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Ein meisterhafter Roman über Pink Floyd, eine der einflussreichsten Rockgruppen der Welt
Syd Barrett – ein Engel, ein Dämon, ein Poet – war das Genie, das die Gruppe Pink Floyd so stark prägte, dass er heute noch als ihr Geist gilt. Er ging mit Roger Waters in Cambridge zur Schule, spielte schon damals in mehreren Bands, zeichnete hervorragend, schrieb, komponierte und litt schon früh an psychischen Störungen. Seine Experimente mit Drogen verursachten 1968 einen schizophrenen Schub, von dem er sich nie wieder erholte. Pink Floyd hielten immer Kontakt zu ihm, widmeten ihm die Songs »Wish You Were Here« und »Shine on You Crazy Diamond«. In einem Kaleidoskop der Erinnerungen lässt Mari Tourmanager, Bandmitglieder, Bühnenarbeiter, aber auch die Regisseure Antonioni und Kubrick von Syd Barrets Welt, von seinem Charme, seinen Ideen und der Faszination, die er seit seiner Jugend auf alle ausübte, erzählen. Ein ergreifender Roman über Poesie, Kunst, Genie und Wahnsinn.
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Seitenzahl: 310
»Sie hätten ihren Namen einfach behalten können, Geoff Mott and the Mottoes …«
»Wirklich der scheußlichste aller Zeiten.«
»Oder Ramblers …«
»Absoluter Blödsinn!«
»Stimmt, aber hätten sie es dabei belassen, wären wir verschont geblieben.«
»Na los, quälen wir uns doch ein bisschen. Eine Zeit lang waren sie auch die Newcomers …«
»Später die Those Without, sic!«
»Ja genau, sicsic! Dann hätten wir nämlich nicht dran glauben müssen.«
»Auch Hollerin’ Blues haben sie sich irgendwann genannt.«
»Und Jokers Wild, nicht wahr? Jokers Wild!«
»Einen Moment, erst mal sehen, wer damals dabei war …«
»Einer war immer dabei, du weißt doch, wie die drauf waren, oder? Sich auflösen und wieder vereinen, andere aufnehmen, aufgenommen werden, wieder zueinanderfinden, das war nicht nur eine Frage des Namens, ihnen fehlte das innere Gleichgewicht, als hätten sie nach der richtigen Konstellation gesucht … Erst zersetzen, dann zusammensetzen, so sind sie jedes Mal ein Stück näher ans Ziel gekommen …«
»Und Sigma Six, was fällt dir dazu ein?«
»Wie viel Mühe sie sich gemacht haben, hässliche Namen zu finden …«
»Wie Abdabs …«
»Screaming Abdabs hat’s nur noch schlimmer gemacht.«
»Oder Megadeaths …«
»Aber so wären wir davongekommen. Selbst als sie die Spectrum Five wurden, wären wir noch davongekommen.«
»Sogar noch bis Leonard’s Lodgers, stell dir vor, ach was, bis Tea Set, übrigens der lächerlichste Name, den es je gegeben hat.«
»Danach …«
»Los, quäl dich ruhig. Merkst du nicht, dass es mich genauso quält?«
»Danach …«
»Jedes Mal kommst du an dieser Stelle ins Stocken, obwohl du genau weißt, wie es gelaufen ist: Sein Blick fiel auf meine Platte und …«
»Eine Platte, die er bestimmt schon tausendmal gesehen hatte, genauso wie meine …«
»Auch zusammen wird er sie tausendmal gesehen haben, aber das eine Mal …«
»Wäre es einer von den anderen gewesen, wäre nichts passiert, aber ausgerechnet er …«
»Schon klar, schon klar! Er sieht mit dem Spektrum des Diamanten im Auge, er lässt Dinge wahr werden, er, er, er, ich kann’s nicht mehr hören!«
»Mitgefangen, mitgehangen, für immer. Seit diesem Augenblick, seit dem Blick auf unsere beiden Platten.«
»Als hätte er uns in dem Moment zum ersten Mal gesehen, getrennt und vereint zugleich …«
»Mit teuflischer Macht, schließlich waren unsere Hälften in Namen versteckt …«
»Auf einer Platte …«
»In Namen auf einer Platte … Wie ein Chirurg hat er meine Hälfte abgetrennt, an deine angefügt und uns so wiedergeboren. «
»Chirurgen trennen siamesische Zwillinge normalerweise: Wir sind an den einzigen geraten, der sie erschafft …«
»Mir hat mein Name gefallen, Pink Anderson.«
»Mir meiner auch, Floyd Council.«
»Ich frage mich, ob mit den anderen Hälften das Gleiche passiert wäre …«
»Wer weiß das schon? Anderson Council, klingt gar nicht so schlecht… etwas schwerfällig vielleicht …«
»Pink Floyd ist jedenfalls wunderschön, das muss man zugeben. «
»Ja, auf unsere Kosten!«
»Wenn man bedenkt, dass wir sogar da noch davongekommen wären!«
»Weil sich die anderen auf Pink Floyd Blues Band versteift haben? Meinst du, das hätte was geändert?«
»Darauf kannst du wetten! Hast du immer noch nicht kapiert, dass die Schönheit uns ausgetrickst hat? Ist sie das Wesentliche, geht sie ins Wesen ein. Mit »Blues Band« würden wir heute noch getrennt durchs Leben spazieren.«
»Ja, aber am Ende hat sich das Genie durchgesetzt, und sieh, was aus uns geworden ist.«
»Mit der Härte des Diamanten hat er sich durchgesetzt.«
Mit diesen Worten wand sich das rosa Monster um den Nacken des flüssigen Monsters und schnappte zu. Wie stets in solchen Momenten, riss das flüssige Monster mit seinen Krallen tiefe, fleischige Wunden in den Rücken seines Anverwandten. In einem dicken Schwall strömte hellrotes Blut an dem sich vereinigenden, zitternden Körper herunter, rosafarbenes Blut, das auf den Boden und immer weiter floss und floss.
Arnold Layne
Wird wohl jeder so Spaß haben dürfen, wie er will, oder? Wenn’s keinem schadet, was soll’s, jeder macht’s auf seine Art, und fertig, da soll niemand behaupten, er hätte keine Geheimnisse, das ist doch das Schönste im Leben, je kleiner, umso schöner, misch ich mich etwa in eure Angelegenheiten, he? Warum sollte ich … Hey, euer Arnold ist einer von denen, die sich umdrehen und die Fliege machen, sobald sie was Merkwürdiges beobachten, nichts gesehen, das ist Arnold, könnt euch gern umhören … Darum würde ich gern mal wissen, warum ausgerechnet mir das passieren muss, dass jeder sofort an diese eine Sache denkt, sobald er meinen Namen hört … Jetzt bloß nicht so tun, als wüsstet ihr von nichts, die Unterhosen, ja, die Unterhosen! Als würden Frauen nur Unterhosen auf die Leine hängen, von wegen! Und was ist mit Strumpfhosen? BHs? Unterröcken? Zeit zum Aussuchen hast du in dem Moment einfach nicht, du schnappst dir was und ab, die Beute wird erst zu Hause begutachtet… Sicher, manchmal stellt man dann fest, dass man sich vertan hat! Man könnte platzen vor Wut, wenn man auf einmal Männerslips in der Hand hält! Die ganze Mühe umsonst, schnell über Mauern geklettert, aufgepasst, dass gerade kein Polizist vorbeikommt, ob in irgendeinem Fenster Licht angeht, ob der Hund in der Nähe ist, verdammte Hacke, im Mondlicht sieht man zwar, was man mitnimmt, aber man wird selbst auch gesehen, und wie … Und stell dir mal vor, es sind Leute, die du kennst, Strumpfhosen von der Tochter gehen ja noch, aber wenn’s die von der Mutter sind … Unterhosen kann man dagegen leicht auseinanderhalten, mit Spitze und durchsichtig sind’s die von der Tochter, vom Typ Miederschlüpfer gehören sie der Mutter. Bei den Strumpfhosen ist es schwieriger, so schlaff, wie die an der Leine hängen, sehen sie alle gleich aus, ganz anders, wenn man sie anzieht und an die Mutter denkt, an Mrs Collington zum Beispiel, mit ihren dicken Stampfern voll Krampfadern, wenn ich mich da im Spiegel anschaue, wird mir übel … Aber die Tochter … Oh, nun ja, ich hab halt diese Vorliebe, okay? Ich kleide mich gern wie eine Frau, einmal haben sie mich angezeigt, aber dann bin ich einfach in ein anderes Viertel gezogen, und keiner hat mich mehr genervt … So eine Höschensammlung wie bei mir im Schrank gibt’s auf der Welt garantiert nicht noch mal … Und in der einen Schublade, hihi … in einer Extraschublade bewahre ich die gebrauchten auf, saubere Höschen stehlen kann ja jeder, aber benutzte, das ist was für Profis, da muss man warten, bis das Haus leer ist, ein Fenster aufbrechen, wissen, wo man suchen muss … Manchmal findet man auch nichts, aber wenn man Glück hat … wahre Schätze … Genau so verlief mein Leben, bis auf einmal dieser Typ aufgetaucht ist… ich weiß nicht mal, wie ich ihn nennen soll, ich weiß nur, dass er ein Nachbar war, ein sympathischer Kerl, nicht sehr gesprächig, etwas sonderbar … Natürlich habe ich mich nicht mit ihm unterhalten, nicht einmal meinen Namen hab ich ihm gesagt, geschweige denn von meinem Geheimnis erzählt … Aber gut, eines Morgens gehe ich in die Stadt, und alle singen dieses Lied, von einem, der Frauenunterwäsche stiehlt und sich darin vor den Spiegel stellt, einer, der genauso heißt wie ich, Arnold Layne! Wie auch der Song, und so bin ich seitdem nur noch der mit den Unterhosen … der Mann, der sich verkleidet… Seitdem habe ich keine Ruhe mehr … Ein paar ganz Witzige legen mir ihre Höschen vor die Haustür, selbst gebrauchte, aber das ist nicht das Gleiche … Weil, ich hab zwar nicht studiert, aber eins hab ich schon verstanden, dass diese Geschenke nicht für mich sind, sondern für den aus dem Lied … Vor ein paar Jahren sind sogar Leute wegen einem Interview zu mir gekommen, mit Kamera und allem Drum und Dran, die meinten, dass es ohne mich diese Platte nicht gegeben hätte und dass diese Typen ohne die Platte nicht durchgestartet wären mit ihrer Karriere, deswegen sollte ich ihrer Meinung nach ordentlich Geld von denen verlangen, ja, als ob ich nicht wüsste, was aus diesem Kerl am Ende geworden ist, versucht ihr doch mal, so einen um Geld zu bitten, so verblödet, wie der war … Er verblödet und ich verkleidet, und das bis in alle Ewigkeit, selbst wenn ich meine Arbeitsklamotten trage, sehen die Leute nur noch den einen in mir, in Strumpfhosen vor dem Spiegel … Er muss dieses Interview allerdings auch gesehen haben, denn ein paar Tage später bekomme ich ein Paket mit schönen himmelblauen Höschen mit Lochmuster, ich meine gebrauchte Höschen, und … ähm, tja … an gewissen Tagen gebraucht, die Frauen so haben … nicht genau an diesen, aber direkt danach, wenn’s noch nachtropft … nicht mehr besonders dunkel, eher rosafarben … und das Komische ist, dass diese rosa Flecken nicht getrocknet sind, sie bleiben einfach feucht und frisch, wie … als würden sie direkt aus dem Höschen kommen … flüssig, ein bisschen klebrig … Jahre danach fließt es immer noch… Da dachte ich mir, so ein Geschenk kann nur von diesem Verrückten sein, echt Wahnsinn? Doch, doch, liebe Leute, ein Wahnsinnstyp.
Bob Klose
Ich sag es jetzt zum letzten Mal, danach werde ich rechtliche Maßnahmen ergreifen. Ich warne jeden, der mich als »fünften Pink Floyd« bezeichnet! Einverstanden, einen fünften Beatle hat es gegeben, auch wenn das mindestens vier verschiedene Personen von sich behauptet haben. Deren Sache. Also, zum letzten Mal! Allerletzten, beim Wort des Rado Klose, genannt Bob! Stimmt, in der ersten Besetzung, bei der alle dabei waren, habe ich mit ihnen zusammen gespielt, mit ihm und den drei anderen. Die Spectrum Five. Daher könnte man mich auch als ein Gründungsmitglied betrachten. Könnte. Und ich bin ja auch so lange geblieben, bis wir uns … bis sie sich Pink Floyd genannt haben. Ich kam von den Blue Anonymous, weshalb sie mich immer auf den Arm genommen und auf Konzerten als Blue Pink vorgestellt haben. Für die anderen war das ein Scherz, aber er … er war immer so ernst, verdammt ernst, auch wenn es so aussah, als würde er einen auf doof machen … Nur weil mir Jazz gefiel, hielten sie mich für zu vornehm … Eines Tages nimmt er mich zur Seite und sagt: »Du hast blaues Blut, Bob, daran müssen wir unbedingt was ändern.« Da er Wortspiele mochte, fragte ich ihn, warum er sich bei der Suche nach einem Namen für die Band ausgerechnet an zwei Bluesmusikern orientiert habe. Wenn ich allerdings an die Antwort denke, läuft mir heute noch ein Schauer über den Rücken: »Du kannst beruhigt sein, die spielen diese schwarze Musik nicht mehr, in den finsteren Tiefen, wo sie jetzt sind, lernen sie endlich das Rosa der Morgenröte kennen.« Da war ich wirklich so erschrocken, dass ich gegangen bin. Unterschiedliche Charaktere, hieß es in der Presse, andere Auffassungen von Musik: Alles Lügen! Pure Angst war es, ohne die wäre ich sonst nicht rechtzeitig da weggekommen. Immerhin bin ich jetzt hier, während die anderen … aber ihr wisst ja selbst, was aus denen geworden ist, nicht wahr?
Stuart Sutcliffe
Ich bin der fünfte Beatle. Der einzige echte. Kein Produzent wie Martin, Veranstaltungsmanager wie Aspinall, gelegentlicher Sessionman wie Preston und auch kein ausgestiegener Schlagzeuger wie Best, nein: eins der fünf Gründungsmitglieder, als man uns noch Quarrymen nannte. Und, wie manche meinen, einer, der es mit John und Paul aufnehmen konnte, nur damit wir uns verstehen… wenn nicht noch mehr, einer, der deutliche Spuren hinterlassen hat … Deshalb will diese schreckliche Japanerin auch nirgends meinen Namen hören, sie befürchtet, mir könnte nach so vielen Jahren endlich Gerechtigkeit widerfahren … Andererseits kann man es ihr, ehrlich gesagt, nicht verübeln, dass sie mich mit spitzer Zunge fragt, wo denn die Anerkennung der anderen geblieben sei … Wenn ich wirklich so wichtig gewesen bin, warum haben sie mich dann sofort vergessen? Was wussten sie? Gerade weil sie es wussten, lautet die Antwort …
Ich diene häufig als Beispiel für einen Pechvogel, denn mit einundzwanzig Jahren an Hirnblutung zu sterben, ist nicht gerade ein schönes Schicksal, aber wenn das auch noch geschieht, kurz nachdem du eine Band gegründet hast, aus der die Beatles werden sollten … So betrachtet, sieht es wirklich nach ungeheuerlichem Pech aus, aber eigentlich war es nur folgerichtig … alles genau abgestimmt und eingefädelt … da ich nun mal eine solche Maschinerie in Gang gesetzt hatte, war ich … oder besser gesagt, musste ich so enden, damit sie funktioniert … wie geschmiert! Über Jahre hinweg hat sie funktioniert, gespeist von dem Blut, das an jenem Tag meinen Kopf flutete.
Brian Jones
Soeben habe ich mir Stuarts trübseliges Lamento angehört. Dem allerdings die große Sicht auf die Zusammenhänge abgeht. Gewiss hatte er am meisten Pech, aber immerhin sitzt er jetzt im Olymp der Pelikane aus dem heiligen Evangelium. Ich sitze da nämlich ebenfalls, wie, ganz nebenbei bemerkt, auch der Diamant, zwei also, die an der Gründung von Rolling Stones und Pink Floyd mitgewirkt haben. Ich wusste, dass mir irgendetwas passieren würde, weil ich nämlich als Einziger in der Lage war, alle Instrumente zu spielen, weshalb Mick mich nicht ausstehen konnte. Er meinte, ich sei ein Angeber, in Wahrheit hat er nur nie eingesehen, dass ich mehr Talent besaß als er. Als er mir, nachdem er die Band ausreichend bearbeitet hatte, dickmäulig verkündete, ich müsse gehen, wusste ich, dass es nur zwei Wege für mich gab: entweder sie alle zu vergessen und zuzulassen, dass sie sich in Luft auflösen, oder mein Leben zu opfern und sie zur Legende werden zu lassen. Da ich nun mal an meinem Werk hing, wählte ich den zweiten Weg. Am 3. Juli 1969 ertränkte ich mich in einem Swimmingpool, und nur zwei Tage danach füllten meine alten Kumpels bei einem unvergesslichen Konzert den gesamten Hyde Park. Aber weil auf dieser Welt zumindest ein Funken Gerechtigkeit herrscht, sind sie von überirdischen Mächten in Mumien verwandelt worden: Erinnert ihr euch an das Gesicht von Keith oder besonders das von Mick? Habt ihr jemals Menschen mit solch ausgemergelten Gesichtern gesehen? Sie wissen ganz genau, warum sie so ausgedörrt sind, und ob, das Wasser aus dem Swimmingpool wäre ihnen Millionen Pfund wert …
Ich frage mich allerdings, welche Logik hinter diesen Mächten steckt, warum sie Stuarts Gehirn haben explodieren lassen, ohne dass er auf den Geschmack des Erfolgs kommen durfte, warum mir ein paar Jahre mehr gewährt wurden, warum der Diamant am Leben bleiben konnte … ohne Verstand, aber am Leben … Und was ich mich noch frage: Hatte er nicht vielleicht von uns dreien am meisten Pech?
Die Ratte
Ich heiße Richard William Wright, genannt Rick, geboren am 28. Juli 1943 in Hatch End. Ich bin der Keyborder von Pink Floyd, der Farfisa-Mann, genau. Ich bin so dermaßen anders als die anderen, das könnt ihr euch gar nicht vorstellen: Kommt mir aber bloß nicht mit Fragen, lasst euch hiermit einfach gesagt sein, dass es so ist. Ich bin der Älteste und Weiseste und sehe aus wie eine Ratte. Roger ist hingegen ein Pferd. Nick ganz offensichtlich ein Hund. Und Dave, ja, da gibt es keinen Zweifel, Dave ist eine Katze. Was Syd angeht… Nun, ich weiß, was Syd ist, aber das kann ich euch nicht sagen. Werft lieber mal einen Blick auf die Geburtsdaten.
Roger Waters, Bookham, 6. September 1943
Nick Mason, Birmingham, 6. März 1944
Syd Barrett, Cambridge, 6. Januar 1946
David Gilmour, Cambridge, 6. März 1946
Alle am Sechsten. Und wenn wir Dave als Ersatz für Syd ansehen, haben wir dreimal die Sechs, und was das bedeutet, brauche ich ja wohl nicht zu erklären. Ich habe immer gespürt, dass es zwischen ihnen etwas gab, bei dem ich außen vor blieb, und ich meine nicht irgendeine geheime Absprache oder einen Pakt: Um sich zu verständigen, brauchten sie nie miteinander zu reden, sie machten das mit Blicken, bei Roger und Dave war das geradezu erschreckend, ein kurzer Blickkontakt, und der andere wusste, wie er weiterzuspielen hatte … Auch Syd war beeindruckend, aber anders, er schien nie jemanden anzuschauen, nichts und niemanden … Zu mir war er trotzdem immer sehr liebenswürdig. Eines Nachts ist er mir im Traum erschienen, viele Jahre waren vergangen, seit ich ihn das letzte Mal gesehen hatte, und er sah noch blasser und geisteskranker aus als sonst. »Ciao, Rick«, haucht er mir ins Ohr, »ich weiß, dass ihr an einem neuen Album arbeitet …« Offenbar freut ihn das, aber ich habe trotzdem Schuldgefühle. »Stimmt«, antworte ich, »noch haben sich Roger und Dave für keinen Titel entschieden.« – »Sie werden es THE DARK SIDE OF THE MOON nennen, und es wird ein ganz großes Ding werden. Deswegen wollte ich dich auch fragen, ob du nicht Lust hast, diesmal einen eigenen Song beizusteuern, Musik und auch ein bisschen Text.« – »Verflixt, und wie ich Lust hätte, wenn ich nur wüsste, wie man die beiden Sachen zusammenbringt.« Da wird er noch blasser, starrt ins Leere und flüstert mit einem Hauch von Stimme: »Probier’s doch einfach, steh auf und probier’s gleich hier und jetzt, aber sag den anderen nichts davon.« Wollt ihr wissen, wie es ausgegangen ist? Ich hab getan, was er gesagt hat, und einen Song namens The mortality sequence komponiert. Kurz darauf träume ich wieder von ihm, dieses Mal liegt ein leises Lächeln auf dem bleichen Gesicht. »Also weißt du, herausragend zu sein, heißt nicht unbedingt, todtraurig zu sein«, erklärt er mir, »der Song ist nicht schlecht, aber irgendwie bedrückend, er könnte noch etwas Euphorie gebrauchen … Die Platte wird übrigens traumhaft«, fügt er noch hinzu, »aber damit sie perfekt wird, fehlt noch eine Spur von … ja, genau, eine Spur Erotik.« – »Und das erwartest du von mir, Erotik?« – »Von dir, ja, die anderen sind doch schon zu … ach, vertrau mir einfach, morgen schicke ich dir eine gewisse Person vorbei, die dir bei dem Song helfen wird.« Tatsächlich kam diese gewisse Person, eine Sängerin namens Clare Torry, und die hat vielleicht ein Gekreische von sich gegeben, echt schrille Töne, die sich wirklich wie ein Orgasmus anhörten, also, um es kurz zu machen, wir zwei haben den Song The great gig in the sky auf die Beine gestellt. Die anderen waren sprachlos. Vor allem Roger wirkte verärgert, zuerst dachte ich, aus Neid, denn hätte ich mich auf die Musik beschränkt, wäre es kein Problem gewesen, die Texte waren nämlich sein Revier, und unter uns haben wir ihn immer »den Lyriker« genannt, worauf er stolz war. Erst viel später habe ich verstanden, dass Roger nicht neidisch, sondern völlig verblüfft war, er war der festen Überzeugung, ein besonderes Verhältnis zu Syd zu haben, was zweifellos stimmte, aber er war auch davon überzeugt, ihr Verhältnis zueinander wäre trotz der Entfernung enger geblieben … Wie dem auch sei, ich bin mir jedenfalls sicher, dass Roger weiß, wer hinter dem Gig steckt, obwohl er nie etwas gesagt hat.
Die Katze
Das bin ich, David Gilmour, genannt Dave, mit anderen Worten die Gitarre von Pink Floyd. Außerdem Sänger und Songwriter von ungefähr der Hälfte aller Songs. Von mir habt ihr bestimmt schon etliches gehört: Wie schön ich war. Wie gut ich war, und wie gut ich immer noch bin. Dass ich und Roger das gleiche ambivalente Verhältnis gehabt hätten wie Paul McCartney und John Lennon. Wer von Clapton, Page, Knopfler und mir der großartigste Gitarrist war. Alles Unsinn. Mir geht es darum, euch von diesem Schamgefühl zu erzählen, einer ganz bestimmten Scham, die schon fast ins Obszöne geht. Man muss dazusagen, dass auf dem Ganzen eine Art Genealogie lastet, etwas, das ich allenfalls als Zwangshandlung ständigen Übernehmens bezeichnen würde. Übernehmen und ersetzen. Das Körperfresser-Syndrom, könnte man sagen. Die ersten Freunde, mit denen Syd zusammen Musik machte, nannten sich Geoff Mott and the Mottoes. Ein Jahr darauf traten zwei von ihnen, ohne Syd, aber mit Albe Prior, der dazugestoßen war, als Ramblers in Erscheinung. Nach kürzester Zeit wurde Prior, was auf Latein »der Vorgänger« heißt, ersetzt: Ratet mal, von wem? Von mir natürlich! Ein Jahr später spielte ich mit ihnen bei den Jokers Wild, zusammen mit einem gewissen Tony Sainty, der über die Ramblers von den Mottoes gekommen war: Und als Tony ging, wer sprang für ihn ein, da ich ja schon zur Band gehörte? Mein Bruder Peter! Aber das ist selbstverständlich alles nur Vorgeschichte.
Syd und ich wohnten nebeneinander und kannten uns seit der Kindheit. Ich war oft bei ihm zu Hause, wo wir dann Musik machten, auch wenn ich nie zu seinen ersten Formationen gehört habe. Auf jeden Fall haben wir uns häufig getroffen und Erfahrungen ausgetauscht. Vielleicht war das der Grund, dass mich die drei anderen, als er erste Anzeichen des Wahnsinns zeigte, zu seinem Vertreter erklärten. Gegen Ende 1967 ging das Gerücht, Pink Floyd wollten ihn ersetzen, woraufhin eine beeindruckende Liste sämtlicher Bewerber kursierte: sozusagen die besten Gitarristen des Vereinigten Königreichs. Die anderen waren noch unschlüssig, aber Roger wollte mich: Er stand Syd am nächsten, und seine größte Sorge war, ihn so wenig wie möglich zu verletzen. Als Syds Jugendfreund, so dachte er, würde er mich am ehesten als Ersatzmann akzeptieren: Nur bei mir kamen leise Zweifel auf, Syd könnte sich auf diese Weise gleich doppelt verraten fühlen. Und erst viel zu spät begriff ich, dass Prior der »Vorgänger« von Syd war, und nicht von mir …
Die schlimmste Phase begann Anfang der 68er, als wir zu fünft auftraten. Das hieß so viel wie: Es gab Pink Floyd, und es gab mich. Solange wir im Aufnahmestudio waren, war alles noch auszuhalten, aber auf der Bühne…O Mann, die Bühne! Die Leute merkten nichts, schauten mal Syd an und mal mich, der ihn sozusagen überspielte … Ich synchronisierte ihn, versteht ihr, ich spielte genau das, was er gerade spielte, und wenn er aus dem Rhythmus kam oder stockte, machte ich weiter, als wäre ich er … Allerdings gab es einen gehörigen Unterschied zwischen seinem und meinem Stil, weshalb mir diese Performances auch wie fieses, albernes Nachäffen vorkamen, selbst seine Stimme ahmte ich nach, von wegen Arnold Layne, ich war der Transvestit! Ab und an, und das waren die schmachvollsten Momente, hatte ich den Eindruck, er hätte es bemerkt, denn dann hörte er plötzlich auf zu spielen und grinste mich an, als wollte er sagen: »Jetzt kannst du weitermachen …« Oder er verließ seine Position und stellte sich zu mir, dicht an dicht, als wollte er dem Publikum zeigen, dass wir dieselbe Rolle ausfüllten … Nun, so viel also zu dieser Scham, von der ich euch erzählen wollte. Wenn man sich dann noch vorstellt, dass er fast alle Songs geschrieben hat und man regelrecht ins Schwärmen geriet, während man sie spielte, aber gleichzeitig Mitleid bekam, sobald man zu ihm hinüberschaute, bei seinem Anblick, so willenlos, völlig woanders, und dann dieser Speichelfaden, der aus seinem Mund lief… Überlegt mal, am Ende haben wir sogar Mikrofon und Verstärker abgestellt, damit niemand die fürchterlichen Klänge hörte, die immer häufiger aus seiner Gitarre kamen … Alles ziemlich übel, oder?
Der Hund
Ich heiße Nicholas Berkeley Mason, genannt Nick, von Beruf Schlagzeuger.
Dein Miauen habe ich gehört, du Herr über die akustischen Saiten. Stimmt, ihr wart Jugendfreunde, aber Syd und Roger gingen auf dieselbe Schule. Eigentlich Roger und Roger, denn Syd hieß damals noch nicht Syd. Aber das ist eine andere Geschichte. Rogers Mama, Mary, war seit Kurzem Witwe und schloss Roger-Syd mit solcher Leidenschaft in ihr Herz, dass jedes andere Kind eifersüchtig geworden wäre. Roger dagegen sog diese Zuneigung in sich ein, machte sie zu seiner eigenen und nahm Syd wie einen richtigen Bruder auf: Ich kenne niemanden, der einen anderen Menschen so geliebt hat, selbst als sie später schon beide erwachsen waren. Ich habe ihn weinen sehen, als es Syd immer häufiger schlechtging, und er war der Einzige von uns, der nicht gut drauf war, wenn auch Syd nicht auf der Höhe war. Als Rick und ich beschlossen, ihn zu ersetzen, wandte er sich mit aller Gewalt dagegen, er bestand darauf, Syd in sämtliche Konzerte mitzunehmen, selbst auf die Tour durch Amerika, die den endgültigen Zusammenbruch unseres Kumpels darstellte. Die Musikkritiker tauften ihn »den Zombie«, und es gab sogar Leute im Publikum, die ihm noch manch anderes an den Kopf geworfen haben. Lächelnd rief er dann irgendetwas zurück und hielt einfach inne oder tat so, als würde er Gitarre spielen, ohne die Saiten auch nur mit den Fingern zu streifen. Ehrlich gesagt kann ich verstehen, dass es Zuschauer gab, die sich auf den Arm genommen fühlten, schließlich hatten sie für das Ticket bezahlt… Ich muss allerdings zugeben, dass ich mehr Mitleid für Roger empfand, denn Syd war ja anscheinend in eine andere Welt abgetaucht. Roger versuchte, ihn mit verzweifelten Blicken in die Realität zurückzuholen, aber Syd lächelte bloß weiter oder legte einfach seine Gitarre auf den Boden und ging …
Als sich Roger dem Entschluss beugte, ihn zu ersetzen, drohte er uns, die Band aufzulösen, wenn wir nicht Dave nehmen würden. Er hat immer den Chef gemimt, unser Roger, und wahrscheinlich war das auch gut so. Ich hätte Jeff Beck bevorzugt, aber die Fakten sprachen für Dave. Ich erinnere mich noch gut an die ersten Auftritte zu fünft, vor denen sich Roger mit Dave zurückzog und ihm eine ganze Litanei an Anweisungen herunterbetete. Dave hörte immer brav zu und nickte, wie der Krankenpfleger in einer Irrenanstalt, der sich vom Psychiater eine Predigt anhören muss. Aber es gab auch Momente, wo Anweisungen nichts gebracht hätten: Wie damals im Bandbus, als ausgerechnet Syd zu Dave sagte: »Gib alles heut Abend, ich will gut rüberkommen.« Als Dave Roger anschaute, weil er wissen wollte, was er machen sollte, hatte sich Roger bereits umgedreht, um seine Tränen zu verbergen.
Mike Leonard
Wer bin schon ich, dass ich neben diesen ganzen Berühmtheiten hier auftauche? Ein Architekt mit dem Namen eines Boxers und leidenschaftlicher Sammler von Musikinstrumenten aus aller Welt, doch vor allem der Eigentümer eines großen Hauses in London. 1963 vermietete ich ein paar Zimmer an zwei junge Männer aus Cambridge, zu denen sich bald ein dritter aus Birmingham gesellte. Sie hießen Roger Waters, Richard Wright und Nick Mason, und was später aus denen wurde, brauche ich euch ja nicht zu sagen. Von früh bis spät fingerten sie an meinen Instrumenten herum, und da sie keinen Penny besaßen, übernahmen sie als Gegenleistung alle möglichen Dienste für mich: Somit bin ich heute der einzige Mensch auf Erden, der von sich behaupten kann, auf einem Klo gesessen zu haben, das die magischen Hände von Pink Floyd repariert hatten … Natürlich hießen sie damals noch nicht so, sie hatten einen komischen Namen nach dem anderen, Sigma Six, Abdabs, für einen einzigen Abend sogar Megadeaths … Als Wright und Mason umzogen, war Roger überglücklich, zwei alte Freunde aus Cambridge zu sich holen zu können, Syd Barrett und Bob Klose. Barrett hielt meinen Garten in Ordnung, in dem noch heute die von ihm gepflanzten Bäumchen stehen. Nach einer Weile kamen Wright und Mason fast jeden Abend zu uns zu Besuch, und jedes Mal spielten sie auf meinen exotischen Instrumenten herum: Kurz darauf hatten sie sich in Spectrum Five umbenannt, bis Barrett auf die Idee kam, die Gruppe zu meinen Ehren auf den Namen Leonard’s Lodgers zu taufen. Als Architekt habe ich in meinem Leben nicht viel zustande gebracht, aber Pink Floyd aus der Taufe gehoben zu haben, macht mich zum stolzesten Menschen der Welt.
Fünfundvierzig Jahre sind seitdem vergangen, und ich habe nichts anderes getan, als Zimmer zu vermieten: diese Zimmer, 39 Stanhope Gardens. Es kommen Anfragen aus aller Welt, von Sechzigjährigen, die genau da schlafen wollen, wo sie geschlafen haben, und, um die Warteliste zu umgehen, mir bisweilen Summen bieten, die nicht einmal das George V in Paris nimmt. Da ich jedoch eine bestimmte Ethik verfolge, nehme ich das, eine physiologische Wertberichtigung vorbehalten, was ich auch von ihnen genommen habe beziehungsweise genommen hätte, schließlich haben sie mir ja nie etwas dafür bezahlt. Aber jedes Mal, wenn sie in London aufgetreten sind, haben sie an mich gedacht und mir eine Eintrittskarte geschickt, und stellt euch vor, in der Royal Albert Hall saß ich nur vier Reihen hinter der königlichen Familie …
In den Büchern steht, dass ich sie aufgrund meiner Experimente zu ihren ersten Lightshows inspiriert hätte: Was soll ich dazu sagen? Stimmt.
Chris Dennis
Das Leben ist so ungerecht … Bob Klose war dabei, ja, mittendrin! Und dann ist er einfach gegangen … Ich hätte mir Arme und Beine ausgerissen, um dabei zu sein, und fast hätte ich es auch geschafft… aber dann … aber dann! 1963 war ich der Sänger von Red Caps, das war eine von vielen Bands in Cambridge … Leider war ich auch Techniker bei der RAF, der Royal Air Force, und musste die Band verlassen, als ich nach London versetzt wurde… Dort hatte ich auf einmal mehr Freizeit, als ich dachte, und machte mich auf die Suche nach einer neuen Band: Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie ich mich gefühlt habe, als mir Roger Waters an einem kleinen Tisch im Pub sagt, dass er und seine Leute, die sich damals Leonard’s Lodgers nannten, einen Sänger suchen … »Aber habt ihr nicht schon Barrett?«, frage ich ihn, woraufhin er mir erzählt, dass Barrett lieber komponierte und Gitarre spielte und gerade unterwegs nach Cambridge sei – wir reden hier von Weihnachten ’64 –, um den Posten Geoff Mott anzubieten: Noch ehe er den Satz zu Ende sprechen kann, willige ich ein! Vom folgenden Tag an gehe auch ich regelmäßig zu diesem Leonard, es war echt traumhaft … Ich sah sie schon vor mir, die Zukunft, ich konnte sie fühlen … den Ruhm, das Geld … die unsterbliche Legende, mir war klar, dass ich sie bereits in Händen hielt, während die anderen noch nicht das Geringste ahnten …
Ihr wisst, wie es ausgegangen ist, nicht wahr? Im Januar 1965 schickte mich die Royal Air Force an den Persischen Golf, und seitdem hat man nichts mehr von mir gehört… Bin ich dort unten gestorben, alt geworden? Bin ich an irgendeinen anderen Punkt der Erde versetzt worden? Ganz egal, Ende der Legende … noch bevor sie begonnen hatte … geweissagt, vorausgeahnt … tschüss Chris, hier ist kein Platz für dich … zwischen Arabien und Persien liegt das Nichts, dort ist dein Platz, tschüss.
Geoffrey Mottlow
Lieber Chris, ein paarmal habe ich die Red Caps gesehen, aber es wäre eine Lüge, wenn ich behaupten würde, mich an deine Stimme zu erinnern … Ich kann mich ja kaum daran erinnern, wie ich gesungen habe, und weißt du eigentlich, dass ich auch im Nichts gelandet bin? Nur zu deinem Trost, auch in England gibt es das Nichts, nur wenige Meter hinter dem Gartentor zu unseren Häusern… In Cambridge wimmelte es von Bands, doch untereinander, zwischen den Gruppen… da klafften tiefste Abgründe, regelrechte Schluchten …
1961 und ’62 fühlte ich mich noch gut beschützt, ich brauchte so festen Halt, dass sich meine Band Geoff Mott and the Mottoes nannte – ich Gesang, Barrett Gitarre, Sainty Bass, Welham Schlagzeug, nicht schlecht, was? Dann, im Frühling ’62, das Desaster: Barrett macht sich mit den Those Without davon, und meine Festung bricht in Stücke, Welham und Sainty gründen die Ramblers, zusammen mit Prior, für den später Gilmour kommt, während ich … ich werde zum Sänger von den Boston Crabs … Bis dahin alles nicht so tragisch, aber wer hätte gedacht, dass Barrett ein Jahr später auch die Those Without sitzenlässt, um sich eine neue Gruppe namens Hollerin’ Blues auf den Leib zu schneidern, und dass er nach einem Monat nach London zu den Abdabs von Roger Waters geht und während der Weihnachtsferien 1964, als sich die Abdabs auf den Namen Leonard’s Lodgers umtaufen, extra nach Cambridge zurückfährt, um mir die Rolle des Sängers anzubieten, und dass ich – hör mir gut zu, Chris – und dass ich ablehne, da ich den Ruhm, von dem du sprichst, zwar auch gesehen habe, aber in Gestalt einer halb nackten Göttin, die meine Crabs belächelt?! Hätte meine tollkühne Tat doch wenigstens dir genützt, stattdessen bist du unverrichteter Dinge verschwunden. Einwilligen, ablehnen, alles einerlei … Sieh mal, am Ende hat Barrett selbst die Rolle übernehmen müssen, aber für wie lange? Letztendlich haben wir alle für Gilmour gearbeitet, nur dass er zig Runden gebraucht hat, um endlich ins Schwarze zu treffen … schlimmer als beim Flippern … Aber hör doch mal … wenn du magst, schlage ich dir einen Tausch vor … du verschwindest in der Versenkung der Crabs, und ich nehme den Golf und versenk mich dort… okay?
Peter Jenner
Zusammen mit Andrew King war ich ihr erster Manager. Sie waren noch so unbekannt, dass die eigens gegründete Firma Blackhill Enterprises mit Mühe und Not keine roten Zahlen schrieb. Aber kaum hatten sie Erfolg, wurden sie von der EMI übernommen: Offensichtlich reichten die Beatles nicht… Dazu haben Andrew und ich allerdings unseren Teil beigetragen: Von Beginn an haben wir Pink Floyd als Syds Band verstanden, und als ihn die anderen Anfang ’68 rauswarfen, wollten wir in Zukunft lieber ihn weiterhin vertreten … Die bei der EMI haben sich bestimmt halb kaputtgelacht, Norman Smith wird es nicht für möglich gehalten haben, Syd so leicht loszuwerden …
Unseren Beitrag haben wir aber auch in anderer Hinsicht geleistet… Vielleicht wäre die Geschichte von Pink Floyd ohne den Zuspruch aus der Gegend von Tottenham vollkommen anders verlaufen … Andrew und ich waren jedoch überzeugt davon, dass die Jungs, um beim Publikum anzukommen, ihr eigenes Lokal brauchten, oder dass sie ihren Namen zumindest mit einem physischen Ort verbinden mussten … So zogen wir durch London auf der Suche nach einem Theater oder irgendeinem Raum, der zu ihnen passte, bis wir auf der Tottenham Court Road ein altes irisches Tanzlokal ausfindig machten, das Blarney. Wir mieteten es, renovierten es, so gut es ging, übergaben es der Leitung ihres Freundes Joe Boyd, und zwei Monate später weihten Pink Floyd es ein, und in kürzester Zeit schrieb der Name des Lokals Geschichte, das UFO – selbst Procol Harumhaben uns gefragt, ob sie dort spielen könnten … Als »Tempel der psychedelischen Musik« bezeichnete es die Presse. »Psychedelisch« konnte dort zwei Dinge bedeuten: mit der Musik kombinierte Lichteffekte oder Acid. Eine Flut von Acid. Dies war der Moment für Timothy Leary und besonders für Syd. Seine Kumpels tranken lediglich Bier und Whisky, er aber, vielleicht weil er es schon mit Marihuana probiert hatte, stieg sofort um. Niemand soll mehr LSD konsumiert haben als er. Nach ein paar Monaten veränderte sich sein Gesichtsausdruck, er sah schwammig, weggetreten aus und hatte furchterregende Augenringe … Von da an lebte er allein in einer Bruchbude auf der Cromwell Road, und als ich es das erste und einzige Mal schaffte, einen Blick hineinzuwerfen, war ich erschüttert über die riesigen Berge schmutziger Wäsche, die überall herumlagen … Trotzdem schrieb er weiterhin wunderschöne Songs, ihr erstes Album hat praktisch er allein gemacht, Text und Musik, und mindestens zwanzig Stücke sind gar nicht enthalten… Das einzige Problem, wenn überhaupt, bestand darin, dass er bei jeder Aufnahme neue Varianten einführte, was bis ins Unendliche ging. Um THE PIPER AT THE GATES OF DAWN herauszu-bringen, musste Roger bei jedem Song an einem bestimmten Punkt die Verantwortung übernehmen und einschreiten: »Das ist jetzt perfekt so, lassen wir die Hände davon.«