Mords-Wasserkraft -  - E-Book

Mords-Wasserkraft E-Book

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Beschreibung

Österreichs imposante Bergwelt hat nicht nur schöne Seiten. Abseits der Pfade rund um seine Stauseen lauern so manche Gefahren und geschehen etliche Verbrechen. Verantwortlich dafür sind zwölf namhafte Autorinnen und Autoren: Herbert Dutzler, Oskar Feifar, Nicola Förg, Michael Gerwien, Beate Maxian, Sigrid Neureiter, Claudia Rossbacher, Ernst Schmid, Jutta Siorpaes, Erich Weidinger, Susanne Wiegele und Hubert Zöllner. Allesamt Verbrecher auf dem Papier.

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Jeff Maxian / Erich Weidinger (Hrsg.)

Mords-Wasserkraft

12 Alpenkrimis von Kärnten, Salzburg bis ins Zillertal

Zum Buch

Tödliche BergeÖsterreich ist bekannt für seine wunderbare und imposante Bergwelt. Darin eingebettet entspringen tausende Bäche, die den zahlreichen Urlaubern und Hobbywanderern einen zusätzlichen Anreiz bieten, diese Regionen zu besuchen. Etliche dieser teils gewaltigen Quellen münden in idyllische Stauseen, werden für die Stromerzeugung genutzt. Rund um diese Stauseen und deren Kraftwerksanlagen geht es aber nicht immer idyllisch zu. Nicht, wenn man Krimiautoren in die Gegend schickt. Plötzlich passieren etliche Verbrechen im touristischen Umfeld der Wasserkraft-Anlagen. Da werden schon mal Menschen in die Tiefe gestoßen, Leichen im Stausee versteckt und Verbrechen im Inneren von Staumauern begangen. Oder zwischenmenschliche Probleme inmitten einer wunderbaren Natur einfach auf unkonventionelle Art und Weise gelöst.

Jeff Maxian arbeitet im Bereich Medien- und Kulturmarketing. Als Tourneeproduzent, Konzertagent, Musiker und Arrangeur hatte er unter anderem mit Falco, Tina Turner oder Michael Jackson zu tun.

Erich Weidinger ist Autor und Buchhändler in Österreich und war bereits mit Jeff Maxian Herausgeber der Gmeiner-Anthologie Mords-Zillertal.

Weitere Veröffentlichungen im Gmeiner-Verlag: Mords-Zillertal (2012)

Impressum

Personen und Handlung sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

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[email protected]

Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Sven Lang

Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

unter Verwendung eines Fotos von: Hans Wieshofer

für VERBUND TOURISMUS © by MAXUM-0707

ISBN 978-3-8392-4500-2

VORWORT DER HERAUSGEBER

Ehrlich, wer war schon einmal im Inneren einer Staumauer? Ist Bächen und ihrem Verlauf bis hin zu idyllisch gelegenen Stauseen gefolgt? Hat von teils weit über hundert Meter hohen Staumauern mit herrlichem Alpen-Weitblick in die Tiefe gesehen? Ist dem Geräusch der Turbinen, der Musik der Kraftwerke, nachgegangen, hat diese aus nächster Nähe gehört?

Rund um die Recherche zu unserer ersten gemeinsamen Anthologie Mords-Zillertal haben wir, die Herausgeber, uns diesem Thema zugewandt. Wir waren fasziniert und begeistert, sind an der Sache drangeblieben. Haben unter angebotener Mithilfe des Stromerzeugers VERBUND weiter recherchiert, die wesentlichsten Wasserkraftwerke in den österreichischen Alpen besucht. Und gemeinsam haben wir festgestellt, hier gibt es genügend Stoff für eine eigene Anthologie. Ob in den Kraftwerksanlagen oder deren Umfeld, es bot sich uns eine Vielfalt an Möglichkeiten, hier Themen und Geschichten anzusiedeln.

Das starke Feedback der teilnehmenden Autoren nach unserer Einladung war für uns zugleich Bestätigung eine derartige, bis dato nicht vorhandene Anthologie umzusetzen. Herausgekommen sind unterschiedlichste Kurz-Krimis im Umfeld dieser speziellen Alpenregionen. Die in diesen Regionen lebenden Bewohner, der Tourismus, die Geschichte, das Kulinarium und die Attraktionen boten dazu eine passende Kulisse. Wie bei Mords-Zillertal wurden auch wieder viele wunderbare Orte und Plätze liebevoll in die Geschichten eingebaut, laden trotz der Mords-Themen zum Besuchen ein.

Die Autoren und wir wünschen viel Spaß beim Lesen.

Jeff Maxian

Erich Weidinger

(die Herausgeber)

*

VERBUND, Österreichs führendes Stromunternehmen und einer der größten Stromerzeuger aus Wasserkraft in Europa, öffnet einige seiner Erzeugungsanlagen für Besucherinnen und Besucher. In Kärnten, Niederösterreich, Salzburg, der Steiermark, Tirol und Wien gewähren Infozentren, Staumauer- oder Kraftwerksführungen Einblicke in die Arbeit von VERBUND. Ein Besuch der Grünen Batterien in den Alpen in Kärnten, Salzburg oder Tirol bietet die Gelegenheit, unbeschwert und komfortabel in Hochgebirgsregionen zu gelangen. Jährlich wird dieses Angebot rund um die Pumpspeicherkraftwerke des VERBUND von mehreren hunderttausend Besuchern aus dem In- und Ausland in Anspruch genommen.

Weitere Informationen: www.verbund.com und [email protected]

Todessprung

Beate Maxian

Evelyn starrte auf den Kölnbrein Stausee und versuchte ihre Angst zu vertreiben. Gestern hatte man ihr bei der Staumauerführung angeboten, durch den Glasboden des Airwalks einen Blick in die Tiefe zu wagen. Allein die Vorstellung verursachte bei ihr Schwindel und einen Brechreiz, weil sie unter extremer Höhenangst litt. Sie hatte nicht gewagt, auch nur einen Schritt auf diese Plattform zu setzen, sondern sich immer in der Mitte der 41 Meter breiten Mauer aufgehalten, während Max fasziniert auf diesem an der Staumauer befestigten Stahlkonstrukt in die Tiefe gestarrt hatte.

»Schau, wie schön!«, hatte er versucht, sie zu locken.

»Scheißdreck schön«, hatte sie gesagt. »Das ist tief. Verdammt tief.« Evelyn wandte ihren Blick lieber auf die Berge der Ankogelgruppe mit den höchsten Gipfeln der Region, dem Ankogel und der Hochalmspitze, ohne das Gefühl zu verspüren, dort hinauf zu müssen. Der Anblick war auch von unten großartig, ein einmaliges hochalpines Landschaftsbild mit faszinierendem Gestein und satten Farben. Selbst die Vergletscherung dieser Gebirgsgruppe konnte man mit freiem Auge erkennen. Man musste nicht unbedingt nach oben klettern. Klettern mochte sie nämlich auch nicht, nur Bergwandern mochte sie. Bergwandern für Menschen mit Höhenangst, auch das war in dieser Region möglich. Noch mehr begeisterte sie jedoch der Stausee. Ruhig, die Oberfläche glatt, als habe sie jemand gebügelt, lag der See hinter der gekrümmten Staumauer. So, als wäre er sich seiner Aufgabe bewusst und warte nur darauf, endlich ins Tal hinunterstürzen zu können und damit für Energie zu sorgen. 4,5 Kilometer Länge, 2,55 Quadratkilometer Fläche, 200 Millionen Kubikmeter Wasserinhalt, 577 Millionen Kilowattstunde Energieinhalt. Das war pure Wasserkraft und umgerechnet eine Badewanne für 1,4 Millionen Menschen.

Malta, das Tal der stürzenden Wasser.

Gut, das bezog sich zwar mehr auf die Wasserfälle, die das Maltatal zu bieten hatte, aber es konnte sich genauso gut auf den Stausee beziehen, der sich durch Menschenhand geregelt ins Tal stürzte, war Evelyn überzeugt. Mit Fakten und Naturgewalten konnte man sie beeindrucken, aber nicht mit dem Schwachsinn, den Max vorhatte. Als Sportfachhändler war er umgeben von den unterschiedlichsten Sportgeräten. Tennisschläger. Räder. Laufbänder. Warum musste es ausgerechnet Bungee-Jumping sein? Sie saßen seit einer Stunde auf der Sonnenterrasse des Berghotel Malta und stritten, weil Max nicht verstehen wollte, dass sie keine Lust darauf hatte, ihm zuzusehen, wie er sich in die Tiefe stürzte, nur mit einem Gummiseil gesichert.

»Da ist doch nichts dabei«, sagte Max. »Bungee-Jumping ist doch nahezu ungefährlich. Das veranstalten sie jedes Jahr hier. Sie bringen dich in einem Korb 30 Meter über die Staumauer und dann springst du die Kölnbreinsperre hinunter. Ich hab das schon zigmal gemacht. Und das Bungee-Jumping-Wochenende hier ist legendär.«

»Ungefährlich?«, protestierte Evelyn. Ihre Augen tasteten die über 600 Meter lange Staumauer ab. »Hast du dir das einmal genau angesehen? Allein die Staumauer ist 200 Meter hoch, dann noch der Korb, der 30 Meter über der Mauer hängt, macht nach Adam Riese 230 Meter im freien Fall.«

»Die Absprunghöhe beträgt nur 165 Meter«, widersprach Max.« Die Mauer ist deshalb 200 Meter, weil am Ende der Mauer nachträglich ein rund 70 Meter hohes Stützgewölbe errichtet wurde.«

»Erkläre mir den Unterschied zwischen 200 und 165 Meter, nachdem du unten aufgeschlagen hast.«

»Ich schlage nicht auf.«

»Und was ist mit dem Wahnsinnigen, der letztens einen Mann direkt von der Mauer weg erschossen hat? Der wollte gerade springen, als der Schuss fiel.«

»Du kannst aber auch den Teufel an die Wand malen, Evelyn. Das ist in Tirol passiert, vor einem Jahr. Wir sind hier in Kärnten. Und wenn man den Zeitungen Glauben schenken darf, dann hat die Polizei einen ganz bestimmten Mann im Auge. Die werden schon aufpassen, dass nichts passiert. Der Sprung, das ist … also das ist Adrenalin pur. Du kannst dir nicht vorstellen, wie geil das ist, wenn du da oben in dem Korb stehst. Die Menschen auf der Staumauer kommen dir wie Ameisen vor … und du bist der Adler. Verstehst du?«

»Der Adler«, wiederholte Evelyn. »Ich hab da eher die Vorstellung, dass man dich nach dem Sprung vom Boden kratzen kann.«

Max reagierte nicht. Durch die Lautsprecher besang ein Schlagersänger die Liebe. Aus der Küche wurden Kärntner Fleischnudeln mit Sauerkraut getragen und vor Max und Evelyn auf den Tisch gestellt. Max bestellte noch eine Flasche Wein und küsste Evelyns Hand. Sein Friedensangebot. Evelyn schüttelte den Kopf. Sie aßen und tranken und irgendwann waren sie die letzten Gäste auf der großen Terrasse, über ihnen der klare Sternenhimmel.

»Ich schau dir dabei aber nicht zu«, nahm Evelyn das Friedensangebot an.

»Musst du auch nicht. Mach dir doch einen schönen Tag im Hotel. Geh in die Sauna oder nutze die Infrarotkabine. Entspanne dich! Und wenn du so richtig relaxed bist, bin ich schon wieder bei dir und wir machen uns einen traumhaften Abend. Nur wir zwei, ganz alleine.« Er beugte sich zu ihr und küsste sie sanft und doch voll Verlangen.

Wenig später flüsterte er Evelyn auf dem Hotelzimmer leidenschaftliche Worte ins Ohr und Evelyns Wut darüber, dass er während ihres ersten gemeinsamen Kurzurlaubs ausgerechnet Bungee-Jumping machen wollte, schmolz allmählich dahin. Als Max Evelyn vorgeschlagen hatte ein verlängertes Wochenende am, wie er sagte: »Fensterplatz des Himmels zu verbringen« und ihr das Prospekt des Berghotels Malta überreicht hatte, das mit diesem Slogan warb, war sie Feuer und Flamme gewesen.

Sie hatten sich vor drei Monaten in der Pizzeria kennengelernt, in der Evelyn als Kellnerin arbeitete. Die ersten Tage hatte Evelyn nicht bemerkt, dass er mit ihr flirtete. Eines Abends hatte er gewartet, bis sie Dienstschluss hatte und sie in eine naheliegende Bar eingeladen, charmant mit ihr geplaudert und dann war es passiert. Sie verliebten sich ineinander und waren seitdem unzertrennlich.

»Ich muss dir noch etwas gestehen«, riss er sie aus ihren Gedanken.

Evelyn hob die Augenbrauen. »Was noch?«

»Zwei Arbeitskollegen von mir reisen morgen an. Sie wollen auch springen.«

»Seit wann weißt du, dass sie kommen?«, versuchte Evelyn ruhig zu fragen.

Max wich ihrem Blick aus.

»Sag einmal, hast du das geplant?«

Er streckte seine Hand nach ihr aus. Sie schlug seine Finger weg. Diese Nacht war für sie gelaufen. Sie zog demonstrativ ihr Schlaf-T-Shirt über. »Es ist unglaublich, erst schläfst du mit mir und dann sagst du mir eiskalt, dass auch noch Freunde vorbeikommen, um mir unseren Urlaub zu vermiesen.«

»Arbeitskollegen.«

Ihr Blick verriet, dass das in diesem Fall keinen Unterschied machte.

»Was hätte ich denn tun sollen? Die wissen doch, dass an diesem Wochenende Bungee-Jumping ansteht.«

»Mit mir woanders hinfahren?«

Max legte seine Stirn in Falten, was ihn angreifbar und verletzlich aussehen ließ. Dazu ein unschuldiger Blick aus blauen Augen. Aber diesmal funktionierte der Trick nicht. Evelyn drehte ihm den Rücken zu und zog die Bettdecke bis zum Hals hoch. Sie war sauer, so sauer, dass sie überlegte, sofort abzureisen. Aber wie sollte sie das anstellen, mitten in der Nacht ohne eigenen Wagen? Auch wenn sie Max’ Wagen nehmen würde. Ihr war die Hochalmstraße nachts einfach nicht geheuer. Zusätzlich war die Ampelanlage, die die engste Straßenenge regelte, während der Nachtstunden außer Betrieb. Während sie über die Möglichkeiten nachdachte, den nächsten Tag so weit wie möglich von der Staumauer entfernt zu verbringen, schlief sie ein.

*

Evelyns Nacht war unruhig. Sie erwachte in unregelmäßigen Abständen. Der Blick durchs Fenster verriet ihr jedes Mal, dass der Morgen noch fern war. Max atmete gleichmäßig. Klar, der schlief tief und fest.

Als sie das dritte Mal aufwachte, warf Evelyn einen Blick auf ihre Uhr. Es war erst halb fünf Uhr morgens. Dennoch hielt sie es nicht mehr aus, stahl sich aus dem Bett, zog sich leise an, schnappte ihre Jacke von der Garderobe und verließ das Zimmer. Im Hotel begegnete ihr um diese Uhrzeit keine Menschenseele. Im Eingangsbereich entnahm sie dem Ständer einige Flyer über die Region. Sie wollte sich auf die Bank beim Foto-Point setzen und überlegen, was sie unternehmen konnte.

Dort erwartete sie jene Ruhe, wie man sie morgens nur in der Bergwelt vorfand. Sie ließ ihren Blick über die Gipfel schweifen, atmete tief ein und sog die kalte Luft durch ihre Nase ein und damit auch den Duft nach Moos, Erde und Gestein. Sie überlegte, eine Wandertour zu unternehmen. Vom Berghotel aus gab es einige Möglichkeiten. Sie würde sich eine mittelschwere Tour aussuchen ohne Klettersteige. Diese verbat ihr ihre Höhenangst. Vielleicht die ›Kölnbreinsperre–Großelendscharte–Mallnitz‹-Tour. Bis zur Osnabrücker Hütte waren es vom Hotel rund zwei Stunden. Dort konnte sie einkehren und von der Terrasse aus sogar das Gipfelkreuz des Ankogels auf 3.246 Meter sehen. Und wenn sie nicht mehr weiter zur Großelendscharte gehen wollte, konnte sie wieder zurück und hätte damit sicher die Zeit überbrückt, bis Max gesprungen war. In diesem Moment hörte sie einen dumpfen Knall. Sie sprang von der Bank hoch. Was war das? Es klang wie ein Schuss. Sie konnte nicht genau ausmachen, woher das Geräusch gekommen war, da es von den Bergen aufgenommen und hin und her geworfen wurde wie ein Tischtennisball. Dem folgte ein zweiter. Evelyn drehte sich im Kreis. Wer schoss hier, verdammt noch einmal, und wo?

Sie hetzte den kurzen Weg zum Hotel zurück, das nach wie vor menschenleer war. Was sollte sie jetzt tun? Auf die Glocke an der Rezeption drücken und warten, bis jemand kam? Das dauerte viel zu lange. Sie fuhr mit dem Lift hoch und ging zu ihrem Zimmer im zweiten Stock. Max lag im Bett, als sie eintrat. Aufgeregt erzählte sie ihm, was sie gehört hatte.

In seinem Mundwinkel zeigte sich ein dünnes Lächeln. »Sag, was machst du um fünf Uhr morgens auf dem Parkplatz?«

»Ich konnte nicht schlafen.«

»Das waren sicher Jäger. Hier gibt es nämlich Gämsen«, erklärte er müde und schlug einladend die Bettdecke zurück.

*

Als Evelyn später einen Blick durchs Fenster warf, trafen die ersten Tagesgäste ein und bevölkerten mit ihren Autos den Parkplatz unterhalb des Hotels. Evelyn war sich sicher, dass unter ihnen sich einige Bungee-Jumper befanden. Auch Max machte sich bereit für seinen Sprung.

»Ich bin dann weg. Treffen wir uns um sechs auf der Terrasse und bis dahin bleibst du im Hotel?« Das war weniger als Frage formuliert, denn er erwartete keine Antwort, sondern verschwand durch die Tür.

Sie ging unter die Dusche. Eine halbe Stunde später saß sie im Frühstücksraum. Von hier aus konnte man die Staumauer nicht sehen und damit auch nicht die Verrückten, die sich dort hinunterstürzten.

»Du hier?«, sagte in diesem Moment eine tiefe, krächzende Stimme. Evelyn sah auf und blickte in das Gesicht von Heinz. Er arbeitete mit ihr in der Pizzeria.

»Sag einmal, ist da heroben heute ein Treffen?«, fragte Evelyn.

»Warum?«

»Weil hier lauter bekannte Gesichter herumlaufen.«

»Aha. Wer denn?«

»Stammgäste aus der Pizzeria«, sagte Evelyn ausweichend. Sie wollte Heinz nichts von dem Streit mit Max erzählen, denn sie wusste, dass er eine Schwäche für sie hatte. Sie hatte ihn oft genug abblitzen lassen. »Magst mit mir frühstücken oder springst auch von der Mauer runter?«

Heinz ließ sich auf den freien Stuhl ihr gegenüber fallen. »Nein. Gott bewahre!«

»Aber du hast nicht hier im Hotel übernachtet? Sonst hätte ich dich gesehen.«

»Ich bin grad raufgekommen, schau jetzt gleich in meiner Hütte nach dem Rechten. Sie liegt hier in der Nähe und dann fahr ich zurück nach Gmünd.«

»Seit wann hast du denn eine Hütte?«

»Seit einem Monat.«

In dem Moment kam Evelyn die Lösung für ihr Problem in den Sinn. »Tatsächlich? Könnt ich mitfahren?«

Heinz sah sie überrascht an. »Bist du nicht mit deinem eigenen Wagen da?«

Evelyn schüttelte den Kopf und sagte, so als müsste sie ihren Arbeitskollegen noch überreden: »Ich fahr jetzt einfach mit dir mit.«

In Gedanken packte Evelyn bereits ihren Koffer mit den vielen schönen Dessous, die sie extra für dieses Wochenende mitgenommen hatte. Sie würde Max einen Denkzettel verpassen und nicht mehr im Hotel sein, wenn er zurückkam. Nur eine kurze Nachricht würde sie ihm zurücklassen, damit er Bescheid wüsste und nicht glaubte, dass sie sich womöglich verirrt hatte.

*

Als sie wenig später auf dem Hotelparkplatz eintraf, wuchtete Heinz gerade seinen Rucksack auf den Rücksitz seines Geländewagens. Während sie im hellen Sonnenschein dastand und ihm ihren Koffer reichte, merkte sie, wie Heinz ihr knielanges Sommerkleid und ihre nackten Arme ein wenig zu lange begutachtete. Er würde doch womöglich auf keine dummen Ideen kommen? Sie fühlte sich auf einmal ein wenig unwohl, obwohl sie mit diesem Mann seit Jahren fast täglich zusammenarbeitete. Denn auch ihren letzten Arbeitsplatz hatte sie mit ihm geteilt. Aber dann lächelte er vertraut und ihre Besorgnis verschwand.

»Lass uns fahren«, schlug er vor und sie stiegen ein.

Im Vorbeifahren sah Evelyn aus den Augenwinkel einen ersten Springer, der sich in die Tiefe fallen ließ. Sie wollte gar nicht genau hinschauen, schüttelte nur den Kopf. »So etwas Blödes.« Sie musste weg, weit weg. Sie bemerkte, dass Heinz sie erneut mit diesem langen Blick von der Seite musterte.

»Wo liegt denn deine Hütte?«, fragte sie, bevor er etwas sagen konnte.

»Unterhalb der Kraftstation Galgenbichl.«

In dem Moment schoss ein Wagen viel zu schnell um die Kurve. Heinz bremste scharf.

»Da fahren heute lauter Narrische rauf zum Stausee«, bemerkte Evelyn und dachte dabei an Max. Etwas unter dem Sitz rutschte hervor. Evelyn sah nach unten und erkannte den Lauf einer Waffe. Ihr Herz begann zu rasen. Der Schuss von heute Morgen fiel ihr wieder ein. »Du jagst?«, fragte sie so beiläufig wie möglich.

Heinz lächelte bescheiden, beugte sich ein wenig nach vorn und schob das Teil wieder unter Evelyns Sitz. »Selten.«

Plötzlich drängte sich ein silberner Landcruiser gefährlich an ihnen vorbei und verschwand hinter der nächsten Kurve. Die Hochalmstraße war viel zu eng, um ordentlich überholen zu können. Bei der schmalsten Passage regelte eine Ampel das Hoch- und Runterfahren.

»Arschloch«, entfuhr es Heinz. Er bog in einen Waldweg ein.

»Wo fährst du hin?«

»Zur Hütte. Hab ich doch gesagt.« Gleich darauf blieb er stehen. »Der Weg ist hier zu Ende. Die Hütte liegt ein paar Meter weiter vorn.«

»Ich bleibe hier«, beschloss Evelyn.

»Wie du meinst.« Heinz stieg aus und verschwand.

Evelyn lehnte sich in ihrem Sitz zurück und schloss die Augen. Sie musste einen Moment eingenickt sein, denn ein dumpfer Knall riss sie aus einem Traum. Dann noch einer. Gämsenjagd? Jetzt und hier?

Kurz darauf kam Heinz zurück. In seiner Hand hielt er eine Tasche. Er stieg, ohne ein Wort zu sagen, ein und sah mit angestrengter Miene durch die Windschutzscheibe. Er lenkte den Wagen zurück auf die Hochalmstraße.

Ein dunkler Mercedes erschien im Rückspiegel, blieb mit großem Abstand hinter ihnen. Plötzlich tauchte der silberne Landcruiser wieder vor ihren Augen auf. Er stand quer. Blaulicht blinkte. Evelyns erster Gedanken galt einem Unfall. »Auch das noch!«, stöhnte sie. »Das kommt davon, wenn man so schnell unterwegs ist.«

Dann sah sie, dass das Blaulicht auf dem Dach des Landcruisers montiert war. Heinz blieb auf dem Gas, schoss auf den Toyota zu. Sie dachte kurz daran, die Türe zu öffnen und aus dem Wagen zu springen. Neben ihr fiel die Landschaft steil bergab. Erst in allerletzter Sekunde, als er merkte, dass der Toyota nicht zur Seite fuhr, trat Heinz auf die Bremse.

»Pass auf!«, schrie Evelyn. Ihr Kopf knallte gegen die Scheibe.

Heinz schnaubte wütend, legte augenblicklich den Rückwärtsgang ein und schoss die Straße zurück. Doch der schwarze Mercedes versperrte hinter ihnen den Weg. Sie glaubte in einem der Männer, die ausgestiegen waren und nun mit der Waffe im Anschlag auf den Geländewagen zielten, Max zu erkennen. Aber das war völlig unmöglich. Der hing an einem Seil hundert Meter über der Erde.

»Was ist hier los?«, brüllte Evelyn.

»Scheiß Bullen«, zischte Heinz.

»Polizei? Was für Polizei.«

»Alpine Einsatzgruppe.« Heinz hielt an.

»Aber …« Evelyns Blick streifte noch einmal Max’ Gesicht. Er stand mit versteinerter Miene da und starrte auf Heinz’ Geländewagen. Die Scheiben waren getönt, er konnte sie nicht sehen. Max war doch Verkäufer in dem großen Sportartikelgeschäft in Spittal? Er war erst vor vier Monaten aus Innsbruck hergezogen und vor drei Monaten hatten sie sich ineinander verliebt. Verdammt! Sie hatte dort vor vier Wochen ein Rad gekauft. Und jetzt sah sie einen völlig anderen Mann vor sich, als den, den sie kannte. In Uniform und mit stahlharter konzentrierter Mimik. Seine beiden Arbeitskollegen, die vermeintlich zum Bungee-Jumping angereist waren, standen neben ihm. Ebenso fremd.

Blitzschnell griff Heinz hinter Evelyns Sitz und holte ein Gewehr aus seiner Tasche hervor. Das unter Evelyns Sitz ließ er liegen.

»Steig aus!«, befahl er.

Langsam öffnete Evelyn die Beifahrertür und rutschte vom Sitz. Heinz stieg ebenfalls aus, ging um den Wagen herum, zog sie unsanft von der Tür weg, nutzte sie als Schutzschild und drückte ihr den Gewehrlauf zwischen die Schulterblätter. »Lasst mich durch oder sie wird’s nicht überleben.«

»Bist du verrückt«, zischte Evelyn.

Max starrte auf Evelyn. Sein Blick sagte so etwas wie: Um Himmels willen! Was machst du denn hier? Er deutete seinen Kollegen, die Waffen runterzunehmen. »Lassen Sie uns darüber reden, Neumann. Das ist doch Schwachsinn, was Sie hier veranstalten. Geiselnahme ist nicht Ihr Ding, Neumann. Wenn Sie uns die Gämsen jetzt geben, dann kommen Sie mit einer Anzeige und einer Geldstrafe davon.«

»Schwachsinn!«, rief Heinz. »Macht den Weg frei!«

»Sie kommen nicht durch, Neumann! Sie wissen, dass wir Sie erwischen.«

Heinz dachte einen Augenblick nach, dann riss er Evelyn mit sich, weg von der Straße. »Wenn Ihr mir folgt, ist sie tot!« Um den Ernst der Lage zu untermauern, zerschoss Heinz die Reifen des Mercedes. Instinktiv duckte sich Evelyn und hielt sich die Ohren zu. Ihr Herz raste wie ein Schnellzug. Schweiß rann über ihre Haut. Wo war sie da nur hineingeraten? Als Heinz sie in das Waldstück am Straßenrand stieß, schaute sie zurück und sah Max, dessen Blick ihr folgte. Es würde dauern, bis sie den Mercedes zur Seite geschoben hatten, und damit die Straße wieder frei war. Zeit, die Heinz zugutekam. Max war gar kein Verkäufer, er war Polizist, dachte Evelyn, während Heinz sie brutal an ihrer Hand weiter zerrte.

»Herrgott, mach endlich!«

»Verdammt, Heinz. Wir sind in den Bergen und ich hab Sommerschuhe an.«

Heinz reagierte nicht, hetzte sie bergauf.

»Sie werden nach uns suchen.«

»Sie werden uns nicht finden«, entgegnete Heinz. »Das Gelände ist zu groß und bis die Suchhundestaffel hier ist, sind wir längst verschwunden. Sie werden glauben, dass wir versuchen, ins Tal zu kommen, runter nach Gmünd. Zusätzlich müssen sie sich vorsehen, was schätzt du, wie viele Touristen im Maltatal unterwegs sind? Es ist Wochenende. Sie können hier nicht wie wild Räuber und Gendarm spielen.«

»Und das alles wegen irgendwelcher Gämsen, die du illegal abgeschossen hast? Wie viel ist denn so eine Gämse wert?«, fragte Evelyn.

»700 Euro.«

»Deshalb machst du dich strafbar?«

»Das ist es nicht«, gab Heinz zu.

»Was denn noch, um Himmels willen!«

Aber Heinz gab ihr keine Antwort mehr, egal welche Frage sie stellte. Er zerrte sie einmal in diese Richtung dann in eine andere, sodass Evelyn bereits nach kurzer Zeit völlig die Orientierung verlor. Einmal blieb Heinz im Dickicht verborgen vor einem der vielen Wasserfälle des Tals stehen, erkundete die Umgebung. Evelyn überlegte zu schreien. Allerdings war niemand zu sehen, der ihr zu Hilfe eilen konnte. Und fliehen war zwecklos. Sie wusste nicht, wohin. Als Heinz sicher war, dass niemand folgte, stieß er sie Richtung Wasser. Sie tranken gierig, benetzten ihr Gesicht und die Handgelenke. Evelyn verfluchte inzwischen jeden Stein und jeden Felsen. Ihre Hände und Knie waren inzwischen aufgeschürft und ihre Füße brannten wie Feuer. Es war heiß geworden. Doch Heinz gab nicht auf. Er zog die Karte zurate und lotste sie mit seinem Gewehr weiter durch nahezu unwegsames Gelände bergauf.

»Wo willst du denn hin?«

»Halt den Mund!« Seine Stimme klang hart und keineswegs beunruhigt. Er dachte angestrengt nach, dass sah sie seinem Gesicht an.

Später, sie konnte nicht sagen, wie viel Zeit inzwischen vergangen war, kamen sie an ihrem Ziel an: Am Fuße der Staumauer. Der Kran für die Jumper stand noch immer da, jedoch waren keine Menschen auf der Mauer zu sehen. Evelyn schnappte nach Luft, als sie nach oben sah. Ein lebloser Körper baumelte an einem Gummiseil hin und her. Was war passiert?

»Kommt dir das bekannt vor?« Heinz grinste.

Was sollte die Anspielung?

Mit einigen geschickten Handgriffen brach Heinz die Tür auf, die ins Innere der Staumauer führte, schob Evelyn vor sich hinein und zog die Tür wieder zu. Er führte sie ein Stück durch den betonierten Gang, bis sie zu einer Abzweigung kamen. Dort setzte er sich auf den Mauervorsprung. Evelyn versuchte sich den Weg zu merken, aber für sie sah alles gleich aus. Grauer Beton.

»Warum sind wir zurückgekommen?«, fragte sie.

»Weil es noch nicht zu Ende ist.«

»Was ist noch nicht zu Ende?«

»Dein Freund hat eine Puppe in den Korb gestellt. Wie klug von ihm.« Heinz zog eine Grimasse. »Du hast es ihm gesagt.«

»Was sollte ich ihm sagen? Ich wusste bis eben nicht einmal, dass er Polizist ist. Ich dachte, er sei ein Sportartikelverkäufer.«

Er lehnte sich gegen die Betonmauer. »Ich hab ihnen erst heute Morgen Bescheid gegeben, dass du da bist.«

Evelyn legte ihre Stirn in Falten. »Was hast du getan?«

»Der Polizei bekannt gegeben, dass der Bungee-Jumper-Mörder im Maltatal unterwegs ist. So hat man dich doch genannt in den Medien? Oder etwa nicht?«

Evelyn war blass geworden.

»Hast du wirklich geglaubt, ich lass dich damit durchkommen? Erkennst du das Gewehr noch?« Er tippte mit der Mündung gegen ihre Brust. »Es ist das Steyr SSG69, mit dem du auf den Tiroler geschossen hast, Evelyn.«

»Du bist wahnsinnig.«

Sein Blick verfinsterte sich. »Da staunst du, was? Ich weiß es, ich weiß, dass du letztes Jahr den Kerl heruntergeschossen hast. Nicht ich, Evelyn. Du hast die Polizei geschickt auf meine Fährte gelockt. Respekt. Das Gewehr lag in meiner Hütte. Du erinnerst dich sicher noch an meine Hütte in Tirol? Warst ja oft genug dort. Aber ich hab dich gesehen, Evelyn, ich habe gesehen, wie du auf den Kerl geschossen hast.«

»Das war ein Unfall. Ich hab auf einen Vogel gezielt und den Mann getroffen.«

»Auf einen Vogel geschossen? Ha! Mit einem Repetiergewehr? Sag, für wie blöd hältst du mich eigentlich?«

»Es war ein Unfall«, wiederholte Evelyn.

»Warum hast du das dann nicht der Polizei erzählt? Warum hast du das Gewehr ausgerechnet in meiner Hütte deponiert?«

Sie schwieg.

»Ich kann dir sagen, warum. Weil ich dir lästig geworden bin. So wie der arme Kerl, den du aus dem Absprungkorb geschossen hast. Ist es nicht so? Soweit ich weiß, war das Steyr nämlich einmal sein Gewehr. Du hast es dir genommen und ihn damit erschossen. Warum? Er war unser Chef.«

»Er war ein schlechter Mensch. Er hat es verdient.«

»Das ist kein Grund, jemanden zu erschießen, Evelyn. So gesehen müsstest du die halbe Welt ausrotten.«

»Es hat mich gestört, dass er jedes Mal grantig und ekelhaft war, wenn er zu uns ins Lokal gekommen ist. Er war unfreundlich und grob und er hat mir sehr deutlich zu verstehen gegeben, dass er mich flachlegen wird. Wie hat er gesagt?« Evelyn tat, als dachte sie nach. »Ach ja! Dich buddere ich auch noch, du geile Sau.«

Heinz schüttelte den Kopf. »Und mir wolltest du die Tat in die Schuhe schieben. Er hätte es dir nicht androhen, sondern dich einfach flachlegen sollen, du hinterlistige Nutte. Du hast uns doch alle gelockt und dann an der langen Hand verhungern lassen.«

Sie sah den Blick in seinen Augen. Die Gier, das zu vollenden, was dieser Mistkerl von Chef nicht mehr zu Ende bringen hatte können. Er griff nach seinem Jeansknopf.

»Sie wissen, dass wir hier unten sind«, wechselte Evelyn rasch das Thema, um ihn abzulenken, hoffte, ihn damit aus dem Konzept zu bringen. »Innerhalb der Staumauer wird jede Bewegung registriert. Sie werden kommen und dich holen, Heinz. Und ich werde das Opfer sein. Das weißt du, denn du kannst nicht beweisen, dass ich unseren Chef abgeknallt habe. Und wenn du mich jetzt noch dazu vergewaltigst …« Sie beendete den Satz nicht. Heinz verstand auch so, nahm die Hand von seiner Hose.

»Was wolltest du eigentlich mit deinem Auftritt bewirken?«, fragte sie erleichtert. In dem Moment kam ihr die Erkenntnis. »Du hast gewusst, dass ich an diesem Wochenende mit Max im Berghotel bin. Du wolltest heute einen der Bungee-Jumper erschießen, mir das Gewehr unterjubeln und danach die Polizei auf meine Fährte führen.«

»Kluges Mädchen.«

»Und was ist mit den Gämsen? Die gibt es gar nicht.«

»Doch die gibt es. So wie es das zweite Gewehr gibt. Das war meine Versicherung, falls die Polizei noch einmal meine Hütte durchsucht, wie damals in Tirol, würden sie nur eine tote Gämse finden.«

»Dass wir uns im Frühstücksraum über den Weg laufen und ich mit dir mitfahre, war so nicht geplant.«

»Stimmt. Jetzt muss ich leider eine kleine Planänderung vornehmen. Du schießt heute vor Zeugen deinen Polizistenfreund aus dem Korb. Damit wären wir quitt. Ich büße für den Kerl in Tirol und du für deinen Freund.«

»Die haben da oben inzwischen sicher Scharfschützen positioniert, die werden dich erschießen.«

Er lachte diabolisch. »Irrtum. Wenn, dann werden sie uns beide erschießen.«

Sie schüttelte den Kopf. »Das ist doch idiotisch. Warum sollte Max in den Korb steigen, wenn ein Gewehr auf ihn gerichtet ist?«

»Weil er in dich verliebt ist, sehr unprofessionell, seine Freundin zur Arbeit mitzunehmen.« Seine Stimme klang plötzlich wie die eines Irren. »Aber gut, ich hab der Polizei auch erst heute Morgen Bescheid gegeben, dass der Mörder hier frei herumläuft. Anonym natürlich. Freut mich, dass sie mir geglaubt haben.«

»Und wenn er es nicht tut?«

Ein Schatten fiel über sein Gesicht. »Ich habe kein Problem damit, dich auf der Stelle zu töten, anschließend ihn und danach mich. Sterben werden wir heute auf jeden Fall, Evelyn. Stell dich schon einmal darauf ein.«

Ihr wurde plötzlich klar, dass weder sie noch etwas anderes in Heinz’ Leben noch die geringste Rolle spielte. Dass sie sterben würden, war ihm egal. Sie sah es in seinen Augen.

Er reichte ihr sein Telefon. »Und du wirst es ihm sagen.«

»Hier unten ist kein Empfang.«

Er grinste bösartig und zog sie grob an den Haaren auf die Beine. »Egal, wir fahren nach oben zum Airwalk. Dort funktioniert das Telefon bestimmt.«

»Ich hab Höhenangst.«

»Ich weiß. Das macht die Sache doch viel interessanter, meinst du nicht auch?« Er stieß sie noch einmal mit dem Gewehrlauf an. »Komm jetzt! Die warten sicher schon auf uns, da oben.«