Mut zur Lücke - Volker Otto - E-Book

Mut zur Lücke E-Book

Volker Otto

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Beschreibung

Ich habe mich noch während meines Studiums, nach einem Telefonanruf, spontan auf das Abenteuer, einen Job in Afrika in Lagos/Nigeria anzunehmen, eingelassen. In diesem Buch erzähle ich von spannenden, lustigen, abenteuerlichen und auch teilweise skurrilen Erlebnissen während meiner zweijährigen Tätigkeit.

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Volker Otto wurde am 22.09.1948 in Wernigerode /Harz geboren. Nach der Flucht mit seinen Eltern 1958 aus der DDR, verbrachte er seine Schulzeit bis zum Abitur 1968 in Groß - Rechtenbach und Wetzlar / Hessen. Die Seefahrtzeit begann er als Moses auf einem Schiff der Rederei Schulte und Bruns / Emden. Dort blieb er auch und fuhr auf mehreren Schiffen der Rederei, bis er 1974 an der Fachhochschule Seefahrt seinen Abschluss als Dipl. Ing. für Seeverkehr und Kapitän auf Großer Fahrt erlangte.

Nach einem dreijährigen Studium von 1975-1978 an der Universität in Hamburg in den Fächern See- und Hafenwirtschaft und Germanistik für das höhere Lehramt, sowie einem anschließenden zweijährigen Referendariats, verbrachte er die ersten zwei Jahre seines insgesamt zehnjährigen Auslandsaufenthaltes in Lagos / Nigeria. Es folgten mit Unterbrechungen noch drei Jahre in Sri Lanka und weitere fünf Jahre an der Deutschen Schule Lagos in Lagos / Nigeria.

In Deutschland war er an den Berufsbildenden Schulen für den Landkreis Wesermarsch in Brake und Elsfleth in der seemännischen Ausbildung und im Fach Deutsch bis zu seiner Pensionierung 2018 tätig.

Dank

Mein Dank gilt meiner Frau Christine, die mich beim Schreiben dieses Buches unterstützt, und die Zeiten im Ausland auch in heiklen Situationen ohne allzu großes Murren mit mir überstanden hat.

Vorwort

An alle meine Freunde und Bekannten, die ich mit meinem Gelaber über unsere Zeiten im Ausland häufig erheitert habe. Hier nun die Zeit von 1980 bis 1982 noch einmal schriftlich, so, wie ich immer dazu aufgefordert wurde.

Eigentlich war für mich nach meiner Seefahrtzeit und der weiteren Ausbildung zum Lehrer ein ruhiges Leben vorprogrammiert. Christine, meine Frau, war an einer Grund- und Hauptschule und ich als Lehrer an der BBS Brake im Bereich der seemännischen Ausbildung tätig.

Ein Telefonanruf änderte aber alles, und so landeten wir im Sommer 1980 beruflich in Lagos, Nigeria. Dieses Buch soll nun einen kleinen Einblick darüber geben, wie es uns dort erging und was wir in den zwei Jahren alles erlebt haben.

Inhalt

Beginn eines Abenteuers

Wer kauft schon gerne die Katze im Sack? / Ein erlebnisreiches Vorfühlen in Afrika

Vorstellungsgespräch in Hamburg

Vorbereitungen für die Abreise

TIN CAN ISLAND - Unser neues Zuhause für zwei Jahre

Arbeitsbeginn auf TIN CAN ISLAND

Straßenverkehr in Lagos

Kurze Pause im Arbeitsalltag

Kauf eines Bootes und einer Beachhütte

Organisation von Nahrungsmitteln

Positive und negative Erlebnisse während der Fahrt auf der Lagune

Ablauf einer theoretischen Prüfung für Kranführer

Diebstahl in Schuppen 4

Hygienischer Notstand im Hafen

Öffentliche Toilette vor dem Hafen

Sportliche Aktivitäten und was es dabei zu sehen gab

Erlebnisse mit unserem Koch

Ein deutscher Dackel in der afrikanischen Tierwelt

Ein normaler Arbeitsalltag im Hafen

Rassistisch oder nicht rassistisch? Das ist hier die Frage

Gegenseitige Hilfe innerhalb der deutschsprachigen Community

Fahrt mit Überraschungen am Strand zu zwei Wracks

Tropenkoller - gibt es den?

Ein besonderer Markt und Fahrten mit dem Auto während der Regenzeit

Erlebnisse mit nigerianischen Händlern

Telefonieren nach Deutschland — schwierig / Navi und GPS gab es nicht

Kleideretikette beim Empfang in der Deutschen Botschaft

Schulfest an der Deutschen Schule Lagos (DSL)

Weihnachten in Nigeria

Ein kluger Spruch - gehört, bei einem Besuch der Bar-Beach auf Victoria Island

Neue Freunde, die den Spaß an der Beach mit uns teilten

Auch kleine Tierchen können weh tun

Ein normaler Arbeitstag von Roland und mir, mit einem Blick auf unsere Kursteilnehmer

Brathähnchenkneipe in Lagos

Ankunft unserer Freunde aus Deutschland

Tagesausflug in die Black Waters

Fahrt nach Oshogbo zur Künstlerin Susanne Wenger

Taxi für die Polizei

Dinge, auf die man im Urlaub gut und gerne verzichten kann

Fahrt an die Beach / vorbei an den Sanddiggern / Achtung beim Baden

Fahrt in den Norden / Besuch eines Dorfes / Juju - Wahrheit oder Spinnerei?

Auslegung von Verkehrsregeln

Gewöhnungsbedürftige Straßenverhältnisse

Es gibt Zufälle im Leben, die glaubt einem keiner

Planung eines Schulgebäudes für Hafenfacharbeiter

Tierische Überraschung über den Wolken und am Boden

Soziales Leben im Camp

20 Fuß Container wird zur Bar umfunktioniert

Keine Schnapsidee, sondern eine Weinidee: Herstellung von Pampelmusenwein

Der Einfallsreichtum, an Geld zu kommen, kennt keine Grenzen

Ankunft von Christines Schwester (15 Jahre) aus Deutschland

Aufregung am Strand

Überraschung bei einem Frühstück im Freien

Fast im diplomatischen Dienst gelandet

Gedanken und Vorbereitungen zur Abreise aus Afrika

Beladen meines Containers / Verladen an Bord trotz Streiks im Hafen

Abreise aus Nigeria und Ankunft in Deutschland

Beginn eines Abenteuers

Die ersten Tage des neuen Jahres 1980 waren am Kalender bereits abgehakt und wir, das heißt meine Frau Christine, unser Dackel Hardy Mann vom Bach (das Vieh war adelig) und ich, saßen in den letzten Tagen der Weihnachtsferien in unserem angemieteten Bungalow in Nordenham und schmiedeten bereits die nächsten Urlaubspläne für die kommenden Osterferien.

Wie der aufmerksame Leser dem ersten Satz entnehmen kann, handelte es sich bei uns beiden um Lehrer, die sich von Ferien zu Ferien vorarbeiteten.

Um nun zu verstehen, wie wir beide zu einem zweijährigen Aufenthalt in Afrika gekommen sind, muss ich für diejenigen, die uns nicht so genau kennen, etwas weiter ausholen.

Christine studierte an der Uni in Oldenburg und wurde Lehrerin für die Grund-und Hauptschule und bekam einen Job an der Sonderschule in Nordenham. Ich beendete meine seemännische Ausbildung mit der Prüfung zum Kapitän auf großer Fahrt im Frühjahr 1974 an der damaligen Fachhochschule in Elsfleth. Anschließend fuhr ich als dritter und zweiter Offizier auf einem Schiff der Reederei Schulte und Bruns aus Emden. Nordenham war für uns zum damaligen Zeitpunkt ein günstiger Wohnort, weil ich häufig mit dem Schiff, der Ursula Schulte, einem Erzdampfer, nach Bremerhafen kam.

Ein Funkspruch im Frühsommer 1975 änderte alles.

Er erreichte mich, für die Zukunft bezeichnend, während einer Fahrt von Bremerhaven nach Monrovia in Liberia, Westafrika Der Funker kam aufgeregt aus seiner Funkbude auf die Brücke, auf der ich während meiner 08.00 - 12.00 Uhr Wache Dienst tat. „Ich habe Norddeich Radio in der Leitung! Deine Frau ruft an!“ Der Alte, der zufälligerweise auch gerade auf der Brücke war, sagte gleich: „Ich übernehme hier, sehen Sie nach, was da los ist.“

Alle guckten mich an, denn so ein Funkspruch kam äußerst selten vor. Erstens, weil er sehr teuer ist und zweitens, weil jeder, der zufällig auf der gleichen Frequenz ist, mithören kann.

Meistens bedeutete so ein Anruf nichts Gutes. Entweder war die Bude abgebrannt, oder ein Todesfall in der Familie, oder ein schwerer Unfall, also alles nichts Gutes.

Deshalb war meine erste Frage: „Was gibt es? Ist alles in Ordnung?“

Die Antwort meiner Frau: „Alles Ok. Ich habe dich zum Wintersemester 1975/76 in Hamburg an der Uni zum Studiengang. „See- und Hafenwirtschaft“ eingetragen. Du kannst damit in die freie Wirtschaft, sprich Reedereien oder in Hafenbetriebe einsteigen. Du kannst aber auch Lehrer an einer seemännischen Berufsschule werden. Dazu brauchst du aber ein zweites Hauptfach.“

Da meine Frau nun schon Lehrerin war, sagte ich mir, werde ich auch Lehrer, dann haben wir wenigstens immer zusammen Ferien.

„Welche Hauptfächer gibt es denn?“ fragte ich. „Es gibt Englisch, Geschichte, Erdkunde, Deutsch…“, „Nimm Deutsch!“ sagte ich, „das kann ich schon!“, und so nahm das Schicksal seinen Lauf.

In den Sommerferien machte Christine auch eine Reise auf dem Schiff nach Monrovia/Liberia mit. Da wir drei Nächte dort lagen, konnten wir einen Ausflug in die Bong Mine machen, wo das Erz, das wir nach Bremerhaven brachten, abgebaut wurde. Diese drei Tage in Monrovia, mit den Erlebnissen dort, waren schon hardcore pur, aber Christine hatte das locker weggesteckt. Im Gegenteil, das Interesse an Afrika wurde bei ihr geweckt.

Ich begann also an der Uni in Hamburg mein Studium mit den Fächern See-und Hafenwirtschaft und dem Fach Germanistik für das Gymnasiallehramt und schloss beides nach drei Jahren mit den entsprechenden Abschlussprüfungen und dem ersten Staatsexamen ab.

Danach Referendariat am Studienseminar in Leer, Unterricht an einer Fachoberschule mit dem Fach Deutsch in Leer und mit den seefahrtsbezogenen Fächern an den Berufsbildenden Schulen in Brake und Elsfleth.

Soviel zu unserem Hintergrund, bevor es nun mit dem Erlebnis Afrika weitergeht.

Wir saßen also, wie oben schon angeführt, im Wohnzimmer und planten unseren Osterurlaub, wobei ich aber auch noch meine Prüfung zum zweiten Staatsexamen im Hinterkopf hatte, die ja noch vor den Sommerferien über die Bühne gehen musste. Das war ja auch etwas, was nicht so ganz ohne war, doch Prüfungen verdrängte ich immer ganz gerne.

Während wir also überlegten, was wir zu Ostern planen könnten, klingelte das Telefon.

Am Apparat ein Studienbekannter aus Hamburg, der ein Jahr vor mir sein Studium im Fach See-und Hafenwirtschaft beendet hatte und in die freie Wirtschaft gegangen war. Er arbeitete für die Hamburger Hafen- und Lagerhausgesellschaft, kurz HHLA genannt. Nach einem kurzen Begrüßungsschnack kam er auch gleich zur Sache. „Du hast doch auch See-und Hafenwirtschaft studiert, hast du Lust einen Job für die Firma HPC in Lagos, Nigeria zu übernehmen?“

„Wer ist HPC, und was gibt es in Lagos zu tun?“ fragte ich.

„HPC heißt Hamburg Port Consulting und ist eine Tochter der HHLA. Sie berät die Staatsfirma NPA, das heißt Nigerian Port Authority, beim Betrieb des von der Firma Berger gebauten neuen Hafens auf Tin Can Island in Lagos. Deine Aufgabe wäre es einen Kollegen, der in den Schuldienst nach Deutschland will, dort abzulösen, und mit einem Partner aus der Praxis von HPC für und mit der NPA eine Schule für Hafenfacharbeiter aufzubauen.“

Diese Informationen ließ ich erst einmal sacken.

Um mir die Sache noch etwas schmackhaft zu machen, setzte er hinterher: „Dein Gehalt wird ungefähr das dreifache deines Lehrergehalts in Deutschland betragen. Außerdem hast du ja auch in deiner Freizeit die Möglichkeit, etwas vom Land kennenzulernen.“

Und, um mir das Ganze noch mehr zu versüßen, setzte er noch eins obendrauf: „Deine Frau ist doch Lehrerin, und ich weiß, an der Deutschen Schule in Lagos suchen sie verzweifelt nach einer Lehrkraft, die als Ortskraft tätig sein könnte. Deine Frau könnte also mitkommen und hätte auch einen guten Job!“

Du meine Güte! Das waren Aussichten! Da musste man erst mal drüber nachdenken.

Das sagte ich meinem Bekannten auch, ließ mir aber Telefonnummer und Anschrift von der HHLA geben und versprach, dort anzurufen.

In den nächsten Tagen begannen wir das Für und Wider abzuwägen, und ob es sinnvoll sei, sich auf so ein Abenteuer einzulassen. Christine müsste sich für die Zeit an der Deutschen Schule hier in Niedersachsen unter Fortfall der Bezüge beurlauben lassen und auf ein geplantes Fortbildungsstudium zur Sonderschullehrerin, was ihr eine höhere Gehaltsstufe einbringen würde, verzichten. Meine Kollegen in der Schule hielten mich für bescheuert, in der damaligen Zeit auf einen festen, verbeamteten Platz in der Schule zu verzichten, nur um ein paar Jahre in Afrika rumzugeistern. Unsere Eltern waren auch nicht unbedingt begeistert von unserem Plan, nur unserem Dackel, der ja auch mit musste, war das egal, der wurde ja auch nicht gefragt.

Von Lagos hörte man außerdem auch nicht viel Positives, hauptsächlich war von Piraterie, Kriminalität und Korruption die Rede.

Den Ausschlag ergab dann ein Gespräch mit meinem Schulleiter in Brake.

Er sagte: „Herr Otto, wenn Sie das unbedingt möchten, will ich Sie nicht aufhalten. Ich halte Ihnen Ihre Stelle hier für zwei Jahre frei, dann müssen Sie aber wieder zurück sein.“

Diese Aussage hatte ich natürlich nur mündlich, aber ich wusste, auf diesen Mann kann man sich verlassen. Wir rechneten zu Hause noch mal durch, zwei Jahre ungefähr dreifaches Gehalt in Lagos, dazu das Gehalt von Christine an der Deutschen Schule, da bleibt gut was über.

Also griff ich zum Telefon und rief in Hamburg an.

Ich wurde mit dem Personalbüro von der HHLA verbunden und teilte Ihnen mit, dass ich Interesse an dem, zum Sommer freiwerdenden Job als Training Officer bei HPC in Lagos, hätte. Davon war man sehr angetan und wollte mit mir auch gleich einen Termin für ein Vorstellungsgespräch ausmachen.

Wer kauft schon gerne die Katze im Sack? / Ein erlebnisreiches Vorfühlen in Afrika

Da ich aber die Katze nicht im Sack kaufen wollte, bat ich darum, mir doch auf eigene Kosten den Laden da unten ansehen zu dürfen.Man war etwas überrascht, sagte mir aber Unterstützung bei der Beschaffung des Visums für Nigeria zu.

Wir schickten unsere Reisepässe nach Hamburg und planten für die Osterferien mit einem Flug nach Lagos.

Die Osterferien kamen immer näher, doch von einem Visum war nichts zu sehen. Schließlich rief ich in Hamburg an, und man teilte mir mit, dass es momentan Probleme bei der Visavergabe für Nigeria gab. Daraufhin ließ ich mir die Pässe wieder zurückschicken, um die Sache selber in die Hand zu nehmen. Ich will ja niemandem etwas unterstellen, aber ich hatte den Verdacht, dass das mit den Visa bewusst in die Länge gezogen wurde, in der Hoffnung, wir würden auf einen Besuch in Nigeria verzichten. Wahrscheinlich dachten sie, wenn wir das Drama da unten sehen, werde ich auf keinen Fall einen Vertrag unterschreiben.

Hier hat man aber nicht mit unserer Beharrlichkeit, ein Problem zu lösen, gerechnet.

Kurz entschlossen buchten wir bei Neckermann für die Osterferien eine All Inclusive Urlaubsreise in einen Ferienclub in Gambia. Der Club lag am Strand, aber in der Nähe der Hauptstadt Banjul, und vom Reisebüro erfuhren wir, dass Nigeria ein Konsulat in Banjul unterhielt. Unsere Idee war es dort vorstellig zu werden und ein Visum für Nigeria zu beantragen. Zumindest sind wir dann schon mal in Afrika, sagten wir uns.

Gesagt, getan!

Es ging also zu Beginn der Ferien von Frankfurt aus in einem Flieger in Richtung Banjul in Gambia. Und hier schlug der Zufall und das Schicksal wieder mal „unbarmherzig“ zu.

Neben mir in der Reihe saß ein junger Schwarzer. Er stellte sich während des Fluges als Peter aus Nigeria vor. Welch eine Überraschung.

Peter war sehr mitteilsam und teilte mir als erstes mit, dass er geschäftlich in Deutschland war, und nun über Gambia, da er hier eine Freundin habe, zurück nach Nigeria fliege.

Ich meinerseits, teilte ihm mit, weshalb wir nach Gambia fliegen, und es eigentlich kein Urlaubsflug sei, sondern der Versuch, von hier aus ein Visum für ein paar Tage in Nigeria zu bekommen.

Da fing Peter herzhaft an zu lachen und sagte: „No Problem, I fix it for you.“

Ich sah ihn ungläubig an und Peter fing an zu erzählen. Die Freundin, die er in Gambia besuchen wollte, und mit der er mit eigenen Worten ein Bumsverhältnis hatte, war die Sekretärin des nigerianischen Konsuls. „I clear it with this fucking Visa for you and your wife!“ wiederholte er.

Es sah so aus, als ob er uns mochte. Ich gab ihm unsere Adresse in dem Ferienclub, und er versprach, uns sobald wie möglich zu kontaktieren.

Drei Tage später tauchte Peter tatsächlich freudestrahlend bei uns im Club auf und sagte: „Everything with your Visa is cleared.“

Er teilte uns mit, wir müssten am nächsten Tag mit unseren Reisepässen nach Banjul ins Konsulat fahren. Wir sollten pünktlich um 14.00 Uhr mit unseren Pässen dort auftauchen, in jeden Pass 50,00 DM legen und die Pässe bei der Sekretärin abgeben.

Also ging es am nächsten Tag mit den Pässen inklusive der jeweils 50,00 DM zum nigerianischen Konsulat in Banjul. Peter hatte wirklich einen ausgezeichneten Geschmack, die Sekretärin, die unsere Pässe in Empfang nahm, sah blendend aus!

Sie sagte uns, dass wir um halb vier wieder da sein sollten, um die Pässe inklusive der Visa abzuholen. Pünktlich um 15.30 Uhr waren wir wieder da und nahmen im Besucherraum Platz.

Durch den Schlitz der etwas geöffneten Tür konnte ich den Konsul in seinem Büro sitzen sehen.

Und das ist jetzt nicht erfunden: Füße auf dem Schreibtisch und den Playboy lesend.

Dann kam die Sekretärin wieder vorbei und schloss die Tür. Pünktlich, fünf Minuten vor Feierabend, hörten wir vier dumpfe Schläge, Bum-bum, Bum-bum.

Das waren die Geräusche, die der Stempel machte, der uns jeweils ein drei Tage Visum in unseren Reisepass pflanzte. Die Sekretärin kam lächelnd zu uns, gab uns die Pässe, und wir zogen begeistert von dannen. Bei Peter konnten wir uns leider nicht mehr bedanken und wir haben auch nie wieder was von ihm gehört. Aber wir hatten einen ersten Eindruck davon, wie in Nigeria gearbeitet wird.

Begeistert von unserem gelungenen Coup, mit Hilfe unseres nigerianischen Freundes Peter an ein drei Tage Visum für Nigeria gekommen zu sein, nutzten wir den Rest des Nachmittags, um in einem Reisebüro in Banjul zwei Flugtickets von Nigerian Airways für den Flug Banjui-Lagos-Banjul zwei Tage später zu buchen.

Am nächsten Tag rief ich im Personalbüro der HHLA in Hamburg an und teilte ihnen mit, dass wir über ein drei Tage Visum für Nigeria verfügen und bereits Flugtickets für den nächsten Tag gekauft hatten. Man versicherte uns, dass jemand von HPC uns am Airport abholen würde, und für die Unterkunft für drei Tage würde auch gesorgt.

Mit diesen Informationen machten wir uns am nächsten Tag beruhigt auf den Weg in Richtung Lagos.

Das Fliegen hier in Afrika zur damaligen Zeit war schon etwas Besonderes, stellten wir sehr schnell fest. Das Handgepäck wurde nicht auf Menge und Gewicht geprüft, und wir hatten den Eindruck, die Leute bringen fast ihren gesamten Hausstand in den Flieger mit. Über große Standventilatoren bis hin zu Eimern mit toten Fischen war alles dabei.

Wir hatten zwar jeder ein Ticket, aber nach dem Aufruf zum Boarding hieß es: „First come, first have.“ Die ganze Meute rannte wie verrückt über das Rollfeld und stürmte den Flieger.

Wir mittendrin.

Der Flug von Banjul nach Lagos dauerte über sechs Stunden, obwohl es von der Entfernung her gar nicht so weit ist. Aber es war wie Bus fahren. Wir hatten fünf Zwischenlandungen und zwar in Conakry/ Guinea, Freetown/ Sierra Leone, Monrovia/ Liberia, Abidjan/ Elfenbeinküste und Accra/ Ghana. Es war ein Kommen und Gehen, aber die Bude war immer gerammelt voll. Man konnte auch erkennen, dass der Flieger auf auf dieser Strecke wohl schon einige Jahre unterwegs war, denn das Innere sah schon ziemlich mitgenommen aus. Zum Essen gab es nur ein paar Kekse, sah aus wie Hundekuchen, und zum Trinken Mineralwasser.

Die einzelnen Landungen, so hatte ich den Eindruck, waren reine Glückssache.

Mal rauschte die Tragfläche auf der linken Seite gerade eben so knapp über den Beton der Rollbahn, beim nächsten Mal war die rechte Seite dran. Ich beruhigte mich damit, dass die Piloten ja auch heil ankommen wollten.

Heil, aber ziemlich groggy, in Lagos angekommen, wurden wir tatsächlich von einem Mitarbeiter von HPC mit einem VW Bus mit HPC Emblem am Airport abgeholt, und wir erlebten unsere erste Autofahrt auf nigerianischen Straßen. Obwohl es sich um einen Highway handeln sollte, rannten Menschen über die Straße, kreuzten Autos die Fahrbahn und es überholten einen Autos ohne Licht, obwohl es schon stockdunkel war. Links und rechts von der Straße sahen wir Öllampen brennen und stellenweise auch größere Haufen, die lichterloh brannten, von denen wir später erfuhren, dass dies brennende Müllhalden waren. Das Ganze hatte was! Wir waren von dieser Autofahrt schon ziemlich beeindruckt.

Nach einer, für uns endlos vorkommenden Fahrt, erreichten wir das Camp von HPC auf Tin Can Island. Wir fuhren an einem Wachposten am Eingang vorbei und hielten vor einem großen Bungalow. Es war ein sogenanntes Junggesellenhaus. Hier wohnten immer zwei Männer zusammen, die ohne Familienangehörigen im Hafen für HPC arbeiteten. In diesem Haus gab es auch Gästezimmer, und in einem von ihnen wurden wir untergebracht.

Man hatte auch ein kleines Abendessen für uns vorbereitet, und da es im Flieger ja kaum was gegeben hatte, langten wir zu. Aber auch bei den anschließenden Getränken waren wir nicht sehr zurückhaltend, denn wir hatten auch reichlich Durst mitgebracht. Das wurde uns im Laufe des Abends auch zum Verhängnis. Die Leute, mit denen wir zusammen saßen, waren sehr nett, sie wollten über die aktuelle Lage in Deutschland informiert werden, und wir berichteten, was uns bekannt war. Dabei wurde reichlich Campari mit Orangensaft kredenzt, und ich weiß nicht mehr, wann und wie wir ins Bett gekommen sind. Für Christine war die Nacht noch schlimmer. Sie lag die halbe Nacht auf dem Klo, denn der Campari wollte unbedingt wieder raus.

Wir wurden sehr früh geweckt, denn Christine musste mit der Frau eines Mitarbeiters von HPC, die auch als Ortskraft an der Deutschen Schule tätig war, zum Vorstellungsgespräch beim Schulleiter antreten. Trotz ihrer noch vorhandenen V-null vom Vorabend verlief diese Audienz so positiv, dass er sie gleich behalten wollte. Das ging natürlich nicht, da wir ja nur ein drei Tage Visum hatten. Außerdem musste sie ja auch noch die Beurlaubung vom Land Niedersachsen für diesen Job bekommen.

Bei mir lief es etwas lockerer ab. Mein Vorgänger von diesem Job war schon in Deutschland, und ich fuhr mit meinem zukünftigen Partner namens Roland, in den Hafen. Mein Vorgänger hatte mir aber freundlicherweise eine Menge Unterlagen leihweise zurückgelassen, mit denen ich mich später gut einarbeiten konnte. Ehrlich gesagt hatte ich fast vergessen, sie zurückzugeben, und erst auf Nachfrage von ihm, dann schleunigst nach Deutschland geschickt.

Roland fuhr mit mir durch den riesigen neuen Hafen, zeigte mir das Büro im Hafentower, das wir uns später teilten, und die verschiedenen Arbeitsplätze der anderen Kollegen von HPC.

Christine kam zu Mittag mit einem positiven Eindruck von der