Mordsbrise - Micha Krämer - E-Book
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Mordsbrise E-Book

Krämer Micha

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Beschreibung

Drum prüfe, wer sich ewig bindet oder mit Freunden aufs Meer hinausfährt …

Es ist ein Junggesellenabschied der anderen Art: Fünf Mann stechen in See, doch nur vier kehren zurück. Was ist in der Nacht an Bord der Hoppetosse III geschehen? Von Bräutigam Bjarne Hensen fehlt am nächsten Morgen jede Spur. Seine Verlobte wartet mit der gesamten Hochzeitsgesellschaft vor dem Seemannshus Langeoog vergebens auf ihn. Ist der Unternehmersohn etwa bei stürmischer See über Bord gegangen? Keiner der Freunde kann sich nach der berauschten Feier an die Ereignisse der letzten Nacht erinnern. Die Inselpolizisten Lotta Dönges und Onno Feddersen glauben allerdings keineswegs an einen Unfall.

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Seitenzahl: 512

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Der Roman spielt hauptsächlich in bekannten Regionen, doch bleiben die Geschehnisse reine Fiktion. Sämtliche Handlungen und Charaktere sind frei erfunden.

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet abrufbar über https://www.dnb.de© 2025CW Niemeyer Buchverlage GmbH, Osterstraße 19, 31785 [email protected] Rechte vorbehaltenUmschlaggestaltung: C. RiethmüllerDer Umschlag verwendet Motiv(e) von 123rf.comSatz: CW Niemeyer Buchverlage GmbHEPub-Produktion durch CW Niemeyer Buchverlage GmbHeISBN 978-3-8271-8718-5

Micha KrämerMordsbrise

Prolog

Freitag, 21. März 2025, 23:07 UhrDie Nordsee irgendwo nordöstlich von Langeoog

Die Nacht ist über die Nordsee hereingebrochen. Das Meer ist stürmisch und rau. Von Osten her weht eine steife Brise. Es riecht nach Salz und schmeckt nach Meer. Alles ist genau so, wie ich es am liebsten mag. Ich stehe am Steuer der HOPPETOSSE und schaue in Gedanken auf den Horizont. Ich könnte ewig so weitersegeln bis an das Ende der Welt.

Der Himmel hebt sich trotz der Dunkelheit klar von den tosenden Wellen ab. Doch meine Augen haben sich bereits an das fehlende Licht gewöhnt. Ich sehe alles, was ich sehen muss.

Während das Schiff wie ein Korken durch die aufgewühlte See tanzt, sind meine Gedanken heute ganz woanders. Ich bin nervös wie lange nicht. Für das, was ich geplant habe, gibt es nur einen Versuch. Wenn es schiefgeht – nein, daran will ich gar nicht denken.

Doch mein Entschluss steht fest. Bjarne Hensen muss weg! Endgültig! Er wird … er darf diese Nacht nicht überleben. Seit Tagen habe ich mir jeden meiner Schritte mehrfach und genau überlegt. Ich bin davon überzeugt, dass es das perfekte Verbrechen gibt!

Laut einer Statistik werden zweiundneunzig Prozent aller Morde in Deutschland aufgeklärt. Doch dies stimmt nicht ganz, da laut einer anderen Studie mindestens jedes zweite Tötungsdelikt in Deutschland unentdeckt bleibt. Zumindest habe ich das so im Internet gelesen.

Woher diese Leute das wissen wollen, ist mir schleierhaft, da ja niemand wissen kann, wie viele Taten nicht entdeckt werden.

Doch im Grundsatz haben sie recht. Ein Verbrechen ist erst dann perfekt, wenn niemand etwas davon mitbekommt. Wenn zum Beispiel ein Arzt eine natürliche Todesursache attestiert oder der Tod infolge eines Unfalles eintritt.

Unfälle auf See gibt es bereits so lange, wie es die Seefahrt gibt. Immer schon gingen Personen über Bord und wurden auf Nimmerwiedersehen von der See verschluckt. Einige tauchen irgendwann wieder auf. Andere nicht.

Da kommt es auf einen Unglückseligen mehr oder weniger auch nicht an.

Von unter Deck höre ich Gelächter. Irgendwie tut es mir ja schon leid, dass ich den Jungs die Party versauen muss. Auch um Hilla tut es mir leid. Sie wird morgen vergeblich vor dem Traualtar auf ihren Bräutigam warten. Doch Bjarne wäre eh nicht der Richtige für die gute Seele gewesen. Er hat sie einfach nicht verdient. Hilla wird über ihn hinwegkommen und etwas Besseres als ihn finden.

Ich fasse an die Tasche meiner Jacke und ertaste das Fläschlein mit den K.-o.-Tropfen. Ein letzter Blick noch auf das Navi, den Kompass und die anderen Instrumente. Der Kurs passt. Es wird Zeit, nach unten zu gehen und einen letzten Drink anzurühren. Hoffentlich wirken die Tropfen so, wie ich es hoffe. Zeugen kann ich keine gebrauchen.

Kapitel 1

Samstag, 22. März 2025, 11:10 UhrSeemannshus Insel Langeoog

„Ich bringe ihn um. Ich bring den verdammten Mistkerl um … Wenn ich ihn in die Finger bekomme, bring ich ihn um“, schluchzte Hilla Erichson und stampfte dabei wütend mit dem Fuß auf den Boden.

„Mensch, Hilla, Bjarne wird schon noch auftauchen. Der verpasst doch nicht seine eigene Hochzeit“, versuchte Lotta Dönges ihre Freundin zu beruhigen, obgleich sie gerade nicht mehr wirklich sicher war, dass Hillas Bräutigam sich noch blicken ließ.

Die Trauung der beiden hätte bereits vor zehn Minuten beginnen sollen, und von ihm war weit und breit nichts zu sehen.

Im ganz kleinen Kreis wollten Hilla Erichson und Bjarne Hensen sich das Ja-Wort geben. Gerade einmal acht Personen waren zu der feierlichen Zeremonie zum Langeooger Seemannshus gekommen.

Das hübsche weiß getünchte Häuschen mit dem roten Dach, den grünen Fenstern und Verzierungen diente auf der Insel nämlich nicht nur als Heimatmuseum, sondern auch als Standesamt.

Hier konnte man, wenn man wollte, den Bund fürs Leben schließen. Das hieß allerdings, nur dann, wenn der angehende Herr Gemahl sich auch zu der Veranstaltung blicken ließ.

„Ja, nicht, dat dem Bjarne noch wat passiert ist. War ja schon recht stürmisch letzte Nacht. Ich hab dat gleich gesagt, dass das eine Schnapsidee ist, mit dem Segler bei dem Schietwetter nach Norderney zu fahren. Das würde mich nicht wundern, wenn die mit dem ollen Kahn auf Grund gelaufen oder mit Mann und Maus ertrunken sind“, grummelte Fiete Erichson, seines Zeichens der Brautvater, sich besorgt in seinen Bart.

Hilla, die es unweigerlich mitbekommen hatte, begann nun noch lauter zu schluchzen.

„Quatsch, Hilla, da wird schon nix passiert sein. Bjarne und die anderen sind doch erfahrene Segler. Das gibt bestimmt eine ganz simple Erklärung, weshalb die sich verspätet haben“, versuchte Lotta die Freundin ein wenig zu beruhigen, obgleich sie sich nicht sicher war, ob Fiete Erichson nicht doch vielleicht recht haben könnte.

Auch Krischan, Lottas Mann, hatte gemeint, dass die Idee der fünf Burschen, bei Schietwetter zum Junggesellenabschied raus aufs Meer zu fahren, ziemlich doof gewesen sei. Wobei zumindest Bjarne, Jasper und Bente sehr erfahrene Segler waren und die Nordsee mit all ihren Tücken kannten. Ob die anderen beiden Kerle ebenfalls etwas von der Segelei verstanden, wusste Lotta nicht, da sie weder den einen noch den anderen kannte.

Okay, gesehen hatte sie die schon mal. Sie wusste, wie die aussahen, und würde sie auf der Straße eventuell sogar wiedererkennen. Aber richtig kennen wäre dann doch zu viel gesagt.

Lotta ließ ihren Blick über die anderen Gäste der kleinen Feier schweifen. Acht Leute waren für eine Hochzeitsgesellschaft nicht eben eine Menge. Nein, sie würde das als durchaus überschaubar bezeichnen. Lotta kannte sie alle, da es sich ausschließlich um Insulaner handelte.

Nun gut, eigentlich hätten es ja noch vier Kerls mehr sein müssen. Doch die Burschen waren ja, genau wie der Bräutigam, derzeit unauffindbar.

Einer der acht Anwesenden war der Witwer Fiete Erichson, der Brautvater. Fiete stand nun etwas abseits auf der Straße und telefonierte mit ernster Miene. Wen der wohl in der Leitung hatte?

Bjarnes gesamte Familie glänzte ebenfalls durch Abwesenheit. Was nun irgendwie schon schade, aber auch leider zu erwarten gewesen war. So wie es nämlich aussah, hatten sich die Hensens eine andere Schwiegertochter als Lottas Freundin Hilla gewünscht.

Ein Umstand, der Lotta, wenn sie darüber nachdachte, jedes Mal aufs Neue zur Weißglut brachte.

In Lottas Augen waren alle Menschen gleich. Gut, es gab nette, weniger nette und auch ziemlich fiese Zeitgenossen. Die Reederfamilie aus Hamburg gehörte zur letzteren Kategorie. Geld machte nämlich nicht nur, wie es der Volksmund behauptete, sexy, sondern, so wie es den Anschein hatte, auch ziemlich blöde. Dabei hätten die Hensens sich eine bessere Partie als die Hilla gar nicht für ihren Bjarne wünschen können.

Hilla war nicht nur hübsch, sondern auch ziemlich gescheit und fleißig. Darüber hinaus auch eine Seele von Mensch. Eine, der das Wohl ihrer Mitmenschen am Herzen lag. Damit war sie allerdings ganz anders als die Hensens aus Hamburg. Vermutlich hatte Bjarnes Sippe aus genau diesem Grund eine Teilnahme an der Hochzeit boykottiert. Aber nun gut. Wer nicht wollte, der hatte bekanntlich schon. Es gab Leute, auf die man gut und gerne verzichten konnte. Leid tat es Lotta nur für Bjarne. Das musste schon hart sein, wenn die eigene Familie einem den Rücken kehrte.

Der Einzige aus der Hensen-Sippe, der zur Trauung auf die Insel gekommen war, war Niklas Hensen, Bjarnes jüngerer Bruder. Der war vorgestern mit der HOPPETOSSE III, dem nun verschwundenen Segelschiff, aus Hamburg gekommen. Bei ihm war ein weiterer Freund von Bjarne gewesen, den alle nur Schröder oder den „Nobel-Schröder“ nannten. Wobei es sich bei „Nobel“ nicht um den Vornamen, sondern um einen Spitznamen handelte. Der stammte angeblich von einer Comicfigur aus den Werner-Heften. Mit diesen Comics kannte Lotta sich allerdings so gar nicht aus. So etwas hatte sie noch nie interessiert. Manche Dinge musste man einfach nicht wissen.

Hilla war eigentlich Krankenschwester. Dummerweise gab es aber auf der Insel überhaupt kein Krankenhaus. Bis vor zwei Jahren hatte sie deshalb in der Ubbo-Emmius-Klinik in Aurich gearbeitet. Aber ein Inselkind blieb nun mal ein Inselkind. Und so kam es, dass Hilla irgendwann das Heimweh packte. Sie hatte einfach keine Lust mehr gehabt, in Aurich zu arbeiten und schon gar nicht, dort auch noch zu wohnen. Daher hatte Hilla ihren Job in der Klinik gekündigt und war zurück nach Langeoog zu ihrem Papa Fiete Erichson gezogen. Pech für das Krankenhaus und gut für die Praxis von Inselarzt Dr. Jan Martin Bechersheim, den Hilla bereits aus der Klinik kannte und der für seine Praxis auf Langeoog noch eine medizinische Fachangestellte suchte. Der hatte Hilla sofort und mit Kusshand eingestellt.

Der Herr Doktor und seine Gattin Gina Marie Bechersheim waren natürlich ebenfalls unter den Hochzeitsgästen. Was ja Ehrensache war.

Fiete Erichson hatte sein Telefonat mittlerweile beendet und unterhielt sich nun mit Doktor Bechersheim. Dabei schauten die beiden gerade sehr ernst zu ihnen herüber.

Lotta spürte, wie ihr Herzschlag sich beschleunigte und sich ein Unwohlsein in ihrer Magengegend ausbreitete. Nein, so wie die beiden gerade guckten – das war gar nicht gut. Irgendetwas war im Argen.

Kurzerhand schob sie Hilla, die nun nicht mehr fluchte, sondern einfach nur noch weinte, zu der kleinen grün-weißen Holzbank, auf die sie sich kraftlos niedersinken ließ.

„Lotta, da muss was Schlimmes passiert sein … der Bjarne würde mich doch nicht …“, schluchzte sie und schlug die Hände vors Gesicht.

„Quatsch, Hilla. Der Bjarne und die Jungs tauchen schon noch auf. Bestimmt hatten die irgendeine Panne … mit dem Motor oder so“, versuchte Lotta die Freundin zu beruhigen.

Dabei wusste sie ja noch nicht einmal, ob der alte hübsche Segler der Familie Hensen tatsächlich über einen Motor verfügte. Wirklich Ahnung hatte Lotta, obwohl sie auf einer Insel lebte, nämlich nicht von Schiffen. Zumindest nicht von welchen mit Segeln. Den ehemaligen Krabbenkutter ihres Mannes Krischan, den kannte sie hingegen in- und auswendig. Gelegentlich ließ Krischan sie mittlerweile auch mal ans Ruder. Was aber gerade nichts zur Sache tat.

Noch immer diskutierten der Doktor und Hillas Vater miteinander. Bei ihnen standen nun auch noch Gina Marie und Lottas Mann Krischan. Auch der guckte äußerst besorgt drein. Lotta musste jetzt endlich wissen, was da los war.

„Hilla, du bleibst jetzt einfach mal hier sitzen und versuchst dich zu beruhigen. Ich bin gleich wieder bei dir“, wies sie die Freundin an und eilte dann zu der kleinen Gruppe.

„Jo, dat is nich gut. Bei dem Wetter und den Temperaturen Mann über Bord … nee, nee, dat is überhaupt gar nicht gut“, hörte sie Krischan sagen, als sie näher kam.

„Was … Wie … Wer ist über Bord gegangen?“, hakte Lotta sofort nach.

„Der Fiete hat eben mit dem Jasper telefoniert“, antwortete Krischan.

Den Jasper Erichson kannte Lotta auch schon, solange sie auf der Insel war. Mit dem war sie ganz am Anfang, noch bevor sie sich in Krischan verknallt hatte, abends sogar einmal ausgegangen. Nur essen … mehr nicht. Zwischen ihnen beiden hatte das einfach nicht gefunkt. Jasper war Fietes Sohn und somit Hillas Bruder. Die beiden waren sogar Zwillinge. Zweieiige, versteht sich.

„Und was sagt Jasper?“, wandte sich Lotta nun direkt an den Brautvater.

Fiete seufzte und blickte kurz hinüber zu Hilla, die wie ein Häufchen Elend noch immer auf der alten Holzbank hockte.

„Jo … der sagt, dass der Bjarne nicht mehr an Bord war, als die Mannschaft heute Morgen wach wurde. Außerdem war die HOPPETOSSE heftig vom Kurs abgekommen. Die hat wohl die Strömung ziemlich weit rausgetrieben – so ohne Steuermann“, flüsterte Fiete.

Lotta glaubte sich verhört zu haben.

„Wie, der war nicht mehr an Bord? Wo soll der denn hin sein?“, wollte sie das, was ihr gerade in den Sinn kam, nicht verstehen.

Da musste es doch noch eine andere Möglichkeit geben als die, die ihr gerade durch den Kopf ging.

„Ja, wo soll der wohl sein, Lotta? Dat is wie damals bei dem Onkel Heiner. Der is auch bei Sturm über Bord gegangen. Wenn da so ein Brecher über das Schiff rollt und du nicht aufpasst, dann bist du ruckzuck wech“, erklärte Krischan, was Lotta schon längst begriffen hatte, aber nicht wahrhaben wollte.

„Das gibt es doch nicht. Wo waren denn die anderen, als das passiert ist? Das muss doch jemand mitbekommen haben“, ereiferte sie sich.

„Jasper hat gesagt, dass alle unter Deck waren. Bis auf den Bjarne, der muss wohl in der Nacht draußen alleine am Steuer gewesen sein. Die sind in der Dunkelheit wohl ohne Segel und nur mit Hilfsmotor gefahren. Hat ja auch heftig von Osten gepustet“, wusste der Brautvater.

„Wir müssen sofort die Seenotretter und die Küstenwache verständigen“, schaltete Lotta nun erst einmal in ihren Dienstmodus. Zwar ging es sie als Inselpolizistin grundsätzlich nichts an, was draußen auf dem Meer außerhalb der Insel geschah, doch man arbeitete hier Hand in Hand. Ja, Lotta würde von sich sogar behaupten, dass sie mittlerweile zu einer richtigen Insulanerin geworden war. Und obendrein war sie ja auch noch die Frau eines Kapitäns.

„Nee, Lotta. Musst du nicht. Das ist alles längst passiert. Die SECRETARIUS ist schon draußen. Die DGzRS suchen mit mehreren Rettungsbooten. Vom Festland aus ist ein Heli gestartet und sucht das Gebiet ab. Das läuft alles längst“, wusste Krischan.

„Und warum haben die uns nicht Bescheid gegeben? Wir stehen uns hier wie die Doofen die Beine in den Bauch, während Bjarne vielleicht ertrinkt. Los, Krischan, wir müssen mit der ANNE II auch rausfahren und suchen helfen“, beschloss Lotta.

„Nee, Lotta, dat bringt doch nix. Der Bjarne muss schon vor Stunden über Bord gegangen sein. Es ist schon nach elf Uhr. Bis wir mit dem ollen lahmen Kutter an der vermuteten Unglücksstelle sind, da gehen da noch ein paar Stunden ins Land. Wir haben März. Das Wasser hat gerade mal vier oder fünf Grad. Jasper hat gemeint, dass der Bjarne wohl nur Ölzeug anhatte. Die Trockenanzüge und die Schwimmwesten sind alle noch vollständig an Bord. Wenn der noch da draußen in der See ist, dann …“, entgegnete Krischan und schüttelte den Kopf.

Auch ohne dass er den Satz beendete, wusste Lotta, was er meinte und dass er recht hatte. Wenn Bjarne Hensen tatsächlich in der letzten Nacht ohne einen Überlebensanzug in die raue See gespült worden war, dann kam jede Hilfe zu spät. Bei dem kalten Wasser ohne die richtige Ausrüstung dauerte es nur Minuten, bis man erfror oder in die Tiefe gezogen wurde.

„Vielleicht ist er irgendwo an Land geschwommen. Die kamen doch von Norderney und sind an Baltrum vorbeigekommen“, wagte sie einen weiteren Versuch.

Der Blick in die Gesichter der Umstehenden verriet ihr allerdings nur das, was sie selbst längst wusste. Der Gedanke, dass jemand nachts bei Sturm und vier Grad Wassertemperatur über Bord ging und zu einer der Inseln schwamm, war totaler Schwachsinn. Die Nordsee mit ihren urgewaltigen Strömungen und Gezeiten war kein Badesee. Da schwamm man nicht eben mal zu einer Insel rüber.

Sie sah zu Hilla, die noch immer schluchzend auf der Bank saß. Vielleicht war es besser, Lotta würde sich jetzt um die Freundin kümmern.

„Ich denke, ich bringe Hilla mal nach Hause. Das bringt ja nun auch nichts mehr, hier zu warten“, entschied sie daher.

„Jo, und ich fahr dann mal zum Hafen. Jasper hat gemeint, dass die mit der HOPPETOSSE III auf dem Weg zurück zur Insel sind“, meinte Fiete Erichson.

„Wie, die haben die Suche bereits abgebrochen?“, konnte Lotta dies nun überhaupt nicht verstehen.

Auch diesmal war es Krischan, der ihr erklärte, weshalb das Segelschiff mit Hilfsdiesel nicht für eine größere Suchaktion infrage kam. Das Schiff sei, wenn es nicht unter vollen Segeln fahre, noch langsamer als der alte Krabbenkutter. Außerdem sei die Mannschaft ziemlich fertig. Was man nach einem solchen Vorfall ohne Weiteres verstehen konnte.

Es gab gelegentlich Tage, an denen sogar ein Martin von Schlechtinger darüber nachdachte, ob es nicht doch Sinn machen könnte, sich eines dieser modernen Elektrofahrräder anzuschaffen. Diese Dinger, die sich fuhren wie von allein, aber bei denen der Akku meistens dann leer war, wenn man ihn am dringendsten benötigte.

Fast alle seine Freunde besaßen mittlerweile so ein flottes Teil, während er noch immer seinen klapprigen alten Drahtesel fuhr. Diesen hatte er sich vor Jahren aus den Fragmenten mehrerer alter Schrotträder selbst zusammengeschraubt und ihn in den Vereinsfarben des 1. FC Köln angemalt. Wahrhaftig ein wunderschönes Unikat.

„Nä, Lumpi, wat is dat heute wieder ein Driss mit dem Wind“, rief Martin der Border-Colli-Hündin zu, die zusammengerollt auf einer Wolldecke zwischen Kisten mit Werkzeug in dem kleinen Fahrradanhänger döste.

Ja, Hund bei Martin von Schlechtinger müsste man sein. Dann bräuchte man wenigstens nicht selbst gegen diese kühle Brise anzustrampeln, die auf so einer Insel zumindest gefühlt immer von vorne kam. Fuhr man nach Osten, blies der Wind von Osten. Radelte man nach Westen, kam er von Westen. Ein, wie Martin fand, unerklärliches Phänomen.

Martin kam, obwohl er feste in die Pedale trat, gerade nur langsam voran. Doch zum Glück hatte er heute Zeit. Nicht, weil es Samstag war. Nein, Wochentage, das hatte Martin hier auf der Insel schnell lernen müssen, gab es in diesem Sinne gar nicht. Hier auf Langeoog war jeder Tag ein Werktag und das dreihundertfünfundsechzig Tage im Jahr. Unterscheiden konnte man lediglich in Saisontage und keine Saisontage. Im Sommer, wenn das kleine Eiland in der Nordsee täglich von Hunderten oder gar Tausenden nordseehungriger Gästen überrannt wurde, kam gelegentlich sogar schon einmal so etwas wie Hektik auf. Im Winter hingegen wurde es dann wesentlich angenehmer. Wobei die Zahl der Urlauber in den letzten Jahren auch im Winter zunahm. Doof war allerdings, dass, wenn dann mal nicht so viel los war, das Wetter nicht immer so daherkam, wie Martin es gerne hätte.

Aber egal. Seinen Job auf Langeoog, den würde er gegen keinen anderen auf dieser Welt eintauschen wollen. Da arbeiten, wo andere Urlaub machten, das hatte schon was. Zumal so ein Arbeitstag ja keine vierundzwanzig Stunden dauerte. Nein. Bei Martin gab es geregelte Arbeitszeiten. Von morgens um acht bis abends um sechs schuftete er für die Ferienhausvermietung Hansen. Danach war Feierabend und frei. Wobei er zwischendrin aber auch immer mal Zeit für sich und einen Blick auf die wunderbare Landschaft fand.

Mit quietschenden Bremsen kam Martin vor dem Büro der Ferienhausvermietung Hansen zum Stehen.

„Ach, da bist du ja“, begrüßte seine Chefin Annemarie Hansen ihn, als er gemeinsam mit Lumpi das Kontor betrat.

„Ja, da sind mir wieder. Alle Aufträge zur vollsten Zufriedenheit der Kundschaft erledigt“, bestätigte er und ging dann schnurgerade durch in die Küche, um sich einen Kaffee mit dem neuen Kaffeevollautomaten aufzubrühen.

Ein wunderbares Gerät. Nervig war nur, dass das Ding immer so lange vorheizen musste, wenn man es einschaltete. Außer ihm und gelegentlich seiner Tochter Gina Marie nutzte die Maschine hier nämlich sonst niemand, weshalb die sich ständig nach einer gewissen Zeit von alleine abschaltete und man sie dann erst wieder starten musste.

Seine Chefin Annemarie Hansen trank eher selten Kaffee. Die gönnte sich lieber ihren Friesentee. Das taten hier in Ostfriesland viele. Martin mochte keinen Tee. Den trank er nur, wenn er sich mal erkältet hatte. Und dann auch nur Kamille, wie früher bei seiner Mama.

Martin wollte bereits nach einer der Tassen im Schrank greifen, als er stutzte. Da war doch gerade irgendetwas nicht in Ordnung gewesen. Er schlurfte zurück ins Büro und sah zu Annemarie, die sich mit einem Taschentuch eine Träne von der Wange wischte.

„Anneschatz, wat ist denn los? Hast du geweint?“, fragte er nach, trat zu ihr und strich ihr sanft über die Schultern.

Ja, Annemarie Hansen war nicht nur Martins Chefin, sondern auch gleich noch seine Ehefrau. Was es aber zwischen acht und achtzehn Uhr strikt zu trennen galt. Wobei das jetzt aber auch nicht immer funktionierte.

„Es ist schon wieder passiert“, schluchzte sie.

„Wie? Wat ist passiert?“, verstand er kein Wort.

„Bjarne Hensen, der Bräutigam von Hilla Erichson, ist in der letzten Nacht über Bord seines Segelschiffes gegangen und wird seitdem vermisst!“

„Wat wird der? Vermisst? Dat gibt dat doch nit“, verstand Martin die Bestürzung seiner Annemarie nun ganz genau.

Das war schon eine schlimme Sache, wenn solche Unglücke auf See passierten. Doch für Annemarie Hansen war es noch viel übler als für irgendwelche anderen unbeteiligten Leute.

Annemarie war, lange bevor Martin sie kennenlernte, nämlich schon einmal verheiratet gewesen. Ihr erster Mann Heiner Hansen war damals noch als Fischer täglich raus aufs Meer gefahren, und Annemarie hatte ihn dabei gelegentlich begleitet. Sie hatte mit ansehen müssen, wie ihr Heiner bei Sturm von einer Welle gepackt und von Deck gespült worden war. Seinen Leichnam hatte das Meer dann Tage später an einer der Nachbarinseln angespült. Was noch ein Glück im Unglück war. Die meisten, denen dieses Schicksal widerfuhr, tauchten nämlich nie mehr auf. Weder tot und schon gar nicht mehr lebendig.

Nach dem Unfall hatte Annemarie jahrelang keinen Fuß mehr auf ein Schiff gesetzt. Noch nicht einmal mehr auf die Fähre zum Festland. Dies hatte sich in den letzten Jahren zum Glück wieder ein wenig gegeben.

„Na, vielleicht finden die den Burschen ja noch. Man soll die Hoffnung nit aufgeben tun“, versuchte er ein paar tröstende Worte zu finden.

„Ach Unsinn, Martin. Es ist gleich Mittag. Wenn Bjarne tatsächlich bereits in der Nacht über Bord gegangen ist, dann treibt der jetzt schon seit zwölf oder noch mehr Stunden im eiskalten Wasser. Das überlebt doch niemand bei diesen Temperaturen“, hatte Annemarie natürlich recht.

Martin tat es ebenfalls leid, wenn ein Mensch auf so traurige Art und Weise aus dem Leben gerissen wurde. Dennoch kam bei ihm gerade nicht wirklich Mitgefühl auf. Er kannte Bjarne Hensen. Dessen Eltern besaßen auf der Insel ein stattliches Haus und auch noch einige Ferienimmobilien. Verwaltet und betreut wurden diese von der Ferienhausvermietung Hansen. Also im Grunde von Martin. Er mähte dort den Rasen, schnitt die Hecken und Büsche und reparierte Dinge, die kaputt gingen. Das Kaufmännische erledigte seine Frau Annemarie. Schreibarbeit und Finanzen waren noch nie Martins Ding gewesen. Er war der Mann der Tat, sie die Herrin der Finanzen.

„Wollte der Bjarne heute nit heiraten?“, fiel ihm wieder ein.

Dabei blickte er zu dem derzeit verwaisten Schreibtisch seiner Tochter Gina Marie, die gleichzeitig auch Annemaries rechte Hand im Büro war.

„Ja, die arme Hilla. Am Tag der Hochzeit … das ist wirklich ein Schicksalsschlag sondergleichen“, fand Annemarie und schluchzte.

„Wieso dat denn? Die hät doch Glück gehabt, dat dat Schicksal sie vor dem ekeligen Kerl verschont hät“, hätte Martin beinahe laut gesagt. Doch zum Glück war ihm das gerade nur durch den Kopf und nicht über seine Lippen gegangen.

Aber im Grunde war die Hilla doch für diesen arroganten Schnösel Bjarne viel zu gut gewesen. Die war ein nettes und fleißiges junges Ding. So eine wie die Hilla würde schon noch etwas Besseres finden als dieses verzogene Söhnlein aus gutem Hause.

Annemarie weinte wieder. Vermutlich, weil das Unglück der jungen Frau sie an ihr eigenes von damals erinnerte. Weil den Bjarne Hensen, da war Martin sich sicher, hatte Annemarie ebenso wenig leiden können wie den Rest der reichen Reederfamilie.

Martin kam sich in Momenten wie diesen immer ziemlich hilflos vor. Gerne würde er Annemarie aufheitern. Doch wie? Wenn Bjarne tatsächlich ertrunken war, dann konnte dies auch ein Martin von Schlechtinger nicht ändern. Futsch war futsch. Einen Moment überlegte er, ihr einen Witz zu erzählen, verwarf aber auch diesen Gedanken schnell wieder.

Es war so, wie es war. Das Leben würde für ihn und Annemarie weitergehen wie bisher. Seine bessere Hälfte würde sich früher oder später wieder beruhigen. Im Grunde betraf sie das doch alles auch gar nicht, da sie mit dem verzogenen Bengel nichts zu tun gehabt hatten.

Annemarie beugte sich vor, griff einen Zettel und reichte ihn Martin.

„Wenn du deinen Kaffee getrunken hast, dann fahr bitte in den Kavalierspad. Das ist wohl ein Wasserhahn undicht“, wies sie ihn an.

„Ja, aber … Anneschatz. Ich kann dich doch so in dem Zustand nit alleine lassen tun“, versuchte er einen Einwand, obgleich er im Grunde froh war, gleich wieder verschwinden zu können. Diese Traurigkeit seiner Gattin nahm ihn doch ziemlich mit.

„Nein, nein. Es geht schon wieder. Fahr du und erledige deine Arbeit“, meinte sie.

„Ja, wenn du dat sagen tust“, antwortete er und ging zurück in die Küche. Während er darauf wartete, dass sein Kaffee fertig wurde, dachte er weiter über das eben Gehörte nach.

„Woher tust du dat mit dem Bjarne eigentlich schon wieder wissen?“, stellte er eine, wie er glaubte, berechtigte Frage. Obwohl seine Gattin fast den gesamten Tag in ihrem Büro verbrachte, war die nämlich immer auf dem Laufenden.

„Von Gina Marie, die war doch mit Jan Martin zu der Hochzeit eingeladen. Gina Marie ist jetzt bei Hilla zu Hause und kümmert sich um sie. Eigentlich hatte das wohl Lotta machen wollen, aber die musste als Inselpolizistin mit Jan Martin zum Hafen radeln. Jan Martin soll im Auftrag der Polizei die anderen Burschen untersuchen“, war Annemarie sogar bestens im Bilde.

„Warum soll der Schwiegerdoktor die Jungens denn untersuchen tun? Sind die auch verletzt worden?“, leuchtete es ihm nicht ein.

„Nein, die Polizei möchte wohl wissen, ob Alkohol oder Drogen im Spiel waren. Die Damen von der Kripo sind wohl ebenfalls schon unterwegs zur Insel. Das muss ja alles genau untersucht werden.“

Martin nahm die Tasse mit seinem Kaffee, goss noch einen ordentlichen Schluck Milch hinein, versenkte vier Würfel Zucker darin und ging zurück ins Büro.

„Nä, nä, nä. Wie tun die Kriponalen denn da draufkommen, dat die Jungens bei einem Junggesellenabschied Alkohol getrunken haben könnten? Da gab dat doch bestimmt nur Tee und Kekse an Bord“, versuchte er jetzt doch einmal einen Witz. Annemarie lachte nicht. Nein, die verdrehte nur irgendwie genervt die Augen. Vielleicht sollte Martin besser zusehen, dass er sich aus dem Staub machte.

Doch bevor er in den Kavalierspad radelte, um den Wasserhahn zu reparieren, würde er noch einen kleinen Abstecher zum Hafen machen, um zu schauen, was dort so vor sich ging. Wie gesagt, er hatte heute ja Zeit. So ein Wasserhahn hatte keine Beine und würde ihm daher nicht weglaufen. Der tropfte von ganz alleine weiter, bis Martin sich dann irgendwann um ihn kümmerte.

Kapitel 2

Samstag, 22. März 2025, 12:22 UhrHafen/Insel Langeoog

Dass Lottas Vorschlag, Hilla nach Hause zu bringen und ihr beizustehen, nicht durchdacht war, hatte Lotta dann doch selbst gemerkt. Es hatte einen Unfall mit vermutlich tödlichem Ausgang gegeben. Da konnte sie als Inselpolizistin nicht ihre Arbeit vernachlässigen und sich um eine Freundin kümmern. Ursachenforschung und Unfallaufnahme gingen da vor. Dienst war Dienst, und Privat hatte da gefälligst hintenanzustehen.

Zum Glück hatte sich Gina Marie bereit erklärt, Hilla zu begleiten und auf sie aufzupassen, damit die keine Dummheiten machte. Jan Martin würde mitgehen, Hilla gegebenenfalls ein Beruhigungsmittel verabreichen und dann zum Hafen nachkommen.

Lotta war, nachdem dies geklärt war, schnell nach Hause geradelt, um in ihre Uniform zu schlüpfen. So viel Ordnung musste sein, und so eine Uniform verlieh nun mal auch Autorität.

Noch auf dem Weg verständigte sie ihren Kollegen Onno. Dieser war aber bereits, von wem auch immer, über alles informiert worden und ebenfalls unterwegs zum Hafen. Neuigkeiten verbreiteten sich auf der Insel zumeist äußerst rasant.

Als Lotta am Hafen ankam, lief die HOPPETOSSE IIIgerade ein. Am Anlegeplatz warteten Onno und der Brautvater Fiete Erichson. Von Jan Martin, dem Doktor, war noch nichts zu sehen.

„Moin Lotta, das ist ja ein schöner Schlamassel“, begrüßte Onno sie und schaute dabei wie drei Tage Schietwetter.

„Na, das kannst du aber mal laut sagen“, erwiderte sie und blickte in Richtung Festland, wo sich, noch ein gutes Stück hinter der HOPPETOSSE, gerade die Fähre der Insel näherte. Wenn sie sich nicht täuschte, war das die Langeoog III.

„Weißt du, wann die beiden Kolleginnen von der Kripo ankommen?“, erkundigte sie sich bei Onno.

„Die Kollegin muss es heißen. Die Wibke kommt nämlich alleine. Die Frau Hauptkommissarin Antje Fischer befindet sich wohl auf einem Lehrgang beim BKA. Die Kripo ist derzeit etwas dünn besetzt in Wittmund. Wenn ich das richtig verstanden habe, müsste die Wibke auf der nächsten Fähre sein“, wusste Onno auch darüber Bescheid.

Lotta war es ganz recht, dass Kriminaloberkommissarin Wibke Friebe die Ermittlungen ohne ihre Chefin Antje Fischer aufnehmen würde. Mit dieser Frau Fischer konnte Lotta nämlich so gar nicht. Weshalb dies so war, könnte Lotta noch nicht einmal sagen. Es war halt so, dass die Chemie zwischen ihnen beiden nicht passte. Mehr gab es da nicht zu sagen.

„Nun ja, viel gibt es ja auch nicht zu ermitteln. Das bekämen wir im Grunde auch noch ohne die Kripo selbst hin“, fand Lotta allerdings.

„Wibke hat gemeint, sie benötigt von jedem der vier Herren an Bord des Unglücksschiffes eine Blutprobe“, sagte Onno.

„Ist das nicht total übertrieben? Wenn von den Kerlen keiner etwas mitbekommen hat, waren die doch vermutlich alle unter Deck, als Bjarne über Bord gegangen ist. Weshalb ich mal davon ausgehe, dass er am Ruder stand und somit auch hätte nüchtern bleiben müssen. Solange die anderen das Schiff nicht gesteuert haben, konnten die doch trinken, so viel sie wollten“, überlegte sie laut.

„Wenn er am Ruder stand. Das wissen wir doch noch gar nicht wirklich. Diese vier Burschen können viel erzählen. Die Kripo möchte, dass wir alles dokumentieren, damit sie die Unglücksnacht im Anschluss Stück für Stück rekonstruieren können. Dazu gehört bei Verdacht auf Fahren unter Alkoholeinfluss auch eine Blutprobe. Da kann doch wer weiß was auf See passiert sein. Wir waren ja nicht dabei, und diese Kerle könnten uns doch die Taschen volllügen, bis sich die Balken biegen“, wandte Onno ein, der wie immer hinter allem ein Verbrechen sah.

Lotta war es schon klar, dass sie die vier Männer einzeln befragen mussten. Doch man musste es auch nicht gleich übertreiben und alles zu genau nehmen. Im Grunde waren die vier Überlebenden ja auch ebenfalls Opfer. Was musste es für ein Schock gewesen sein, als die merkten, dass Bjarne nicht mehr da war. Immerhin waren die vier ja Freunde, und Niklas Hensen war sogar der Bruder des Vermissten.

Wenn sie sich vorstellte, dass einer ihrer Freundinnen oder gar ihrer Schwester so etwas zustoßen würde … nein, daran wollte Lotta gar nicht denken. Wobei das mit der Schwester jetzt eher hypothetisch zu sehen war, da Lotta als Einzelkind keine Geschwister hatte. Aber mal egal. Wenn, dann wäre das schon schlimm.

„Vielleicht ist der Bjarne Hensen gar nicht von alleine über Bord gegangen. Vielleicht hat da ja auch einer nachgeholfen“, sprach Onno es nun auch noch laut aus.

„Quatsch. Was sollten die anderen denn für ein Motiv haben? Die waren doch best friends“, erwiderte Lotta.

„Na ja. Waren sie das wirklich? Das ist nämlich ein schöner Freund, der einem anderen die Frau ausspannt“, schnaufte Onno.

Lotta wusste natürlich, was er meinte. Die Hilla war nämlich, bevor sie sich mit Bjarne verlobte, jahrelang mit dessen Kumpel Bente Eilers zusammen gewesen, der ebenfalls bei dem Junggesellenabschied dabei gewesen war.

„Quatsch, Onno. So etwas würde der Bente doch niemals tun“, nahm Lotta den jungen Mann sogleich in Schutz. Sie kannte Bente ebenfalls, seit sie hier auf der Insel war. Ein ruhiger, sehr netter junger Mann, der in den letzten Jahren als Kellner in verschiedenen Gastronomiebetrieben auf der Insel gearbeitet hatte und derzeit, wie viele Angestellte aus der Gastronomie, auf die nächste Saison wartete.

„Mit seinem Bruder ist der Bjarne ja auch schon aneinandergeraten. Die haben sich doch sogar letztes Jahr im Herbst mal in der Düne 13 geprügelt“, legte Onno nach.

„Quatsch. Das war doch nur so ein bisschen Gerangel. Das passiert unter Geschwistern schon mal“, tat Lotta auch dies ab.

„Und der Jasper Erichson fand das auch nicht so toll, dass der Bjarne seine Schwester heiraten wollte. Das hat er mir und Martin letztens noch bei einem Bier in der Kappstube erzählt. Der Bjarne wäre nicht der Richtige, und die Hilla hätte besser daran getan, mit Bente zusammenzubleiben“, hatte Onno auch zu dem dritten Teilnehmer des Segeltörns ein Motiv parat. Wobei dies ja nicht wirklich ein Grund war, einen Menschen zu töten. Nur weil man den neuen Schwager nicht leiden konnte, schubste man den ja nicht ins Meer und ließ ihn ertrinken. Oder etwa doch?

„Und? Was hast du an dem vierten Mann, diesem Schröder, auszusetzen?“, fragte Lotta da doch direkt mal nach.

„Keine Ahnung. Den kenne ich gar nicht. Der ist ja nicht von hier. Der sieht aber schon irgendwie verschlagen aus“, antwortete Onno und sah starr zu dem alten Segelschiff, das sich nur noch einen Steinwurf vom Anleger entfernt befand.

Am Ruder der HOPPETOSSE erkannte Lotta Niklas Hensen. Direkt bei ihm stand dieser Schröder. Die beiden Insulaner Jasper und Bente befanden sich jeder mit einer Leine in der Hand an der hölzernen Reling des wunderschönen Seglers aus den Dreißigerjahren.

Krischan hatte Lotta erklärt, dass es sich um einen sogenannten Gaffelkutter handelte. Der Begriff hatte irgendetwas mit der Führung des Großsegels zu tun. Aber so genau hatte Lotta sich das nicht merken können. Die HOPPETOSSE III war auf alle Fälle nicht größer als der alte Krabbenkutter von Krischan. Dennoch unterschieden sich die beiden Schiffe gewaltig.

Die ANNE II war in großen Teilen aus Eisen gebaut, die HOPPETOSSE III komplett aus Holz. Dafür hätten die damals wohl einige dicke Eichen fällen müssen, hatte Krischan gemeint. Einen Motor, da war sich Lotta in diesem Moment sicher, besaßen wohl beide Schiffe. Ein Segel nur die HOPPETOSSE III. Gehisst war es gerade nicht. Das Schiff bewegte sich derzeit ausschließlich durch Motorkraft. Dies hörte man nicht nur, sondern roch man auch, da gerade eine Wolke Dieselabgase von dem Segler herüberwehte. Ein weiterer großer Unterschied zur Anne II war die luxuriöse Ausstattung. Die HOPPETOSSE III verfügte über insgesamt drei geräumige und äußerst schicke Kabinen mit insgesamt zwölf Kojen.

Jasper und Bente warfen nun nacheinander die Leinen zur Mole, die der alte Fiete geschickt auffing und um die Poller legte.

Der Erste, der von Bord ging, war Hillas Bruder Jasper. Ihm folgte Bente, der Ex-Freund der Braut und gleichzeitig beste Kumpel von Jasper. Die beiden kannten sich bereits seit ihrer Geburt. Die waren ganz dicke miteinander. Als Letztes verließen Schröder und Niklas Hensen das Schiff.

Lotta beobachtete die vier genau. Wirklich frisch und ausgeruht sahen die Kerls alle nicht aus. Da war sie dann doch mal gespannt auf die Blutprobe.

Wo Doktor Jan Martin Bechersheim bloß blieb?

Hinter sich hörte Lotta das Quietschen von Fahrradbremsen, das mitnichten von dem neuen E-Bike des Doktors stammen konnte.

„Was machst du denn hier?“, entfuhr es ihr, als direkt neben ihr Martin von Schlechtinger mit seinem klapprigen rot-weißen Drahtesel zum Stehen kam.

„Ich? Nix! Dat Lumpi und ich sind hier gerade nur zufällig vorbeigekommen und wollten uns mal dat schöne alte Segelschiff angucken tun“, log der Kölner ziemlich eindeutig.

Lotta verdrehte genervt die Augen, ließ Martin stehen und ging zu Jasper. Den kannte sie von den vieren am besten. Ihn würde sie zuerst befragen.

„Moin Lotta … schöne Scheiße ist das“, begrüßte der sie mürrisch und trat einen Kieselstein weg.

„Also, ich sage nichts ohne den Anwalt meiner Familie. Er und mein Vater müssten gleich hier sein“, hörte sie Niklas Hensen, dem sich Onno mit ernster Miene genähert hatte, unfreundlich sagen.

„Darf ich Sie fragen, warum Sie ohne einen Anwalt nicht reden möchten? Haben Sie etwas zu verbergen?“, donnerte Onno ihm entgegen.

Lotta und Onno waren nun seit neun Jahren ein Team. Sie kannte den Kollegen genau und wusste, wie er tickte. Onno war eine Seele von einem Menschen. Doch wehe dem, der ihn ärgerte. Wenn Onno der Hals schwoll, dann sollte man besser in Deckung gehen.

„Das sage ich ebenfalls nicht ohne meinen Anwalt. Wie gesagt, mein Vater und der Advokat unserer Familie sind bereits auf dem Weg. So lange müssen Sie sich gedulden“, erwiderte der Schnösel, ließ Onno links liegen und ging, gefolgt von Schröder, in Richtung Haltestelle Inselbahn.

Wie es aussah, wollte der sich gerade aus dem Staub machen.

„Stopp! Sofort stehen bleiben! Niemand entfernt sich, bevor wir es nicht sagen“, wurde Onno nun noch einen Ticken lauter.

„Ach, leck mich. Du Bulle hast mir gar nichts zu sagen“, antwortete Niklas Hensen barsch und starrte Onno wütend an.

„Hat der Kollege wohl. Wir sind hier die Polizei und müssen den Unfall Ihres Bruders aufklären“, mischte Lotta sich nun ein.

„Ach ja? Müsst ihr das? Was gibt es denn da noch aufzuklären? Mein Bruder ist ertrunken, und ihr zwei Clowns wollt mir jetzt auf den Sack gehen? Ich geh jetzt erst einmal duschen und mich umziehen. Bis dahin sollten mein Vater und unser Anwalt vor Ort sein“, antwortete er patzig und setzte seinen Weg fort.

Lotta sprintete los und packte ihn am Arm.

„Ich habe gesagt, Sie bleiben hier“, zischte sie.

„Fass mich nicht an oder …“, drohte er ihr und riss sich los.

„Oder was?“, fragte sie und stellte sich ihm in den Weg.

Seine Hand schnellte blitzschnell nach vorne, um Lotta wegzustoßen. Lotta ergriff sie, drehte sie um, und bevor Niklas Hensen sich versah, lag er bäuchlings auf dem Boden. Gekonnt nahm sie die Handschellen vom Gürtel und ließ sie zuschnappen. Niklas schrie und tobte, während sie ihn weiter im Schwitzkasten hielt. Im Augenwinkel bemerkte sie, dass Schröder sich ihr von der Seite näherte.

Doch bevor der Lotta erreichte, schob Onno sich zwischen sie und den langen Lulatsch.

„Stehen bleiben, mein Herr“, sagte er scharf und hielt nun auch seine Handschellen in den Händen. Der Anblick der silbernen Metallfesseln reichte aus. Mit einem blöden Grinsen und einer beschwichtigenden Geste trat Schröder einen Schritt zurück.

„Das wird dir blöder Schlampe leidtun. Das ist Körperverletzung“, keuchte Niklas Hensen.

„Nein, das ist Durchsetzung von unmittelbarem Zwang gemäß Paragraf 69 NPOG. Der Kollege und ich haben Sie mehrfach aufgefordert, sich nicht vom Platz zu entfernen. Als ich Sie aufhalten wollte, haben Sie mich angegriffen. Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte Paragraf 113 StGB“, klärte sie ihn auf und blickte dann in Richtung Fähranleger, wo gerade die Langeoog III festmachte. Hoffentlich war Wibke mit an Bord. So langsam hatte Lotta nämlich doch das Gefühl, die Sache könnte ihr entgleiten. Auch war sie nach dem Auftritt von Niklas Hensen gerade nicht mehr wirklich von der Unfalltheorie überzeugt. So wie der, benahm sich niemand, der nichts zu verbergen hatte. Irgendetwas war hier im Argen.

Wibke Friebe verließ die Fähre noch vor den anderen Passagieren. Ja, so ein Dienstausweis der Kriminalpolizei brachte schon gewisse Vorteile. Schnellen Schrittes eilte sie zu dem Traditionssegler, der etwa einhundert Meter weiter direkt neben der ANNE II festgemacht hatte.

„Wibke, du musst sofort nach Langeoog fahren“, hatte ihr Chef ihr heute Morgen am Telefon gesagt, nachdem er sie an ihrem freien Wochenende aus den Federn geklingelt hatte. Noch bevor er ihr genauer berichtete, um was es überhaupt ging, hatte sie sich bereits gefreut. Ermittlungen auf einer der Inseln waren immer etwas Besonderes. Dafür arbeitete sie doch gerne am Wochenende.

Wibke liebte die ostfriesischen Inseln. Doof war nur, dass, wenn sie dort ermitteln durfte, zuvor jemand dafür ins Gras beißen musste. Aber das war nun einmal der Lauf der Dinge. Menschen starben, und andere mussten dann klären, an was und/oder warum sie gestorben waren.

Nur in den seltensten Fällen brauchte es dafür die Kriminalpolizei. Nein, die meisten Menschen starben nämlich auf eine ganz natürliche Art und Weise.

Heute ging es auf den ersten Blick noch nicht einmal um einen Todesfall. Zumindest offiziell noch nicht. Allerdings schwand die Hoffnung, den verunglückten Segler noch lebend zu finden, mit jeder Minute. Nach ersten Einschätzungen war Bjarne Hensen, so hieß der junge Mann, irgendwann zwischen Mitternacht und sieben Uhr in der Früh über Bord gegangen. Eine, wie sie fand, sehr vage Angabe, die bereits eine erste Frage aufwarf. Warum hatte vorher niemand etwas bemerkt? Hatten die etwa alle außer dem Verunglückten tief und fest geschlafen?

Der Notruf war um sieben Uhr zweiundvierzig eingegangen. Die mögliche Überlebenszeit bei vier Grad Wassertemperatur lag laut dem Kollegen von der Küstenwache bei dreißig bis neunzig Minuten. Selbst mit einem Trockenanzug, wie einige Segler ihn mit sich führten, standen die Chancen nach nun sechs bis zwölf Stunden eher schlecht. Hinzu kam, dass man nicht nur nicht wusste, wann Bjarne Hensen über Bord gegangen war, sondern auch nicht, wo genau. Das Schiff hatte nämlich nicht vor Anker gelegen, sondern war gefahren oder zumindest mit der Strömung getrieben. Der alte Kahn konnte in dem genannten Zeitfenster wer weiß wo getrieben haben. Ergo war das zu durchsuchende Gebiet riesig. Dies warf eine weitere Frage auf, die es noch zu klären gab. War der Motor an oder aus, als das Verschwinden des Unglückseligen bemerkt wurde?

Die Ermittlungen in dem Fall würden, wenn man Bjarne weder tot noch lebend fand, schwierig, und die Chancen standen schlecht. Nur in den wenigsten Fällen wurden Vermisste in der See wiedergefunden. Die Strömungen konnten ihn bereits etliche Kilometer abgetrieben haben. Falls er keine Schwimmweste getragen hatte und daher versunken war, sah es noch übler aus. Nicht alle Leichen kamen wieder zurück an die Oberfläche. Sank so ein toter Körper auf den Meeresgrund, gab es dort dann eine Reihe von Interessenten für so einen Leckerbissen. In der Natur wurde Nahrung nur selten verschwendet. Abnehmer fanden sich immer. Ein ewiger Kreislauf. Fressen und gefressen werden.

Als Wibke zum Schiff kam, staunte sie nicht schlecht. Ein Mann in einer dieser typischen roten Seglerjacken lag mit Handschellen gefesselt auf dem Boden. Bei ihm Polizeimeisterin Lotta Dönges, die dem schimpfenden Kerl gerade auf die Beine half.

„Moin allerseits“, grüßte Wibke und wandte sich dann direkt an Lotta.

„Sag mal, Lotta, was habe ich denn hier gerade verpasst?“

Martin von Schlechtinger würde Lotta auf maximal eins sechzig schätzen und als von eher zierlicher Statur beschreiben. Doch wehe dem Kerl, der sich mit ihr anlegte.

Nur die wenigsten wussten, dass Lotta, bevor sie auf die Insel kam, sehr erfolgreich Kampfsport betrieben hatte. Die war sogar mehrfach bei den deutschen Meisterschaften im Taekwondo angetreten und besaß aus dieser Zeit noch einige Medaillen und Pokale.

Martin hatte sich ein Grinsen nicht verkneifen können, als die kleine Polizistin diesen Schnösel Niklas Hensen aufs Kreuz legte.

Lumpi hatte das weniger gefallen. Die Hündin mochte es so gar nicht, wenn Menschen sich zankten oder prügelten. Martin war deshalb etwas auf Abstand zum Geschehen gegangen.

Dummerweise konnte er hier, wo er nun stand, nicht mehr alles verstehen, was gesprochen wurde.

Martins Schwiegersohn, der Doktor Jan Martin Bechersheim, war nun zu der Gruppe gestoßen. Würde der den Jungs jetzt tatsächlich Blut abzapfen müssen?

Vom Festland her vernahm Martin das Knattern eines Hubschraubers, der nur Sekunden später in geringer Höhe und mit einem Affenzahn über ihn hinweg in Richtung Inselflugplatz donnerte. Es handelte sich bei dem Fluggerät aber weder um einen Heli der Polizei noch um den des Rettungsdienstes. Die kannte Martin nämlich, da sie des Öfteren schon auf der Insel gelandet waren.

Der glänzend blaue Helikopter setzte zur Landung an und verschwand schließlich hinter dem Deich, da, wo sich der Inselflugplatz befand.

Als Martin sich wieder der kleinen Gruppe an der HOPPETOSSE III zuwandte, hatte diese sich bereits in Bewegung gesetzt. Er sah, wie Lotta im Gehen Niklas Hensen die Handschellen abnahm. Der schien sich zum Glück nun auch wieder ein wenig beruhigt zu haben.

Martin konnte den arroganten Kerl genauso wenig leiden wie dessen vermissten Bruder und den Rest seiner Sippschaft. Die gehörten ohne Ausnahmen zu der Sorte Menschen, die sich für etwas Besseres hielten, nur weil sie Kohle besaßen. Die Hensens waren Millionäre und machten auch keinen Hehl daraus. Martins Frau Annemarie besaß in ihrer Kundschaft einige sehr betuchte Menschen. Darunter solche Aufschneider wie die Familie Hensen, aber auch einige, die es sich nicht anmerken ließen, wie reich sie tatsächlich waren. Diese Leute waren Martin wesentlich sympathischer. Die beiden Brüder Niklas und Bjarne hatten noch nie in ihrem Leben etwas Ordentliches gearbeitet und taten dennoch, als wären sie die großen Zampanos. Nun gut, so wie es gerade aussah, würde Bjarne nie wieder etwas arbeiten müssen. Tote brauchten keinen Job mehr. Martins Mitleid mit dem Kerl hielt sich wie bereits erwähnt in Grenzen.

Gerade stellte er sich allerdings die Frage, wo die wohl alle hinwollten? Es schien, als steuerte die Gruppe geradewegs auf das Häuschen der DGzRS zu. Was bei näherer Betrachtung auch logisch erschien. Die benötigten irgendeine Räumlichkeit, damit der Doktor die vier Überlebenden untersuchen konnte. Hier im Freien, direkt an der Kaimauer, wo gerade Hunderte von Menschen von der Fähre zur Inselbahn schlurften, konnte der Schwiegerdoktor den vieren unmöglich Blut abzapfen. Nein, so etwas musste und wollte bestimmt nicht jeder mitbekommen. Martin machte der Anblick von Blut und Spritzen nichts aus. Da konnte er zusehen, ohne mit der Wimper zu zucken. Schlimm wurde es nur, wenn es ihm selbst mal an die Adern ging. Da schloss er dann doch lieber die Augen und biss die Zähne aufeinander. Wobei er jetzt kein Weichei war. Nein, das bestimmt nicht.

Er drehte sich um und wagte einen Blick auf die Passagiere. Einige Insulaner und Stammgäste kannte er vom Sehen.

Unwillkürlich musste er daran denken, wie es gewesen war, als er damals zum ersten Mal das Fährschiff verließ und die wenigen Meter zur Bahn ging. Sein letztes Geld war für die Fahrkarte zur Insel draufgegangen. Die erste Nacht musste er daher wie ein Tippelbruder in einem aufgebrochenen Strandkorb am Strand verbringen. Es war ihm wahrlich schlecht gegangen zu der Zeit. Nicht im Traum hätte er damals gedacht, dass er hier auf der Insel bleiben und sein Glück finden würde. Doch nun war er hier, und so schnell würde man ihn auch nicht mehr loswerden. Langeoog war Martins Zuhause geworden. Nicht nur, weil es hier so schön war, sondern weil hier all die Menschen lebten, die er mochte.

„Lumpi, ich denke, hier gibt dat nix mehr zu sehen für uns. Dat wird Zick, dat mir uns mal wieder auf den Weg machen tun“, erklärte er dem Hund und deutete auf das Fahrrad mit dem Anhänger hintendran. Wie fast immer gehorchte die kluge Hündin sofort. Mit einem Satz hopste sie in den Transportanhänger, drehte sich einmal und ließ sich dann auf ihre Hundedecke zwischen den Werkzeugkisten plumpsen.

Martin stieg aufs Rad und fuhr los. Kurz vor dem Dorf, in Höhe des Bolzplatzes an der Reithalle, kamen ihm drei Gestalten entgegen. Hensen senior nebst Gattin und einem unbekannten Herrn in einem Anzug. Der Heli von vorhin kam Martin wieder in den Sinn. Der musste die feinen Hamburger Pinkel abgesetzt haben.

„Moin“, grüßte er brav, als er die drei passierte, vernahm aber keinen Gruß zurück. Lediglich der Fremde deutete ein Kopfnicken an.

So etwas ging gar nicht. Was hatten die wohl für eine Erziehung genossen, dass die noch nicht einmal die Tageszeit kannten? Es war doch nicht schwer, anderen Menschen einen guten Morgen, guten Abend oder schönen Tag zu wünschen. Und hier in Ostfriesland war es sogar noch einfacher. Ein einfaches „Moin“ reichte hier zu jeder Tageszeit aus.

Martin verlangsamte seine Fahrt, drehte sich um und sah den dreien hinterher. Hensen würde Martin auf um die siebzig schätzen. Sie auf maximal dreißig, eher sogar noch um einiges jünger. Wobei er sich da aber nicht sicher war. Das Alter so mancher Frau war ja bekanntlich ein Mysterium. Da wusste Mann nie, wo man dran war. Um es genauer einzuschätzen, müsste man die Dame dann nämlich mal ohne ihre viele Schminke betrachten. So eine Gesichtsbemalung retuschierte ja doch die eine oder andere Altersmacke. Das war wie bei alten Autos. Vor dem Lackieren sahen die zumeist auch nicht so gut aus. Doch kaum war da eine dicke Schicht Spachtel und Lack über Dellen und Rost aufgetragen, strahlten die wieder wie Neuwagen.

Von Annemarie wusste Martin, dass es sich bei Gloria Hensen um die dritte Ehefrau des Reeders handelte. Die Söhne stammten wohl aus Ehe eins. Außer den beiden gab es noch eine Tochter, die Martin aber noch nie gesehen hatte. Die lebte angeblich in England oder sonst wo auf der Welt.

Einer Eingebung folgend bog Martin nach rechts in den Weg zum Flugplatz ab. Technik hatte ihn schon immer begeistert. Egal ob alte Autos, Schiffe, Diesellokomotiven oder Flugzeuge. Martin hatte in seinem Leben an fast schon all diesen Fortbewegungsmitteln herumgeschraubt. Erst neulich hatte er seinem Schwiegersohn geholfen, dessen Cessna zu warten. An einem Helikopter durfte er bisher noch nie Hand anlegen. Er würde also die Gelegenheit nutzen und sich den Hubschrauber der Hensens zumindest einmal näher ansehen. Man musste ja nicht gleich alles auseinanderbauen. Gucken reichte vollkommen aus.

Bei dem Heli, der am Rande des Flugfeldes abgestellt war, entdeckte Martin eine junge Dame in einem passend zum Fluggerät dunkelblauen Overall, der ihr zugegebenermaßen recht gut stand. Sie lehnte lässig an der offenen Tür der Maschine, zog an einer Zigarette und blies den Rauch in den diesigen Himmel.

Martin überlegte, was die hübsche Blonde wohl für eine Funktion innehatte. Bisher hatte er noch nie davon gehört, dass es in Helikoptern eine Stewardess gab. Einen Piloten entdeckte er aber gerade auch nirgends.

Vielleicht flogen der Herr Hensen oder dessen Anwalt den Vogel selbst, und die junge Dame passte nun, während die Hensens am Hafen waren, auf das sicherlich sehr teure Gerät auf. Dass die selbst bereits eine Pilotin war, konnte er sich nicht vorstellen, da die ja fast noch ein Kind war.

„Moin Fräulein. Dat ist aber eine wirklich hübsche Maschine, auf die Sie da aufpassen tun. Is dat Ihre?“, quatschte Martin das Mädchen, das bestimmt noch einige Jahre jünger als sein Sohn Kevin war, einfach mal an.

Das junge Ding lächelte und winkte lässig ab.

„Nein. Das ist nicht meine. Die Bell gehört meinem Chef. Ich darf damit nur fliegen“, antwortete sie.

„Wie? Sie tun dat Mordsgerät fliegen tun? Alle Achtung, Fräulein“, war er nun doch verwundert.

Sie nickte, grinste breit und musterte ihn interessiert.

„Darf man denn fragen, wem dat gute Stück gehören tut? Das hab ich hier auf dem Platz nämlich noch nie gesehen“, tat Martin verwundert und schob damit direkt noch eine Frage hinterher.

„Der gehört der Firma, für die ich arbeite. Die Heli-Charter-Hamburg GmbH“, gab sie bereitwillig Auskunft.

„Aha. Den Vogel kann man inklusive Ihnen als Pilotin also mieten tun“, verstand er.

„Jepp. Genauso ist das“, bestätigte sie.

„Darf man fragen, wat so wat kosten tut?“, war Martin neugierig und trat einen Schritt näher, um einen Blick ins Innere der Maschine zu wagen, in der es von Schaltern und Instrumenten nur so wimmelte.

„Klar, darf man. Das ist gar nicht so teuer, wie die Leute immer meinen. Mit zwanzig Euro sind Sie schon dabei.“

„Aber doch nit pro Stunde?“, musste Martin nun einfach noch einmal nachhaken, da er sich dies nicht vorstellen konnte.

Die Pilotin lachte.

„Nein. Pro Minute.“

„Wat? Zwanzig Euro? Für eine Minute mit dem Hubschrauber? Dat sind ja zwölfhundert Euro pro Stunde“, überschlug er blitzschnell.

Dass so ein Flug so teuer war, hätte er jetzt nicht gedacht. Obwohl, wenn er so darüber nachdachte, könnte das schon sein. Arbeitszeiten mit erheblichem Materialeinsatz waren in keiner Branche günstig. Wer kannte das besser als Martin? Als ehemals selbstständiger Handwerksmeister wusste er natürlich, wie sich solche Preise zusammensetzten. Da waren ja nicht nur das Gehalt der Pilotin, sondern auch die Anschaffungs- und Wartungskosten für das teure Fluggerät. Außerdem war so ein Hubschraubermotor sicherlich sehr durstig und verbrauchte Unmengen an Sprit. Kein Vergleich zu den Ford Transit, von denen er seinerzeit gleich vier Stück in seiner Flotte besessen und hatte unterhalten müssen.

„Das haben Sie aber jetzt sehr schnell ausgerechnet“, wunderte sich derweil die Pilotin.

„Ja, wat denken Sie denn? Ich war früher vorsitzender Innungsmeister von den Kölner Heizungsbauern und selbstständiger Unternehmer in der Sanitärbranche. Da muss man schon fix rechnen können“, antwortete er, zog sein Portemonnaie aus der Latztasche seiner Arbeitshose, entnahm diesem die zwei Fünfziger, die er gestern erst eingesteckt hatte, und hielt sie der jungen Dame hin.

„Fräulein, ich würde Sie gerne buchen tun. Hundert Euro müssten ja dann für eine Fünf-Minuten-Runde über die Insel reichen?“, fragte er nun einmal ganz dreist nach. Ja, so ein Flug mit dem schicken Heli wäre ihm schon einen Hunderter wert. Man gönnte sich ja sonst nichts.

„Ähm … wie bitte?“, schien die nicht zu verstehen.

„Ja, ich würde Sie gerne buchen tun“, erklärte er ihr und hielt ihr die Scheine direkt unter die Nase.

„Jetzt?“

„Ja, natürlich jetzt. So jung kommen mir zwei Hübschen nit mehr zusammen“, bekräftigte er sein Vorhaben und schien damit bei ihr einen Denkprozess ausgelöst zu haben.

Ihr Blick ruhte dabei auf dem Geld. Dann schaute sie sich suchend um. Martin folgte ihrem Blick. Außer ihnen beiden war niemand auf dem Flugfeld zu sehen.

„Na gut. Ist allemal besser, als hier doof rumzustehen“, beschloss sie, drückte ihre Zigarette in einem dieser kleinen Taschenaschenbecher aus und zog die Fünfziger aus Martins Hand.

„Steigen Sie auf der anderen Seite vorne ein“, erklärte sie und kletterte dann flink in das Cockpit.

„Eine Sekunde, Fräulein Kapitän, ich bin gleich bei Ihnen. Ich muss nur noch dat Lumpi holen tun. Dat will nämlich auch mitfliegen“, antwortete er und rief dann den Vierbeiner zu sich.

Kapitel 3

Samstag, 22. März 2025, 13:45 UhrHafen/Insel Langeoog

Die Entnahme der Blutprobe bei den vier Seglern ging Jan Martin Bechersheim fix von der Hand. Die Herrschaften hatten allesamt gute Venen, und er war, was diese Arbeit betraf, sehr routiniert.

Jan Martin war gerade dabei, dem letzten der vier die Nadel zu setzen, als die Tür des Waschraums der DGzRS aufflog und ein wütender Herr, den er um einiges jenseits des Renteneintrittsalters schätzte, hereinplatze.

„Was gibt das denn hier? Das ist ja wohl das Allerletzte! Mein Sohn Bjarne kämpft da draußen auf See um sein Leben, und Sie schikanieren hier seinen Bruder und dessen Freunde?“, brüllte der Mann mit hochrotem Kopf ihn an.

„Das hat alles seine Richtigkeit, Herr Hensen. Mein Name ist Kriminaloberkommissarin Friebe. Ich leite die Ermittlungen“, schaltete Wibke Friebe sich ein, während Jan Martin mit seiner Arbeit fortfuhr.

Bente Eilers stöhnte kurz auf, als die Nadel seine Haut durchstach und genau dort landete, wo sie auch sein sollte. Bis auf Niklas Hensen, den Bruder des Verunglückten, hatte keiner der Burschen rumgezickt. Nein, alle hatten sie brav ihre Ärmel hochgekrempelt und Jan Martin gewähren lassen. Niklas hatte ihn erst rangelassen, nachdem die anwesenden Polizistinnen ihm damit drohten, ihn in den Schwitzkasten zu nehmen.

Polizeimeister Onno Feddersen hielt sich während der ganzen Prozedur im Hintergrund. Der ältere Polizist stand am Fenster und sah hinaus, als gingen ihn die Geschehnisse im Raum nichts an. Der Grund, warum er dies tat, war Jan Martin als Onnos Hausarzt bekannt. Der Polizist konnte weder Blut noch Injektionsnadeln gut sehen. Vielleicht lag es daran, dass Onno im Gegensatz zu den vier jungen Kerls hier sehr schlechte Venen besaß. Ihm einen Zugang zu legen, war jedes Mal ein Drama und für den Patienten daher auch ziemlich schmerzhaft. Dennoch kam der Polizist wegen seines Diabetes seit anderthalb Jahren regelmäßig alle drei Monate in Jan Martins Praxis und ließ die Prozedur brav über sich ergehen. Dabei sah er dann ebenfalls immer stur aus dem Fenster und verzog das Gesicht wie drei Tage Schietwetter.

Während Jan Martin nach dem Probenröhrchen griff, sah er kurz zu den anderen beiden Personen, die mit dem Alten den Raum betreten hatten. Die Frau war eines dieser Püppchen, wie man sie regelmäßig in der Klinik seines Vaters antraf. Weder die Brüste noch das Gesicht wirkten auf Jan Martin natürlich. Da hatte mit Sicherheit schon einmal ein Kollege Hand angelegt. Solche Dinge erkannte er als Sohn eines der bestgebuchten Schönheitschirurgen des Rheinlandes sofort. Der Anblick der Kunstpuppe bestätigte ihn wieder in seinem Entschluss, dem Drängen seines Herrn Papa nicht nachgekommen zu sein. Nein, Jan Martin wollte an dieser Sorte Menschen weder herumschneiden noch überhaupt etwas mit solchen Leuten zu tun haben. Natürlich würde er als Chefarzt in der Klinik in Düsseldorf ein Vielfaches von dem verdienen, was er als Inselarzt bekam. Aber Geld war nun mal nicht alles im Leben. Ihm und seiner kleinen Familie ging es gut. Nicht nur finanziell. Nein, Jan Martin hatte, seit er auf der Insel lebte, zum ersten Mal in seinem Leben das Gefühl, irgendwo angekommen zu sein. Er hatte eine tolle Frau an seiner Seite, zwei bezaubernde Kinder, sie wohnten in einem wunderschönen Haus auf einer der herrlichsten Inseln, die man sich vorstellen konnte. Wer brauchte da eine Düsseldorfer Schönheitsklinik? Niemand!

Das Alter der Dame würde er auf um die dreißig schätzen. Viel älter auf keinen Fall. Sie machte einen gelassenen, eher gelangweilten Eindruck auf ihn, während man dem Senior die Anspannung deutlich anmerken konnte. Der Typ stand unter Stress, sein Kopf war hochrot und die Adern an seinem Hals deutlich auszumachen. Der alte Hensen befand sich kurz vor der Explosion. Blieb nur zu hoffen, dass der keine Probleme mit dem Herzen besaß. Ansonsten könnte es gut sein, dass Jan Martin sich gleich auch noch um ihn kümmern müsste.

„Könnte ich bitte den richterlichen Beschluss für die Entnahme der Blutproben sehen?“, forderte der Kerl im Anzug nun Kriminaloberkommissarin Wibke Friebe in ruhigem, aber recht emotionslosem Ton auf.

Jan Martin musste unweigerlich lächeln. Hatte er es sich doch gedacht, dass der Mann ein Anwalt war. Auch diese Klientel kannte er aus dem Dunstkreis seines Elternhauses zur Genüge.

Wibke zückte ihr Smartphone, wischte darauf herum und hielt es ihm dann hin.

„Reicht es Ihnen in digitaler Form? Ansonsten kann ich Ihnen das Dokument auch gerne faxen lassen, damit Sie es auf Papier haben“, antwortete sie und klang dabei irgendwie überlegen.

Der Advokat betrachtete kurz das Display.

„Nein, das reicht mir fürs Erste. Es scheint wohl alles seine Richtigkeit zu haben. Dennoch erklärt es nicht, warum Sie meine Mandanten wie Verbrecher behandeln. Die vier Herren werden selbstverständlich von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen und zu den von Ihnen vorgebrachten Beschuldigungen nichts sagen, bevor ich mich nicht mit ihnen beraten konnte“, erklärte er für Jan Martins Geschmack eindeutig ein bisschen zu hochnäsig.

„Quatsch, was soll denn der Mist? Erstens haben wir nichts verbrochen. Zweitens kann ich gut für mich selbst reden. Und drittens lass ich mir von so einem Geschniegelten wie dir schon mal gar nicht den Mund verbieten“, schimpfte Jasper Erichson, der Bruder von Hilla, und wandte sich dann in etwas versöhnlicherem Ton Lotta zu.

„Du, Lotta, ich geh mal eben nach Hause, mich umziehen. Meine Klamotten sind total klamm. Wir sehen uns dann später. Du hast ja meine Nummer.“

Dann griff er seine Mütze vom Tisch, stülpte sie über und schob sich zwischen dem Anwalt und der blonden Frau hindurch zum Ausgang.

„Warte draußen auf mich, ich komm nach, wenn der Doc fertig ist“, rief Bente ihm hinterher, während Jan Martin ihm bereits wieder die Nadel aus dem Arm zog und einen Tupfer darauf drückte.

„Wie kommen Sie darauf, dass wir die Herren irgendeiner Tat bezichtigen?“, erkundigte sich Kriminaloberkommissarin Wibke Friebe derweil direkt bei Vater Hensen und steckte ihr Telefon wieder in ihre Jacke.

„Das fragen Sie noch? Mein Sohn kämpft da draußen ...“, er deutete zum Fenster, durch welches man den Hafen sehen konnte, „…um sein Leben, und Sie veranstalten hier eine Hexenjagd!“, schrie er.

„Herr Hensen, um das klarzustellen: Niemand beschuldigt hier irgendwen irgendeiner Tat. Derzeit gehen wir von einem Unglück aus, von dem wir nicht wissen, wie es dazu gekommen ist. Ihr Sohn Bjarne und mindestens drei der anderen Mitfahrenden sind erfahrene Segler. Da wundert es natürlich, dass einer der Männer über Bord geht und keiner der Anwesenden etwas bemerkt haben will. Um das Ganze möglichst lückenlos aufzuklären, müssen wir wissen, ob Alkohol oder gar Drogen im Spiel waren. Das dürfte doch auch in Ihrem Interesse sein“, mischte Lotta sich ein.

Hensen senior schien kurz zu überlegen und winkte dann ab.

„Ich sage es Ihnen noch einmal: Das, was Sie hier tun, ist Unsinn und pure Zeitverschwendung. Suchen Sie gefälligst meinen Sohn. Und ihr beiden“, er deutete auf Niklas Hensen und dessen Kumpanen Schröder, „ihr sagt kein Wort, welches ihr nicht vorher mit Herrn Doktor Wallner abgesprochen habt“, knurrte er, machte kehrt und verließ dann, gefolgt von der blonden jungen Frau, den Raum.

Der Advokat reichte Wibke eine Visitenkarte.