Museum für Wunder - Klaus-Dieter Schönewerk - E-Book

Museum für Wunder E-Book

Klaus-Dieter Schönewerk

5,0

Beschreibung

Einige Gedichte von Klaus-Dieter Schönewerk sind verstreut in Anthologien, die meisten blieben bis heute ungedruckt. Der Dichter las, wenn man ihn vorzulesen bat. Im Zentrum seiner Poetik stand der Paul Wiens zugeschriebene Satz: Gedichte entstehen aus der Untröstlichkeit. Schönewerk wusste um den dunklen Ton in sich, der von Anfang an da war. Er haftete sich den Dingen an, die er immer wieder beschrieb: Nacht, Gras, Wind, Straße. Natur und Gesellschaftlichkeit durchdringen einander bei ihm nicht in vordergründigen Metaphern, aber eines ist immer im anderen präsent. Dazwischen der Mensch in seiner Kreatürlichkeit und in seiner Sehnsucht nach Nähe. Nicht nur dem Ungesagten, auch dem Unsagbaren eine Stimme leihen, das war Dichtung für ihn: der Schmerzlaut, die Klage über eine unüberwindliche Distanz. Klaus-Dieter Schönewerk war aufgewachsen als jemand, der Erwartungen erfüllen wollte. „Forscht, bis ihr wisst“, hatte Brecht geraten, und der lyrische Übervater Johanns R. Becher, dessen Ehefrau Lilly den jungen Autor ermutigte, mahnte: „Die Macht ist euch gegeben, dass ihr sie nie, nie mehr aus euren Händen gebt.“ Wer die Welt verändern will, muss sich verbünden. Dem Primus fiel das leicht. Er führte das große Wort, respektlos, aber verlässlich, wurde – kaum erwachsen – Klubhausleiter, studierte Germanistik und Kunstgeschichte und leitete schon Arbeitsgemeinschaften schreibender Arbeiter und Studenten, gab Anthologien heraus, machte sich in der Presse bemerkbar und wurde Anfang der siebziger Jahre einer der jüngsten Redakteure beim Neuen Deutschland in Berlin. Er war erfolgreich als Journalist, als Leiter des vielfach ausgezeichneten Zirkels schreibender Arbeiter, als Verteidiger des Ästhetischen in Kunst und Literatur gegen die Zumutungen der Ideologie. Gleichzeitig sind die Signale der Entfremdung, des Zweifels, des Ausweichens in dieser Zeit unüberhörbar. Wenn er über Fritz Cremers Gekreuzigten schrieb: „Wer, wie er, so nackt ist, wird sich kleiden“, war ein gesellschaftliches Jahrtausendprogramm skizziert, dass die sozialistische Provinz nicht wärmte, sondern frösteln machte… Dennoch war ihre Niederlage auch die seine. Dass er in seinen späten Versen ganz bei sich ankam, bei einem lakonisch-elegischen Ton, der die nunmehr real-existierende Karikatur einer Gesellschaft des Gedichtes verweist, zeichnet den Dichter Klaus-Dieter Schönewerk aus. Mit den vorliegenden mehr als 180 Gedichten findet er als Lyriker endlich den verdienten Weg in die Öffentlichkeit.

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Der Autor

Der Herausgeber

Mein Leben

… und überall hin kannst du gehen

Wo ein Weg ist

Kindheit

Bevor das Auge lernt

Vierfaches Verbergen

Sehen II

Stunde der Wunder

Du

Der Mond

Kann sein

Das war…

Trieb ein welkes Blatt

Die Segnungen des Nebels

Weißt Du…

Ich bin nur mit der Nacht allein

Sehnsucht… (Für H.G.)

in jener nacht

Du gehst durch mich hindurch

singend und sacht

vom wind

Wenn Liebe stirbt

Bitte

Laß mich fortgehn

Sommerende

Voll Stein

Straße

Noch geben die Hände Antwort

Am Ende war der Anfang

Ins Meer der Geschichte

Über die Ja-Sager

Heiserkeit

Heimweg

Sterblich sind sie

Mauersonett

In diesem Nebel

Das Gras

Durchgang

So beginnt´s

Von Anfang an

Zwischen der Zeit

Wohin wir gehen

Januar 76

Auf dem Berg

Die Stimmen der Erde

Wie sollt ich glauben

Auf Bruch

Das Wort

Grün reden die Bäume

Das Gras

Manchmal im Sommer

Auf einer Straße

Letzte Nacht

April

April II

Sanduhr

Frühlingsprotokoll

Blüten öffnen sich

Umkehr

Mairegen

Einsicht

Auf der Rückseite des Spiegels

Beobachtung

Sehen

Uralte Sehnsucht, seit wir Kleider tragen

Als ich vom Baum

Der Bildhauer – Für Hans Kies

Staub

DER WEG ZUR SONNE – Auf Bilder Vincent van Goghs

Die Kartoffelesser

Die Lerche

Der Gekreuzigte – Zur gleichnamigen Plastik von Fritz Cremer

Wir sind uns so nah

Poesie

Stehpunkte

Immer noch

Kassandra

MEISTER UND MARGARITA

Meister

Margarita

Uralte Sehnsucht

Drei Sätze über die Haut

Geschnitten

Vom Liegen im Grase

Abendlied

Grashalme – Für E

.

Hungrig stürzt von den Bergen

Mitternachtselegie

Wie sind wir fremd uns

Trüber Morgen

Das ist´s nicht

Wegbericht

Hingehn

Am Meer

Verhext

Prerow-Sommer

asterland

Ich komme daher

Gestrandet

Die Welle

Singe, durchsommerte Wiese

Zu den Orten

Vor der Ernte

Atemloses Licht

Das Blaue vom Himmel

Septembertaggold

Ach, diese flüchtigen Wolken

Gehlsdorfer Morgen

Erwachen

Venedig

Hirschgarten

LANGE REISE NACH HAUSE

Berlin-Moskau

Moskau

Kasan

Kasan, Gorki-Museum

Kasan, Flughafen

Uljanowsk, Wohnhaus der Familie Uljanow

Uljanowsker Morgen

Sauna in Wolgograd

Wir rücken näher zusammen

Weg zur Arbeit

Über dem Blütenrausch

Die Straße

Gewohnte Ansicht

Mutmaßung

Die Straßen sind wie graue Fliegenfänger

Laßt mich

Jede Stunde

Mainelke

blitzlichter

Mose, 20. Jahrhundert

In den Ebenen

Zwischenspiel

1978

Herbst in der Stadt

An der Schwelle

Sommerende

Am Horizont die Berge

Die Pappeln stehen schamlos nackt Spalier

Wenn einer geht

Novemberelegie

A und O

Leise

Ein wirres Muster

Nebelstrand

Tagtraum

Es heißt, die Macht war uns gegeben

Als ob das alles wär

Das Wesentliche

Sie kommen

Schneebeere, rot

Kommt zu mir

Am Morgen sind die Lider schwer

Der Tag rann ihm durch die Finger

Seltsame Erscheinung

Weiß treiben die letzten Stunden

Einsicht

Die Pappeln stehen schamlos nackt Spalier

Herbstgedanken

Milchblaue Wölbung

Ist´s wie ein Gehen über Scherben

Warmer Wind wird wehen, wenn

Verirrtes Lied

Unsichtbar

Die Saite springt

Nicht immer, wenn ich stehen bleib

Mitte

Gleiten hinüber in sanftere Träume

Ungläubig aufgetaucht

Erwartung

Das alte Spiel

1. November 2011

8. Februar 2012

8. / 9. Februar 2012

16. Mai 2013

17. Mai 2013

25. August 2013

Lust voller Last

Dein Gedicht

Die Nacht neigt sich

Herbstlich

Der Schlaf weiß von nichts

Ich hab sie gesehen

Seine Zeit

Der blaue Vogel

Atemlos an der Schwelle

Was wäre, wenn

Vorwort des Herausgebers

Einige Gedichte von Klaus-Dieter Schönewerk sind verstreut in Anthologien erschienen, die meisten blieben bis heute ungedruckt. Der Dichter las, wenn man ihn vorzulesen bat. Oder wenn er selbst an der Reihe war, im Zirkel schreibender Arbeiter der Druckerei und des Verlags Neues Deutschland, den er 1972 mit seiner Frau Eva gründete, und der heute noch – inzwischen als Friedrichshainer Autorenkreis – besteht.

Ich war noch fast ein Kind, als ich dem Journalisten, Diplom-Germanisten und Kunstwissenschaftler aus der Kulturredaktion des Neuen Deutschlands zum ersten Mal begegnete. Meine Deutschlehrerin, seine Frau Eva, hatte mich dazu eingeladen. Auch sie eine Dichterin. Die beiden wurden zu meinen poetischen Eltern. Schönewerks poetischer Kanon war streng. Seine Formel: Im Zweifelsfalle streichen. Er war bereit, um ein Wort, einen Zeilenbruch ohne Gnade zu streiten. Aber nie vergaß er, nach dem Woher des Verses, nach dem Menschen also, zu fragen. Im Zentrum seiner Poetik stand der Paul Wiens zugeschriebene Satz: Gedichte entstehen aus der Untröstlichkeit.

Schönewerk wusste um den dunklen Ton in sich, der von Anfang an da war. Er haftete sich den Dingen an, die er immer wieder beschrieb: Nacht, Gras, Wind, Straße. Natur und Gesellschaftlichkeit durchdringen einander bei ihm nicht in vordergründigen Metaphern, aber eines ist immer im anderen präsent. Dazwischen der Mensch in seiner Kreatürlichkeit und in seiner Sehnsucht nach Nähe.

Tiefe Skepsis angesichts der Entwicklung des Staatssozialismus zur Staatskatastrophe ging bei Schönewerk einher mit dem Wissen um die Alternative: Barbarei. Ein Mann, der horchte, wo im Lärm die Stille wohnt, während das Fernsehgerät unablässig Nachrichten spuckte, der sich an einer Seite festhalten konnte aus den nahezu täglich wachsenden Bücherbergen, zwischen denen er lebte. Nicht nur dem Ungesagten, auch dem Unsagbaren eine Stimme leihen, das war Dichtung für ihn: der Schmerzlaut, die Klage über eine unüberwindliche Distanz.

Erst in der Beschäftigung mit seinem Nachlass seit seinem Tod im März 2014 ist mir das Existenzielle bewusst geworden, das Verführerische und zugleich Bedrohliche jenes Spannungsverhältnisses, in dem er lebte. Der Nachrichten-Junkie, der Medien-Süchtige, der Literatur-Messie, der rund um die Uhr die Welt hereinzureißen schien in seine vier Wände, fürchtete sie. Aus der Flut ihrer Abbilder richtete er einen Damm gegen die Wirklichkeit auf, eine Mauer, hinter der sich Schmerz und das tiefe Gefühl von Unzulänglichkeit verbergen ließen. Die Welt zu kennen, galt ihm nicht als Gewähr, sie zu genießen, sondern ihr zu entrinnen, ihren Erwartungen, ihrem Drängen auf Zugehörigkeit, Hörigkeit gar.

Klaus-Dieter Schönewerk war aufgewachsen als jemand, der Erwartungen erfüllen wollte. „Forscht, bis ihr wisst“, hatte Brecht geraten, und der lyrische Übervater Johannes R. Becher, dessen Ehefrau Lilly den jungen Autor ermutigte, mahnte: „Die Macht ist euch gegeben, dass ihr sie nie, nie mehr aus euren Händen gebt.“ Wer die Welt verändern will, muss sich verbünden. Dem Primus fiel das leicht. Er führte das große Wort, respektlos, aber verlässlich, wurde – kaum erwachsen – Klubhausleiter, studierte Germanistik und Kunstgeschichte und leitete schon Arbeitsgemeinschaften schreibender Arbeiter und Studenten, gab Anthologien heraus, machte sich in der Presse bemerkbar und wurde Anfang der Siebzigerjahre einer der jüngsten Redakteure beim Zentralorgan der SED, dem Neuen Deutschland in Berlin. In der Abteilung Kultur zuständig für Kunst und später vor allem für DDR-Literatur, war er Teil des überschaubaren Netzwerks einmischungsfreudiger Schriftstellerei. Er war erfolgreich als Journalist, als Leiter des vielfach ausgezeichneten Zirkels schreibender Arbeiter, als Verteidiger des Ästhetischen in Kunst und Literatur gegen die Zumutungen der Ideologie. Gleichzeitig sind die Signale der Entfremdung, des Zweifels, des Ausweichens in den Gedichten dieser Zeit unüberhörbar.

Was Schönewerk in jungen Jahren und vereinzelt später noch zum Fortschritt sagen wollte, blieb eher affirmativ gegenüber Vorgefundenem und mutmaßlich Erwünschtem. Was Schönewerk sagen musste, maß in anderen Dimensionen. In den glücklichsten Momenten floss dennoch beides zusammen. Wenn er über Fritz Cremers Plastik „Der Gekreuzigte“ schrieb: „Wer, wie er, so nackt ist, wird sich kleiden“, dann war ein gesellschaftliches Jahrtausendprogramm skizziert, dass die sozialistische Provinz nicht wärmte, sondern frösteln machte…

Und dennoch war ihre Niederlage auch die seine. Er hasste den Hass. Er war der Feindschaft feind. Und beides feierte Triumphe. Kam einher mit Erwerbslosigkeit, Arbeit für Almosen, verlegerischen Versuchen, die wirtschaftlich desaströs endeten, Entwürdigung in jeglicher Form – und Gedichten. Deshalb standen den Schreibenden auch weiter Herz und Türen offen – wie schon Jahrzehnte lang zuvor. In den Krisenzeiten fragte niemand, wer wen gerade nötiger hatte: der Literatur-Vater seinen Zirkel oder sein Zirkel ihn. Hier öffneten sich die Zwischen-Räume, in denen Auf-Leben möglich war. Und immer geliebt hat Schönewerk die von Kleist beschriebene „Verfertigung des Gedankens beim Reden“.

Den Tod seiner Frau Eva hat Klaus-Dieter Schönewerk nicht verwunden. „Bis bald“ ließ er auf die Kranzschleife drucken. Seine letzten Lebensjahre waren die Spanne zwischen Depression und Krebs. Todesnähe und der Seitenblick auf den allmählichen Verlust der eigenen Widerstandskraft durchdringen den Vers, den traurigen, trotzigen, in dem das immer Gewusste allmählich zum leidvoll Erfahrenen gerinnt. Dass er in diesen späten Versen vollkommen bei sich ankam, bei einem lakonisch-elegischen Ton, der die realexistierende Karikatur einer Gesellschaft des Gedichtes verweist, zeichnet den Dichter Klaus-Dieter Schönewerk aus. Mit den hier veröffentlichten mehr als 180 Gedichten findet er als Lyriker endlich den verdienten Weg in die Öffentlichkeit.

Henry-Martin Klemt, Januar 2016

Der Autor:

Klaus-Dieter Schönewerk