die Ladentheke.

»Sind Sie überhaupt schon 18?« Eigentlich müsste ich ihr ja dankbar für diese Frage sein. Mit 22 habe ich gerade den Zenit überschritten, ab dem man sich wieder freut, jünger geschätzt zu werden. Außerdem sollte sie wissen, dass ich volljährig bin, sonst hätte mir ihre Kollegin meinen horrenden Lottogewinn gar nicht auszahlen dürfen.

»Ja, sicher, wollen Sie meinen Waffenschein sehen?«, füge ich stirnrunzelnd hinzu. Seit wann muss man mündig sein, um ein Unterhaltungsmagazin zu kaufen?

Der Yorkshirefloh wetzt aufgeregt hinter den, vermutlich mit spröder Hornhaut verkrusteten, Fersen seines Frauchens hin und her, als wolle er mit seinem sirenenhaften Gekläffe ein drohendes Unheil ankündigen.

»Hier. Wollen Sie ’ne Tüte?« Mit angeekelter Miene knallt die feiste Alte das Heft auf den Tresen und schiebt es demonstrativ von sich weg in meine Richtung.

Ich verstehe ihre negative Haltung überhaupt nicht und schaue immer noch bemüht freundlich in ihre zusammengekniffenen Augen, bevor ich meinen Blick in freudiger Erwartung auf die Star-Illu schwenke.

Da liegt es, das Heft, meine Hoffnung, meine Zukunft – meine persönliche Horrorvision. Das Cover, es ist  … schrecklich. Es starrt mich an. Dieser splitterfasernackte Verschnitt aus Pamela Anderson meets Barbie. Die mit 100 Prozent Wasserstoffperoxid gebleichte Blondine hat ihre makellosen und schlanken Beine weit geöffnet. Zu weit für meinen Geschmack. Demonstrativ liegt eine Hand im Schritt. Mit der anderen greift sich Super-Pam an ihren übermächtigen, mit Tonnen von Silikon gefüllten Busen und zwirbelt sich die nuckeldicken Brustwarzen.

Ein Bild des Jammers, nicht für Männer, aber für mich und alle Emmas dieser Welt. Damit will ich keine Lanze für feministische Amazonen brechen, aber was zu viel ist, ist auch für mich zu viel.

Was soll das bitte sein? Oh Gott, es ist so peinlich! Wie komme ich aus der Nummer nur wieder raus?

»Ähem, die ist für einen Freund, der hat Geburtstag!«, höre ich mich sagen, indem ich mühevoll ein Wort nach dem anderen ausspucke. Was für eine einfallslose Ausrede. Die Kiosktante kneift ein letztes Mal ihre ohnehin zu klein geratenen Augen zusammen.

Mit hektischen, glühenden Flecken am Hals und verschämt unter den Arm geklemmter Plastiktüte verlasse ich den Laden.

Passanten mustern mich. Ich presse meinen Arm noch fester an meinen Körper, bis meine Rippen schmerzen. Was gucken die mich plötzlich alle an? Ich fühle mich gelöchert, nackt, als wäre ich die Barbusige auf dem Titel, nur ohne Busen.

Wie konnte ich so blauäugig sein und mich bewerben, ohne genau zu wissen, worum es geht? Junge Illustrierte – pah!

Star-Illu – was für ein harmloser Titel. Kommt einfach besser, als wenn man nach der Fick-Illu oder Titten für ihn fragen muss.

Ein Blick auf die Uhr sagt mir, dass es zu spät ist, um den Postbeamten zu terrorisieren und meine Unterlagen herauszufordern. Meine persönlichen Daten sind längst auf dem Weg nach Sodom und Gomorrha. Mir bleibt nichts anderes übrig, als nach Hause zu fahren und mich in Selbstmitleid zu baden.

3

Die Star-Illu

Ich schließe mich in meinem Zimmer ein und setze mich im Schneidersitz auf mein Bett, das von meiner Mutter frisch mit der »Die-ist-doch-noch-gut, warum-sollen-wir-die-wegschmeißen«-Biene-Maja-Bettwäsche bezogen wurde.

Na, das passt doch wie Arsch auf Eimer: Noch auf der Kinderbettwäsche lese ich mein erstes Sex-Heft. Ich wohne noch zu Haus bei meinen Eltern. Die Wahl zwischen einem Auto und einer eigenen Wohnung fiel damals eindeutig aus. Ich liebe Autos. Ich hasse Busfahren. Inzwischen hasse ich auch mein Kinderzimmer.

Ich atme tief durch, muss mir die Star-Illu genauer anschauen, diese Bildungslücke schließen. Zögerlich öffne ich die Tüte und ziehe das Magazin ganz langsam heraus, so als hätte ich Nussschalen darauf gesammelt, die nicht herunterfallen dürfen. So vorsichtig, als könnte ich mir die Finger daran verbrennen.

Echt heiß! steht ja auch in dicken, roten Lettern auf dem Cover, das einen nicht an akuter Brandgefahr zweifeln lässt. Außerdem noch auf dem Titel: Tabuloser Sex mit Orgasmus-Garantie, Wildes Rammel-Rodeo, Die längsten Schwänze der Welt, Ficken für Anfänger.

Das ist echt harter Tobak. Im Innenteil geht es noch härter weiter. Ich kann gar nicht hingucken. Lauter nackte Leute, die es übereinander, untereinander miteinander machen. Und die Kamera hat die schönsten Szenen festgehalten. Mit Tausendfach-Zoom auf die intimsten Stellen. Vaginen und erigierte Glieder in Nahaufnahme. Ich muss lachen. Zu etwas anderem bin ich momentan nicht fähig. Was soll ich auch sonst tun? Ich könnte mich noch übergeben, aber ich habe keinen Hang zur Bulimie, obwohl das meinen Schenkeln nicht schaden würde. Das, was da vor mir liegt, finde ich bedenklich grenzwertig. Neben den Bildern stehen Texte. Ob die einer liest?

Man mag es zwar nicht glauben, aber die Geschichten sind ganz unterhaltsam, die Wortwahl ist mir fremd. Bevor ich einschlafe, habe ich jede Seite ganz genau unter die Lupe genommen, manchmal mit leichtem Ekel, manchmal aber auch mit erschreckender Neugierde.

Am nächsten Morgen wache ich gerädert auf. Ich habe schlecht geträumt. Von Biene Maja, die sich ihre Locken gebleicht und die Lippen aufgespritzt hat, um Willi für eine heiße Liebesnacht in ihre mit roten Samtvorhängen ausgekleidete Wabe zu locken. Ich weiß nicht, was neurotischer ist. Meine Träume oder dieses Magazin, das mir nicht mehr aus dem Kopf geht. Bis mitten in der Nacht habe ich die Geschichten gelesen und mir die Bilder immer und immer wieder angeschaut.

Schon jetzt leide ich unter diesem Überangebot nackter Penisse und rosiger Venushügel, übrigens fast alle ohne Haare, die auf 52 Seiten um die Gunst des Lesers wetteifern. Leser? Oder Leserinnen? Wer nur kauft das? Und was sind das für Menschen, die in so einer Redaktion arbeiten? Zuhälter und Prostituierte?

Solche wie ich, konservativ erzogen, wohlbehütet? Wohl kaum.

Wahrscheinlich werden die sich dort im Verlag köstlich über meine Bewerbung amüsieren. Jurastudentin, die nach einer neuen Herausforderung sucht. Wenigstens kann ich die Sache damit abhaken.

Ich könnte schon aus fachlichen Gründen nicht in dieser Redaktion arbeiten. Von Sex habe ich kaum Ahnung. Das wäre ja so, als solle einer ohne Führerschein für eine Autozeitschrift schreiben.

Ich habe nichts gegen Sex, nur leider komme ich irgendwie nicht oft in die Verlegenheit, ihn zu vollziehen. Woran das liegt? So richtig weiß ich das auch nicht. Wahrscheinlich bin ich einfach nicht der klassische Männertyp. Welcher Kerl schaut schon gerne zu einer Frau auf. »Liebling, kann du mir bitte das Buch aus dem oberen Regal reichen?« Oder: »Schatzi, verstell doch nicht immer den Fahrersitz, ich komm sonst nicht mehr an die Pedale!« Das starke Geschlecht und seine Komplexe. Mit meinen 1,80 Metern bin ich einfach zu groß für die niedlichen Püppchenträume der Männer. Hier, ich hab’s ja rot auf weiß vor mir liegen. Zu viel unterscheidet mich von dem Vollblutvamp auf dem bunten Titel.

Es ist nicht nur allein die Körpergröße. Auch meine Haare sind nicht in hellem Platin gefärbt, sondern aschblond. Mondäne Wellen habe ich in meinen ansonsten glatten Haaren höchstens nach einem Friseurbesuch, und dann auch nur für einen Mikromoment, bis der nächste Tiefdruck alles wieder plättet.

Auch das eine oder andere Pfündchen an mir ist zu viel. Aber als dick würde ich mich deshalb noch lange nicht bezeichnen, obwohl ich damit, seit ich mich erinnern kann, aufgezogen werde. Kinder können ja so gemein sein und Erwachsene erst recht!

Fettfrei sind hingegen meine Lippen. Bestimmt wecken sie keine oralen Männerfantasien im Gegensatz zu der aufgespritzten Schlauchbootschnute vom Pin-up-Girl auf Seite eins. Auch sonst zweifle ich daran, es jemals auf ein Titelbild zu schaffen, außer auf Ein Herz für Tiere, weil ich ein Feldhasenbaby vor dem Feuertod gerettet habe.

Silikon kenne ich nur, um die Wanne abzudichten, auch wenn meine Brüste davon einiges vertragen könnten. Was ich von meinem Hintern leider nicht behaupten kann. Aus dem Füllmaterial meiner vier Buchstaben kann ein geschickter Schönheitschirurg Busengebirge für eine ganze Frauenkompanie modellieren. Alles in allem nicht die besten Voraussetzungen, um ein Männerherz höherschlagen zu lassen, geschweige denn die Macher eines Sex-Magazins zu überzeugen, oder?

Frustriert über die neuen Erkenntnisse und über den ungewissen Verlauf meiner Zukunft, verkrieche ich mich unter Maja, Willi und Flip und versuche, die Aussichtslosigkeit im Schlaf zu ersticken. Tatsächlich schlafe ich bis zum nächsten Morgen durch.

Auch der neue Tag bewegt mich nicht zum Aufstehen, obwohl es schon kurz nach zwölf ist. Viele Vorlesungen sind in den letzten Monaten meiner Im-Bett-ist-es-viel-schöner-Stimmung zum Opfer gefallen. Ich war noch nie ein Kind, das mit den Hühnern aufstehen konnte. Wie sagte mein Vater immer zu mir: »Der frühe Vogel fängt den Wurm!« Ich sage nur, der frühe Vogel kann mich mal.

Oft habe ich mich gefragt, woran das liegen könnte, dass ich so schwer aus den warmen Federn komme. Ist es Willi mit seinem dösigen Blick, der mich hypnotisch ans Kopfkissen fesselt oder ist es der aus periodischen Gründen durch meine Venen fließende Eisenmangel, der mich wie Blei ins Bett drückt?

Das Handy klingelt. Diesem verheißungsvollen Ton kann ich nicht widerstehen. Ich bin süchtig nach der Melodie, die bei mir fantastische Erwartungen weckt. Jeder Anruf kann der Anfang einer neuen Liebe sein oder wenigstens von einem neuen Date. Es könnte sich ja jemand verwählt haben, ein Mann mit aufregender Stimme oder Mister »Ich melde mich bei dir« von der letzten Studi-Fete. Besser Luftschlösser bauen, als gar keine Immobilien zu besitzen. Ich muss einfach rangehen.

»Ja«, melde ich mich mit leicht heiserer Stimme.

»Frau Schwick?« Ich nicke verschlafen.

»Klaus Hartlieb Verlag, Pilsberger mein Name, wir würden Sie gerne zu einem Vorstellungsgespräch einladen, passt es Ihnen morgen um 11 Uhr?«

Wie lange nur hatte ich geschlafen? Eine Woche oder einen Tag? Die können mich doch nicht jetzt schon anrufen und schon gar nicht so schnell einladen.

Wie soll ich denn in dieser Zwangslage reagieren? Panik steigt in mir auf. Ich fühle mich wie ein Verbrecher, der gerade seinen Haftbefehl erhalten hat. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich kann der guten Frau ja schlecht um die Ohren hauen, dass ich erst jetzt herausgefunden habe, für welches Schweineblatt ich mich beworben habe. Ich entscheide mich spontan für die Hinhaltetaktik und sage erst einmal zu. Frau Pilsberger bedankt sich und freut sich auf morgen.

Freue ich mich auch?

Ehrlich gesagt, bin ich schon ein bisschen stolz darauf, dass meine Bewerbung anscheinend einen guten Eindruck hinterlassen hat. Wahrscheinlich hat sich sonst kein Wahnsinniger für dieses Heft beworben. Jemand, der nur halbwegs seine Sinne beisammen hat, würde sich doch niemals für so einen Schund hergeben, oder?

*

Wie aber soll ich mit meinem zweifelhaften Erfolg umgehen? Ich könnte den Termin platzen lassen und einfach nicht erscheinen. Aber das ist nicht meine Art.

Absagen? Aus welchen Gründen? Mit der Wahrheit würde ich ja extrem dumm dastehen. Und eine Notlüge? Ich kenne mich. In solchen Momenten neige ich dazu, mich derart zu verstricken, dass mein Lügengerüst einstürzt, bevor ich es richtig aufbauen konnte.

Am besten gehe ich einfach hin und höre mir an, was sie zu sagen haben. Das kann ich, hab ich in der Uni genauso gemacht.

Was soll mir schon passieren? In meinem Kopf beginnt sich alles zu drehen. Wahrscheinlich sitzt die Redaktion in der letzten Klitsche und ein kupierter Dobermann mit fletschenden Zähnen beschützt den Hinterhof vor neugierigen Nasen. Unweigerlich spüre ich die Hauer des Hundes, wie sie sich in meinem Knöchel verbeißen. Ich greife mir ans Bein. Ich liebe Hunde. Ich hatte selbst jahrelang einen Pudel. Doch dieses blutige Szenario lässt meine Tierliebe schnell schwinden. Diese Kampfhunde sind bestimmt nicht geimpft, leiden unter Zecken, Staupe und haben Tollwut. Kommt auch besser. Schaum vor dem Maul macht sie noch gefährlicher. »Blutjunge Studentin von ausgehungerten Kettenhunden zerfleischt« – Horrorvisionen attackieren wie Bild-Schlagzeilen meinen sonst so sachlichenVerstand.

Ach, alles Unfug! Oder? Ist es gefährlich, zu dem Termin zu gehen? Es könnte ja auch der Treffpunkt eines organisierten Mädchenhändlerrings sein, der diese Zeitschriften finanziell unterstützt und immer auf der Suche nach Frischfleisch für die Nacktbilder ist. Wenn die spitzkriegen, dass ich kaum Ahnung von Sex habe, schicken die mich erst noch einen Monat zum Praktikum in den Ostblock auf den Straßenstrich, bis ich ausreichende Erfahrungen am lebenden Objekt gesammelt habe.

Alles kann, nichts muss! Bei meiner paranoiden Fantasie geht der Welt am Ende noch eine große Schreiberin verloren. Und ein bisschen anrüchige Unterweltluft zu schnuppern ist ja auch spannend.

Außerdem ist meine Sollseite an möglichen Zukunftsoptionen erschreckend leer. Wie heißt es doch so schön: Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach, auch wenn es ein Dreckspatz ist. Die haben das in der Anzeige schon richtig formuliert: Das ist Ihre Chance!

4

Falsche Vorstellungen

Ich bin 15 Minuten zu früh, um mir einen Überblick über die Lage zu verschaffen. In der Manteltasche habe ich ein Wiener Würstchen – für den tollwütigen Dobermann.

Die Hausnummer ist nicht zu finden. Das fängt ja gut an. Klar, welche Hinterhofgarage hat schon eine Nummer? Dabei ist die Gegend reich an mit Spiegeln verglasten Bürogebäuden. Wo nur verschanzt sich diese Schmuddelredaktion? Von außen sehe ich in einem der modernen, schicken Häuser einen Portier sitzen. Den werde ich mal nach der Adresse fragen. Per Summer öffnet er mir die Tür.

»Ich suche den Klaus Hartlieb Verlag. Wissen Sie, wo der sitzt?«

Der Empfangschef macht einen netten Eindruck. Über einem hellblauen, frisch gebügelten Hemd trägt er einen dunkelblauen mit Rubbelknötchen gespickten Pullunder. Sein Namensschild glänzt frisch poliert. »Herr Hansmann« steht darauf und er sagt: »Da sind Sie hier genau richtig, Frau  …«

Überaus freundlich lächelt mich Herr Hansmann an.

»Nein, Sie haben mich falsch verstanden, ich suche den Klaus Hartlieb Verlag!«, wiederhole ich lauter. Es scheint, als wäre Herr Hansmann etwas schwerhörig, der Jüngste ist er ja nicht mehr, etwa Ende 50.

»Ich habe Sie schon richtig verstanden, junge Frau, zu wem wollen Sie denn?«

Der ist witzig. Ich kann mich doch nicht outen. Hier, in dieser hellen Eingangshalle mit dem blank polierten Marmorboden, der mich an mein letztes Urlaubshotel erinnert. Nur der tief hängende Lüster besteht nicht aus endlosen aneinandergereihten Kunststoffringen wie in Spanien, sondern aus funkelnden Glaskristallen. Und hier soll ich sagen, dass ich zum Rotlicht-Hinterhofmagazin möchte? Allerdings weiß man in diesen seriösen Geschäftshäusern wahrscheinlich gar nichts von seinen Nachbarn mit den dubiosen Machenschaften unterhalb der Gürtellinie.

»Zu Frau Pilsberger«, sage ich nur – das muss reichen. Damit wird er eh nichts anfangen können. Herr Hansmann schaut auf einem Zettel nach.

»Dann müssen Sie Frau Schwick sein. Sie sind aber früh dran! Setzen Sie sich doch bitte noch ins Foyer und füllen diesen Zettel aus. Frau Pilsberger wird Sie dann abholen. «

Ich verstehe nicht ganz, was er mir sagen will. Die Worte des Portiers klingen in meinen Ohren nach. Ich schaue auf den Zettel, den mir Herr Hansmann in die Hand gedrückt hat. Darauf steht mein Name und der Name des Verlages Klaus Hartlieb.

Erst mal setzen. Ich bin verwirrt und sprachlos. Kein blutrünstiger Kettenhund, kein dunkler Hinterhof, noch nicht mal eine rote Laterne.

Der Zettel! Was steht auf dem Zettel? Eine Wegbeschreibung in die düsteren Katakomben des Hauses? Ich atme auf.

Bitte kreuzen Sie die Attribute an, die Ihr Wesen am besten beschreiben. Ein Persönlichkeitstest? Ob das normal ist? Das ist mein erstes Vorstellungsgespräch. Ankreuzen kann ich. Und zwar nur die Sachen, die mich als besonders fähigen Mitarbeiter auszeichnen. Anhand meiner akkurat gesetzten Kreuzchen bin ich jetzt extrovertiert, ordentlich, kreativ, teamfähig, fleißig, flexibel, spontan und natürlich ehrlich.

Man tut, was man kann  …

*

Frau Pilsberger reicht mir die schmale Hand. Sie sieht ganz ordentlich aus. Weder nackt noch in Strapsen, stattdessen mit schmalem Rock, weißer Bluse und sogar einem Dutt. Fast spießig, was mich beinahe schon ein bisschen enttäuscht.

Die Personalleiterin führt mich die Treppe hinauf in ein Konferenzzimmer. Die Einrichtung ist klassisch, Flipchart, Bürotische und Stühle. Es gibt Kaffee aus der Edelstahlkanne und Wasser aus kleinen blauen Flaschen. Alles wirkt ziemlich professionell. An dem raumeinnehmenden Tisch sitzen außer Frau Pilsberger noch zwei Damen, die mir als Frau Brenner und Frau Kohl vorgestellt wurden. Alles Frauen, alle nur ein paar Jahre älter als ich, ungefähr Mitte bis Ende 20.

Das Gespräch verläuft ganz gut. Irgendwie seriös. Kompetent. Professionell. Es kommt die Frage auf, ob ich früher schon mal für eine Schülerzeitung geschrieben habe oder woher meine schriftstellerischen Fähigkeiten sonst stammen.

Was soll ich jetzt nur sagen? Dass ich Schülerzeitungen doof finde und keine Lust hatte, mich auch noch in meiner Freizeit mit den Nasen aus meiner Schule herumzuschlagen? Besser, ich lenke ihre Neugier auf meine exzellenten Deutschaufsätze und meine Leistungskurse, in denen ich schließlich Deutsch und Englisch hatte. Die Damen nicken zustimmend, nachdem ich ihnen von den Belobigungen meiner Lehrer und Verwandten erzählt habe.

Ob ich nicht einen Probetext schreiben möchte?

Panik! Dann nehme ich doch lieber den Dobermann! An alle Unannehmlichkeiten habe ich gedacht, daran jedoch nicht.

Ja, natürlich möchte ich das – was soll ich sonst sagen? Mit dieser Zustimmung endet dann auch das Gespräch. Ich bin erleichtert, dass ich den Probetext zu Hause schreiben darf. Den Aufsatz soll ich am nächsten Tag einfach bei Herrn Hansmann am Empfang abgeben.

Die sind lustig! Und eilig haben die es wohl auch immer. Was für ein Tag. So viel Aufregung schlägt bei mir gleich auf den Magen. Ich habe Hunger und greife zurück auf den Notvorrat in meiner Manteltasche.

5

Es gibt nichts Gutes, außer man tut es

Worüber soll ich nur schreiben? Am einfachsten ist es doch, man schreibt über eine wahre Begebenheit oder über etwas, von dem man gern hätte, dass es so gewesen wäre. Wie war das noch mit dem Autoverkäufer, der mir meinen Corsa verkauft hat?

Wenn ich das Ganze etwas ausschmücke und hier und da etwas hinzudichte – vor allem Sex –, dann könnte doch eine schöne Geschichte daraus werden. Oh ja, ich werde richtig ins Detail gehen müssen. Ich muss beschreiben, was passiert wäre, wenn ich mich auf der Probefahrt nicht so geziert hätte, wenn ich generell etwas hemmungsloser wäre und wenn ich mich einfach mal hätte gehen lassen. Hätte der Hund nicht geschissen, hätte er den Hasen gekriegt! Hätte, wäre, wenn – ich sollte diese Worte aus meinem Leben streichen und durch Tatsachen ersetzen.

Nachdem ich mir über den Inhalt meiner Geschichte im Klaren bin, lege ich los. Mit meinen Zeigefingern bewaffnet, hacke ich auf die Tastatur meines Laptops ein und sehe zu, wie sich die weißen Seiten langsam, aber sicher mit schwarzen Buchstaben füllen. Ein gutes Gefühl. Ich habe einen Lauf. Ja, es geht mir wirklich leicht von der Hand. Die Story entwickelt sich besser, als sie in Wirklichkeit gelaufen ist. Ein bisschen rot werde ich schon, als ich bei der Stelle mit den umklappbaren Liegesitzen hängen bleibe und natürlich rein zufällig den falschen Schaltknauf zwischen meinen Händen reibe  …

Also, ich find’s gut. Abwarten, was die Profis dazu sagen. Jetzt muss ich meinen geistigen und sonstigen Erguss nur noch ausdrucken und abgeben. Beschwingt fahre ich erneut zu dem Verlag und gebe meinen Probeentwurf persönlich bei Herrn Hansmann ab, der mich wieder auf seine bekannt liebenswürdige Art empfängt. Ach, eigentlich sind das ganz nette Menschen, die dort arbeiten. Ich habe einen Enthusiasmusflash und könnte die ganze Welt umarmen. Da ich aber nicht so große Arme habe, muss eben Herr Hansmann dran glauben, der mich nach spontaner Liebkosung etwas ungläubig anguckt. Aber er lächelt immer noch, kann also nicht so schlimm gewesen sein.

Ich bin schon ganz gespannt, wie das Feedback der Fachleute zu meiner Geschichte ausfallen wird. Hoffentlich muss ich nicht zu lange auf eine Antwort warten. Aber bis jetzt ging alles schnell, schneller als erwartet. Von meinen anfänglichen Zweifeln dem potenziellen Arbeitgeber gegenüber und von meinen eigenen Selbstzweifeln ist momentan nichts zu spüren. Ein gutes Gefühl.

Potenziell bin ich gerade genau in der richtigen Stimmung, um dem vermeintlichen Helden meiner Geschichte einen Besuch abzustatten. Wir könnten gemeinsam die Sachen nachholen, die bisher nur auf dem Papier passiert sind. Habe ich dazu die Traute? Einfach zu Mr. Opel zu fahren und ihn um eine erneute Probefahrt mit vollendetem Körperkontakt zu bitten? Natürlich nicht! Flash hin oder her, insbesondere mein Enthusiasmus hat Grenzen, wenn es um realen Geschlechtsverkehr geht. Also wieder nichts. Ich frage mich ehrlich, was sich diese Frauen denken, die wahllos mit jedem ins Bett steigen. Wahrscheinlich gar nichts. Das ist mein Problem. Ich denke einfach zu viel und stehe mir damit selbst im Weg. Obwohl ich bis jetzt auch noch nicht so viele Möglichkeiten hatte, mir selbst im Wege zu stehen. Allerdings ist es ja nun auch nicht so, als hätte ich noch nie Sex gehabt.

*

Auch ich hatte mein erstes Mal. Vor zwei Jahren. Damals war ich 19 und hatte keine Lust mehr zu warten. Das klingt schwer nach Spätzünder. Klingt aber nur so. Ich wollte ja, aber die Gelegenheit dazu hat sich nie ergeben. Ich hatte wirklich Angst, es würde nie passieren. Ich konnte und wollte nicht mehr länger »auf den Richtigen warten« und hatte keine Lust, mich später, Mitte 40, in einem Forum für »Absolute Beginner« unter dem Nickname Keinerwillmich mit anderen Sex-Unfähigen über Selbstbeschäftigungstaktiken auszutauschen. Oder von einer B-Moderatorin im Fernsehen bei Schwiegersohn gesucht als schwer vermittelbar bloßgestellt zu werden.

Ich wollte endlich wissen, wie es ist. Und die Gelegenheit dazu war nicht schlecht.

Michael hatte ich abends in einem Bistro kennengelernt. Ob er sich zu uns an den Tisch setzen dürfte, fragte er. Uns – das waren zu dem Zeitpunkt meine beste launische Freundin Isabelle und ich. Auf Isabelles bekannt abschätzige Art gab sie Michael zu verstehen, dass sie aber auch gar nichts davon hält, ihm und seinem Kumpel die noch zwei freien Plätze an unserem Tisch anzubieten, wo doch noch das halbe Bistro frei sei. Ja, die liebe Isabelle. In Sachen Männer ist sie eben ungelenk hoch drei und noch unerfahrener als ich. Wahrscheinlich schon aufgrund ihrer schroffen Art.

Ich hatte zwar zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht viel Erfahrung mit Männern, aber ich war nicht so naiv, mir Möglichkeiten dazu entgehen zu lassen. Lächelnd nickte ich Michael zu, der augenmerklich nicht unattraktiv war. Sein Kumpel ging auch, war aber im Verhältnis zu ihm nur eine blasse Gestalt, was meine Freundin ihn auch spüren ließ. Ach, Isabelle, du wirst es nie lernen, dass man zu Männern erst mal nett sein muss, um an sie ranzukommen. Zickig und abweisend sein, das kommt später.

Michael war sehr nett, und er gefiel mir wirklich. Da gab es auf den ersten Blick nichts auszusetzen. Dunkelblonde Haare, blaue Augen, etwas größer als ich und vor allem älter – er war 27 Jahre. Das mochte ich, sollte doch seine Erfahrung mein Unwissen ausgleichen.

Jungs in meinem Alter waren mir noch nie gewachsen. Die sahen nicht nur aus wie Schwächlinge, sie waren es auch. Was will ich mit so einem Jungmann? Ich brauche einen Beschützer, einen Mann, an dessen Schulter ich mich anlehnen kann. Ja, sogar einen, der mir etwas überlegen ist, aber nur etwas. Und er muss wissen, was er will. Schließlich weiß ich das ja nie so genau. Aber eins wusste ich sicher: Michael, den wollte ich.

Er war genau der Richtige für mein Experiment »erstes Mal«. Eine Mischung aus Coolness und Freundlichkeit, der anziehend wirkende Zwiespalt aus Zurückhaltung und der Suche nach Nähe, umgab ihn. Er war zärtlich und verständnisvoll, aber keineswegs ein Frauenversteher. Und er war nicht auf der Suche nach einer Beziehung. Solche Sätze hört man ja oft von Männern und glaubt doch jedes Mal daran, diese Meinung sicher noch ändern zu können.

Gehofft hatte ich das vielleicht auch, erwartet nicht. Schon nach dem zweiten Treffen war alles geregelt. Ich hatte Michael gleich gesagt, was ich mit ihm vorhatte. Er war natürlich begeistert. Eine Jungfrau zu kriegen, das ist wohl der Traum vieler Männer, warum auch immer? Jeder Mann will der Erste im Leben einer Frau sein und jede Frau die Letzte im Leben eines Mannes. An dieser Weisheit mag Wahres dran sein. Ich weiß nicht, was so toll daran sein soll, eine unerfahrene Frau vor sich zu haben, die nicht weiß, was sie mit sich und ihrem Partner anfangen soll, und im schlimmsten Fall noch anfängt zu heulen. Geheult habe ich nicht, aber geblutet. Das ganze Bettlaken voll. Sicher lag das mehr an der Tatsache, dass ich meine Tage hatte, und nicht am Durchstoßen des Jungfernhäutchens.

Selbstverständlich haben wir ein Kondom benutzt, auch wenn es gerade mal ganz knapp über Michaels Penis gepasst hat. Fürs erste Mal hatte ich wohl ein besonders großes Exemplar erwischt. Deshalb wusste ich auch nicht genau, ob es normal war, sich beim Sex regelrecht aufgespießt zu fühlen. Mir kam es so vor, als würde sein Schwanz an meinem Po wieder herauskommen. Ob das so sein musste? Wer weiß das schon genau, wenn er keine Vergleiche hat. Aber es war trotzdem nicht unangenehm und Michael sehr einfühlsam. Ich hatte Vertrauen zu ihm und das war das Wichtigste.

Von einem Orgasmus kann ich allerdings nicht reden, da ich mich viel zu sehr auf die Sache an sich konzentriert habe. Alleine die neuen gespürten Gefühle einzuordnen war Anstrengung genug.

Michael hatte diese Probleme nicht. Er hatte das sicher schon öfter gemacht. Ich sah ihm in die Augen, während er sich rhythmisch auf mir bewegte. Klar, dass ich in diesem Moment nicht die Führungsposition übernommen hatte. Trotzdem bemühte ich mich um Aktion. Das obligatorische Brett im Bett wollte ich auf keinen Fall simulieren. Also presste ich zumindest meine Oberschenkel gegen seine Hüften und krallte mich mit meinen Händen in seinen warmen und muskulösen Rücken. Ich spürte seine nackte Haut an meiner. Vorgestellt hatte ich mir das schon oft, wie es wäre, einen fremden, nackten Körper zu berühren, zu spüren. Und wie es ist, wenn auch ein Mann dieses Verlangen an mir stillt. Meine Haut ist besonders weich und zart. Das weiß ich. Oft genug habe ich mich in einsamen Nächten in den Schlaf gestreichelt und war verständnislos darüber, dass es keinen gab, der diesen samtigen Schutzmantel ertasten wollte.

Endlich hatte ich ihn gefunden, einen, dem das alles zu gefallen schien. Ein gutes Gefühl. Das allerdings hielt nicht ewig. Auch das erste Mal ist irgendwann vorbei.

Michael und ich gingen danach gemeinsam unter die Dusche. Das fand ich schön und unangenehm zugleich. Ich war es nicht gewohnt, mich jemandem komplett nackt zu präsentieren. Nicht die Möglichkeit zu haben, eventuelle Schwachstellen mittels Betttuch oder übergroßem Pullover zu verdecken. Doch in diesem Moment schaffte ich es, meine Bedenken zu verdrängen. Michael machte nicht den Anschein, als würde ihm etwas an mir nicht gefallen. Ich fühlte mich sicher und gemocht. So viel von mir preiszugeben, ohne Angst vor Verletzungen zu haben, das war ich nicht gewohnt.

Ich habe Michael nach diesem Abenteuer nie wieder gesehen.

Es gibt nichts Gutes, außer man tut es, wusste schon Erich Kästner. Und ich stimmte ihm in diesem Fall gerne zu. Ohne philosophisch werden zu wollen, habe ich meine unverbindliche Das-erste-Mal-Sex-Aktion nie bereut.

*

Seit der Zeit hatte ich sogar noch ein paar Mal Sex. Das war echt mein Jahr! Allerdings habe ich in den meisten Fällen davon nicht viel mitbekommen. Wenn man Sex hat und sich trotzdem unbeteiligt fühlt, ist das eine ziemlich blöde Geschichte. Allerdings fast noch besser als die Momente, in denen man sich lieber auf den Mars wünscht, als auf der Matratze zu bleiben.

Frederick war zum Beispiel so einer, der mich meiner Astronautenkarriere näher und meinem Körper ferner brachte. Wie soll ich es sagen, ich habe einfach nichts gespürt, außer sein Becken, das nur den flickenden Nähmaschinennadeltakt kannte – tack-tack-tack-tack-tack-tack …

Ob es wohl auch daran gelegen hat, dass ich währenddessen mit dem Gesicht im Kissen lag? Sex von hinten hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt. Nicht so unpersönlich.

Während er hörbar schnaufend sein Vergnügen hatte, versuchte ich krampfhaft, seinen wilden Attacken standzuhalten. Meine Hände umklammerten den schwarzen kühlen Stahl des Ikea-Bettes und anstatt in zwei liebevolle Augen zu schauen, blickte ich in zwei leuchtende Rubinsteine, die seinem gestörten Stubentiger gehörten. Ich kann Katzen nicht ausstehen, und Männer mit Katzen – vergiss es!

In den sieben Semestern Medizin hat der Typ garantiert in allen anatomisch wertvollen Stunden gefehlt. Zu seinem Glück hat er mich nicht gefragt, wie er war. Das Urteil im Namen aller Frauen wäre vernichtend ausgefallen: lebenslanges Sexverbot mit anschließender Sicherheitsverwahrung.

Inzwischen gehe ich davon aus, dass Frauen durch solche Situationen reicher werden, reich an Erfahrung und Wissen. Das Wissen darum, dass der Mann, der gerade auf einem liegt garantiert der Falsche ist. Der will nicht mich, sondern nur meinen Arsch. Und der ist mir dafür echt zu schade.

Ich habe es nie ernsthaft in Erwägung gezogen, dass ich die eine von zweien sein sollte, die »schlecht im Bett« ist. Aber wie soll man auch gut sein, wenn der andere es nicht ist? Ich glaube fest daran, dass zu gutem Sex immer zwei gehören. Der Wille dazu ist bei mir ungebrochen und der Wille zählt. Männer sind so willenlos.

Wo sind sie nur, die einfühlsamen Liebhaber, über die es unendliche Filme und noch mehr Romane gibt? Alles nur Klischee? Erwarte ich zu viel von einem Mann oder jage ich gar einem Phantom hinterher?

Das kann ich nicht, das will ich nicht glauben. Ich habe eine andere Vorstellung von Männern und von dem, was ich von ihnen fordere, sogar verlange. Von Männern kann man mehr erwarten als heiße Luft. Ich bin an dem Punkt angelangt, an dem ich einen erfahrenen Partner suche und keinen leidenschaftslosen Egoisten.

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Nichts zu verlieren

Ich bin guter Hoffnung, alles über Sex zu erfahren, und was ich schon immer darüber wissen wollte. Als Volontärin für ein Erotikmagazin muss ich mich schon ziemlich ungeschickt anstellen, um nicht in die Fußstapfen von Erika Berger zu treten. Das ist ein Aspekt, den ich nicht außer Acht lassen darf. Meine schnelle Auffassungsgabe sollte eventuell vorhandene horizontale Defizite schnell ausbügeln.

Hatte ich meine mentalen Fähigkeiten bei dem Vorstellungsgespräch überhaupt erwähnt? Jetzt war es zu spät. Ich kann nur noch darauf warten, wie meine Geschichte bei den Sex-Experten ankommt.

Drei Tage sind seit meiner Bewerbung vergangen und ich habe noch keine Nachricht bekommen. Sollte mich diese Tatsache beunruhigen? Ob sie soll oder nicht, sie tut es.

War mein Text am Ende zu schlecht? Zu harmlos? Zu unerotisch? Wahrscheinlich.

Meine Stimmung sinkt. Ich verfalle in eine Art Kurz-Depression. Das passiert mir häufiger. Gestern noch himmelhoch jauchzend und heute zu Tode betrübt. Mies gelaunt und von meiner Unfähigkeit überzeugt, schlage ich die aktuelle Tageszeitung auf. Ich sollte langsam anfangen, über ein Abo nachzudenken, wenn das so weitergeht.

Hoffentlich sucht jemand eine sexuell frustrierte, depressiv gestimmte Frau, die »mit der Gesamtsituation unzufrieden« ist. Die neuen Stellenanzeigen sind auf jeden Fall kein wirkungsvolles Antidepressivum. Nichts Neues, außer  …

Was steht denn hier im Lokalteil? Oh! Das glaube ich ja nicht. Brand im Klaus Hartlieb Verlag. Mehrere Räume sind komplett ausgebrannt aufgrund eines Kurzschlusses im Serverraum. Meine Geschichte! Verbrannt! Kein Wunder, dass die sich nicht melden. Wahrscheinlich ist mein neuer Arbeitsplatz gleich mit abgefackelt.

Endlich habe ich einen guten Grund, um anzurufen und nachzufragen. Schnell krame ich die Visitenkarte der Personaltante aus meiner überfüllten Handtasche und wähle ihre Nummer. Hoffentlich funktionieren die Telefone noch. Ungeduldig warte ich auf das Freizeichen. Gott sei Dank – es klingelt. Frau Pilsberger meldet sich und erklärt mir, dass alles nur halb so schlimm ist.

Sie wollte mich auch schon anrufen, um mit mir die Formalitäten zu besprechen. Formalitäten? Ja, sie würden mich gerne nehmen, wenn ich denn noch Interesse an der Stelle hätte. Oh, mein Interesse. Natürlich. Das spielt ja diesmal eine beachtliche Rolle. Ich fühle mich überrumpelt. Eben noch hatte ich damit gerechnet, dass außer einem Häufchen verkohlter Überreste nichts mehr von meiner möglichen Zukunft übrig bleibt. Und im nächsten Moment schon soll ich bei dem Pornoverlag anfangen, der eben mal wie Phönix aus der Asche auferstanden ist.

Frau Pilsberger schickt mir den Vertrag zu, damit ich mir alles in Ruhe durchlesen kann. Das lässt mich hoffen, ein kleiner Zeitaufschub. Wenn mir etwas an den Klauseln nicht gefällt, dann habe ich immer noch einen guten Grund abzusagen.