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Große Aufregung herrscht in der kleinen Münchener Pfarrei St. Oskar: Auf dem Weg in eine Sitzung des Pfarrgemeinderates ist der Kirchenpfleger niedergestochen worden. Mit pfarreiinternen Ermittlungen wird die pensionierte Kriminalhauptkommissarin Luise Wengler beauftragt. Erste Spuren legen Verbindungen zu einer möglichen Veruntreuung von Geldern der Pfarrei, aber auch zu einem heidnischen Kult nahe. Wurde der Kirchenpfleger Opfer eines Hexers? Die Nachforschungen gestalten sich schwierig, vor allem auch deshalb, weil die Polizei zunächst in eine ganz andere Richtung ermittelt. Da geschieht ein zweiter Mord. Kann Luise Wengler mit ihrem Team die Untaten aufklären und die Schatten des Todes beiseite fegen, die auf dem Leben in der Pfarrgemeinde lasten? Mit in die Handlung des Romans hinein spielen bekannte Probleme, mit denen die katholische Kirche in Deutschland schon seit langem zu kämpfen hat.
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Seitenzahl: 89
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Bernhard Glocker
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Mord in St. Oskar
Zum Autor
Bernhard Glocker ist im November 1953 geboren, verheiratet, war als Jurist tätig und lebt heute als freier Autor in München. 2018 hat er einen Ratgeber für Reisefans unter dem Titel „Mit dem Auto durch die USA“ veröffentlicht. 2020 ist sein Mysterie-Politthriller „Kampf um China“ erschienen. In seinem neuesten Buch „Mord in St. Oskar“, entstanden im Corona-Lockdown, befasst sich der Autor mit einem - natürlich fiktiven - Mordkomplott in einer - natürlich ebenfalls fiktiven - Münchener Pfarrei. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig. Wenn doch jemand glauben sollte, sich als Akteur des Romans wiederzuerkennen, kann er oder sie hoffentlich ein wenig Spaß vertragen.
Bernhard Glocker
Mord in St. Oskar
Kriminalroman
© 2021 Bernhard Glocker
Verlag und Druck: tredition GmbH, Hamburg
ISBN
Paperback:
978-3-347-32403-9
Hardcover:
978-3-347-32404-6
e-Book:
978-3-347-32405-3
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Titelbild: Voodoo©Bernhard Glocker München
Kapitel 1
Die frisch pensionierte Kriminalhauptkommissarin Luise Wengler saß an ihrem Schreibtisch im häuslichen Arbeitszimmer und blickte versonnen aus dem Fenster auf den gegenüberliegenden Garten der katholischen Pfarrkirche St. Oskar, einer kleinen Pfarrei am Stadtrand im Münchener Süden. Laut kreischend spielten dort die Kinder, die einen der begehrten Plätze im kirchlichen Kindergarten hatten ergattern können. Das sommerliche Geschehen, das Wengler beobachtete, war so viel unterhaltsamer als der schriftliche Bericht, den Kirchenpfleger Rudolf Seeberger ihr und allen anderen Mitgliedern des Pfarrgemeinderates von St. Oskar wie auch dem zuständigen hauptamtlichen Personal der Gemeinde, also dem Pfarrer Erich Hampel, dem Kaplan Pater Xavier, dem Pastoralreferenten Dieter Putz sowie der gerade einmal ein Jahr zuvor bestellten Verwaltungsleiterin der Pfarrei Tamara Poltermeier zur Vorbereitung der nächsten Pfarrgemeinderatssitzung zugeleitet hatte. Zumindest ergab sich eine entsprechende Empfängerliste aus der Adressierung des Berichts, der im wesentlichen aus einer Aneinanderreihung von Zahlen bestand. Seufzend wandte sich Wengler wieder diesem Zahlenwerk zu. Es ging um die Finanzierung einer bitter nötigen Renovierung des Pfarrzentrums nebst Kindergarten, die nach jahrelanger Vorbereitung jetzt endlich ihren Anfang nehmen sollte. Das erzbischöfliche Ordinariat hatte zugesagt, den Großteil aller Kosten zu übernehmen, wenn die Pfarrei respektive ihre Kirchenstiftung sich in der Lage sähe, einen Eigenanteil von 200.000 Euro selbst zu tragen. Nach intensiven Beratungen in der Kirchenverwaltung, dem dafür zuständigen Organ, hatte Kirchenpfleger Seeberger jetzt ein Konzept erstellt, das den gestellten Anforderungen genügen sollte und das er auf der nächsten Pfarrgemeinderatssitzung den anderen Beteiligten vorstellen wollte. Zahlen über Zahlen – immerhin, so viel konnte Wengler verstehen: Das Vermögen der Kirchenstiftung würde letztlich ausreichen, den Eigenanteil der Pfarrei zu finanzieren, auch wenn man sich dafür wohl für einige Zeit von anderen, liebgewordenen Traditionsprojekten würde verabschieden müssen. Hier würde auch sie, die Bildungsbeauftragte des Pfarrgemeinderates, Konzessionen machen müssen. Natürlich war sie dazu bereit. Warum nur machte Seeberger so einen Wirbel um die Präsentation seines Zahlenwerks? Immerhin – man würde angesichts des Boheis, das Seeberger da veranstaltete, voraussichtlich auch das Phantom wieder einmal zu Gesicht bekommen. Das Phantom, das war der Spitzname von Pfarrer Hampel, den man – so war die Erfahrung aller ehrenamtlichen Mitarbeiter der Pfarrei und auch so mancher hauptamtlicher Mitstreiter – praktisch kaum zu sehen bekam. Der Pfarrer hatte die Fähigkeit entwickelt, nahezu alles, was an Aufgaben auf ihn zukam, auf seine Mitarbeiter zu delegieren inklusive der rein seelsorglichen Tätigkeiten, für die Pater Xavier und Pastoralreferent Putz immer wieder einspringen mussten, während sich Pfarrer Hampel in seinem Pfarrhaus vergrub. Was er dort machte, wusste niemand. Wenn man Glück hatte, nahm er zumindest Termine wahr, die er zuvor ausdrücklich akzeptiert hatte. Sicher war man aber auch da nicht.
Luise Wengler legte den Bericht beiseite. Sie hatte ihn soweit durchgearbeitet, dass sie ihres Erachtens in der Lage sein würde, in der bevorstehenden Sitzung den lichtvollen Ausführungen von Kirchenpfleger Seeberger zu folgen. An sich interessierten sie Details der geplanten Finanzierung nur mäßig. Darum mochten sich andere kümmern. Schon im Beruf hatte sie mit der Verfolgung von Wirtschafts- und Steuerdelikten nicht viel am Hut gehabt, auch wenn sie rückschauend bedauerte, sich in ihrer aktiven Zeit nicht mehr um solche Dinge gekümmert zu haben. Ihr Fachgebiet, das war die Verfolgung von Kapitalverbrechen gewesen. Mord und Totschlag, das hatte sie beschäftigt und die Verfolgung der Täter (fast immer männlich) hatte sie mit Leidenschaft betrieben. Das Privatleben hatte da manchmal hintanstehen müssen. Aber Gott sei Dank hatte Peter, Ihr Ehemann, immer Verständnis dafür gehabt. Außerdem war er als Schriftsteller ohnehin mit seinen eigenen Projekten beschäftigt.
Kapitel 2
Langsam füllte sich der Pfarrsaal der Pfarrei St. Oskar. Luise Wengler sah sich um. Pater Xavier und Pastoralreferent Putz waren schon vor ihr eingetroffen und hatten sich am Kopfende des Konferenztisches etabliert. Den Platz zwischen ihren beiden Stühlen hatten sie für den Pfarrer frei gelassen. Pfarrer Hampel, der hoffentlich noch erscheinen würde, war trotz aller Menschenscheu, die er an den Tag legte, immer eifrig bedacht, die Würde seines Amtes zu wahren, ja, er trug sie, wie Spötter meinten, regelmäßig wie eine Monstranz vor sich her. Einen Platz am Tisch irgendwo zwischen seinen Pfarrgemeinderäten hätte er keinesfalls akzeptiert.
Mit Freude stellte Wengler fest, dass auch ihre Freundinnen Dr. Michaela Stamm und Lena Seckendorff heute mit dabei waren. Dr. Stamm war als Ärtin noch berufstätig, wollte ihre Praxis aber in Kürze an einen Nachfolger übergeben. Lena Seckendorff dagegen war schon lange im Ruhestand. In ihrer aktiven Zeit hatte sie als Mitarbeiterin einer renommierten Großbank Firmenkunden betreut und war mit Finanzfragen bestens vertraut.
Wengler setzte sich neben ihre Freundinnen an den Tisch. Der Platz rechts von ihr war noch leer. Irgendein Spaßvogel hatte eine kleine Strickpuppe auf dem Stuhl platziert, in die einige Nadeln gesteckt waren. Manche Leute haben einen merkwürdigen Humor, dachte Wengler. Ihr gegenüber saß eine der wichtigsten Personen der heutigen Veranstaltung: Vincent Stavropoulos, der Architekt, der erst kürzlich in den Pfarrgemeinderat gewählt worden war und der die Bauaufsicht über die geplante Renovierung des Pfarrzentrums führen sollte, ein Auftrag, den er, wie Wengler glaubte, sicher nicht für Gottes Lohn erledigen würde. Stavropoulos hatte jede Menge Papier um sich herum gestapelt, offensichtlich die Pläne des Bauvorhabens. Er war für alles gerüstet.
Der Beginn der Sitzung war auf 20.00 Uhr angesetzt. Um 20.15 Uhr erschien Pfarrer Hampel, grüßte flüchtig in den Raum hinein und nahm seinen Platz zwischen Pater Xavier und Pastoralreferent Putz ein. Zur allseitigen Überraschung war der Pfarrer aber nicht allein erschienen. In seiner Begleitung betrat Tamara Poltermeier, die Verwaltungsleiterin der Pfarrei, den Saal und setzte sich neben die anderen Hauptamtlichen. Poltermeier hatte bei den meisten der heute anwesenden Sitzungsteilnehmer noch keinen allzu bleibenden Eindruck hinterlassen. Sie galt als tüchtig, durchsetzungsstark, aber nicht sehr zugänglich. Wengler hatte außerdem bereits die Erfahrung gemacht, dass die Verwaltungsleiterin wenig Gespür für die Notwendigkeit entwickelte, den Pfarrangehörigen in der Pfarrei ein Forum zu bieten. Veranstaltungen wie Märkte, Vorträge oder Filmabende, die die Menschen der Pfarrei zuführen und sie letztlich auch an die Pfarrei binden sollten, waren für Poltermeier, wie Wengler zu erkennen meinte, allenfalls lästig, vor allem, wenn sie sich finanziell nicht rechneten.
Gegen 20.30 Uhr machte sich langsam Unruhe im Saal breit. Alle erwarteten Teilnehmer der Sitzung waren mittlerweile anwesend – bis auf den Referenten, Kirchenpfleger Seeberger. Die Hauptamtlichen begannen, untereinander zu tuscheln. Dr. Stamm bemerkte halblaut, aber doch überall am Tisch gut vernehmbar, dass sie ihre Zeit nicht gestohlen habe und morgen wieder ihrem Beruf nachgehen müsse. Schließlich zückte Pastoralreferent Putz sein Handy, wählte eine vorgespeicherte Nummer an und wartete auf eine Reaktion. Eine solche kam aber nicht.
„Herr Seeberger ist nicht erreichbar“, verkündete Putz schließlich. „Ich werde Herrn Mirkowski bitten, nach ihm zu sehen.“ Putz wählte eine andere Nummer, begrüßte Herrn Mirkowski und erteilte ihm den Auftrag, Seeberger herbeizuschaffen. Borislav Mirkowski war der Mesner der Pfarrei. Er stammte aus Polen, hatte sich vor einem Jahr erfolgreich um die damals freie Mesnerstelle in St. Oskar beworben und schließlich eine Dienstwohnung in der Pfarrei bezogen. Er war allseits beliebt, stets hilfsbereit und freundlich.
Weitere zwanzig Minuten vergingen. Dr. Stamm packte bereits ihre Unterlagen zusammen, als Mirkowski den Saal betrat. Er sah ungewöhnlich rotgesichtig aus und wirkte verstört. „Ich habe Herrn Seeberger gefunden“, verkündete er. „Er liegt schwer verletzt in einer Biegung des Durchgangs zwischen der Kirche und den Konferenzräumen. Jemand hat ihn niedergestochen. Überall ist Blut.“
Kapitel 3
Gegen 21.00 Uhr trafen der Notarzt und schließlich auch die Polizei ein, die Putz beide sofort telefonisch verständigt hatte. Die Sitzungsteilnehmer waren auf dringende Bitte von Wengler Im Sitzungssaal verblieben. Lediglich Dr. Stamm war hinunter in den Durchgang geeilt und hatte versucht, Seeberger erste Hilfe zu leisten, konnte aber nur noch den Tod des Kirchenpflegers feststellen. Auch der Notarzt kam nach seinem Eintreffen zu keinem anderen Ergebnis. Die Polizei nahm befriedigt zur Kenntnis, dass der Tatort nicht von den Sitzungsteilnehmern kontaminiert worden war, konnte aber dennoch keine weiterführenden Spuren sichern. Papiere, ein Handy oder eine Geldbörse wurden beim Opfer nicht gefunden. Auch die Tatwaffe, mit der dem Opfer ganz offenkundig mehrere Stichverletzungen beigebracht worden waren, blieb trotz eifriger Suche verschwunden. Die Leiche wurde schließlich sichergestellt und in die Rechtsmedizin verbracht.
Darauf begaben sich die Polizeibeamten in den Sitzungssaal, um noch kurz mit den dort immer noch versammelten Personen zu sprechen. Zunächst wurde Borislav Mirkowski vernommen, der schilderte, wie er nach dem Anruf von Herrn Putz nach Herrn Seeberger gesucht und ihn schließlich im Durchgang vorgefunden hatte. Danach sei er sofort zu den anderen in den Saal gekommen. Weiteres könne er nicht beitragen. Von einer Stichwaffe habe er nichts bemerkt.
Nach der Vernehmung Mirkowskis wandte sich der leitende Polizeibeamte, Kriminalhauptkommissar Beck, an die anderen Anwesenden. „Es ist schon ziemlich spät“, bemerkte er. „Hat jemand von Ihnen irgendetwas gesehen oder gehört, das zur Aufklärung des Verbrechens beitragen kann? – Nein? – Gut, dann geben Sie jetzt bitte der Reihe nach meinen Kollegen Ihre Namen und Adressen an. Wir werden Sie in den nächsten Tagen noch einmal kontaktieren. Vielleicht überlegen Sie sich schon einmal, wann Sie das Opfer zuletzt gesehen oder mit ihm gesprochen haben.“
In diesem Augenblick trat Wengler von hinten an den Polizeibeamten heran. „Guten Abend, Herr Beck“, begrüßte sie ihn.
Der Beamte fuhr herum, starrte Wengler einen Augenblick lang an, als hätte er ein Gespenst gesehen, lächelte dann aber. „Guten Abend, Frau Wengler. Was machen Sie denn hier?“
„Ich bin Mitglied des Pfarrgemeinderats von St. Oskar und bin wie die anderen auch gekommen, um das Referat von Herrn Seeberger zur Finanzierung der geplanten Baumaßnahmen in unserer Pfarrei zu hören“, war die Antwort.
„So, also darum sollte es gehen. Nun, da ist dem armen Herrn Seeberger wohl jemand dazwischengekommen. Ein Raubmord, wie es scheint.“ Beck wirkte sehr selbstbewusst.
„Glauben Sie?“, fragte Wengler vorsichtig nach.