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Achtung! Das Buch ist 2018 bereits mit anderem Buchcover unter dem Pseudonym "Jane Arthur" erschienen! Wenn sie ihn ansieht, sieht sie dieses wundervolle ebenmäßige Gesicht, das wirkt, als wäre es gemalt, und das doch so rau und kantig ist. Rau und kantig wie er selbst. Wenn sie über ihn nachdenkt, denkt sie an das Imperium, das er als CEO sein Eigen nennt. An die Millionen, den Sportwagen, das Penthouse, die Frauengeschichten. Daran, dass sie keine Ahnung hat, wer dieser Mann eigentlich ist. Was sie nicht sieht, ist das Geheimnis, das er um jeden Preis vor ihr geheim halten will. Sie weiß nicht, dass es ihr Bild von ihm für immer verändern wird, denn nichts ist, wie es scheint. Vor allem nicht der wohlhabende und charismatische CEO Eric Hunt. Und dann, als sie es sieht, als sie sein wahres Ich entdeckt, ahnt sie nicht, wie groß die Gefahr ist, in der sie von nun an schwebt.
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Copyright © 2024 - 2. Auflage
Freya Miles & Nadine Kapp
Dave Jindal, Am Weidenbach 29, 50676 Köln
Cover: Shutterstock (Weerayuth Kanchanacharoen)
Lektorat: Martina König
Korrektorat: Nicole Bauer
Umschlaggestaltung: Nadine Kapp (NK Design)
Kontakt: [email protected]
Alle Rechte vorbehalten.
Eine Vervielfältigung oder eine andere Verwertung ist nachdrücklich nur mit schriftlicher Genehmigung der Autoren gestattet. Sämtliche Handlungen und Personen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Orte, Markennamen und Lieder werden in einem fiktiven Zusammenhang verwendet. Örtliche Begebenheiten wurden teilweise dem Storyverlauf angepasst.
Alle Markennamen und Warenzeichen, die in dieser Geschichte verwendet werden, sind Eigentum der jeweiligen Inhaber.
Prolog
Stephanie
Eric
Stephanie
Eric
Stephanie
Eric
Stephanie
Eric
Stephanie
Eric
Stephanie
Eric
Stephanie
Eric
Stephanie
Eric
Stephanie
Eric
Stephanie
Eric
Stephanie
Eric
Stephanie
Eric
Stephanie
Eric
Stephanie
Eric
Stephanie
Eric
Stephanie
Eric
Stephanie
Eric
Stephanie
Epilog
Mein Name ist Eric Hunt. Ich bin dreiunddreißig Jahre alt, groß, dunkelhaarig, gut aussehend, Millionär, Inhaber einer großen Firma und somit CEO. Aber genau an diesem Punkt hören die Klischees auch schon auf – das darf allerdings niemand wissen …
Ich bin glücklich mit dem Leben, das ich führe, auch wenn ich es mir immer anders vorgestellt habe. Aber ich mache das Beste daraus.
Vor vier Jahren habe ich mich dazu entschieden, mein Leben auf einem wackeligen Konstrukt aus Geheimnissen und Lügen weiterzuführen, auch wenn das bedeutet, dass ich niemals eine Frau an mich heranlassen werde – oder gar einen anderen Menschen.
Meine Welt ist nicht mehr besonders einladend, und ich bin es auch nicht mehr. Gerade auf dem Höhepunkt meiner Karriere, ist dem Schicksal etwas Besseres für mich eingefallen. Wahrscheinlich gerade zur richtigen Zeit, denn sonst wäre ich heute nicht da, wo ich jetzt bin.
Ich habe es angenommen, etwas anderes blieb mir auch nicht übrig, und nun lebe ich damit, so gut ich kann. Schließlich bin ich Eric Hunt, der Chef über achttausend Angestellte, über den niemand etwas weiß – und dabei soll es auch bleiben. So lange, wie ich es geheim halten kann, und meinetwegen für immer!
Fische. Ich war nun stolze Besitzerin zweier Fische, die planlos umherschwammen. Ich zog meine Augenbrauen zusammen, als ich auf das kleine Aquarium starrte, das ich vor ungefähr zwei Stunden gekauft hatte. Ich war dafür bekannt, dass ich gern verrückte Sachen tat, und ich würde lügen, würde ich behaupten, dass diese kleinen Fische mich nicht von der ersten Sekunde an verzaubert hatten. Doch wer hätte ihnen schon widerstehen können?
Eigentlich hatte ich den Laden nur betreten, da mich diese kleinen süßen Welpen so magisch angezogen hatten. Doch nachdem einer von ihnen meine Valentinos bepinkelt hatte, für die ich beinahe mein halbes Leben lang gespart hatte, hatte ich das Geschäft verlassen wollen, als … ich die beiden sah. Ich konnte nicht sagen, dass ich jemals darüber nachgedacht hätte, mir Fische zuzulegen. Ich meine … Fische?
»Was … Was zum Teufel, Mer?«
Ich seufzte, als ich Andis Stimme hinter mir hörte. Sie war meine beste Freundin, meine Seelenverwandte, mein Lieblingsmensch. All das in einer einzigen Person, und ich hätte mein Herz gespendet, wenn sie es benötigen würde. Wir waren wie Pech und Schwefel, weshalb ich auch vor drei Monaten nicht einen Moment gezögert hatte, als es darum gegangen war, Michigan nach der Trennung von Hank den Rücken zu kehren und nach New York zu ziehen. Es war mir egal gewesen, dass ich dafür meinen Job hatte aufgeben müssen, denn ich hatte gewusst, dass ein Tapetenwechsel genau das Richtige für mich sein würde. Andi und ich waren ein Team, daher war es selbstverständlich gewesen, dass ich bei ihr einzog. Und tatsächlich: Es funktionierte. Wir hatten uns bisher noch nicht ein einziges Mal gestritten und ich hoffte, dass dies auch so bleiben würde.
»Was meinst du?« Ich beugte mich noch näher zu dem Aquarium und beobachtete Adonis und Zeus fasziniert, deren Alltag daraus bestand, von Glück erfüllt den ganzen Tag ohne Sinn und Zweck durchs Wasser zu schwimmen.
Andi beugte sich ebenfalls zu dem Glasbehältnis, in dem sich meine Fische befanden, und ich sah im Augenwinkel, wie sie den Kopf schüttelte. »Ich wusste, dass es früher oder später dazu kommen würde, dass du den Verstand verlierst.«
»Wie kommst du denn darauf?«
Andi stellte sich wieder gerade hin und ich sah zu ihr auf. »Fragst du mich das gerade wirklich?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Natürlich.«
»Du hast dir Fische gekauft.«
Ich schnaubte und legte meinen Kopf schief. »Es sind nicht einfach nur Fische. Die beiden heißen Adonis und Zeus.«
Andi prustete los und lachte so laut, dass ich die Befürchtung hatte, dass meine neuen Lieblinge im Wasser einen Herzinfarkt erleiden könnten. »Adonis und Zeus? Oh Mann, es ist schlimmer, als ich dachte.«
»Nun komm schon«, meinte ich lächelnd. »Die beiden sind doch herzerwärmend. Ich glaube, ich werde von nun an jeden Tag vor dem Aquarium sitzen, um die Glückseligkeit dieser beiden Geschöpfe zu betrachten.«
»Okaaaaay.« Andi machte einen Schritt auf mich zu und ich spürte ihre Hand auf meiner Stirn. »Ich hatte gehofft, dass du Fieber hast, aber anscheinend bist du bloß durchgeknallt. Hat es etwas mit Hank zu tun? Sollen wir darüber sprechen?«
Irritiert blickte ich zu ihr, bevor ich mir den Schreibtischstuhl heranzog und mich daraufsetzte. »Wie kommst du denn jetzt auf Hank? Dieser Mann ist Geschichte, und glaub mir, ich weine ihm keine Träne nach.«
»Aber … Fische?«
Ich seufzte. »Du glaubst doch nicht, dass ich mir Fische zugelegt habe, weil Hank mir fehlt. Was wäre denn das für ein Ersatz?«
»Ach Meredith.«
Ich hasste es, wenn sie meinen vollen Namen aussprach. Spätestens dann wusste ich, dass ich etwas getan hatte, das ihr missfiel.
»Vielleicht solltest du dir doch professionelle Hilfe suchen.« Sie grinste, während sie das sagte, und ich verdrehte die Augen.
»Die einzige Person, die wirklich Hilfe braucht, ist Hank. Ich meine … hallo? Sie heißt Trudy. Das ist der Name für eine zweiundsiebzigjährige Frau. Ich will überhaupt nicht wissen, wie alt sie wirklich ist.«
Es schüttelte mich bei dem Gedanken, dass er mich für eine alte Frau verlassen haben könnte. Das Einzige, was ich in Erfahrung hatte bringen können, war ihr Name. Hank hatte mich von heute auf morgen verlassen, ohne mir einen anständigen Grund zu nennen. Natürlich hatte ich es nicht auf sich beruhen lassen, immerhin waren wir fünf Jahre ein Paar gewesen. Nachdem ich dann jedoch erfahren hatte, wie sie hieß, hatte ich lachend meine Koffer gepackt und war nach New York gereist. Es gab mir zu denken, dass es mich nicht traurig machte, dass es vorbei war. Vielleicht hatte ich insgeheim schon seit einer sehr langen Zeit geahnt, dass es keine funktionierende Beziehung mehr war. Wir hatten aneinander vorbeigelebt und selbst im Bett war es nicht mehr gelaufen. Die Tage, an denen wir Sex gehabt hatten, konnte ich an zwei Händen abzählen, und es hatte mich frustriert. Natürlich … Und doch hatte ich nie den Schritt gewagt, einen Schlussstrich unter das Ganze zu ziehen. Die Macht der Gewohnheit?
»Und du denkst doch wieder an ihn«, stellte Andi fest und riss mich so aus meinen Gedanken.
»Das verstehst du völlig falsch. Ich denke nur daran, wie dumm ich war.«
Das war ich wirklich gewesen, denn scheinbar hatte Hank schon seit einiger Zeit ein Doppelleben geführt, wenn ich den Bildern auf seiner Facebookseite Glauben schenken konnte. Doch vorbei war vorbei und ich fühlte mich befreiter und glücklicher denn je. Seither bewohnte ich ein kleines Zimmer in Andis Wohnung, das zuvor als Hobbyraum gedient hatte. Andi verdiente nicht schlecht, denn sie arbeitete als Grafikdesignerin bei Hunt Cooperates. So konnte sie sich eine große Wohnung in New York leisten, was wahrscheinlich an ein Wunder grenzte, wenn man die hohen Mietpreise bedachte. Sie hatte mir dabei geholfen, in einem Gebrauchtmöbelhaus ein anständiges Bett zu finden, und ich nutzte den Schrank, in dem vorher ihre Utensilien gelegen hatten, als Kleiderschrank. Nachdem ich mir Gardinen besorgt und die Wände neu gestrichen hatte, fühlte ich mich wie zu Hause. Noch ein wenig Deko, und es war perfekt gewesen. Bis eben hatte ich nicht gewusst, dass doch noch etwas gefehlt hatte, aber Adonis und Zeus bewiesen mir, dass sie das Tüpfelchen auf dem i waren.
»Was hältst du davon, wenn wir heute Abend auf eine Party gehen? Ich habe eben per E-Mail eine Einladung von Jeff bekommen. Wenn ich glauben kann, was er geschrieben hat, wird es eine echt tolle Feier.«
Seit ich in New York lebte, liebte ich es, feiern zu gehen. Natürlich war mein Budget begrenzt und momentan lebte ich noch von dem Geld, das ich in den letzten Jahren für Notfälle beiseitegelegt hatte, trotzdem wollte ich mein Leben genießen und dazu zählte eben auch, dass man sich betrank und wilde Sachen tat, die einem in ein paar Jahren vielleicht peinlich sein würden.
»Das klingt gut. Wie ist denn der Dresscode?«
Sie zuckte ahnungslos mit den Schultern. »Ich würde sagen, wir ziehen einfach ein knappes Kleid an und dann passt es.«
Andi war in dieser Beziehung genauso wie ich. Mir war es egal, was andere von mir dachten, und wenn wir im Doppelpack unterwegs waren, war es nur noch amüsanter. Doch dann …
»Glaubst du, ich kann die beiden allein lassen?«
Ich deutete zum Aquarium und Andi presste ihre Faust vor den Mund, um einen Schrei zu unterdrücken. Sie lief rückwärts aus dem Zimmer und schüttelte wie eine Wahnsinnige den Kopf. Als sie bereits im Flur war, hörte ich sie sagen: »Lieber Gott, bitte lass meine beste Freundin wieder normal sein, ansonsten muss ich sie einweisen lassen.«
Ich lächelte bei ihren Worten, als mein Handy klingelte. Ich nahm es von der Kommode neben dem Bett. »Ja?«
»Hallo, Schätzchen, wie geht es dir?«, hörte ich die Stimme meiner Mom und sofort machte sich ein wohliges Gefühl in meinem Bauch breit. Ich hatte ein sehr enges Verhältnis zu meinen Eltern und daher telefonierten wir täglich. Meine Mom machte sich Sorgen um mich, seitdem ich nach New York gezogen war, und es brach mir manchmal beinahe das Herz, dass ich nun nicht mehr in ihrer Nähe wohnte.
»Alles bestens, Mom. Und bei euch? Wie war Dads Arzttermin?«
Sie seufzte. »Die Ärztin meinte, dass er auf seinen Blutdruck achten soll. Ich habe ihm ja immer gesagt, dass er das ganze fettige Zeug nicht essen und das Rauchen endlich aufgeben soll. Aber er hört ja nicht auf mich.«
Mein Dad hatte in letzter Zeit mit Müdigkeit und Erschöpfung zu kämpfen, weshalb meine Mutter ihn dazu gedrängt hatte, endlich einen Arzt aufzusuchen.
»Er ist eben stur. Was glaubst du, woher ich diese Eigenschaft habe?«, meinte ich lachend, auch wenn ich besorgt um meinen Vater war. Ich versuchte, meiner Mom ein gutes Gefühl zu vermitteln und ihre eigene Sorge um ihn etwas zu mildern.
Nun lachte auch sie. »Da hast du nicht unrecht. Was macht denn die Jobsuche? Hast du schon etwas gefunden, was zu dir passt? Ich denke, es wird langsam Zeit, dass du dir Arbeit besorgst. Wenn ich daran denke, dass du schon seit drei Monaten nichts zu tun hast …«
»Bisher habe ich noch nichts gefunden. Immer wenn mir etwas zusagt, wird mir mitgeteilt, dass die Stelle schon vergeben ist. Hier in New York scheinen Jobs Mangelware zu sein und ich möchte nicht wieder kellnern.«
Bevor ich in Michigan meinen ersten ernst zu nehmenden Job angenommen hatte, hatte ich einige Wochen lang in einem Café gekellnert und es war die reinste Katastrophe gewesen. Wahrscheinlich lag es mir einfach nicht im Blut, denn ich war entlassen worden, als ich zum gefühlt zwanzigsten Mal das Tablett mit den Getränken hatte fallen lassen.
»Hier in Michigan wäre das ja ganz anders …«
»Mom!«, meinte ich seufzend. »Das Thema hatten wir doch schon einige Male. Mir gefällt es hier und ich bin froh, dass ich etwas Abstand von Michigan gewinnen kann. Andi gibt sich große Mühe, damit es mir hier gefällt, und ich bin froh, sie wieder so oft um mich zu haben.«
Mom blieb für einige Momente still, bis sie schließlich erwiderte: »Das weiß ich doch, Liebes. Ich finde es nur schade, dass wir uns nicht mehr so oft sehen können. Wenn ich an früher denke … Du warst beinahe täglich bei uns.«
»Ich weiß«, meinte ich. »Aber ich werde euch bald besuchen kommen, darauf kannst du dich verlassen.«
Wir beendeten das Telefonat und ich blickte zu meinen neuen Freunden hinüber, die immer noch in ihren vier Wänden durch das Wasser schwammen. Es war ein verrückter Gedanke, aber wie gern wäre ich ein Fisch. Keine Probleme, ein stets geregelter Tagesablauf …
»Mer?« Andi hatte wieder mein Zimmer betreten und sich in ein heißes rotes Kleid geschmissen, das ihre Kurven wunderbar zur Geltung brachte. »Was meinst du? Kann ich das nachher tragen? Ich bin unsicher, weil ich irgendwie so fett darin aussehe.«
Ich rollte mit den Augen. »Du bist nicht fett! Du bist ebenso wenig wie ich eine dürre Bohnenstange, aber darauf steht sowieso kein Kerl. Das Kleid ist wahnsinnig heiß, du solltest es tragen«, stellte ich fest und sie nickte zufrieden.
»Du hast recht. Hast du dir schon Gedanken darüber gemacht, was du tragen willst?«
Ich schüttelte den Kopf, während ich zu meinem Kleiderschrank ging. »Das kleine Schwarze?«
Sie grinste. »Zieh es an.«
Ich zog mein einziges kostbares Stück hervor. Es hatte mich fünfhundert Dollar gekostet und genauso wie bei den Schuhen hatte ich ewig darauf hin gespart. Ich zog es an und strich über meine Hüften, da sich der Stoff eng darum schmiegte.
»Es ist perfekt«, meinte Andi nickend. »Du wirst alle Augen auf dich ziehen. Und jetzt schmink dich, damit wir gleich loskönnen. Ich sterbe vor Hunger.«
»Du hast ständig Hunger«, bemerkte ich und sie lachte leise, bevor sie mein Zimmer wieder verließ.
Nachdem ich mich noch einige Sekunden im Spiegel gemustert hatte, ging ich ins Bad und legte etwas Make-up auf. Ich war nicht der Typ, der sich stark schminkte. Im Gegenteil. Meine Augen betonte ich mit einem dezenten Lidschatten, dazu tuschte ich mir die Wimpern. Schließlich entschied ich mich doch noch für den knallroten Lippenstift, um meinen Look etwas zu intensivieren.
Als ich aus dem Bad trat, pfiff Andi. »Na sieh mal einer an. Vom grauen Mäuschen zur Sexmaschine.«
Ich lachte so sehr, dass sich ein gewaltiger Hustenanfall daraus entwickelte. »Du bist völlig verrückt.«
Andi rief uns ein Taxi, das uns zu der Party bringen sollte. Ich liebte mein neues Leben, es war so vollkommen anders als mein vorheriges. Damals hatte ich die meisten Abende allein zu Hause verbracht, während Hank beruflich zu tun gehabt hatte. Zumindest hatte ich das gedacht. An den Wochenenden hatten wir selten etwas unternommen, umso mehr hatte ich nun das Gefühl, dass ich etwas verpasst hatte. Ich wollte etwas erleben, die Welt sehen, meine eigenen Erfahrungen machen.
»Du träumst schon wieder«, machte sich Andi bemerkbar und ich zuckte zusammen.
»Ja, ich weiß. Lass uns Spaß haben.«
Wir hatten gerade das riesige Haus erreicht, das man schon beinahe eine Villa nennen konnte, Andi bezahlte den Taxifahrer und wir stiegen aus.
»Wow, du hast mir nicht gesagt, dass dein Freund ein steinreicher Kerl ist«, meinte ich atemlos und sie lachte.
»Er ist nicht mein Freund, sondern ein Freund. Jeff und ich kennen uns durch die Firma, und glaub mir, ich wusste ebenso wenig wie du, dass wir in einer solchen Protzvilla feiern.«
Sie hakte sich bei mir unter und wir liefen in Richtung Eingangstür, von wo man bereits die laute, dröhnende Musik im Inneren hören konnte. Die Tür war nicht verschlossen, weshalb wir hineingehen konnten.
Für einen kurzen Moment erstarrte ich, als ich auf die nackten Körper blickte, die mir sofort ins Auge fielen, als wir in den Flur traten. »Was zum Teufel?«, murmelte ich und stupste Andi in die Seite. Als sie jedoch nicht reagierte, blickte ich zu ihr und erkannte, dass sie genauso schockiert war wie ich.
»Er hat mit keiner Silbe erwähnt, dass alle Frauen hier praktisch nackt sind«, schrie sie mir ins Ohr und ich konnte nicht anders, als in Gelächter auszubrechen.
Als ich mich wieder etwas beruhigt hatte, sah ich mich um. Die Männer trugen alle Anzüge, keiner von ihnen hatte auch nur sein Jackett abgelegt. Sie alle hatten nur Augen für die Frauen, die hemmungslos halb nackt tanzten.
»Hey, Ladys!«
Plötzlich legte sich eine Hand auf meine Schulter und als ich neben mich blickte, sah ich einen groß gewachsenen dunkelhaarigen Mann neben uns stehen. Seinen anderen Arm hatte er um Andi gelegt und ich erkannte, dass sie nicht begeistert war.
»Jeff«, hörte ich sie gegen die Musik anschreien, »als ich dich gefragt habe, wie der Dresscode ist, und du meintest, es gäbe keinen, habe ich nicht gedacht, dass wir nackt erscheinen sollen.«
Jeff lachte ein erfrischendes Lachen und schüttelte den Kopf. »Es sind einige Frauen in der Küche, die ebenso wie ihr angezogen gekommen sind.« Er musterte mich von oben bis unten und nickte dann. »Du siehst gut aus, wie war noch gleich dein Name?«
Bevor ich hätte antworten können, stemmte Andi die Hände in die Hüften. »Das ist Mer. Ich bin gerade wirklich unentschlossen, ob wir nicht gleich wieder gehen sollen.«
»Ach komm schon. Es wird eine super Party.«
Ich schaute mir Jeff genauer an und musste zugeben, dass er ein wirklich hübscher Kerl war. Seine dunklen Haare standen in alle Richtungen ab, sodass man sofort das Bedürfnis verspürte, seine eigenen Hände darin versinken zu lassen. Sein Gesicht wirkte wie aus Stein gemeißelt und seine blauen Augen stachen nur so hervor.
Plötzlich stand Andi neben mir. »Ich sehe genau, wie du ihn anstarrst«, raunte sie mir zu. »Ich hole uns mal etwas zu trinken.«
Und weg war sie.
Ertappt zuckte ich zusammen und drehte mich dann wieder zu Jeff, der immer noch seinen Blick auf mir ruhen ließ. Er beugte sich ein Stück zu mir, sodass ich seinen Atem in meinem Nacken spüren konnte. »Du bist wunderschön. Das Kleid wirkt so, als wäre es nur für deinen Körper gemacht worden.«
»Äh, danke«, stammelte ich und mir wurde wieder einmal bewusst, dass ich seit Hank mit keinem Mann zusammen gewesen war.
Jeff griff sanft nach meiner Hand und zog mich in eine etwas ruhigere Ecke. »Hier können wir uns besser unterhalten. Wie kommt es, dass ich dich noch nie hier gesehen habe?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Bis vor drei Monaten habe ich noch in Michigan gelebt. Seither wohne ich mit Andi zusammen.«
Er nickte. »Dann sind dir solche Partys hier wahrscheinlich nicht geläufig.«
Ich schüttelte lachend den Kopf. »Nein, das sind sie wirklich nicht. Ist das dein Haus?«
Jeff lächelte und ich sah mich Hilfe suchend nach Andi um, die ich jedoch nirgends entdecken konnte. »Ja, es ist das Haus meiner Eltern. Sie verreisen oft und wenn sie nicht da sind, wohne ich hier.«
Er streckte seine Hand aus und umschloss eine meiner Haarsträhnen mit seinen Fingern. Das Herz schlug mir bis zum Hals und ich wusste nicht, ob das hier das Richtige war.
»Ich sollte mich mal auf die Suche nach Andi machen«, murmelte ich, doch Jeff umgriff sanft meinen Unterarm.
»Sie wird sich hier schon nicht verlaufen und gleich wieder zu uns stoßen. Ich möchte mehr über dich erfahren.«
Ich zog eine Grimasse, doch das störte Jeff nicht im Geringsten.
»Ich sehe, dass du nicht sehr begeistert davon bist.«
»Hör zu«, seufzte ich, »es hat nichts mit dir zu tun. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich noch nicht bereit für so etwas bin. Du bist ein toller Kerl und eigentlich wärst du genau der Typ Mann, auf den ich stehe, aber …«
»Du hast gerade eine Beziehung hinter dir? Glaub mir, ich bin der Letzte, der so etwas nicht nachempfinden kann.«
Erleichtert atmete ich auf. »So ist es. Also versteh mich nicht falsch, aber ich möchte momentan mein Leben genießen und dazu gehört nicht zwangsläufig ein Mann, wenn es auch nichts Festes ist.«
»Verstehe«, meinte Jeff und deutete in Richtung Küche. »Du findest Andi wahrscheinlich dort.«
»Es tut mir wirklich leid«, sagte ich, bevor ich mich auf den Weg zu Andi machte. Tatsächlich stand sie etwas abseits an die Wandgelehnt.
»Oh!« Sie machte ein enttäuschtes Gesicht, als ich auf sie zukam. »Ich dachte, ihr könntet euch gut verstehen.«
»Ich bin noch nicht so weit.«
»Mer …« Sie seufzte. »Du versuchst es ja nicht einmal. Jeff ist wirklich toll.«
Ich griff nach dem Drink, den sie in den Händen hielt, und trank einen Schluck. »Das mag sein, ich bin trotzdem nicht interessiert. Es ist noch zu früh.«
Schon nach einer Stunde brachen wir auf, um nach Hause zu fahren. Es war nicht die Definition von Party, die wir uns vorgestellt hatten, denn je später der Abend wurde, umso schlampiger wurden auch die Frauen.
Ich ging in mein Zimmer und zog mir eine bequeme Jogginghose und ein lockeres Top an. Als ich ins Wohnzimmer kam, lag Andi bereits auf der Couch, eingewickelt in eine Wolldecke.
»Bereit?«
Ich nickte lächelnd.
Seit ich bei ihr wohnte, hatten wir ein festes Ritual. Keine von uns würde ins Bett gehen, bevor wir nicht gemeinsam eine Folge unserer Lieblingsserie gesehen hatten. Man hätte schon beinahe behaupten können, dass wir süchtig danach waren.
In der Serie waren Intrigen an der Tagesordnung und das ständige Hin und Her der Hauptdarsteller versetzte einem selbst ein Schleudertrauma. Doch ganz nach Klischee hoffte ich tief in mir drin, dass die beiden irgendwann zueinanderfinden würden. Wenn das reale Leben schon so unfair sein konnte, wünschte ich mir zumindest dort ein Happy End.
»Als du dich umgezogen hast, habe ich übrigens über deine Jobsituation nachgedacht. Es ist verrückt, dass ich nicht sofort darauf gekommen bin. Ich könnte mich morgen mal umhören, aber sicherlich gibt es bei Hunt Cooperates irgendeine freie Stelle, die nur auf dich wartet. Was meinst du?«
Ich dachte an all die Absagen, die ich in den letzten Monaten erhalten hatte. Es war frustrierend, wie umkämpft der Markt in New York war. Auf ein einziges Stellenangebot gab es meistens Tausende Bewerber.
Ich kuschelte mich ebenfalls unter die Decke. »Das wäre toll. Ich meine, ein bisschen Freizeit ist ja schön und gut, aber langsam wird es langweilig.«
»Ich kläre das morgen! Und jetzt volle Konzentration«, meinte sie, als sie auf Play drückte.
Der nächste Tag zog nur so an mir vorbei. Während Andi arbeitete, konzentrierte ich mich wieder auf meine Bewerbungen, da ich mir nicht sicher sein konnte, dass sie wirklich ihre Verbindungen spielen lassen konnte und mir ein Vorstellungsgespräch besorgte.
Wenn es so weiterging, sah ich mich sogar gezwungen, einen Kellnerjob anzunehmen, denn bis auf tausend Dollar waren meine Ersparnisse aufgebraucht. Ich zahlte die Hälfte der Miete und somit würde ich meinen Alltag bereits im nächsten Monat ohne Geld bestreiten müssen.
Als es draußen dämmerte, kochte ich Andis Lieblingsessen – Lasagne –, was kein großer Aufwand war. Ich holte das Essen aus dem Backofen und genau in diesem Moment hörte ich, wie Andi die Wohnungstür aufschloss.
Sie hängte ihre Jacke an die Garderobe und baute sich dann vor mir auf. Sie grinste bis über beide Ohren. »Bin ich deine beste Freundin oder bin ich deine beste Freundin?«
Ich füllte gerade unsere Teller und zog eine Augenbraue hoch. »Ist das eine Fangfrage?« Ich duckte mich, als sie nach mir schlug, und schüttelte lächelnd den Kopf. »Setz dich, wir essen.«
»Ja, Mama. Aber willst du denn gar nicht wissen, was ich zu sagen habe?«
Wir setzten uns an den Tisch und ich biss mir auf die Unterlippe. »Konntest du etwas erreichen?«
Sie nickte. »Das konnte ich. Und du wirst nicht glauben, für was du morgen früh ein Vorstellungsgespräch hast. Der große Mister Hunt sucht eine persönliche Assistentin!«
Ich riss erschrocken die Augen auf und ließ die Gabel sinken, mit der ich gerade ein Stück Lasagne aufgespießt hatte. »Du machst Witze.«
»Nein, mit so etwas würde ich nicht scherzen.«
»Wow«, meinte ich erstaunt. »Das ist der absolute Wahnsinn.«
Andi kaute gerade und brachte daher nur ein Nicken zustande. »Das ist es wirklich. Wenn du den Job bekommst, sind deine Geldsorgen erst einmal passé. Wie ich gehört habe, könntest du dir von dem Gehalt sogar sehr viele Valentinos kaufen.«
Ich sprang von meinem Stuhl auf und legte meine Arme um Andi. »Ich glaube zwar nicht, dass ich den Job bekomme, aber allein dass du mir das ermöglicht hast, ist großartig. Du bist wirklich die Allerbeste!«
Glücklich aßen wir gemeinsam und wählten im Anschluss ein Kleid aus, das ich morgen tragen würde. Ich hatte schon viel über das Unternehmen gehört, in dem Andi seit einigen Jahren arbeitete, doch niemals hätte ich mir erträumt, dort je eine Chance zu bekommen.
»Oh. Mein. Gott«, stöhnte ich. »Ich glaube, ich hyperventiliere.«
Ich hatte bereits geduscht, mich geschminkt und das schwarze Kleid mit dem dezenten weißen Muster angezogen.
Andi packte mich an den Schultern. »Sieh mich an, Mer. Du schaffst das! Hau ihn von den Socken, das ist doch dein Spezialgebiet!«
Ich zog eine Grimasse. »Natürlich, deswegen ist mir Hank ja auch davongelaufen.«
Sie verdrehte die Augen und ließ mich dann los. »Ich will heute nichts von Hank hören. Straff deine Schultern und verzaubere Mister Hunt. Und jetzt los, sonst kommst du zu spät.«
Wir fuhren gemeinsam zur Firma und ich hatte Mühe, ruhig zu atmen. Das hier war meine Chance und ich hoffte, dass ich es nicht vermasselte.
Als wir vor dem Unternehmen hielten, schluckte ich. Verdammt, das hier wirkte wie ein Palast.
Andi verabschiedete sich von mir und drückte mich noch einmal fest, um mir viel Glück zu wünschen. Dann war sie verschwunden und ließ mich in dieser imposanten Eingangshalle zurück. Mittlerweile wusste ich nicht einmal, ob ich überhaupt hier arbeiten wollte, denn das war nicht meine Welt. Ich hielt nichts von versnobten Dingen, die hier an der Tagesordnung zu sein schienen.
Ich kündigte mich am Empfang an und wurde mit dem Aufzug in die höchste Etage gefahren. Ja, selbst hier gab es Personal, was mich beeindruckte und zugleich abschreckte.
»Mister Hunt erwartet Sie in seinem Büro«, empfing mich eine Frau und lief mit mir zu einer riesigen Tür. Meine Nervosität hatte ihren Höhepunkt erreicht und ich sprach mir innerlich selbst Mut zu, denn ich hatte das Gefühl, auf Watte zu laufen.
Lass ihn bitte kein Arschloch sein, lass ihn bitte kein Arschloch sein, sagte ich mir in Gedanken.
Die Frau öffnete die Tür und ich betrat den Raum. Mister Hunt saß hinter seinem Schreibtisch und … Gott hilf mir …
Vor mir saß der wohl hübscheste Mann, den ich je gesehen hatte. Und selbst das schien noch untertrieben zu sein, denn noch nie hatte es jemand geschafft, mir vollkommen die Sprache zu verschlagen. Ich sah in dieses wundervolle, ebenmäßige Gesicht, das wirkte, als wäre es gemalt … doch zugleich so kantig und rau.
Verfluchte Scheiße, wieso hatte Andi mich nicht vorgewarnt? Und wieso zum Teufel war ich zuvor nicht auf die Idee gekommen, mehr über diesen Mann in Erfahrung zu bringen? Ich hatte wirklich mit einem älteren Griesgram gerechnet. Verdammt.
»Miss Armstrong?«
Ich schluckte. Seine Stimme war so dunkel, dass es mir eine Gänsehaut auf den Körper trieb. Er lächelte nicht, nein. Nicht einmal der Ansatz eines Lächelns war auf seinem Gesicht zu sehen. Doch das stieß mich nicht ab. Im Gegenteil.
»Ja?« Ich wollte mir selbst dafür applaudieren, dass ich es geschafft hatte, ein einziges Wort hervorzubringen.
»Wollen wir uns über den Job unterhalten oder haben Sie vor, noch weitere Minuten dort zu stehen und mich anzustarren?«
Erst jetzt bemerkte ich, dass mein Mund offen stand, und so schloss ich ihn und setzte mich auf den Stuhl ihm gegenüber. Nur der verdammte Schreibtisch trennte uns noch, was eine Schande war.
»Gut. Dann können wir beginnen. Ich suche eine persönliche Assistentin, die zu absoluter Verschwiegenheit und größtmöglicher Diskretion neigt. Zudem sollten Sie ein hohes Engagement an den Tag legen. Trauen Sie sich das zu?«
Er musterte mich ungeniert und zog seine Augenbrauen zusammen.
»Ja, das tue ich. In Michigan hatte ich bereits einen ähnlichen Job.«
Nun lachte er abwertend, doch dieses Lachen erreichte seine Augen nicht. »Ach, hatten Sie das? Sie glauben doch wohl nicht, dass Sie einen Job wie diesen mit einem in …« Mister Hunt verzog das Gesicht. »… Michigan vergleichen können.«
»Entschuldigen Sie, Mister Hunt, wenn ich Sie beleidigt haben sollte, aber auch hier werde ich keine Bomben entschärfen müssen, oder habe ich da etwas falsch verstanden?