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Dieses eBook: "Mozarts Briefe" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Wolfgang Amadeus Mozart war zeit seines Lebens ein sehr produktiver Briefeschreiber. Mozart schrieb, beginnend im Jugendalter, während seines Lebens zahlreiche Briefe, die ein Kennenlernen seiner Persönlichkeit und seiner musikalischen Ansichten und Arbeitsweisen ermöglichen und so eine wichtige Forschungsbasis zu Mozarts Leben und Werk liefern. Er schrieb zahlreiche Briefe an Freunde, Bekannte, Vorgesetzte, vor allem aber an seine Familie. Als sein häufigster Briefpartner gilt sein Vater Leopold Mozart. Mozarts Briefe gehören zu seinen wichtigsten außermusikalischen Hinterlassenschaften, da sie seine Reisen, Projekte, Beziehungen, Lebenseinstellung und musikalischen Werke dokumentieren. Die Briefe sind heute Grundlagen verschiedener Mozart-Biographien und Abhandlungen.
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Seitenzahl: 403
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Ausgewählt Korrespondenz (1769 - 1791)
Freundin!
Ich bitte um Verzeihung, daß ich mir die Freiheit nehme, Ihnen mit etlichen Zeilen zu plagen; aber weil Sie gestern sagten, Sie können alle Sachen verstehen, ich mag Ihnen lateinisch herschreiben, was ich will, so hat mich der Vorwitz überwunden, Ihnen allerhand lateinische Worte, Zeilen herzuschreiben. Haben Sie die Güte für mich, daß, wenn Sie selbige Worte aufgeleset, so schicken Sie durch ein Hagenauermensch die Antwort zu mir; dann unser Mandel kann nicht warten. (Aber Sie müssen mir auch mit einem Brief antworten.)
Cuperem scire, de qua causa a quam plurimis adolescentibus otium usque adeo aestimetur, ut ipsi se nec verbis nec verberibus ab hoc sinant abduci.
Mich freut es recht von ganzem Herzen, daß Du bei der Schlittenfahrt, von der Du mir schreibst, Dich so sehr ergötzt hast, und ich wünsche Dir tausend Gelegenheiten zur Ergötzung, damit Du recht lustig Dein Leben zubringen möchtest. Aber eins verdrießt mich, daß Du den Herrn von Mölk so unendlich seufzen und leiden hast lassen und daß Du nicht mit ihm Schlitten gefahren bist, damit er Dich hätte umschmeißen können. Wie viele Schnupftücher wird er nicht denselbigen Tag wegen Deiner gebraucht haben vor Weinen. Er wird zwar vorher schon drei Lot Weinstein eingenommen haben, die ihm die grausame Unreinigkeit seines Leibes, die er besitzt, ausgetrieben haben wird. Neues weiß ich nichts, als daß Herr Gellert, der Poet zu Leipzig, gestorben ist und dann nach seinem Tode keine Poesien mehr gemacht hat. Just ehe ich diesen Brief angefangen habe, habe ich eine Arie aus dem Demetrio verfertigt, welche so anfängt: Misero tu non sei usw.
Da bin ich auch, da habts mich. Du Mariandel, mich freut es recht, daß Du so erschrecklich – lustig gewesen bist. Dem Kindsmensch, der Urserl, sage, daß ich immer meine, ich hätte ihr alle Lieder wieder zurückgestellt, oder allenfalls, ich hätte sie in den wichtigen und hohen Gedanken nach Italien mit mir geschoben, so werde ich nicht ermangeln, wenn ich es finde, es in den Brief hineinzuprägen. Addio, Kinder, lebts wohl. Der Mama küsse ich tausendmal die Hände, und Dir schicke ich hundert Busserln oder Schmatzerln auf Dein wunderbares Pferdegesicht. Per fare il fine, bin ich Dein
Ich bin, Gott Lob und Dank, nebst meiner miserablen Feder gesund und küsse die Mama und die Nannerl tausendoder 1000 mal. Ich wünschte nur, daß meine Schwester zu Rom wäre, dann ihr würde diese Stadt gewiß wohl gefallen, indem die Peterskirche regulär und viele andere Sachen zu Rom regulär sind. Die schönsten Blumen tragen sie jetzt vorbei; den Augenblick sagt es mir der Papa. Ich bin ein Narr, das ist bekannt. O, ich habe eine Not. In unserm Quartier ist nur ein Bett. Das kann die Mama sich leicht einbilden, daß ich bei dem Papa keine Ruhe habe. Ich freue mich auf das neue Quartier. Jetzt habe ich just den heiligen Petrus mit dem Schlüsselamt, den heiligen Paulus mit dem Schwert und den heiligen Lukas mit meiner Schwester usw. usw. abgezeichnet. Ich habe die Ehre gehabt, des heiligen Petrus Fuß zu S. Pietro zu küssen, und weil ich das Unglück habe, so klein zu sein, so hat man mich als den nämlichen alten
Wolfgang Mozart hinaufgehoben.
C.S.M.
Vi prego di scrivermi presto e tutti i giorni di posta. Io vi ringrazio di avermi mandata questi Rechenhistorie, e vi prego, se mai volete avere mal di testa, di mandarmi ancora un poca di questi Künste . Perdonate mi che scrivo si malamente, ma la razione è perchè anche io ebbi un poco mal di testa. Der zwölfte Menuett vom Haydn, den Du mir geschickt hast, gefällt mir recht wohl, und den Baß hast Du unvergleichlich dazu komponiert und ohne mindesten Fehler. Ich bitte Dich, probiere öfter solche Sachen.
Die Mama soll nicht vergessen, die Flinten alle beide putzen zu lassen. Schreibe mir, wie es dem Herrn Kanari geht. Singt er noch? Pfeift er noch? Weißt Du, warum ich auf den Kanari denke? Weil in unserm Vorzimmer einer ist, welcher ein Gseis macht wie unserer. Apropos, der Herr Johannes wird wohl den Gratulationsbrief empfangen haben, den wir haben schreiben wollen. Wenn er ihn aber nicht empfangen hätte, so werde ich ihm schon selbst mündlich sagen zu Salzburg, was darin hätte stehen sollen. Gestern haben wir unsere neuen Kleider angezogen; wir waren schön wie die Engel. An die Nandl meine Empfehlung, und sie soll fleißig für mich beten. Den 30. wird die Oper anfangen, welche der Jomelli komponiert. Die Königin und den König haben wir unter der Messe zu Portici in der Hofkapelle gesehen, und den Vesuvius haben wir auch gesehen. Neapel ist schön, ist aber volkreich wie Wien und Paris. Und von London und Neapel, in der Impertinenz des Volkes weiß ich nicht, ob nicht Neapel London übertrifft, indem hier das Volk, die Lazzaroni, ihren eigenen Oberen oder Haupt haben, welcher alle Monate 25 Ducati d’argento vom König hat, um nur die Lazzaroni in einer Ordnung zu halten. Bei der Oper singt die de’ Amicis. Wir waren bei ihr. Die zweite Oper komponiert Caffaro, die dritte Ciccio di Majo, und die vierte weiß man noch nicht. Gehe fleißig nach Mirabell in die Litaneien und höre das Regina coeli oder das Salve Regina und schlaf gesund und laß Dir nichts Böses träumen. An Herrn von Schiedenhofen meine grausame Empfehlung, tralaliera, tralaliera! Und sage ihm, er soll den Repetitermenuett auf dem Klaviere lernen, damit er ihn nicht vergessen tut. Er soll bald dazu tun, damit er mir die Freude tut machen, daß ich ihm einmal tue akkompagnieren. An alle andere gute Freunde und Freundinnen tue meine Empfehlung machen und tue gesund leben und tue nit sterben, damit Du mir noch kannst einen Brief tun, und ich dir hernach noch einen tue, und dann tun wir immer so fort, bis wir was hinaustun, aber doch bin ich der, der will tun, bis es sich endlich nimmer tun läßt. Indessen will ich tun bleiben
W. M.
Heut raucht der Vesuvius stark. Potz Blitz und kanent aini. Haid homa gfresa beim Herr Doll. Das is a deutscha Kompositör und a browa Mo. Anjetzo beginn ich meinen Lebenslauf zu beschreiben. Alle nove ore, qualche voita anche alle dieci mi sveglio, e poi andiamo fuor di casa e poi pranziamo da un trattore e dopo pranzo scriviamo e poi sortiamo e indi caniamo, ma che cosa? Al giornio di grasso un mezzo pollo ovvero un piccolo pesce; e di poi andiamo a dormire. Est-ce que Vous avez compris? Redma dafir soisburgarisch, don as is gschaida. Wir sand Gottlob gsund, da Voda und i. Ich hoffe, Du wirst Dich auch wohl befinden, wie auch die Mama. Neapel und Rom sind zwei Schlafstädte. A scheni Schrift! Net wohr? Schreibe mir und sei nicht so faul. Altrimente avrete qualche bastonate di me. Quel plaisir! Je te casserei la tête. Ich freue mich schon auf die Portraite, und i bi korios, wias da gleich sieht; wons ma gfoin, so los i mi und den Vodan a so macho. Maidli, laß Da saga, wo bist dan gwesa, he? Die Oper hier ist von Jomelli: sie ist schön, aber zu gescheit und zu altväterisch fürs Theater. Die de’ Amicis singt unvergleichlich, wie auch der Aprile, welcher zu Mailand gesungen hat. Die Tänze sind miserabel pompös. Das Theater ist schön. Der König ist grob neapolitanisch auferzogen und steht in der Oper allezeit auf einem Schemerl, damit er ein bisset größer als die Königin scheint. Die Königin ist schön und höflich, indem sie mich gewiß sechsmal im Molo auf das freundlichste gegrüßt hat.
Ich bin auch noch lebendig, und zwar sehr lustig. Heute kam mir die Lust, auf einem Esel zu reiten, dann in Italien ist es der Brauch, und also habe ich gedacht, ich muß es doch auch probieren. Wir haben die Ehre, mit einem gewissen Dominikaner umzugehen, welcher für heilig gehalten wird. Ich zwar glaube es nicht recht, dann er nimmt zum Frühstück oft eine Tasse Schokolade, gleich darauf ein gutes Glas starken spanischen Wein; und ich habe selbst die Ehre gehabt, mit diesem Heiligen zu speisen, welcher brav Wein und auf die Letzt ein ganzes Glas voll starken Weins bei der Tafel getrunken hat, zwei gute Schnitze Melonen, Pfirsiche, Birnen, fünf Schalen Kaffee, einen ganzen Teller voll Nägeln, zwei volle Teller Milch mit Limonien. Doch dieses könnte er mit Fleiß tun, aber ich glaube nicht, dann es wäre zuviel, und aber er nimmt viele Sachen zur Jausen auf Nachmittag.
Damit ich nicht wider meine Schuldigkeit fehle, so will ich ein paar Worte auch schreiben. Ich bitte mir zu schreiben, in was für Bruderschaften ich bin, und mir selbige dazu notwendige Gebeter zu wissen zu machen. Jetzt lese ich just den Telemach: ich bin schon im zweiten Teil. Inzwischen lebe wohl. Meinen Handkuß an die Mama.
Die sechs Menuetten vom Haydn gefallen mir besser als die ersten zwölf. Wir haben sie der Gräfin oft machen müssen, und wir wünschen, daß wir imstande wären, den deutschen Menuettgusto in Italien einzuführen, indem ihre Menuette bald so lang wie ganze Sinfonien dauern. Verzeihe mir, daß ich so schlecht schreibe; allein ich könnte es schon besser, aber ich eile.
Damit der Brief ein wenig voller wird, will ich auch ein paar Worte hinzusetzen. Mir ist von Herzen leid wegen der so lang anhaltenden Krankheit, welche die arme Jungfrau Martha empfinden und mit Geduld übertragen muß. Ich hoffe, mit der Hilfe Gottes wird sie schon wieder gesund werden. Wo nicht, so muß man sich nicht so stark betrüben, dann der Wille Gottes ist allezeit der beste, und Gott wird schon besser wissen, ob es besser ist zu sein auf dieser Welt oder in der andern. Aber sie soll sich trösten, indem sie jetzt von dem Regen in das schöne Wetter kommen kann.
Allerliebste Schwester!
Ich hab nicht mehr als eine halbe Stund geschlafen, dann das Schlafen nach dem Essen freuet mich nicht. Du kannst hoffen, glauben, meinen, der Meinung sein, in der steten Hoffnung verharren, gut befinden. Dir einbilden, Dir vorstellen, in Zuversicht leben, daß wir gesund sind; aber gewiß kann ich Dir Nachricht geben. Ich muß eilen. Addio.
Allerliebste Schwester!
Wir haben auf der Reise viele Hitz ausgestanden, und der Staub hat uns beständig impertinent sekkiert, daß wir gewiß ersticket und verschmachtet wären, wenn wir nicht gescheiter gewesen wären. Hier hat es ein ganzes Monat durch (sagen die Mailänder) nicht geregnet, heunt hat es angefangen, ein wenig zu tröpfeln, jetzt aber scheunt wieder die Sonne, und es ist wieder sehr warm. Was Du mir versprochen hast (Du weißt schon was – o Du Lieb Du!), halte gewiß, ich bitte Dich. Ich werde Dir gewiß verbunden sein … Jetzt blas ich just vor Hitz! Nun reiß ich das Leibel auf! Addio, lebe wohl!
Ober unser ist ein Violinist, unter unser auch einer, neben unser ein Singmeister, der Lektion gibt, in dem letzten Zimmer gegen unser ist ein Hautboist. Das ist lustig zum Komponieren, gibt einem viel Gedanken.
Allerliebste Schwester!
Wir sind, Gott Lob und Dank, gesund. Ich hab schon anstatt Deiner viel gute Biren und Pferschig und Melaunen geessen. Meine einzige Lustbarkeit ist, mit dem Stummen zu deuten, denn das kann ich aus der Perfektion. Herr Hasse ist gestern hier angelangt, heunt werden wir ihn besuchen. Das Buch von der Serenata ist auch erst vergangenen Donnerstag angelangt. Ich weiß nicht viel zu schreiben. Ich bitte Dich noch wegen dem gar andern, wo nichts anders mehr sein kann, Du verstehst mich schon.
Damit Ihr nicht glaubet, daß ich krank bin, so schreibe ich diese zwei Zeilen … Ich habe auf dem Domplatz hier vier Kerl henken sehen: sie henken hier wie zu Lyon.
Ich hoffe, Du wirst Dich gut befinden, meine liebe Schwester. Wenn Du diesen Brief erhaltst, meine liebe Schwester, so geht denselbigen Abend, meine liebe Schwester, meine Opera in scena. Denke auf mich, meine liebe Schwester, und bilde Dir nur, meine liebe Schwester, kräftig ein, Du stehest und hörst, meine liebe Schwester, sie auch. Freilich ist es hart, weil es schon elf Uhr ist, sonst glaube ich und zweifle gar nicht, daß es beim Tag lichter ist als zu Ostern. Meine liebe Schwester, morgen speisen wir beim Herrn von Mayer, und warum glaubst Du? Rate! Weil er uns eingeladen hat. Die morgige Probe ist auf dem Theater. Der Impresario aber, der Signor Castiglioni, hat mich ersucht, ich solle niemand nichts darvon sagen, dann sonst laufeten alle Leute hinein, und das wollen wir nicht. Also, mein Kind, ich bitte Dich, sage niemanden nichts davon, mein Kind, dann sonst laufeten zuviel Leute hinein, mein Kind. Approposito. Weißt Du schon die Historie, die hier vorgegangen ist? Nun will ich sie Dir erzählen. Wir gingen heut von Graf Firmian weg, um nach Haus zu gehen, und als wir in unser Gassen kommen, so machten wir unsere Haustür auf, und was meinst Du wohl, was sich zugetragen? – Wir gingen hinein. Lebe wohl, mein Lungel. Ich küsse Dich, meine Leber, und bleibe wie allzeit, mein Magen, Dein unwürdiger Bruder (frater)
Wolfgang Bitte bitt, meine liebe Schwester, mich beißts, kratze mich!
Ich hoffe, meine Königin, Du wirst den höchsten Grad der Gesundheit genießen und doch dann und wann oder vielmehr zuweilen oder besser bisweilen oder noch besser qualche volta, wie der Welsche spricht, von Deinen wichtigen und dringenden Gedanken (welche allzeit aus dem schönsten und sichersten Vernunft herkommen, den Du nebst Deiner Schönheit besitzest, obwohlen in so zarten Jahren und bei einem Frauenzimmer fast nichts von Obgesagtem verlangt wird, Du, o Königin, auf solche Art besitzest, daß Du die Mannspersonen, ja sogar die Greise beschämest) mir etliche davon aufopfern. Lebe wohl!
Hier hast Du was Gescheites.
Gottlob! Meine Opera ist gestern, als den 13., in scena gangen und so gut ausgefallen, daß ich der Mama den Lärmen ohnmöglich beschreiben kann. Erstens war das ganze Theater so gestrotzt voll, daß viele Leute wieder zurück haben müssen. Nach einer jeden Arie war allzeit ein erschröckliches Getös mit Klatschen und Viva maestro! schreien. S. Durchlaucht, die Kurfürstin und die Verwitwete (welche mir vis-à-vis waren) sagten mir auch Bravo. Wie die Opera aus war, so ist unter der Zeit, wo man still ist, bis der Ballett anfängt, nichts als geklatscht und Bravo geschrien worden, bald aufgehört, bald wieder angefangen, und so fort. Nachdem bin ich mit meinem Papa in ein gewisses Zimmer gangen, wo der Kurfürst und der ganze Hof durch muß, und hab S. Durchlaucht dem Kurfürst und Kurfürstin und den Hoheiten die Händ geküßt, welche alle sehr gnädig waren. Heunt in aller Frühe schickt S. Fürstlich Gnaden Bischof in Chiemsee her und läßt mir gratulieren, daß die Opera bei allen so unvergleichlich ausgefallen ist. Wegen unsrer Rückreise wird es so bald nichts werden, und die Mama soll es auch nicht wünschen, dann die Mama weiß ja, wie wohl das Schnaufen tut. Wir werden noch früh genung kommen. Eine rechte und notwendige Ursach ist, weil den künftigen Freitag die Opera abermal geben wird und ich sehr notwendig bei der Produktion bin; sonst würde man sie nicht mehr kennen, dann ist es gar kurios hier … Adieu! An Bimberl tausend Busserln.
undecima hora nocte tempore.
Mon très cher père!
Wir sind, Gott Lob und Dank, glücklich zu Waging, Stein, Frabertsham und Wasserburg ankommen. Nun eine kleine Reis’beschreibung. Gleich als wir zum Tor kamen, mußten wir fast eine Viertelstund warten, bis uns das Tor ganz aufgemacht wurde; dann man war im Arbeiten. Vor Schinn begegneten wir eine Anzahl Kühe, worunter eine merkwürdig war, dann sie war einseitig, welches wir noch niemal gesehen haben. Zu Schinn endlich sahen wir einen Wagen, welcher still stunde, und Ecce – unser Postillion rief alsogleich: »Da müssen wir wechseln.« – »Meintwegen!« sprach ich. Meine Mama und ich parlierten, als ein dicker Herr an Wagen kam, dessen Sinfonie mir sogleich bekannt war; es war ein Kaufmann von Memmingen. Er betrachtet mich eine gute Weile; endlich sagt er: »Sie sind ja der Herr Mozart?« – »Zu dienen, ich kenne Sie auch, aber Ihren Namen nicht; ich habe Sie vor einem Jahr in Mirabell bei der Musik gesehen.« Darauf entdeckte er mir seinen Namen, den ich aber, Gott Lob und Dank, vergessen habe. Doch behielte ich aber einen vielleicht wichtigeren. Er hatte damals, als ich ihn in Salzburg gesehen, einen jungen Menschen bei sich und nun einen Bruder dieses jungen Menschen, welcher von Memmingen ist und sich Herr von Unhold schreibt; dieser junge Herr bat mich recht, ich möchte doch, wenns möglich ist, nach Memmingen kommen. Wir gaben diesen Herren hunderttausend Komplimenten an Papa und meine Schwester die Canaglie auf. Sie versprachen uns auch, daß sie selbe gewiß ausrichten werden. Dies Postwechseln war mir sehr ungelegen, dann ich hätte dem Postillion gern von Waging aus einen Brief mitgegeben. Nun hatten wir die Ehre (nachdem wir zu Waging ein wenig geessen hatten), von den nämlichen Pferden fortgezogen zu werden, mit welchen wir schon anderthalb Stund bis Stein gefahren sind. Zu Waging war ich allein auf einen Augenblick bei dem Herrn Pfarrer. Er machte große Augen; er wußte von unsrer ganzen Histori nichts. Von Stein fuhren wir mit einem Postillion, der ein ganz erschröcklicher Phlegmatikus war, NB. im Fahren. Wir glaubten nicht mehr auf die Post zu kommen. Endlich kamen wir doch an (meine Mama schläft schon halb), NB. weil ich dieses schreibe. Von Frabertsham bis Wasserburg ging alles ganz gut. Viviamo come i principiuns gehet nichts ab als der Papa. Je nu, Gott wills so haben. Es wird noch alles gut gehen. Ich hoffe, der Papa wird wohlauf sein und so vergnügt wie ich. Ich gebe mich ganz gut drein. Ich bin der anderte Papa, ich gib auf alles acht und habe mir auch gleich ausgebeten, die Postillionen auszuzahlen, dann ich kann doch mit die Kerls besser sprechen als die Mama. Zu Wasserburg beim Stern ist man unvergleichlich bedienet. Ich sitze da wie ein Prinz. Vor einer halben Stund (meine Mama war just auf dem H…l) klopfte der Hausknecht an und fragte sich um allerlei Sachen an, und ich antwortete ihm mit aller meiner Ernsthaftigkeit, wie ich im Porträt bin. Ich muß schließen. Meine Mama ist schon völlig ausgezogen. Wir bitten alle zwei, der Papa möchte Achtung geben auf seine Gesundheit, nicht zu früh ausgehen, sich nicht selbst Verdruß machen, brav lachen und lustig sein und allzeit mit Freuden, wie wir gedenken, daß der Mufti H. C. ein Schwanz, Gott aber mitleidig, barmherzig und liebreich seie. Ich küsse dem Papa zu tausendmal die Hände und umarme meine Schwester Canaglie so oft, als ich heut schon – Tobak genommen habe … Ich glaube, ich habe zu Haus meine Dekreter vergessen. Ich bitte, mir selbe in Bälde zu schicken. … Die Feder ist grob, und ich bin nicht höflich.
Wir sind den 24. abends um halbe fünf Uhr glücklich in München angelanget. Was mir gleich das Neueste war, daß wir zur Maut fahren mußten, begleitet mit einem Grenadier mit aufgepflanztem Bajonette. Die erste bekannte Person, die uns im Fahren begegnete, war Signor Consoli, welcher mich gleich kannte und eine unbeschreibliche Freude hatte, mich zu sehen. Er war den andern Tag gleich bei mir. Die Freude des Herrn Albert kann ich nicht genug ausdrücken, er ist in der Tat ein grundehrlicher Mann und unser sehr guter Freund. Nach meiner Ankunft war ich bis zur Essenzeit immer beim Klavier. Herr Albert war noch nicht zu Hause. Hernach aber kam er, und wir gingen mitsammen herab zum Tisch. Da traf ich den Monsieur Sfeer und einen gewissen Sekretär, seinen recht guten Freund, an. Beide lassen sich empfehlen. Wir kamen spät ins Bett und waren müd von der Reis’. Wir stunden doch schon um sieben Uhr auf. Meine Haar waren aber in einer solchen Unordnung, daß ich vor halb elf Uhr nicht zum Graf Seeau kam. Als ich hinkam, hieß es, er seie schon auf die Jagd gefahren: Geduld! Ich wollte unterdessen zum Chorherrn Bernard gehen; er ist aber mit dem Baron Schmid auf Güter gereiset. Herrn Bellval traf ich voll in Geschäften an. Er gab mir tausend Komplimenten auf. Unter dem Mittagessen kam Rossi, um zwei Uhr kam Consoli und um drei Uhr Beecké und Herr von Bellval. Ich machte meine Visite bei der Frau von Durst, welche bei den Franziskanern logiert. Um sechs Uhr machte ich mit Herrn Beecké einen kleinen Spaziergang. Es gibt hier einen gewissen Professor Huber, vielleicht erinnern Sie sich besser als ich; er sagt, er hat mich das letzte Mal zu Wien beim jungen Herrn von Mesmer gesehen und gehört. Er ist nicht zu groß, nicht zu klein, bleich, weißgraue Haar und sieht in der Physiognomie dem Herrn Unterbereiter nicht ungleich. Dieser ist auch ein Viceintendant du theatre: seine Arbeit ist, die Komödie, die man aufführen will, durchzulesen, zu verbessern, zu verderben, hinzuzutun, hinwegzusetzen. Er kömmt alle Abend zum Albert, er spricht sehr oft mit mir.
Heut, als den 26. Freitag, war ich um halb neun Uhr beim Graf Seeau. Es war so. Ich ging ins Haus hinein, und Madame Nießer, die Komödiantin, ging just heraus und fragte mich: »Sie wollen gewiß zum Grafen?« – »Ja.« – »Er ist noch in seinem Garten; Gott weiß, wann er kömmt.« Ich fragte sie, wo sein Garten seie. »Ja,« sagte sie, »ich habe auch mit ihm zu sprechen, wir wollen mitsammen gehen.« Kaum kamen wir vors Tor hinaus, so kam uns der Graf entgegen und war etwa zwölf Schritt von mir, so erkannte er mich und nannte mich beim Namen. Er war sehr höflich; er wußte schon, was mit mir vorgegangen ist. Wir gingen ganz allein und langsam die Treppe hinauf; ich entdeckte mich ihm ganz kurz. Er sagte, ich sollte nur schnurgerade bei S. Kurfürstlichen Durchlaucht Audienz begehren; sollte ich aber im Fall nicht zukommen können, so sollte ich meine Sache nur schriftlich vorbringen. Ich bat ihn sehr, dieses alles stillzuhalten; er versprach es mir. Als ich ihm sagte, es ging hier wirklich ein rechter Compositeur ab, so sagte er: »Das weiß ich wohl.« Nach diesem ging ich zum Bischof in Chiemsee und war eine halbe Stund bei ihm. Ich erzählte ihm alles, er versprach mir, sein möglichstes in dieser Sache zu tun. Er fuhr um ein Uhr nach Nymphenburg und versprach mir, mit S. Kurfürstlichen Durchlaucht der Kurfürstin gewiß zu sprechen. Sonntag abends kommt der Hof herein …
Herr Johannes Krönner ist Vizekonzertmeister deklariert worden und das durch eine grobe Red. Er hat zwei Sinfonien ( Dio mene liberi) von seiner Komposition produziert. Der Kurfürst fragt ihn: »Hast Du das wirklich komponiert?« – »Ja, Euer Kurfürstliche Durchlaucht.« – »Von wem hast Dus gelernt?« – »Von einem Schulmeister in der Schweiz. Man macht soviel aus der Komposition. Dieser Schulmeister hat mir doch mehr gesagt, als alle unsere Compositeurs hier mir sagen könnten.« Heut ist der Graf Schönborn und seine Gemahlin, die Schwester des Erzbischofs, angelanget. Ich war just in der Komödie. Herr Albert sagte im Diskurs, daß ich hier seie, und erzählte ihm, daß ich aus den Diensten bin. Er und sie haben sich verwundert, sie haben ihm absolument nicht glauben wollen, daß ich 12 Fl. 30 Kr. seligen Angedenkens gehabt habe! Sie wechselten nur Post, sie hätten mich gern gesprochen, ich traf sie aber nicht mehr an. Jetzt aber bitt ich, daß ich nach Ihren Umständen und Ihrer Gesundheit mich erkundigen darf. Ich hoffe, wie auch meine Mama, daß sich beide recht wohl befinden. Ich bin immer in meinem schönsten Humor: mir ist so federleicht ums Herz, seitdem ich von dieser Chicane weg bin! Ich bin auch schon fetter … Meine Schwester die Canaglie umarme ich.
… Heute, als den 30., ging ich nach Abrede mit Monsieur Woschitka um neun Uhr nach Hof. Da war alles in Jagduniform. Baron Kern war dienender Kammerherr. Ich wäre gestern abends schon hineingegangen, allein ich konnte Herrn Woschitka nicht vor den Kopf stoßen, welcher sich selbst antrug, mich mit dem Kurfürsten sprechen zu machen. Um zehn Uhr führte er mich in ein enges Zimmert, wo S. Kurfürstliche Durchlaucht durchgehen müssen, um vor der Jagd Meß zu hören. Graf Seeau ging vorbei und grüßte mich sehr freundlich: »Befehl mich, liebster Mozart!« Als der Kurfürst an mich kam, so sagte ich: »Euer Kurfürstliche Durchlaucht erlauben, daß ich mich untertänigst zu Füßen legen und meine Dienste antragen darf.« – »Ja, völlig weg von Salzburg?« – »Völlig weg, ja, Euer Kurfürstliche Durchlaucht.« – »Ja warum denn? Habts eng zkriegt?« – »Ei beileibe, Euer Durchlaucht, ich habe nur um eine Reise gebeten, er hat sie mir abgeschlagen, mithin war ich gezwungen diesen Schritt zu machen, obwohlen ich schon lange im Sinn hatte wegzugehen, dann Salzburg ist kein Ort für mich, ja ganz sicher!« – »Mein Gott, ein junger Mensch! Aber der Vater ist ja noch in Salzburg?« – »Ja, Euer Kurfürstliche Durchlaucht, er legt sich untertänigst usw. Ich bin schon dreimal in Italien gewesen, habe drei Opern geschrieben, bin Mitglied der Akademie in Bologna, habe müssen eine Prob ausstehen, wo viele Maestri vier bis fünf Stund gearbeitet und geschwitzet haben, ich habe es in einer Stund verfertiget. Das mag zur Zeugnis dienen, daß ich imstande bin, in einem jeden Hof zu dienen; mein einziger Wunsch ist aber, Euer Kurfürstlichen Durchlaucht zu dienen, der selbst ein großer –«. – »Ja, mein liebes Kind, es ist keine Vakatur da, mir ist leid. Wenn nur eine Vakatur da wäre!« – »Ich versichere Euer Durchlaucht, ich würde München gewiß Ehre machen.« – »Ja, das nutzt alles nicht, es ist keine Vakatur da.« Dies sagte er gehend; nun empfahle ich mich zu höchsten Gnaden. Herr Woschitka riet mir, ich sollte mich öfters beim Kurfürsten sehen lassen …
… Beim Salern spielte ich die drei Täge durch viel Sachen vom Kopf, dann die zwei Kassationen für die Gräfin und die Finalmusik mit dem Rondeau auf die Letzt auswendig. Sie können sich nicht einbilden, was der Graf Salern für eine Freude hatte. Er versteht doch die Musik, dann er sagte allzeit Bravo, wo andere Kavaliere eine Prise Tobak nehmen, sich schnauzen, räuspern oder einen Diskurs anfangen. Ich sagte ihm: »Ich wünschte nur, daß der Kurfürst da wäre, so könnte er doch was hören. Er weiß nichts von mir, er weiß nicht, was ich kann. Daß doch die Herren einem jeden glauben und nichts untersuchen wollen! Ja, das ist allzeit so! Ich lasse es auf eine Prob ankommen; er soll alle Komponisten von München herkommen lassen, er kann auch einige von Italien und Frankreich, Teutschland, England und Spanien beschreiben; ich traue mir mit einem jeden zu schreiben.« Ich erzählte ihm, was mit mir in Italien vorgegangen ist; ich bat ihn, wenn ein Diskurs von mir wäre, diese Sachen anzubringen. Er sagte: »Ich bin der Wenigste, aber was bei mir besteht, von ganzem Herzen.« Er ist halt auch der Meinung, daß, wenn ich so hierbleiben könnte unterdessen, die Sache hernach von sich selbst ging. Für mich allein wäre es nicht ohnmöglich, mich durchzubringen, denn vom Graf Seeau wollte ich wenigstens dreihundert Fl. bekommen. Für das Essen dürfte ich mich nicht sorgen, dann ich wäre immer eingeladen, und wäre ich nicht eingeladen, so machte sich Albert eine Freude, mich bei sich zu Tisch zu haben. Ich esse wenig, trinke Wasser, auf die Letzt zur Frucht ein klein Glas Wein. Ich würde den Kontrakt mit Graf Seeau (alles auf Einraten meiner guten Freunde) so machen: alle Jahre vier teutsche Opern, teils buffe und serie, zu liefern; da hätte ich von einer jeden eine Sera oder Einnahme für mich, das ist schon so der Brauch. Das würde mir allein wenigstens fünfhundert Fl. tragen, das wäre mit meinem Gehalt schon achthundert Fl., aber gewiß mehr; dann der Reiner, Komödiant und Sänger, nahm in seiner Sera zweihundert Fl. ein, und ich bin hier sehr beliebt. Und wie würde ich erst beliebt werden, wenn ich der teutschen Nationalbühne in der Musik emporhälfe! Und das würde durch mich gewiß geschehen, dann ich war schon voll Begierde zu schreiben, als ich das teutsche Singspiel hörte. Die erste Sängerin heißt Keiserin, ist eine Kochstochter von einem Grafen hier, ein sehr angenehmes Mädel, hübsch auf dem Theater; in der Nähe sah ich sie noch nicht. Sie ist hier geboren. Wie ich sie hörte, war es erst das dritte Mal, daß sie agierte. Sie hat eine schöne Stimme, nicht stark, doch auch nicht schwach, sehr rein, gute Intonation. Ihr Lehrmeister ist Valesi, und aus ihrem Singen kennt man, daß ihr Meister sowohl das Singen als das Singenlehren versteht. Wenn sie ein paar Täkte aushält, so hab ich mich sehr verwundert, wie schön sie das Crescendo und Decrescendo macht. Den Triller schlägt sie noch langsam, und das freut mich recht; dann er wird nur desto reiner und klarer, wenn sie ihn einmal geschwinder machen will; geschwind ist er ohnehin leichter. Die Leute haben hier eine rechte Freud mit ihr und ich mit ihnen. Meine Mama war im Parterre: sie ging schon um halb fünf Uhr hinein, um Platz zu bekommen. Ich ging aber erst um halb sieben Uhr, dann ich kann überall in die Logen gehen; ich bin ja bekannt genug. Ich war in der Loge vom Haus Branca, ich betrachtete die Keiserin mit einem Fernglas, und sie lockte mir öfters eine Zähre ab. Ich sagte oft: Brava, bravissima! Dann ich dachte immer, daß sie erst das dritte Mal auf dem Theater ist. Das Stück hieß Das Fischermädchen, eine nach der Musik des Piccini sehr gute Übersetzung. Originalstücke haben sie noch nicht. Eine teutsche Opera seria möchten sie auch bald geben, und man wünscht halt, daß ich sie komponierte. Der gemeldete Professor Huber ist auch von den wünschenden Personen. Nun muß ich ins Bett; es tuts nicht mehr anderst. Just Punkte zehn Uhr! Baron Rumling machte mir neulich das Kompliment: »Die Spektakeln sind meine Freude. Gute Acteurs und Actrices, gute Sänger und Sängerinnen und dann einen so braven Komponisten dazu wie Sie.« Das ist freilich nur geredet, und reden läßt sich viel. Doch hat er niemals mit mir so geredet…
Um zehn Uhr war ich bei der Gräfin Salern bei Hof… Hernach speiste ich im Haus Branca, der Herr Geheimrat von Branca war beim französischen Gesandten eingeladen, folglich nicht zu Haus. Man heißt ihn Exzellenz. Die Frau ist eine Französin, kann fast gar nichts Teutsch, mit ihr habe ich beständig Französisch gesprochen. Ich sprach ganz keck; sie sagte mir, ich rede gar nicht schlecht, und ich hätte eine gute Gewohnheit, daß ich langsam spräche, dann durch dieses mache ich mich sehr gut verstehen. Sie ist eine recht brave Frau, voll Lebensart. Die Fräulein spielt artig, das Tempo fehlt ihr noch. Ich habe geglaubt, sie oder ihr Gehör seie die Ursach, aber ich kann keinem Menschen schuld geben als ihrem Lehrmeister: er hat zu viel Nachsicht, er ist gleich zufrieden. Ich habe heut mit ihr probiert; ich wollte wetten, daß, wenn sie zwei Monate bei mir lernte, sie recht gut und akkurat spielen würde… Morgen werden wir eine kleine Schlakademie zusammen machen, auf dem elenden Klavier Nota bene! Auweh! auweh! auweh!
Ich wünsche halt eine rechte ruhsame Nacht und bessere einen guten Wunsch und höre bald zu hoffen, daß der gesund völlig Papa ist. Ich Verzeihung um bitte wegen meiner abscheulichen Schrift, aber Tinte, Eile, Schlaf, Traum und alles halt. Ich Papa Ihnen mein allerhändigster küsse tausendmal die liebsten und meine umarme die Herzen
Schwester ich von ganzem Canaglien und bin von nun an bis in Ewigkeit Amen
Wolfgang gehorsamster Dero Amade Mozart Sohn.
… Vorgestern, als den 4. Samstag, am hochfeierlichen Namenstag seiner königlichen Hoheit Erzherzogs Albert, war eine kleine Akademie bei uns. Sie finge um halbe vier Uhr an und endigte sich um acht Uhr. Monsieur Dubreil, dessen sich der Papa noch erinnern wird, war auch da, er ist ein Skolar vom Tartini. Vormittag gab er dem jüngsten Sohn Karl Lektion auf der Violin, und ich kam just dazu. Ich hatte nie viel Kredit auf ihn, ich sahe aber, daß er mit vielem Fleiß Lektion gab, und als wir in Diskurs kamen von Konzertgeigen und Orchestergeigen, räsonierte er sehr gut und war immer meiner Meinung, so daß ich meine vormalige Gedanken zurücknahm und persuadiert war, daß ich einen recht guten Treffer und akkuraten Orchestergeiger an ihm finden werde. Ich bat ihn also, er möchte die Güte haben und nachmittag zu unserer kleinen Akademie kommen. Wir machten gleich zuerst die zwei Quintetti vom Haydn, allein mir war sehr leid; ich hörte ihn kaum, er war nicht imstande, vier Takte fort zu geigen, ohne zu fehlen. Er fande keine Applikatur. Mit die Sospirs war er gar nicht gut Freund. Das beste war, daß er sehr höflich gewesen und die Quintetti gelobt hat, sonst –. So sagt ich aber gar nichts zu ihm, sondern er selbst sagte allzeit: »Ich bitte um Verzeihung, ich bin schon wieder weg! das Ding ist kützlich, aber schön.« Ich sagte allzeit: »Das hat nichts zu sagen, wir sind ja unter uns.« Dann spielte ich das Konzert in C, in B und Es und dann das Trio von mir. Das war gar schön akkompagniert: im Adagio habe ich sechs Täkt seine Rolle spielen müssen. Zu guter Letzt spielte ich die letzte Kassation aus dem B von mir. Da schauete alles groß drein. Ich spielte, als wenn ich der größte Geiger in ganz Europa wäre …
… Ich habe eine unaussprechliche Begierde, wieder einmal eine Opera zu schreiben. Der Weg ist weit, das ist wahr; wir sind aber auch noch weit entfernt von der Zeit, wo ich diese Opera schreiben sollte; es kann sich bis dorthin noch viel verändern. Ich glaube, annehmen könnte man sie doch. Bekomme ich unter der Zeit gar keinen Dienst, eh bien, so hab ich doch die Ressource in Italien. Ich habe doch im Karneval meine gewisse hundert Dukaten; wenn ich einmal zu Neapel geschrieben habe, so wird man mich überall suchen. Es gibt auch, wie der Papa wohl weiß, im Frühling, Sommer und Herbst da und dort eine Opera buffa, die man zur Übung und um nicht müßig zu gehen, schreiben kann. Es ist wahr, man bekömmt nicht viel, aber doch etwas, und man macht sich dadurch mehr Ehre und Kredit, als wenn man hundert Konzert in Teutschland gibt, und ich bin vergnügter, weil ich zu komponieren habe, welches doch meine einzige Freude und Passion ist. Nun, bekomme ich wo Dienste oder habe ich wo Hoffnung anzukommen, so rekommandiert mich die Scrittura viel und macht Aufsehen und noch viel schätzbarer. Doch ich rede nur, ich rede so, wie es mir ums Herz ist. Wenn ich vom Papa durch Gründe überzeuget werde, daß ich unrecht hab, nu, so werde ich mich, obwohlen ungern, dreingeben. Dann ich darf nur von einer Opera reden hören, ich darf nur im Theater sein, Stimmen hören – o so bin ich schon ganz außer mir…
Gestern war ich mit der Mama gleich nach dem Essen bei den zwei Fräulein von Freysingen auf einen Koffee. Die Mama trank aber keinen Koffee, sondern zwei Bouteilles Tirolerwein. Um drei Uhr ging sie aber wieder nach Haus, um doch ein wenig herzurichten auf die Reise. Ich ging aber mit den zwei Fräulein zum detto Herrn von Hamm, wo die drei Fräulein eine jede ein Konzert spielte und ich eins von Aichner prima vista und dann immer Phantasien. Der Fräulein Hamm von Einfaltskasten ihr Lehrmeister ist ein gewisser geistlicher Herr mit Namen Schreier. Er ist ein guter Organist, aber kein Zembalist. Der hat mir immer mit der Brille zugesehen. Er ist so ein trockener Mann, der nicht viel redet; er klopfte mich auf die Achseln, seufzte und sagte: »Ja – Sie sind – Sie verstehen – ja – das ist wahr – ein ganzer Mann.« Apropos, kann sich der Papa des Namens Freysingen nicht erinnern? Der Papa der genannten zwei schönen Fräulein sagt, er kennt den Papa sehr gut, er habe mit dem Papa studiert. Er erinnert sich noch absonderlich auf Wessenbrunn, wo der Papa (das war mir völlig neu!) recht ohnvergleichlich auf der Orgel geschlagen hat. Er sagte: »Das war erschröcklich, wie es untereinander ging mit den Füßen und Händen, aber wohl ohnvergleichlich; ja, ein ganzer Mann! Bei meinem Vater galt er sehr viel. Und wie er die Pfaffen herumgefoppt hat wegen dem Geistlichwerden! Sie sehen ihm akkurat gleich, wie er dort war, völlig. Nur war er ein wenig kleiner, wie ich ihn gekannt habe.«
Apropos noch eins! Ein gewisser Hofrat Effeln läßt sich dem Papa untertänigst empfehlen: er ist einer von den besten Hofräten hier; er hätte schon längst Kanzler werden können, wenn nicht ein einziger Umstand wäre, nämlich das Lutzeln. Wie ich ihn das erste Mal bei Albert gesehen, so habe ich geglaubt und auch meine Mama: Ecce einen erstaunlichen Dalken! Stellen Sie sich nur vor, einen sehr großen Mann, stark, ziemlich korpulent, ein lächerliches Gesicht. Wenn er über das Zimmer geht zu einem andern Tisch, so legt er beede Hände auf den Magen, biegt sie gegen sich und schupft sich mit dem Leib in die Höhe, macht einen Nicker mit dem Kopfe, und wenn das vorbei ist, so zieht er erst ganz schnell den rechten Fuß zurück, und so macht er es bei einer jeden Person extra. Er sagt, er kennt den Papa tausendmal…
… Mithin haben wir uns nicht im Dato geirret; dann wir haben noch vor Mittag geschrieben, und wir werden, glaube ich, künftigen Freitag, als übermorgen, wieder weg. Dann hören Sie nur, wie schön generös die Herren Augsburger sind! Ich bin noch in keinem Ort mit so vielen Ehrenbezeugungen überhäufet worden wie hier. Mein erster Gang war zum Herrn Stadtpfleger Longotabarro. Mein Herr Vetter, der ein rechter braver, lieber Mann und ein ehrlicher Burger ist, hat mich hinbegleitet und hatte die Ehre, oben im Vorhause wie ein Lakai zu warten, bis ich von dem Erzstadtpfleger herauskommen würde. Ich ermangelte nicht, gleich von Anfang die untertänigste Empfehlung vom Papa auszurichten. Er erinnerte sich allergnädigst auf alles und fragte mich: »Wie ists dem Herrn immer gegangen?« Ich sagte gleich darauf: »Gott Lob und Dank, recht gut, und Ihnen, hoffe ich, wird es auch recht gut gegangen sein?« Er wurde hernach höflicher und sagte »Sie«, und ich sagte »Euer Gnaden«, wie ich es gleich vom Anfang getan hatte. Er gab mir keinen Fried, ich mußte mit ihm hinauf zu seinem Schwiegersohn (im zweiten Stock), und mein Herr Vetter hatte die Ehre, unterdessen über einer Stiege im Pfletz zu warten. Ich mußte mich zurückhalten mit allem Gewalt, sonst hätte ich mit der größten Höflichkeit etwas gesagt. Ich hatte oben die Ehre, in Gegenwart des gestarzten Herrn Sohn und der langhachsigten gnädigen jungen Frau und der einfältigen alten Frau so beiläufig dreiviertel Stund auf einem guten Klavichord vom Stein zu spielen. Ich spielte Phantasien und endlich alles, was er hatte, prima vista, unter andern sehr hübsche Stücke von einem gewissen Edelmann. Da war alles in der größten Höflichkeit, und ich war auch sehr höflich; dann meine Gewohnheit ist, mit den Leuten so zu sein, wie sie sind; so kömmt man am besten hinaus. Ich sagte, daß ich nach dem Essen zum Stein gehen würde. Der junge Herr trug sich allsogleich selbst an, mich hinzuführen. Ich dankte ihm für seine Güte und versprach, nach Mittag um zwei Uhr zu kommen. Ich kam, wir gingen miteinander in Gesellschaft seines Herrn Schwagers, der einem völligen Studente gleichsieht. Obwohlen ich gebeten hatte, stillzuhalten, wer ich seie, so war Herr von Langenmantel doch so unvorsichtig und sagte zum Herrn Stein: »Hier habe ich die Ehre, Ihnen einen Virtuosen auf dem Klavier aufzuführen« und schmutzte darzu. Ich protestierte gleich und sagte, ich wäre nur ein unwürdiger Skolar vom Herrn Sigl in München, von dem ich ihm viele tausend Komplimenten ausgerichtet habe. Er sagte nein mit dem Kopf und endlich: »Sollte ich wohl die Ehre haben, den Herrn Mozart vor meiner zu haben?« – »O nein,« sprach ich, »ich nenne mich Trazom, ich habe auch hier einen Brief an Sie.« Er nahm den Brief und wollte ihn gleich erbrechen, ich ließe ihm aber nicht Zeit und sagte: »Was wollen Sie denn jetzt da den Brief lesen? Machen Sie dafür auf, daß wir in Saal hinein können; ich bin so begierig, Ihre Pianoforte zu sehen.« – »Nu, meintwegen. Es seie, wie es wolle; ich glaube aber, ich betrüge mich nicht.« Er machte auf, ich lief gleich zu einem von den drei Klavieren, die im Zimmer stunden. Ich spielte, er konnte kaum den Brief aufbringen vor Begierde, überwiesen zu sein; er las nur die Unterschrift. »O!« schrie er und umarmte mich; er verkreuzigte sich, machte Gesichter und war halt sehr zufrieden. Wegen seinen Klavieren werde ich nachgehends sprechen. Er führte mich hernach gleich in ein Koffeehaus, wo ich, wie ich hineintrat, glaubte, ich müßte wieder zurückfallen für Gestank und Rauch von Tobak. Ich mußte halt in Gottes Namen eine Stunde aushalten. Ich ließ mir auch alles gefallen, obwohlen ich in der Türkei zu sein glaubte. Er machte mir dann viel Wesens mit einem gewissen Graf (Compositeur, doch nichts als von Flutenkonzerts); er sagte mir: »Das ist ganz was Besonderes«, und was man halt Übertriebenes sagen kann. Ich schwitzte im Kopf, Händ und ganzen Leibe vor Angst. Dieser Graf ist ein Bruder zu die zwei, wo einer im Haag und der andere zu Zürich ist. Er gab nicht nach und führte mich gleich zu ihm. Das ist ein ganz nobler Mann; er hatte einen Schlafrock an, wo ich mich nicht schämete, auf der Gasse ihn zu tragen. Er setzt alle Wörter auf Stelzen und macht gemeiniglich das Maul ehender auf, als er nur weiß, was er sagen will; manchmal fällt es auch zu, ohne etwas zu tun gehabt zu haben. Er produzierte nach vielen Komplimenten ein Konzert auf zwei Fluten; ich mußte die erste Violin spielen. Das Konzert ist so: gar nicht gut ins Gehör, nicht natürlich; er marschiert oft in die Töne gar zu plump, und dies alles ohne die mindeste Hexerei. Wie es vorbei war, so lobte ich ihn recht sehr; dann er verdient es auch. Der arme Mann wird Mühe genug gehabt haben; er wird genug studieret haben. Endlich brachte man ein Klavichord aus dem Kabinett heraus (vom Herrn Stein seiner Arbeit), recht gut, nur voll Mist und Staub. Herr Graf, welcher Direktor hier ist, stund da wie einer, der immer geglaubt hat, ganz besonder in seiner Reise durch die Töne zu sein, und nun findet, daß man noch besonderer sein kann, und ohne dem Qhr wehe zu tun. Mit einem Wort, es war halt alles in Verwunderung …
… Wegen des Kriegssekretärs Hamm seiner Fräulein Tochter kann ich nichts anders schreiben, als daß sie notwendigerweise Talent zur Musik haben muß, indem sie erst drei Jahr lernt und doch viele Stücke recht gut spielt. Ich weiß mich aber nicht deutlich genug zu erklären, wenn ich sagen soll, wie sie mir vorkömmt, wenn sie spielt: so kurios gezwungen scheint sie mir; sie steigt mit ihren langenbeinigen Fingern so kurios auf dem Klavier herum. Freilich hat sie noch nie keinen rechten Meister gehabt, und wenn sie zu München bleibt, wird sie das ihr Lebtage nicht werden, was ihr Vater will und verlangt. Dann er möchte gern, daß sie vortrefflich im Klavier wäre. Wenn sie zum Papa nach Salzburg kömmt, so ist es ihr doppelter Nutzen, in der Musik sowohl als in der Vernunft; dann sie ist wahrlich nicht groß. Ich habe schon viel wegen ihr gelacht. Sie würden für Ihre Bemühung gewiß genug Unterhaltung haben. Essen kann sie nicht viel, dann sie ist zu einfältig dazu. Ich hätte sie probieren sollen? Ich habe ja nicht gekonnt vor Lachen; dann wenn ich ihr einigemal so mit der rechten Hand etwas vormachte, so sagte sie gleich Bravissimo, und das in der Stimme einer Maus.