MUT oder der Glaube unsterblich zu sein - Jeanette Koke - E-Book

MUT oder der Glaube unsterblich zu sein E-Book

Jeanette Koke

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Beschreibung

Nach "Catharinas Entscheidung", dem ersten Roman der Westfalensaga über die Lebensgeschichte zweier Dülmener Familien im 19. Jahrhundert, führt die Autorin nun in die Zeit von 1903 bis 1947. Sie lenkt den Blick erneut auf Catharina, ihre Kinder und Kindeskinder in Zeiten ideologischer Verirrungen. Ungelöste Kriminalfälle, Verunglimpfungen und Verfolgung politisch und religiös Andersdenkender; der Kampf der Demokratie gegen den aufkommenden Nationalsozialismus; der Kampf der Freiheit gegen die Unterdrückung; Gewalt und Missbrauch innerhalb der Familie; der Kampf um das nackte Überleben in einer immer feindlicher werdenden Welt; die Hoffnung auf Frieden und Liebe.

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Seitenzahl: 511

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Für meine Familie

Manchmal muss man die Dinge ertragen, ohne zu fragen. Man erkennt keinen Sinn darin.

Das Schicksal schlägt zu, lässt auch dich nicht in Ruh‘. Lacht dir höhnisch ins Gesicht, lächle zurück, fürchte es nicht.

Vertrau auf die Zeit, die die Schatten vertreibt.Wird alles gut?Nur Mut!

-unbekannt

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1: Herzoglicher Forst bei Dülmen, 8. April 1903

Kapitel 2: Dülmen, Februar 1904

Kapitel 3: Am Meer, August 1907

Kapitel 4: Dülmen, November 1907

Kapitel 5: Dülmen, Ende 1908

Kapitel 6: Dülmen, 1909-1911

Kapitel 7: Dülmen, 1912

Kapitel 8: Dülmen 1913-1914

Kapitel 9: Dülmen, 1914-1918

Kapitel 10: Dülmen, 1917-1918

Kapitel 11: Dülmen, 1918- 1921

Kapitel 12: Dülmen, 1921-1923

Kapitel 13: Dülmen, 1925

Kapitel 14: Dortmund, Juni 1926

Kapitel 15: Dülmen, März 1928

Kapitel 16: Dortmund-Körne, 1929

Kapitel 17: Dülmen, 1930

Kapitel 18: Dortmund-Körne, 1931

Kapitel 19: Dortmund-Körne, 1933

Kapitel 20: Dortmund-Körne, 1933

Kapitel 21: Dülmen, 1934 - 1942

Kapitel 22: HJ marschiert, Piraten latschen, Dortmund 1943

Kapitel 23: Dortmund, 1943 -1944

Kapitel 24: Irgendwo in Niedersachsen, 1943

Kapitel 25: Dülmen, 1944

Kapitel 26: Dortmund, 1944 - 1945

Kapitel 27: Dülmen, März 1945

Kapitel 28: Dortmund, April 1945

Kapitel 29: Dortmund und Dülmen, 1946-1947

Kapitel 30: Dülmen 1947

Quellen

1

Herzoglicher Forst bei Dülmen, 8. April 1903

August

Sein Herz schlug bis zum Hals hinauf und seine Hände, die den toten Hasen hielten, den er vor einer Minute hinter Leonards Buche aus der Falle genommen hatte, zitterten leicht. Er horchte angestrengt. Da war doch ein Knacken wie von Schritten gewesen.

„Aloys, bist du das?“, rief er mit unterdrückter Stimme. Der Bruder musste ganz in der Nähe sein. Sie hatten sich erst vor ein paar Minuten getrennt, um nach verschiedenen Fallen zu sehen, die die beiden älteren Brüder vor zwei Tagen ausgelegt hatten. Eigentlich sollte er gar nicht hier sein, aber Aloys hatte ihn anstelle Josef Franzens mitgenommen, der mit Bauchgrimmen im Bett lag. Seine Chance!

Er bewunderte Aloys für dessen Mut und die Freiheit, die er sich nahm. Die Eltern hatten verboten, abends im Wald herumzulaufen. Es gab jede Menge Ärger, wenn Vater herausfand, dass Aloys doch wieder einmal dort gewesen war und dann auch noch Josef Franz mitgenommen hatte. Der konnte nämlich seinen Mund nicht halten und plauderte anschließend alles aus. Vater schimpfte Aloys einen Aufrührer und Verderber, für den Josef Franz alles tue, was er von ihm verlange. Neulich hatte er Aloys mit dem Gürtel verprügelt und ihn angeschrien, dass er ein verantwortungsloser Bursche sei, der die Einfältigkeit Josef Franzens für seine Zwecke ausnutze. August hatte oben auf dem Treppenabsatz gesessen und alles genau gehört. Jedes Mal war er zusammengezuckt, wenn Vaters Gürtel auf Aloys‘ Hintern klatschte. Aloys hatte keinen Pieps von sich gegeben. Der konnte was aushalten! So wollte er auch sein, mutig und furchtlos. Er wollte auch Abenteuer erleben und beweisen, dass er kein kleines Kind mehr war. Seine Schwester Anna fand das gar nicht mutig. Sie redete ihm lange zu, keine Dummheiten wie die Großen zu machen, dem Vater gehorsam zu sein und lieber mit ihr zusammen zu lesen und zu lernen. Das hatten sie bisher doch auch mit so großem Vergnügen getan. Was wusste Anna schon von Jungenabenteuern! Also hatte er bei Aloys gedrängelt und gebettelt, bis der zuerst widerwillig, dann aber mit grinsendem Gesicht zugestimmt hatte.

„Na, Kleiner, haste jetzt die Schnauze voll vom Weiberkram? Hab schon gedacht, du bist vom andern Ufer. Oder haste schlüpfrige Gedanken, weil du immer so dicke mit Anna bist? Sie ist ja auch ‘ne schmucke Maus. Schwester hin, Schwester her.“ August hatte nichts von alledem verstanden, aber letztlich auch gegrinst und „Ne, du Blödmann“ gesagt.

„Also gut, Augustchen, dann komm mal mit. Halt aber ja die Klappe und sage keinem was davon, sonst kriegste die Hucke voll. Verstanden? Reicht schon, das Josef Franz so eine Plaudertasche ist. Du musst nur das tun, was ich dir sage, sonst nix. Klar? Im Wald ist es gefährlich. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht dem ollen Förster oder einem seiner Hanseln vor die Flinte laufen.“

August hatte beflissen genickt und gut zugehört. Er wollte dem Bruder gefallen, den er gleichzeitig liebte und fürchtete, der ihn immerzu hänselte, ihn für weich und weibisch hielt. Jetzt war die Gelegenheit, das Gegenteil zu beweisen. Er war nicht weibisch, sondern ein ganzer Kerl, auch wenn er im Juni erst seinen 14. Geburtstag feiern würde. Doch jetzt befiel ihn Angst. Was, wenn der Förster heranschlich? Trotz der kühlen Abendluft, liefen ihm kleine Schweißrinnsale die Schläfen und den Rücken entlang. Seine Beine begannen zu zittern. Es dämmerte bereits und er überlegte einen Augenblick, einfach umzudrehen und so schnell er konnte nach Hause zu laufen. Sollte Aloys nur über ihn lachen.

Da, da war es wieder, das Knacken im Holz. Wo war Aloys? Wieso ließ er ihn so lange allein? Er stand jetzt direkt vor Leonards Buche und sah ein stückweit über Augenhöhe die Initialen des toten Bruders und Leonas, diesem Mädchen, wegen dem er gestorben war. Das behauptete jedenfalls Anna, die immer einen verschleierten Blick bekam, wenn sie über romantische Sachen redete, von denen sie eigentlich gar nichts verstand. August fuhr mit dem Zeigefinger vorsichtig über die Einkerbungen. Er konnte sich kaum noch an Leonard erinnern, wusste aber, dass Mutter dessen Tod nie überwunden hatte und immer weinte, wenn sie das einzige Foto ansah, dass es von ihm gab.

Wie von einer Faust in den Rücken getroffen, flog er nach vorn, stieß gegen den mächtigen Stamm des uralten Baumes und ging in die Knie. August versuchte sich umzudrehen und zu sehen, wer oder was ihn da geschlagen hatte, doch er rutschte zur Seite, fiel auf den Rücken. Als er den Waldboden berührte und nach oben blickte, sah er nichts als die fast nackte Krone des Baumes, hörte er nichts als ein mächtiges Rauschen in den Ohren. Der einsetzende Schmerz, der wie ein rasendes Feuer in ihm wütete, machte ihn bewegungsunfähig. Vor seine Augen trat ein Schleier, der ihn nicht mehr richtig sehen ließ, wer da auf ihn zutrat.

„Aloys?“ fragte er kaum hörbar. Er sah nicht mehr die dunkelbraunen Stiefel des Försters, die neben ihm stehenblieben, hörte nicht mehr den Fluch „Verdammter Hundsfott, hab ich dich endlich!“ und auch nicht eine zweite Stimme, die voller Entsetzen rief: „Mein Gott, Heinkes, das ist ja ein Junge vom Anton Pläster, der August, oh mein Gott.“

Herzoglicher Forst, Leonards Buche, 8. April 1903

Aloys

Aloys hatte sich gerade über eine leere Falle gebeugt und leise fluchend sein störrisches, dunkelblondes Haar aus der Stirn geschoben, als ein Schuss ihn auffahren ließ. Er horchte angestrengt in den Wald hinein. Das war keine Schrotflinte. Das war eine Büchse! Seine buschigen, dunklen Augenbrauen zogen sich zusammen, sodass zwischen ihnen nur noch eine scharfe Falte zu sehen war. Der Blick seiner blau-grauen Augen wurde hart. Es waren die eines Jägers, der angespannt eine Gefahr witterte. Das war nicht weit weg von ihm gewesen. Ein eisiger Schrecken fuhr durch seine Glieder und er zog die kalte, feuchte Abendluft hörbar durch die sich weitenden Nasenflügel. August, dachte er, eine aufkommende Panik unterdrückend, und rannte los. Sein nicht sehr großer, gedrungener Körper schoss wie ein Pfeil durch das Gebüsch. Er spürte nicht die Zweige, die sein Gesicht peitschten, stolperte, rappelte sich wieder auf, rannte und blieb wie angewurzelt vor Leonards Buche stehen. Hektisch, jede Vorsicht außer Acht lassend, drehte er sich um sich selbst, sah in alle Richtungen. Kein Mensch war zu sehen. Nichts war zu hören außer den abendlichen Geräuschen des Waldes. Das war doch nicht möglich.

Ungläubig sah er auf die schmale, noch kindliche Gestalt des Bruders herab, dessen Augen unter halbgeschlossenen Lidern blicklos glänzten. Ein dünner Blutfaden rann aus dem rechten Mundwinkel. Die sinnlichen Lippen waren halb geöffnet, so als wollte er etwas sagen. Mit der linken Hand hielt August einen toten Hasen umklammert. Das lockige dunkelblonde Haar klebte feucht in der Stirn. So viel Blut überall. Still war es, so grauenhaft still. Aloys blickte mit schmerzverzerrtem Gesicht in die noch lichte Krone des Baumes. Dann kniete er sich neben den Bruder ins Moos und streichelte einen Augenblick lang das Gesicht, das noch ganz warm war und so lebendig schien. „Tut mir leid, Kleiner, tut mir so verflucht leid“, stotterte er.

Der Oberkörper Augusts war voller Blut und unter ihm hatte sich ein Blutteppich auf dem Waldboden ausgebreitet. Doch das war keine Eintrittswunde, die da in der Mitte des Brustkorbes klaffte. Mit festem Griff hob Aloys vorsichtig den Körper seines Bruders an. Deutlich konnte er in der blutdurchtränkten Jacke das Loch sehen, wo die Kugel diesen schmächtigen Körper getroffen und glatt durchschlagen hatte. Gedanken rasten durch Aloys Kopf. Was sollte er nur tun? Die Polizei holen? Den Vater? Welche Erklärung konnte er geben? Vater würde ihn totschlagen. So viel stand fest. Die Mutter würde ihn nie wieder auch nur ansehen, ganz zu schweigen von den anderen Geschwistern, für die er ein Verdammter sein würde. Alles wäre hin.

Wut stieg in ihm auf. Wer das auch immer getan hatte, würde dafür büßen müssen. Wer schoss im Forst zu dieser Zeit mit einem Jagdgewehr, das solch eine Wunde verursachen konnte? Die Jäger hier hatten Schrotflinten. Nur zur Jagdsaison im Herbst richtete der Herzog Treibjagden aus, auf denen die Jäger Büchsen benutzten. Und diese Jäger waren in der Regel hochwohlgeborene Gäste des Herzogs, die allesamt für kurze Zeit im Schloss wohnten, und nicht die einfachen Jäger oder Jagdgesellen der Region, auch nicht ein Wilddieb. Wer um alles in der Welt besaß hier in Dülmen eine Büchse?

Aloys Gedanken überschlugen sich. Ruhig, Junge, ganz ruhig, mahnte er sich. Denk nach! Aber sicher! Der alte Heinkes besaß eine. Emmanuel, Heinkes Sohn, mit dem er zur Schule gegangen war, hatte ihm damals von einem besonderen Geschenk des Herzogs an seinen Vater erzählt und ordentlich damit geprahlt. Anlässlich seines 40. Geburtstags 1895 hatte der Herzog im November desselben Jahres eine Treibjagd veranstaltet, die aufgrund der vielen illustren Gäste im Schloss auch im Ort allerlei Geschäftigkeit zur Folge hatte. Heinkes wurde zur Jagd eingeladen, dessen Familie bereits in dritter Generation als Förster für die Familie des Herzogs tätig war. Zu diesem Anlass hatte der Herzog dem ollen Heinkes eine feine Büchse geschenkt, die der Alte wie ein Kleinod hegte und pflegte. Emmanuel hatte ihm einmal den Gewehrschrank gezeigt, in dem die Jagdwaffen sorgfältig aufbewahrt wurden. Als Aloys immer deutlichere Bilder sah, war die Sache für ihn klar. Der Heinkes hatte August auf dem Gewissen. Aloys blickte wieder auf das Gesicht des Bruders herab und ohnmächtige Wut packte ihn.

„Kleiner, sei nicht sauer, aber ich muss dich hier liegenlassen. Es macht dir ja nichts mehr aus. Morgen holen wir dich. Ich verspreche dir, dass ich den Kerl dafür bestrafen werde.“ Dann schloss er mit leichtem Druck die halbgeöffneten Augen des Toten, stand auf und sah sich suchend um. Mittlerweile war es dunkel geworden, doch ein heller Vollmond beleuchtete gespenstisch die Szenerie. Da die Kugel aus Augusts Brust herausgetreten war, musste sie irgendwo stecken. Wahrscheinlich hatte er vor der Buche gestanden, als das Geschoss ihn traf. Aloys‘ Blick fiel auf Leonards und Leonas eingraviertes Herz am Baumstamm. Ausgerechnet! Mit den Fingerspitzen fuhr er langsam über die raue Rinde. Etwa zwei handbreit unter dem Herz fühlte er etwas Klebriges. Er roch an seinen Fingern. Blut. Er tastete weiter. Da war es, ein Loch, so groß, dass er seinen Finger hineinstecken konnte. Sofort holte er sein kleines Messer aus dem Hosenbund und stocherte in dem Loch herum. Mit der Messerspitze stieß er auf Metall, die Kugel. Nach ein paar anstrengenden Versuchen ließ sie sich aus dem Holz lösen. Aloys steckte sie grimmig nickend in seine Hosentasche, löste vom Waldboden ein Stück aus dem Moosteppich und steckte es in das Loch im Stamm. Dann drehte er sich um und ließ den Blick über den Waldboden gleiten. Sein Herz, das noch vor ein paar Minuten wie rasend geschlagen hatte, beruhigte sich und eine wilde Entschlossenheit machte sich in ihm breit. Irgendwo musste die Geschosshülse doch liegen. Die kleine Lichtung wurde zum Glück vom Mondlicht so weit erhellt, dass er einigermaßen gut sehen konnte. Wo hatte der Mörder gestanden? Schritt für Schritt zog er immer größer werdende Halbkreise und schaute mit angestrengtem Blick auf den Waldboden. Wie um alles in der Welt sollte er hier etwas finden?

Als er schon aufgeben wollte, sah er nach etwa 20 Schritten vor sich zwischen Moos und altem Laub etwas Helles blinken. Tatsächlich, es war Messing, es war eine Randhülse, die da im Mondlicht glänzte. Und sie gehörte ganz eindeutig zu einem Gewehr für die Treibjagd. Er roch an der Hülse und hatte keinen Zweifel mehr. Wäre er ein Pfaffe, würde er jetzt diesem Kerl danken, den alle Gott nannten.

Der Mörder hatte demnach auf Sicht seinem Bruder in den Rücken geschossen. Er hätte doch sehen müssen, dass es sich bei August um ein Kind handelte und nicht um einen Wilddieb. Der tote Hase in Augusts Hand! Das musste dem Heinkes den Verstand vernebelt haben. Und warum hielt August einen toten Hasen in der Hand? Weil er, Aloys, ihn mitgenommen hatte. Es war seine Schuld. Ihm wurde übel.

Der Förster war sicher auf der Suche nach dem Wilddieb gewesen, auf der Suche nach ihm, der schon den ganzen Winter über Fallen aufgestellt hatte und mit den gefangenen Hasen und Füchsen ein gutes Geschäft in der Feldmark machte. Dort war so manch einer bereit, etliche Mark für ein gutes Stück Fleisch und ein schönes Fell zu bezahlen, ohne zu fragen, woher das alles kam. Etliche Männer in der Feldmark, einem weitgehend heruntergekommenen Viertel außerhalb der Stadtgrenze Dülmens, waren selbst hin und wieder im Wald unterwegs. Sie hielten viel von den Fähigkeiten dieses jungen, erst 18-jährigen Kerls. Da sie niemandem vertrauten, trauten sie auch ihm nicht weiter als bis zur Türschwelle, aber er war gut für diverse Geschäfte. Er war zudem verschwiegen, selbst wenn er zu viel Schnaps getrunken hatte, was regelmäßig vorkam. Krakeelen und sich prügeln konnte er für drei. Aloys war stark und wendig, scheute sich nicht davor, ordentlich zuzuschlagen, aber verpfeifen tat er niemanden. So einer war Gold wert.

Als Aloys die Patronenhülse eingesteckt hatte, ging er noch einmal zu August und wand den toten Hasen aus dessen Hand, schleuderte den Kadaver mit kräftigem Schwung tief ins Unterholz. Mittlerweile hatten sich schwere Wolken vor den Mond geschoben und hüllten den Wald in Dunkelheit. Es fiel ihm schwer, den Kleinen einfach so und ungeschützt hier liegen zu lassen, aber es musste sein. Tränen liefen über seine Wangen und er hoffte inständig, dass kein Wildschwein vorbeikäme. Einen Würgereiz unterdrückend, wischte Aloys sich Tränen und Rotz mit dem Handrücken aus dem Gesicht und rannte wie vom Teufel gejagt los.

Dülmen, Dezember 1903

Catharina

Catharina saß am Tisch in der guten Stube und sah auf das Foto, das vor ihr auf der weißen Tischdecke lag. Es war ruhig im Haus. Das gleichmäßige Ticken der Wanduhr über dem Sofa beruhigte sie auf angenehme Weise. Bis auf den vierjährigen Heinrich, der oben in der Elternkammer ein Schläfchen hielt, nachdem er sich am Morgen etwas fiebrig angefühlt und gehustet hatte, war sie allein mit einer Tasse Kaffee. Ihr Mann Anton und die großen Kinder Gertrud, Bernhard, Aloys und Josef Franz waren bei der Arbeit in der Fabrik der Familie Sterner, die mit ihrer Weberei und Spinnerei der größte Arbeitgeber im Ort war. Die drei jüngeren Kinder, Anna, Wilhelm und Elli, saßen wohl noch auf der Schulbank oder trödelten auf dem Heimweg. Aus der Küche zog der kräftige Geruch eines Kartoffeleintopfes zu ihr herüber.

Der graue Wintertag wollte sich auch gegen die Mittagsstunde nicht aufhellen und so hatte sie in der Stube eine Kerosinlampe angezündet, die ein warmes Licht verbreitete. Sie hob den Blick zum Fenster und sah durch die Gardine die Linde, die vor dem Hauseingang wuchs, hörte das Klappern des Milchkarren, mit dem der Kersting von der Molkerei durch die Siedlung zog, hörte die Stimmen zweier Nachbarinnen, die sich über die Straße hinweg unterhielten. Es war trüb und grau, aber nicht sonderlich kalt.

Versonnen sah sie sich die Menschen an, die auf dem Foto zu sehen waren. Es war doch noch gar nicht so lange her, seit sie es anlässlich ihres 50. Geburtstags beim Fotografen Herfurth am Marktplatz hatten machen lassen. Ihr war gar nicht danach gewesen, so kurz nach dem schrecklichen Tod ihres Augustchens, aber die anderen hatten sie überredet.

Mit dem Zeigefinger strich sie die Konturen dieser geliebten Gesichter auf dem Foto entlang. Hermann Herfurth, den sie noch aus der Schulzeit kannte, hatte sie alle um einen kleinen runden Tisch herum platziert, auf dem eine hübsche bunt bestickte Tischdecke lag. Sie selbst saß links am Tisch auf einem einfachen Stuhl, den kleinen Wilhelm auf dem Schoß. Sie hatte Mühe gehabt, den Zappelphilipp ruhig zu halten. Bei diesem Gedanken lächelte sie. Er war ein so lebhafter kleiner Kerl und so niedlich in seinem blau-weißen Matrosenanzug. Ihr eigenes Gesicht blickte ihr schneeweiß und traurig entgegen. Sie glaubte, etwas Neues, Hartes in ihren Zügen zu entdecken, was durch die dunkle Trauerkleidung, die sie trug, noch unterstrichen wurde.

Hinter ihr standen Carl Ludwig und ihr Mann Anton, ebenfalls blass und ernst. Beide hatten eine Hand auf je eine ihrer Schultern gelegt, so als wollten sie sie vor dem Rest der Welt beschützen. Anton und sie waren alt geworden. Kein Wunder, bei dem Leid, das ihnen zugestoßen war. Carl Ludwig blickte gefasst in die Kamera. Er hatte mit 27 Jahren so etwas Würdevolles in seiner ganzen Erscheinung und trug mit seiner sanften, ruhigen Art immer zu einer ausgewogenen Stimmung bei, sobald er im Hause war. Vor drei Jahren, im Sommer 1900, hatte er seine Elisabeth, eine Kollegin aus der Weberei, geheiratet, war aber noch kinderlos. Die Beiden lebte nur ein paar Straßen vom Elternhaus entfernt und waren häufig an den Sonntagen zu Besuch.

Neben Anton stand Gertrud, die seit einem Jahr mit Otto Preis verlobt war, einem Arbeiter aus der Eisengießerei des Herzogs. Sie hatten im September heiraten wollen, die Hochzeit aber wegen Augustchens Tod auf ein Jahr verschoben. Auch Gertrud schaute viel zu ernst und blass, war aber hübsch anzusehen. Sie trug das Haar zu einem Knoten im Nacken gebunden und eine weiße Bluse zu einem schmalen dunklen Rock.

Dann betrachtete sie die Gesichter ihrer Söhne Bernhard und Josef Franz, die eng beieinander standen. Josef Franz hielt die Arme vor der Brust verschränkt und blickte mit einem gewissen Trotz in die Kamera, der wohl seiner 16-jährigen Jugend geschuldet war. Er war hoch aufgeschossen, dünn, hatte die gleichen abstehenden Ohren wie sein Bruder Aloys und war ein wenig einfach gestrickt. Er lernte seit einem Jahr in der Weberei und würde sicher einmal einen guten Weber abgeben. Seit Augusts Tod hatte er sich ganz offensichtlich von Aloys entfernt, mit dem er doch vormals so eng verbunden war. Catharina sah diese Entwicklung mit Freude, denn Aloys hatte einen unguten Einfluss auf das schlichte Gemüt des jüngeren Bruders.

Bernhards Blick wirkte schüchtern, obwohl er das eigentlich nicht war. Im siebten Monat viel zu früh auf die Welt gekommen, war er immer noch ein etwas schmächtiger junger Mann im 22. Jahr mit einem wachen Verstand. Er wurde von Josef Franz um einen halben Kopf überragt. Brillantine hielt sein dichtes dunkelblondes Haar im Zaum. Nur sein kräftiger Schnauzbart ließ ihn älter erscheinen als er tatsächlich war. Er pflegte diese Haartracht mit Hingabe. Catharina lächelte.

Am äußersten Rand des Fotos stand Aloys. Herfurth hatte ihn geradezu überreden müssen, näher an die Familie heranzurücken, was er widerwillig tat. Aloys Gesicht sah zornig aus. Er war ein zorniger junger Mann, das wusste Catharina, zornig, unbändig und oft zügellos. Sein Ruf war schlecht, sehr zum Leidwesen Antons, der immer seltener Zugang zu dem Jungen fand. Seit Augusts Tod war er noch aggressiver geworden und forderte nahezu jedermann durch seine Worte und Taten zum Streit heraus. Anton war machtlos und resignierte. Aloys kam nicht mehr jede Nacht nach Hause und Catharina wusste nicht, wo er sich herumtrieb. Er arbeitete noch in der Schlosserei der Sterner-Werke, war aber auch dort wegen seines unberechenbaren, aufbrausenden Temperaments unbeliebt. Wenn Anton in der Fabrik auf den Sohn stieß, sagten sie kaum ein Wort zueinander. Hätte er selbst nicht so einen guten Stand bei dem Fabrikbesitzer Alon Sterner, hätte der Patron den renitenten Burschen sicher schon hinausgeworfen. Vielleicht war es auch nur eine Frage der Zeit, bis genau das geschehen würde.

Ihre Gedanken schweiften zurück zu den Gesichtern auf dem Foto, zu Anna, die auf der ihr gegenüberliegenden Seite des Tisches vor Aloys, Josef Franz und Bernhard saß. Ihre wunderschöne Anna, Ebenbild Augusts. Auch sie schneeweiß und viel zu ernst für ein 13-jähriges junges Geschöpf, das Gott mit großer Schönheit und Klugheit gesegnet hatte. Sie trug ein schmalgeschnittenes blaues Kleid mit einer helleren bestickten Bordüre vom Kragen bis hinunter zur Taille. Ein schönes Kleid, das Catharina genäht hatte. Darunter schauten weiße Strümpfe und helle Schuhe hervor. Auch im Sitzen sah man Annas schöne Gestalt. Sie war hochgewachsen und seit einem Jahr reiften ihre weiblichen Züge zur Blüte heran. Sie trug das wellige honigfarbene Haar offen, nur oben auf dem Kopf hielt eine weiße Schleife einige Haarsträhnen ordentlich zusammen. Catharina sah in diesen großen grauen Augen den unerträglichen Schmerz um den Verlust des Bruders. Er sprang ihr förmlich aus dem Bild entgegen.

Unzertrennlich waren Anna und August gewesen, wie Zwillinge, immer beieinander, schliefen in der gleichen Kammer, konnten kaum einen Schritt ohne den anderen gehen, bis August sich nach seinem 13. Geburtstag vor einem Jahr immer mehr von ihr entfernte, nicht mehr mit ihr in der gleichen Kammer schlafen wollte, sich immer häufiger zu den älteren Brüdern gesellte und ein auffälliges Interesse an Aloys‘ und Josef Franzens Aktivitäten zeigte. Anna hatte sich Anfang des Jahres weinend bei der Mutter beklagt, worauf diese ihr die ganz natürlichen Ursachen eines solchen Wandels zu erklären versuchte. August würde im Juni bereits 14 und reifte langsam, aber sicher zu einem Mann heran. Da war es nur natürlich, dass er sich mehr zu seinesgleichen hingezogen fühlte als zu Gedichten und Geschichten, gelesen mit der jüngeren Schwester. Außerdem hätten der Vater und sie schon darüber geredet, die beiden nicht mehr in einer Kammer schlafen zu lassen. Das gezieme sich in diesem Alter nicht mehr zwischen einem Mädchen und einem Jungen. Immerhin sei auch Anna auf dem Wege zu einer jungen Frau. Anna hatte das widerwillig akzeptiert und weiter gehofft, dass August sich nach einer Weile wieder auf sie besinnen würde. Doch dann war er brutal ermordet worden und ein Teil der Welt hatte aufgehört zu existieren.

Catharinas Brust schnürte sich einen Moment lang eng zusammen und sie hatte das Gefühl, nicht mehr atmen zu können. Sie griff nach der Kaffeetasse und nahm einen Schluck des nur mehr lauwarmen Getränks.

Ihr Blick glitt zu der neunjährigen Elisabeth Johanna, von allen liebevoll Elli genannt, und dem 11-jährigen Wilhelm, die nebeneinander vor dem Tisch auf dem Boden saßen und recht fröhlich dreinschauten. Sie saßen im Schneidersitz und unter Ellis Röckchen blitzen ihre bestrumpften Beine mit den auf Hochglanz geputzten Schuhen. Mit ihrer dunklen Haarpracht und dem rehbraunen Viertelchen im rechten der sonst grau-blauen Augen sah Elli ihrem toten Bruder Leonard sehr ähnlich. So sehr, dass Catharinas Herz manchmal stehenzubleiben drohte, wenn sie glaubte, ihr Junge würde sie durch Ellis Augen aus einer anderen Welt anschauen. Elli war ein aufgewecktes, lebhaftes Kind und lernte in der Schule mühelos. Auch sie würde sich in eine kleine Schönheit verwandeln, wenn die Zeit kam.

Wilhelm hätte nicht unterschiedlicher aussehen können mit seinem feinen rötlichen Haar, den Sommersprossen im ganzen Gesicht und den hellbraunen Augen, in denen ein smaragdgrüner Ring die Iris umgab. Eine außergewöhnliche Augenfarbe. Überhaupt war die Farbe der Augen bei ihren Kindern sehr unterschiedlich. Von blau über grau, bernsteinfarben, grün und sogar zweifarbig war alles vorhanden, so als habe der liebe Gott seinen Farbeimer über ihnen ausgeschüttet. Ebenso war es mit den Haaren. Blond, Dunkelbraun, Brünett und Rot ließ ihre Familie bunt erscheinen, so bunt wie die Blumen im Frühlingsgarten.

Auf dem Foto trug Wilhelm kurze Hosen mit Hosenträgern, Kniestrümpfe und ein Hemd mit langen Ärmeln darunter. Die neuen Schnürschuhe hatte er zu seinem Geburtstag im März vom Vater bekommen, der sie bei Schuster Arlinghaus hatte anfertigen lassen. Wilhelm war so stolz gewesen, als er mit dem neuen Schuhwerk das erste Mal zur Schule gehen durfte. Nicht alle Kinder trugen Schuhe. Im Sommer gingen viele barfuß, bei schlechtem Wetter und im Winter in Holzklotschen oder in den getragenen Schuhen der älteren Geschwister. Elli hatte eine Hand auf den Arm des Bruders gelegt und musste ihm soeben etwas gesagt haben, bevor sie mit grinsendem Gesicht in die Kamera schaute. Und es musste etwas Lustiges gewesen sein, denn Wilhelm sah sie von der Seite mit großen Augen lachend an. Wenigstens sie sind fröhlich, dachte Catharina und seufzte.

Ihre Augen glitten über die Fotografie, so, als suchten sie etwas. Es waren die fehlenden Kinder, die sie suchte, die Kinder, die ebenfalls vor der Zeit gestorben waren. Leonard, der mit 19 einer Lungenentzündung und einem gebrochenen Herzen nicht länger standhalten konnte. Er wäre heute 29 Jahre alt und würde auf dem Foto sicher direkt neben dem Vater stehen. Johann, den mit nur sieben Wochen ein Fieber dahingerafft hatte, wäre jetzt 28. Raphael, dieser schöne, fröhliche Junge mit dem Lockenköpfchen und den strahlenden Augen, der mit drei Jahren aufgehört hatte zu atmen, wäre nun auch schon 23. Ja, und dann auch noch August. Catharina konnte diese Gedanken kaum noch ertragen. Sie strich sich mit einer Hand über das zu einem Knoten gebundene, von weißen Fäden durchzogene brünette Haar, ließ sie einen Augenblick auf dem mit Silber und Elfenbein verzierten Haarkamm ruhen, den Anton ihr vor Heinrichs Geburt geschenkt hatte, und legte die andere Hand über die von vielen Fältchen umgebenen bernsteinfarbenen Augen. Warum August? Warum dieser schöne, kluge, vielversprechende Junge? Was hatte er da draußen zu suchen, am Abend, bei kaltem Wetter, allein im Wald? Immer und immer wieder hatten sie und Anton sich diese Fragen gestellt. Wieder eines ihrer Kinder! Was hatten sie getan, dass sie so bestraft wurden?

Man hatte August am Tag nach seinem Verschwinden vor Leonards Buche gefunden. Der Förster und Anton waren als erste bei ihm gewesen. Dann hatte Förster Heinkes mit eine Pfeife die anderen des Suchtrupps herbeigerufen und alle hatten fassungslos um den toten Jungen herumgestanden. In den frühen Morgenstunden waren heftige Regenschauer über das Land gezogen und Augusts Körper hatte völlig durchnässt dagelegen. Anton hatte Catharina erzählt, dass zuletzt Aloys herbeigelaufen sei und wie versteinert neben dem Bruder gestanden habe, keine Träne im Gesicht, nur unbändige Wut und Hass. Einmal habe er mit einem Blick, der hätte töten können, zum Förster geschaut. Als ob der Heinkes was dafür könnte, dass ein Verbrecher ihren Jungen so kaltblütig erschossen hatte. Einen unbewaffneten kaum 14-jährigen Jungen! Sicher seien es die Wilderer gewesen, die seit Monaten ihr Unwesen im Forst trieben, meinten alle im Ort. Die Gerüchteküche wollte nicht aufhören zu brodeln. Mittlerweile war es ruhiger darum geworden. Jetzt, nach fast neun Monaten, wandten sich die Menschen im Ort anderen Dingen und Ereignissen zu.

Das fröhliche Geplapper Wilhelms und Ellis, die von draußen ins Haus traten, holte sie in die Gegenwart zurück.

„Guten Tag, Mutter“, riefen sie aufgeräumt, gingen schnurstracks in die Küche, um dort ihre Ranzen abzulegen und sich im Anbau die Hände zu waschen.

„Habt ihr Anna gesehen, Kinder?“, fragte Catharina.

„Ja, sie kommt auch gleich. Sie geht eben nur so langsam und will allein sein, hat sie gesagt“, antwortete Wilhelm. „Sie ist immer so eigenbrötlerisch.“

Catharina vernahm ein Rumoren aus dem oberen Stockwerk. Heinrich war aufgewacht und hatte sicher Hunger. Sie stand vom Tisch auf, straffte den schmerzenden Rücken, strich sich die Schürze glatt. Ein letzter Blick auf das Foto. Dann legte sie es zu einigen anderen in die Schublade der Vitrine und schloss diese mit einem leichten Ruck. Ihren Mund umspielte ein trauriges Lächeln. Dann ging sie aus der Stube in den Flur und zog sich am rot bemalten Handlauf die Treppe hoch, um ihren Jüngsten aus der Schlafkammer zu holen.

2

Dülmen, Februar 1904,

Anton

Er war jetzt 52 Jahre alt und hatte es in den Sterner-Werken zu etwas gebracht. Schon seit geraumer Zeit war er Obermeister in der Weberei, hatte einen immer größer werdenden Verantwortungsbereich und eine wachsende Arbeiterschaft unter sich. Das Werk wuchs und wuchs, brachte gutes Geld für die Arbeiter und Wohlstand für ganz Dülmen. Die wenige freie Zeit, die er hatte, verbrachte er mit der Familie zu Hause und am Sonntagvormittag beim Stammtisch in den Dülmener Stuben. Der SPD-Stammtisch war der Ort, an dem er ein wenig Ablenkung von der Trauer fand, die zu Hause mit Augusts Tod erneut Einzug gehalten hatte.

Als das neue Jahrhundert begann, hatte er so sehr gehofft, dass es ein Ende haben würde mit den Katastrophen in seiner Familie. Seine Kinder wuchsen gut heran, gingen in die Schule oder hatten Arbeit, ihr Haus in der Siedlung war groß genug, sie waren bei den Nachbarn angesehen und besaßen mehr als viele andere. Carl war bereits verheiratet und hatte eine sehr liebe Frau in Elisabeth gefunden.

Doch sein Leben mit Catharina war von Schicksalsschlägen überschattet. Manchmal wusste er nicht, wie sie beide das schafften. Aber da waren die Kleinen, die ihre Liebe und ihr Lächeln bitter nötig hatten. Da musste man so manch einen Kummer in der Brust verschließen. Ob dieser dumpfe Schmerz, der sein Herz zunehmend angriff und schwächte, wohl daher rührte? Die Schmerzen und die zeitweilige Atemnot sprachen eine deutliche Sprache. Er solle sich schonen, hatte der Werksdoktor noch letzte Woche gesagt, aber wie sollte das denn gehen?

Der Patron, Alon Sterner, suchte nach wie vor seinen Rat in Werksangelegenheiten, aber seit dessen Sohn Jakob nach Abschluss eines Jura Studiums im vergangenen Jahr mit in die Firmengeschäfte eingestiegen war, wurden ihre anregenden und aufmunternden Gespräche seltener. Alon Sterner und seine Frau Esther hatten einen Kondolenzbrief zu Augusts Beerdigung geschrieben, weiter aber nichts. Anton hatte einen Moment lang gehofft, dass Esther die Gelegenheit wahrnehmen könnte, um die alte Freundschaft mit Catharina wieder aufleben zu lassen, aber er hatte vergeblich gehofft. Vielleicht hätte das seiner Frau bei der Überwindung des Schmerzes geholfen, so wie Esther auch früher eine große Hilfe und Stütze in schwierigen Zeiten gewesen war. Aber seit Leonards Tod, an dem Catharina den Sterners eine nicht unbeträchtliche Mitschuld gab, bestand Eiszeit zwischen den Frauen. Was wäre gewesen, wenn Sterners nicht gegen eine Verbindung ihrer Kinder gewesen wären? Wären Leonard und Leona nicht doch glücklich miteinander geworden? Was wäre gewesen, wenn es keine religiösen und gesellschaftlichen Schranken mehr gegeben hätte?

Ach was, Anton verbot sich energisch, diese Gedanken fortzuführen. Dummes Zeug! Es ist wie es ist und daran ist nichts zu ändern. Vergangen ist vergangen. Die Gegenwart ist schlimm genug, dachte er verbittert. Augusts Mörder konnte nicht gefunden werden. Die Polizei hatte ihre Nachforschungen vor einem Monat eingestellt. Es gab nichts! Keine Spuren, keine Beweise, keine Zeugen. Absolut nichts! Die Kugel, die August getötet hatte, konnte nicht gefunden werden. Auf Anregung Aloys‘ hatten die Schutzmänner sogar die Waffen des zuerst protestierenden, dann jedoch einlenkenden Förster Heinkes und dessen Forstgesellen untersucht, aber nichts Verdächtiges gefunden. Obwohl Heinkes neben seinen Schrotflinten auch eine Jagdbüchse besaß, und eine solche hatte ganz offensichtlich August das Leben genommen, schien der Förster von ihr seit langem keinen Gebrauch mehr gemacht zu haben. Sie stand geputzt und geschniegelt wie neu im Waffenschrank. Außerdem war ein Verdacht gegen ihn absurd. Heinkes schoss auf Wild und Wilderer, aber nicht auf wehrlose Kinder. Sie mussten damit leben, dass der Mörder niemals gefunden würde. Eine Tatsache, die den Verlustschmerz um ein Vielfaches steigerte. Sie mussten damit leben, dass irgendwo dieser Verbrecher herumlief und niemals zur Rechenschaft gezogen würde. Eine Wunde, die gar nicht heilen konnte, das war Anton und sicher auch Catharina bewusst.

20. April 1904

Aloys

Seit ihrem 14. Geburtstag am 3. April lag seine Schwester Anna mit Diphterie im Bett. Ihr qualvoll bellender Husten und röchelnder Atem war schier unerträglich für Aloys geworden. Die Familie hatte zu hoffen gewagt, als das Fieber kurzzeitig sank, nur um zum Todestag Augusts am 8. April erneut bedrohlich anzusteigen. Die weißen, übernächtigten Gesichter der Mutter und Gertruds, die nicht vom Bett Annas wichen und sich in der Pflege der Kranken abwechselten, ließen schlimme Erinnerungen in Aloys erwachen. Dann dieser süß-faulige Geruch, der aus Annas Kammer kam!

Mutter hatte Bernhard mit den drei jüngsten Geschwistern zu Carl und Elisabeth, die im achten Monat schwanger war, geschickt, damit sie sich nicht ansteckten. Josef Franz, Bernhard und er selbst hatten vor Jahren eine solche Infektion überlebt und mussten sich jetzt nicht vor einer erneuten Erkrankung fürchten. Auch in den Nachbarhäusern waren einige Kinder erkrankt und es herrschte eine angespannte Ruhe in der Siedlung. Der Sensenmann würde nicht zimperlich sein.

Aloys sah seine Schwester schwinden, hörte, wie sie nach August rief und furchtbar litt. Die alte Wut auf Augusts Mörder loderte erneut zu einem hellen Feuer auf und ließ ihn eine Entscheidung treffen. Wenn die Polizei nicht in der Lage war, den Verbrecher dingfest zu machen, dann würde er es tun. Für August! Für seinen kleinen Bruder! Für Anna! Für die Gerechtigkeit! Für sein eigenes schlechtes Gewissen.

25. April 1904

Aloys

Es war ein schöner Apriltag. Die Sonne schien durch die Baumkronen und malte Streifen hellen Lichts auf den Waldboden. Die Luft war erfüllt von vielstimmigem Vogelgesang. Das Klopfen eines Spechts drang durchs Holz, als Aloys sich vorsichtig Leonards Buche näherte. Hier war ganz in der Nähe ein Wildwechsel. In der Dämmerung würde er hoffentlich Heinkes treffen, den sein abendlicher Gang durch den Forst auch irgendwann hier vorbeiführen würde. Nicht weit entfernt hatte er einen neuen Hochsitz des Försters entdeckt. Seit einigen Tagen lauerte Aloys stundenlang im Unterholz nahe der Buche, bisher ohne Erfolg. Womöglich vermied der Kerl den Ort seiner Schande. Aber eines Tages würde er kommen, das war gewiss. Er durfte nur die Geduld nicht verlieren. Mit dem Rücken an einen Baumstamm gelehnt, horchte er auf die Geräusche, sog prüfend die Luft ein, konzentrierte sich. Seine rechte Faust umklammerte einen harten Stock, den er im Wald gefunden hatte.

Er hatte eine Menge Zeit, seit er aus der Schlosserei hinausgeflogen war. Mit einem Hammer war er auf den Meister losgegangen. Zwei bärenstarke Kollegen hatten ihn nur mit Mühe zurückhalten können. Wieso musste der Kerl sich auch in alles einmischen und ihm immer wieder vor allen anderen sagen, dass er besser auf sein Werkzeug aufpassen solle. Das konnte er sich doch nicht gefallen lassen. Nun ja, auch der Vater war wütend geworden und hatte ihn achtkantig aus dem Haus geworfen. Jetzt wohnte er bei seinem Kumpel Willi in der Feldmark. In dessen Hütte war ein Bett frei geworden, da Willis Mitbewohner ins Ruhrgebiet abgewandert war. Nach Hause zu Mutter und Anna konnte er nur, wenn der Vater auf Schicht war. Gut so, denn er hatte eine wichtige Mission.

Er hörte Schritte im Wald. Heinkes? Hoffentlich kam er allein. Vorsichtig spähte Aloys aus seinem Versteck. Sein Herz schlug schneller. Tatsächlich! Der Förster erschien am Waldrand und überquerte die kleine Lichtung. Er war allein. Aloys trat aus dem Gebüsch, reckte seinen Rücken und begann ein Liedchen zu pfeifen. Als Heinkes ihn sah, blieb er abrupt stehen und sah einen Moment verdutzt drein.

„Aloys, na sowas. Was machst du denn hier?“ Ohne Argwohn ging er ein paar Schritte auf Aloys zu. Eine Schrotflinte hing auf seinem Rücken. Er streckte Aloys die Hand zum Gruß entgegen. Ein dichter graumelierter Bart umrahmte sein schmales Gesicht. Er trug die grüne Försteruniform mit braunen Stiefeln und auf dem Kopf einen Hut mit einer kleinen Fasanenfeder.

„Fühlst dich sicher, Heinkes, was? Die Polizei hat ja auch alle Ermittlungen eingestellt“, sagte Aloys unvermittelt mit grimmigem Gesicht, ohne die dargereichte Hand zu nehmen. Erst jetzt schien der Förster den Stock zu bemerken, den Aloys immer noch fest umklammert hielt, und sein Gesicht nahm einen alarmierten Ausdruck an. Seine dunklen Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen.

„Aloys, was soll das? Was ist los mit dir?“

„Was mit mir los ist? Das wagst du zu fragen? Du Hund, du. Hast meinen Bruder erschossen. Glaubst wohl, ich wüsste das nicht. Ha! Hab die Kugel und die Hülse hier gefunden. Solche Munition hat nur eine Jagdbüchse. So eine wie deine.“

„Aber Aloys … nein…“, stotterte Heinkes, dessen Gesicht alle Farbe verloren hatte. „Was fällt dir ein, mich zu beschuldigen. Ich habe …“

„Halt den Mund. Wage ja nicht, mir irgendwelche Geschichten zu erzählen. Ich habe die Munition zum Beweis, oder denkst du, der Herzog hat meinen Bruder persönlich erschossen? Er ist schließlich der Einzige, der ein Jagdgewehr in dieser Gegend besitzt. Außer dir!“ Aloys spuckte Heinkes die Worte geradezu entgegen.

„Es war ein Unglück, ein schrecklicher Zufall. Ich dachte, es sei der Wilderer, der hier sein Unwesen treibt. Ich habe nicht gesehen, dass es der August war. Das musst du mir glauben.“ Heinkes Stimme überschlug sich.

„Du hast sicher gesehen, dass es ein Junge war, oder? Ein Junge und kein Wilderer! Hast sogar noch geholfen, einen Suchtrupp aufzustellen, hast ganz unschuldig zusammen mit dem Vater mitgesucht. Du hinterhältiger Lump, du hinterfotziger.“ Aloys drohte schier zu explodieren. Vor seinen Augen erschienen rote Schleier.

„Nein, Aloys, es war doch fast schon dunkel, damals. Ich habe nur den Hasen in seiner Hand gesehen und da schien für mich alles klar zu sein.“ Er wollte noch sagen, dass sein Gehilfe Zeuge gewesen sei, doch er schluckte diese Ausrede hinunter. Angst stieg in ihm hoch. „Ich konnte der Polizei nichts sagen. Was hätte das denn auch geändert? August war tot!“ Seine Stimme wurde schrill. „Man hätte mich weggesperrt und was sollte dann aus meiner Frau und den Kindern werden? Ich habe fünf Kinder, Aloys, das weißt du doch. Du kennst uns doch alle. Du bist doch ein Freund von Emmanuel“.

„Du hast August in den Rücken geschossen!“ Aloys Stimme war bedrohlich dunkel und leise. „In den Rücken, Heinkes! Es war Vollmond und hell genug, um alles Mögliche zu sehen. Aber du hast ihn noch nicht einmal angerufen, sonst hätte er sich umgedreht und du hättest gesehen, dass du ein Kind vor dir hast und keinen Kerl. Du hast ohne jede Vorwarnung einfach geschossen!“

„Nein, so hör doch, so war es nicht…“, setzte Heinkes an, als ihn der hasserfüllte Blick des jungen Mannes verstummen ließ. Er wollte seine Flinte vom Rücken reißen, sah, wie Aloys mit dem Stock ausholte und schrie laut auf, als ihn mit ungeheurer Wucht ein Schlag am linken Arm traf. Aufheulend fiel er auf die Knie. Ein zweiter Schlag traf ihn an der Schläfe, der seinen Schädel brach. Noch bevor Heinkes vollends zu Boden fiel, war er tot.

Aloys stand schwer atmend über dem Mann, schlug wieder und wieder wie von Sinnen auf den leblosen Körper ein und zischte: „Für August, du Hundsfott, für August!“

Heinkes Leiche wurde bei Tagesanbruch gefunden. Der Körper war schlimm zugerichtet. Man wunderte sich, dass er seine Flinte noch über dem Rücken trug und keinerlei Abwehrreaktionen erkennbar waren. Hatte er seinen Mörder gekannt und war nichtsahnend in den Tod gelaufen? Die Tatsache, dass man ihn fast an der gleichen Stelle wie im letzten Jahr August gefunden hatte, ließ niemanden aufmerken. Auch dieses Mal wurde ein Spurensuchtrupp zusammengestellt, an dem sich viele Freiwillige beteiligten. Darunter Aloys, Josef Franz und andere junge Männer des Ortes, die alle den Förster gekannt hatten.

28. April 1904

Aloys

Aloys betrat gegen Mittag durch die Hoftür sein Elternhaus. In den vergangenen Tagen hatte er zuerst seine blutbespritzte Kleidung verschwinden lassen müssen. Er musste den Stock vernichten, mit dem er zugeschlagen hatte und sich sowieso erst einmal tüchtig betrinken, um den schlechten Geschmack im Mund zu vertreiben. Sein Hüttenkumpel Willi stellte keine Fragen und da er so groß wie Aloys war, half er ihm mit einigen seiner Sachen aus. Er wusste, dass Aloys hin und wieder wilderte und gehörte der Gruppe in der Feldmark an, die daraus ihren Vorteil zu ziehen wusste. Und Verschwiegenheit war der Schutzmantel, der sich hier um alle hüllte.

Ohne viel Aufhebens zu machen, half Aloys der Mutter und Josef Franz, der heute erst zur Spätschicht in die Fabrik musste, Holz zu spalten, die Hasenkästen zu säubern und Ordnung im Geräteschuppen zu schaffen. Catharina staunte nicht schlecht, als er sich diese Arbeiten freiwillig vornahm und sie nicht an seinen Bruder abschob. Die Stimmung zwischen den Brüdern war eigenartig angespannt und sie sprachen kaum einen Satz miteinander. Sie schwieg und war insgeheim froh, dass ihre Söhne zur Stelle waren, um ihr einige der schweren Arbeiten abzunehmen. Zumal auch Gertrud heute den ganzen Tag über in der Weberei war und erst am Abend wieder zurückkommen würde. Später saßen sie zu dritt am Küchentisch und aßen die Bratkartoffeln mit Apfelkompott, die sie aufgetischt hatte.

Kurz bevor Aloys das Elternhaus wieder verlassen wollte, ging er die Treppe zu den Schlafkammern hoch. Er hoffte, einige ungestörte Minuten bei Anna bleiben zu können, die in ihrem Bett lag und schlief. Aus der Küche drang das Klappern von Töpfen und Rührlöffeln herauf. Er hörte die Stimme seines Bruders Josef Franz, der offenbar im Schweinekoben stand und laut fluchte, weil ihn die Sau in die Waden zwickte. Aloys konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

Eine kleine Kerosinlampe tauchte den Raum in gelbliches Licht. Er setzte sich auf den Stuhl neben Annas Bett und nahm eine ihrer heißen Hände. Sie lag da, schneeweiß und wunderschön, der dunkle Wimpernkranz um ihre geschlossenen Augen zuckte unruhig und ein Schweißfilm bedeckte ihre zarte Haut. Sie schien nicht bei Bewusstsein zu sein. Das Brodeln in ihrer Brust verhieß nichts Gutes. Doch dann hoben sich langsam und schwer ihre Lider.

„Anna, da bist du ja“, sagte Aloys leise. „Ich möchte dir etwas sagen, etwas sehr Wichtiges. Ich weiß, wer unseren August erschossen hat. Es war der Förster Heinkes. Ich habe diesen Hund erschlagen, im Wald, genau an der Stelle, an der er August ermordet hat. Genau an der gleichen Stelle. Jetzt ist der Bruder gerächt und du kannst in Frieden gehen, Schwesterchen, hörst du, du kannst in Frieden gehen.“

Aloys spürte den schwachen Händedruck Annas, um deren Mund ein leises Lächeln spielte. Er vernahm eine Bewegung hinter sich in der Tür. Als er sich umdrehte, sah er die Mutter dort stehen, fahl, mit eingefallenen Wangen und vor Entsetzen geweiteten Augen.

„Aloys, was hast du getan?“ Sie hielt sich nur mit Mühe am Türrahmen fest.

„Mutter, August ist gerächt. Ich habe ihn gerächt. Hörst du, ich …“

„Geh, Aloys, geh, verlass dieses Haus so schnell du kannst und komm nicht wieder.“

„Du wirst mich doch nicht verraten, Mutter?“, fragte Aloys mit brüchiger Stimme, als er neben Catharina stand und ihren vertrauten Geruch nach Lavendelseife einatmete. Sie schüttelte kaum wahrnehmbar den Kopf und blickte zu Boden.

Als Catharina die Haustür ins Schloss fallen hörte, setzte sie sich auf den Stuhl zu Anna und sah ihrer Tochter schweigend in die Augen, die sie klarer als sonst ansahen. Große Müdigkeit überfiel sie. Niemals würde sie mit Anton über Aloys‘ Geständnis reden können, niemals diese schwere Bürde mit dem Menschen teilen können, demgegenüber sie noch nie ein Geheimnis gehabt hatte. Anton würde die Wahrheit nicht verkraften.

Mit Händen schwer wie Blei nahm sie ein Tuch aus der Wasserschüssel, die auf dem Boden neben dem Bett stand, wrang es aus und begann, die feuchte Stirn Annas und das Blut, das ihr aus der Nase lief, abzutupfen.

3

Am Meer, August 1907

Catharina

Catharina verließ bei ruhigem und sonnigem Wetter noch vor dem Frühstück das Hotel Hohenzollern, stieg auf der anderen Straßenseite die Holztreppen hinunter zum Strand und wanderte zu einer der Molen, die gegenüber dem Pavillon, in dem nachmittags manchmal die Kurkapelle aufspielte, mitten hinein ins Meer führten. Seit drei Wochen war sie zusammen mit Esther Sterner und deren Sohn Jakob nebst Gemahlin auf dieser Insel, die so weit in der Nordsee lag, dass man das Festland nicht mehr sehen konnte. Und noch sollte eine ganze Woche vor ihnen liegen.

Um diese Zeit war der Strand bis auf die wenigen frühen Vögel noch leer. Die meisten Gäste kamen nach dem Frühstück. Dann füllte sich die Luft mit Kinderjauchzen, Lachen und einem andauernden Stimmengewirr, das bis in die frühen Abendstunden andauerte. Catharina genoss den herrlichen Morgen, das Alleinsein und die Stille, die nur vom Plätschern der sanften Brandung durchbrochen wurde. Als sie das Ende der Mole erreicht hatte und vor ihr die unendliche Weite des silberfarbenen Meeres lag, das heute fast so glatt wie ein See war, schloss sie einen Moment die Augen und atmete tief die salzige Luft ein. In der Ferne, auf einer schmalen Sandbank draußen im Meer konnte sie einige schwarze Punkte ausmachen, Robben, die sich dort wohl vom Fischfang erholten und sonnten. Das hatte ihr der prächtig livrierte und mit einem Kaiser-Wilhelm Schnauzbart ausgestattete Portier des Hotels erzählt, den sie immer sehr freundlich grüßte und mit dem sie hin und wieder ein Wort wechselte. Er war offenbar diese Ansprache von den wohlhabenden Gästen des Hauses nicht gewohnt und verhielt sich in den ersten Tagen zurückhaltend. Doch nach und nach taute er auf und erwiderte ihren Gruß nicht mehr nur mit einem Nicken.

Eine aufkommende Brise bauschte ihr weißes Leinenkleid mit dem blauen Kragen und der blauen Knopfleiste, die bis hinunter zum Saum reichte, auf. Sie hatte es sich selbst nach der Mode der Reformkleider geschneidert. Manch böse Zunge nannte diese Kleider auch Reformsäcke und sie fiel damit hier, in diesem mondänen Seebad, ziemlich auf. Der Stoff fiel gerade von den Schultern bis auf die Schuhe ohne jede Einschnürung und Einengung herab. Die langen Ärmel mit den rot verzierten Säumen waren weit und fließend. In Künstlerkreisen und in der Frauenbewegung war dieser Stil seit einigen Jahren absolut en vogue.

Catharina lächelte zufrieden. Sie hatte ein Model dieser äußerst bequemen Kleider in einer Zeitschrift im Frauenverein, dem sie und Esther seit einem Jahr angehörten, entdeckt und kopiert. Esther ließ sich von ihrer Schneiderin daraufhin ebenfalls ein solches Gewand nähen, trug es aber nur im Haus. Sie wagte noch nicht, sich damit in der Öffentlichkeit sehen zu lassen.

Catharina spürte den Wind bis auf die Haut. Die vom Meer kommende Brise drückte den Stoff gegen ihren Körper und sie stemmte sich ihm ein wenig entgegen. Der Wind strich wie eine zärtliche Liebkosung über ihr Gesicht und durch das hochgesteckte Haar, zupfte ein paar Strähnen frei, die sich wie feine silbrige Spinnweben vor ihr Gesicht legten. Sie hatte den breitkrempigen Strohhut mit den dunkelblauen Bändern, den sie im Kurviertel in einem kleinen Geschäft erstanden hatte, für einen Moment abgenommen und hielt ihn mit beiden Händen vor der Brust fest. Mit weit offenen Augen sah sie in das Himmelsblau und nahm mit jeder Faser ihres Körpers Licht und Sonne in sich auf.

Sie spürte ihre Beine, die fest auf den Holzbohlen standen. Sie spürte ihren ganzen Körper, den sie in diesem Moment gar nicht mehr als zu füllig empfand. Die vielen Schwangerschaften hatten ihre einstmals so schlanke Taille verschwinden lassen und sie war überall rund geworden. Wenn auch nicht dick, das jedenfalls beteuerte Anton ihr jedes Mal, wenn er sie im Ehebett liebkoste. Der Wunsch, einander körperlich sehr nahe zu sein, war ihnen all die Jahre hindurch geblieben. Wenn auch der Überschwang der ersten 10 Jahre ihrer Ehe einem ruhigen Gleichklang von Körper und Seele gewichen war. Diese Nähe wollte sie für nichts in der Welt missen. Wie sehr er ihr fehlte. Mit ihm zusammen wäre das alles hier noch einmal so schön.

Sie spürte einen Stich in der Brust. Da war er wieder, dieser undefinierbare Schmerz, der nicht körperlich zu sein schien, das hatte jedenfalls Doktor Kerkerinck noch kurz vor ihrer Abreise gesagt. Und doch war er so tief und bohrend, dass er in der Lage war, ihr für einen Moment die Luft zu nehmen. Seit sie den Mut gefunden hatte, ihn genauer anzusehen, löste sich seine Festigkeit auf und er verströmte sich wie eine heiße Flüssigkeit über Brust und Leib, über den Rücken in die Beine und wieder hoch in den Kopf. Wenn ihr Kopf ein Loch obenauf hätte, würde er sicher wie eine Fontäne hinausschießen und sich hoch am Himmel zu einer mächtigen Kugel formen. Diese Kugel würde immer höher ins Firmament aufsteigen, dort oben platzen und in einem Sprühregen aus Licht zurück auf die Erde fallen.

Hätte sie sich für das Leben einer Arbeiterfrau an Antons Seite entschieden, wenn sie gewusst hätte, welche Verluste und Schmerzen dort auf sie warteten? Eigentlich hatte sie aufgehört danach zu fragen. Und doch bohrte diese Frage tief in ihrem Innern, um überfallartig an die Oberfläche zu stoßen, sobald sie nicht achtsam genug war, um die Attacke abzuwehren. Wenn das die Oberhand gewann, war es aus mit der Ruhe und der Schmerz so überwältigend, dass sie manchmal einfach nur in Tränen ausbrach oder gar nicht mehr aufstehen wollte.

In all den Jahren hatte sie mehr und mehr gelernt, die ersten Anzeichen des Sturms wahrzunehmen. Erst ganz langsam und oft nicht mehr rechtzeitig genug, aber mit jedem Mal schneller und besser. Sie hatte gelernt, in sich hineinzuhorchen und die Zeichen zu deuten. Wurde sie unruhig, schossen die Gedanken wie flüchtendes Wild durch ihren Kopf und fühlte sie einen undefinierbaren Druck im Leib, wusste sie, dass der Angriff nicht weit entfernt war. Dann sammelte sie sich und konzentrierte sich auf genau diese unangenehmen Empfindungen.

Jetzt war es wohl wieder so weit. Das erste Mal seit ihrer Ankunft auf Borkum. Was spürte sie? Wo saß das alles da drin? Sie versuchte, nicht in Panik zu geraten, sondern langsam und gleichmäßig zu atmen, ihren Körper zu spüren. Dann begann sie zu beten, ohne der heraufziehenden Angst zu folgen.

„Vater unser, der du bist im Himmel, geheiligt werde dein Name …“ Und siehe da, die Angst zog sich zurück, etwas widerwillig zwar, aber sie zog sich zurück. Erleichtert atmete Catharina tief ein. Je öfter sie in der Vergangenheit dem Impuls zu beten gefolgt war, desto schneller verflogen Angst und Schmerz. Manchmal konnte sie beides schon im Ansatz fortschicken. So wie just in diesem Moment. Sie war nie sehr religiös gewesen, doch hatte sie nach dem Erwachen aus einem ihrer Träume von Flügen ans Meer oft vor Glück und Dankbarkeit gebetet. Ein kurzes Danke an Gott, der ihr offenbar solche erholsamen und friedlichen Nachtbilder schickte. Das Meer und vor allem die Brandung ihrer Visionen hatten nichts gemein mit diesem Meer, das ihr hier zu Füßen lag. Diese seit Jahren wiederkehrenden Traumbilder, in denen sie Kraft ihrer ausgebreiteten Arme bis an eine wilde Küste im Westen flog, sich auf zerklüfteten Felsen niederließ, das sturmgepeitschte Meer bis hoch zu ihr schlug und sie mit Gischt benetzte, waren lebensrettend für sie gewesen. Nach den nächtlichen Ausflügen an unbekannte Gestade, die keinem von ihr je erlebtem Bilde entsprachen, erwachte sie am Morgen jedes Mal erfrischt und innerlich beruhigt.

Das Nordmeer hier konnte auch wild und stürmisch sein, das hatte sie erst in der letzten Woche an zwei Tagen erfahren müssen. So stürmisch, dass kein Fährschiff anlanden konnte und sie vom Fenster des Hotels aus geglaubt hatte, Himmel und Meer würden im Bleigrau versinken und das aufgewühlte Wasser alles mit sich in die Tiefe reißen. Seltsam, und jetzt war alles wieder so ruhig und unschuldig, als könne die See keiner Fliege etwas zu Leide tun.

Catharinas Haut hatte an Farbe gewonnen und auf ihren Wangen breitete sich ein rosiger Schimmer aus, der ihre bernsteinfarbenen Augen zum Leuchten brachte. Esther wollte diesen Effekt eines Sommers am Meer am liebsten verhindern, denn Sonne und Luft röteten ihre zarte Haut auf eine Weise, die sie nicht wünschenswert fand. Also ging sie, wie die meisten anderen Damen, nur mit einem breitkrempigen Hut und aufgespanntem Sonnenschirm spazieren. Catharina musste lächeln. Wer schaute denn schon bei ihnen auf so etwas! Esther und sie selbst gehörten mit ihren 52 und 54 Jahren zu den älteren Damen, erstere immer noch schmal und zart gebaut wie ein junges Mädchen mit feinem grauen Haar und vielen Fältchen um Augen und Mund, sie selbst rundlich, groß und durchaus stattlich mit immer noch dickem aber nun völlig ergrautem Haar. Sie flanierten gemeinsam auf der Strandstraße an den Hotels und Cafés vorbei, parlierten höflich mit anderen Gästen, aßen am Nachmittag Kuchen und hielten sich eine Weile am Familienstrand in den Strandkörben auf. Sie ließen sich fast täglich ein Glas mit echter Borkumer Dicke Milch munden, die an den Milchbuden am Strand angeboten wurde, sahen den Kindern der anderen Gäste beim Spielen zu und amüsierten sich über die Leute, die sich mit den Badekarren ins Wasser schieben ließen, um ein kühles Bad im Meer zu nehmen.

Nun, soweit ließen es weder Esther noch Catharina kommen. Allerdings fanden Jakob und seine erst 20-jährige Frau Benedikte großes Vergnügen daran. Sie war die Tochter des sehr liberalen, evangelischen Reeders Justus Albert Ludwig aus Kiel und somit am und mit dem Wasser aufgewachsen. Wenn es das Wetter zuließ, und es war bis auf wenige Ausnahmen sehr warm und sonnig in diesem Sommer, nahmen sie jeden Tag ein Bad. Benedikte war ein bildhübsches, rankes Geschöpf mit blitzend blauen Augen und hellblondem Haar, das sie zum Baden unter einer rot-weiß gestreiften Badehaube verbarg. Ihr weinroter Badeanzug, der kokett Waden und Oberarme frei ließ und sogar Dekolleté zeigte, war offenbar „le dernier cri“ der Strandmode. Und auch Jakobs dunkelblauer Badeanzug mit einem Stoffgürtel um seine schlanke Taille brachte seinen jungen, sehnigen Körper sehr gut zur Geltung. Catharina verspürte Wärme in die Wangen steigen, wenn sie die jungen Leute dezent beobachtete, und musste an ihre Kinder daheim denken.

Jakob und Benedikte hatten erst vor einem Jahr geheiratet, ein Jahr nach Alon Sterners plötzlichem Herztod im Februar 1905. Danach hatte Jakob mit 28 Jahren die Fabrik übernommen und führte nun die Sterner-Werke zusammen mit dem Prokuristen, der schon mit seinem Vater gearbeitet hatte. Vor Alons Tod waren die Sterners einige Jahre zur Sommerfrische nach Norderney gereist. Doch dieses Jahr wollten zwei Geschäftsfreunde der Familie auf Borkum kuren. So konnte Jakob Geschäftliches mit Vergnügen verbinden, sich mit den anderen Webereibesitzern aus Westfalen treffen und natürlich seine junge Gattin zu festlichen Diners und dem einen oder anderen Tanzvergnügen ausführen. Esther war der Inselwechsel sehr willkommen, denn sie wollte nicht so schnell wieder an die vertrauten Orte, an denen sie mit ihrem Mann so viele schöne Stunden verbracht hatte.

Ein kräftiger Windstoß, der die Wasseroberfläche kräuselte und Catharina fast den Haarknoten löste, ließ sie aus den Gedanken auffahren. Auf dem Wind trieben sommerlich fröhliche Geräusche vom Strand herüber, der sich mittlerweile gut gefüllt hatte. Als sie sich auf den Rückweg machte, begegneten ihr die ersten Paare, die sie nickend begrüßten.

Auf dem Weg zum Hotel überquerte Catharina mit gerafftem Kleid den breiten Sandstreifen, auf dem sich jetzt bei Ebbe ein Licht- und Luftbad mit vielen Strandkörben und -zelten in bunten Farben befand. Vom unteren Strandweg aus, hinter dem eine fast vier Kilometer lange Schutzmauer errichtet worden war, die sich vom Café Seeblick bis zum Haus Heimliche Liebe erstreckte, sah man eine Reihe hochherrschaftlicher Villen und Hotels, die sich wie Perlen oberhalb des Strandes aneinander reihten.

Esther kannte sich bestens mit den Familien aus, die auf der Insel ein Sommerdomizil ihr Eigen nannten, und konnte etliche Geschichten dazu erzählen. Da war die Villa des Bremerhavener Reeders Hawich, daneben die Häuser des holländischen Tulpenkönigs Freerk Bakker sowie der Schauspielerin und Sängerin Constanze Behrends, das elegante Nordseehotel, die mit Türmchen bewährte Villa des Schokoladenmagnaten Stollwerck und der imposante Kaiserhof mit dem Lokal „Alte Giftbude“, in dem man auf einer wundervollen, offenen Veranda hinaus auf Strand und Meer blicken konnte. Am Hotel Kaiserhof vorbei führte eine Straße ins Innere der Insel und man sah den großartigen Leuchtturm aufragen. Wandte man den Blick weiter nach links, erblickte man Köhlers Strandhotel, das Hotel und die Villa Victoria und zum Schluss das Hohenzollern, in dem sie mit Sterners logierte. Danach begannen die Dünen.

Nachdem Catharina über eine steile Treppe die obere Strandstraße erreicht hatte, wandte sie sich nach links zum Hotel Hohenzollern. Rechter Hand gelangte man zum einzigen Ort der Insel mit dem kleinen Bahnhof. Die Wege waren gepflastert und am Abend von Gaslaternen erhellt. Dort gab es ein Kurviertel mit allerlei Läden und Cafés, in denen man jederzeit einkehren und sich bei einer Tasse Tee oder einem Glas Limonade von einem Spaziergang erholen konnte

Catharina kam an Köhlers Strandhotel vorbei, in dem neuerdings in komfortablen Baderäumen warme Seebäder in Porzellanwannen und sogar Duschen angeboten wurden, um einen Tag im Luftbad auf äußerst gesunde Weise abzurunden. Catharina und Esther hatten sich bereits dreimal ein solch luxuriöses Bad gegönnt und beide waren entzückt über die entspannende Wirkung. Catharinas Rücken tat nicht mehr weh und ihre Glieder schwebten in dem warmen Wasser wie in einer weichen Wolke. Der anschließende Schlaf in ihrem wunderbaren Bett war jedes Mal tief und traumlos gewesen.

Catharina hatte sich über den Namen des Lokals „Alte Giftbude“ gewundert, den ihr auch Esther nicht wirklich erklären konnte. Auf Rückfragen beim Portier hatte dieser zu Catharina gesagt, dass in den 60iger Jahren des letzten Jahrhunderts der Gastwirt Köhler genau dort die „Köhler’sche Giftbude“, das erste Strandlokal Borkums, betrieben habe. Nach einem gesunden Strandaufenthalt hätte man dort am Abend sogenannte „giftige Getränke“ zu sich nehmen können. Er zwinkerte ihr dabei verschmitzt zu und meinte, sie wisse schon, was er meine.

Sie hatte Gerüchte gehört, nach denen es im Kaiserhof eine gewisse Abneigung gegenüber jüdischen Bürgern gäbe, der man angeblich lautstark Ausdruck verleihe. Doch waren weder Catharina noch Esther in den letzten Wochen unangenehme Dinge begegnet. Sie hatten dort hin und wieder am Nachmittag auf der Terrasse Kaffee getrunken und es waren immer angenehme Stunden gewesen. Benedikte hielt dieses Gerede für Unsinn, doch Jakobs Augenbrauen hatten sich nachdenklich zusammenzogen, als Catharina ihn darauf ansprach.

Das Hotel Hohenzollern war mit Abstand das luxuriöseste Hotel der Insel mit seinem opulenten Eingang, breiten Aufgängen mit roten Teppichen, die jeden Schritt dämpften, einem großzügigen Restaurant mit breiter Fensterfront und spektakulärem Blick über Strand und Meer. Livrierte Diener und geschulte Kellner waren eifrig darum bemüht, das illustre Publikum vorzüglich zu bedienen. Mitglieder von Adelshäusern verbrachten hier ebenso die Sommerfrische wie wichtige Geschäftsleute oder Industrielle aus dem Ruhrgebiet. Bei einem guten Essen, Wein und Bier erholte man sich einmal im Jahr vom anstrengenden Tagesgeschäft in den Kontoren und Fabriken und schloss durchaus auch den einen oder anderen lukrativen Handel ab. Niemals hätte Catharina geglaubt, solch einen Luxus noch einmal in ihrem Leben erfahren zu dürfen. Es erinnerte sie an die herrlichen Wochen 1873 in Paris, als sie durch Esther mit einer Seite des Lebens vertraut gemacht worden war, die ihrem Stand normalerweise verschlossen blieb. Sie hatten damals bei einer Tante Esthers gewohnt, Museen und Theater besucht und die interessantesten Menschen auf den abendlichen Soireen der Tante getroffen.

Ihre Suite lag im ersten Stock in direkter Nachbarschaft zu dem Zimmer der jungen Leute. Es gab drei großzügige Räume, einen mittleren Wohnbereich und einen Schlafraum je zur Rechten und zur Linken, mit hohen, stuckverzierten Decken. Die gewachsten dunklen Bodendielen verströmten einen angenehmen Geruch nach Sauberkeit und Frische. Die edelsten Möbel, Teppiche und wundervolle Vorhänge, teure porzellanene Waschschüsseln und passendes Nachtgeschirr zeigten, dass man hier nicht gespart hatte. Alles verströmte das Flair von Reichtum und Eleganz. Es gab sogar am Ende eines jeden Flures einen kleinen Raum mit einer Rohrleitung und fließendem Wasser, wo das Personal das Nachtgeschirrs reinigte. Für kühle Nächte hingen in jedem Schlafraum langstielige Pfannen aus glänzendem Messing, die von den Zimmermädchen bei Bedarf mit heißer Kohle gefüllt und zum Vorwärmen der Betten genutzt werden konnten. Die Betten waren groß, hatten gute Rosshaarmatratzen und die Bettdecken und Kissen waren mit Daunen gefüllt. Der pure Luxus wohin man sah. Catharina war überwältigt. Niemals hätte sie gedacht, dass Esther ihr Versprechen, das sie der Freundin vor vielen Jahren einmal gegeben hatte, auf so wundervolle Weise einlösen würde …

Dülmen, 1905 – 1907