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Spicy Romance mit überraschenden Wendungen, die dein Herz stillstehen lassen Du bist mein Lieblingsplottwist Es sollte ein harmloser Kuss auf einem rauschenden Debütantinnenball sein. Ein heimlicher Moment mit einem gut aussehenden Fremden. Doch im Gegensatz zu seinem Namensvetter wird mein Romeo nicht von der Liebe angetrieben, sondern von Rache. Für ihn bin ich eine Schachfigur. Ein Druckmittel. Die Verlobte seines Rivalen. Für mich ist er ein Mann, der Gift verdient. Ein dunkler Prinz, den ich nicht heiraten will. Er denkt, ich werde mein Schicksal akzeptieren. Nun, ich habe vor, es umzuschreiben. Und in meiner Geschichte stirbt Julia nicht. Aber Romeo? Er geht zugrunde. Perfekt für Fans von Lauren Asher und Ana Huang Band 1 der neuen Romance-Reihe von SPIEGEL-Bestsellerautorin L. J. Shen mit Parker S. Huntington, in der all deine Lieblingstropes versammelt sind: - enemies-to-lovers - billionaire romance - marriage-of-(in)convenience - forced proximity - und viele mehr!My Dark Romeo ist düster, witzig, völlig unverschämt und macht einfach süchtig. Über 200 Millionen Aufrufe auf TikTok für #mydarkromeo! Der heiß ersehnte erste Teil der Dark-Prince-Road-Reihe. Auch einzeln als Standalone lesbar! Dieses Buch beinhaltet Themen, die bei manchen Menschen ungewollte Reaktionen auslösen können. Bitte achtet daher auf die Liste mit sensiblen Inhalten, die wir im Buch zur Verfügung stellen.
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Seitenzahl: 642
L. J. Shen / Parker S. Huntington
Roman
Aus dem amerikanischen Englisch von Anne Morgenrau
Knaur eBooks
Es sollte nur ein harmloses Intermezzo mit einem sexy Fremden auf einem rauschenden Ball sein – doch als Dallas Townsend mit Romeo Costa erwischt wird, bleibt ihr keine Wahl: Um den Ruf ihrer Familie zu retten, muss sie Romeo heiraten. Dass er es nur darauf angelegt hatte, weil sie zuvor mit seinem größten Rivalen verlobt war, macht die Sache nicht besser. Außerdem weigert sich Romeo aus Hass auf seinen Vater, die Linie der Costas fortzuführen – während es Dallasʼ größter Wunsch ist, Mutter zu werden. Die fügsame Ehefrau zu spielen, hat sie dagegen ganz sicher nicht vor! Erst als Dallas und Romeo die tiefen Verletzungen des jeweils anderen entdecken, könnte sich zwischen ihnen etwas ändern. Aber da droht längst eine viel größere Gefahr …
Weitere Informationen finden Sie unter: www.droemer-knaur.de
Content Notes – Hinweis
Zitat
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Prolog
Kapitel Eins
Kapitel Zwei
Kapitel Drei
Kapitel Vier
Kapitel Fünf
Kapitel Sechs
Kapitel Sieben
Kapitel Acht
Kapitel Neun
Kapitel Zehn
Kapitel Elf
Kapitel Zwölf
Kapitel Dreizehn
Kapitel Vierzehn
Kapitel Fünfzehn
Kapitel Sechzehn
Kapitel Siebzehn
Kapitel Achtzehn
Kapitel Neunzehn
Kapitel Zwanzig
Kapitel Einundzwanzig
Kapitel Zweiundzwanzig
Kapitel Dreiundzwanzig
Kapitel Vierundzwanzig
Kapitel Fünfundzwanzig
Kapitel Sechsundzwanzig
Kapitel Siebenundzwanzig
Kapitel Achtundzwanzig
Kapitel Neunundzwanzig
Kapitel Dreißig
Kapitel Einunddreißig
Kapitel Zweiunddreißig
Kapitel Dreiunddreißig
Kapitel Vierunddreißig
Kapitel Fünfunddreißig
Kapitel Sechsunddreißig
Kapitel Siebenunddreißig
Kapitel Achtunddreißig
Kapitel Neununddreißig
Kapitel Vierzig
Kapitel Einundvierzig
Kapitel Zweiundvierzig
Kapitel Dreiundvierzig
Kapitel Vierundvierzig
Kapitel Fünfundvierzig
Kapitel Sechsundvierzig
Kapitel Siebenundvierzig
Kapitel Achtundvierzig
Kapitel Neunundvierzig
Kapitel Fünfzig
Kapitel Einundfünfzig
Kapitel Zweiundfünfzig
Kapitel Dreiundfünfzig
Kapitel Vierundfünfzig
Kapitel Fünfundfünfzig
Kapitel Sechsundfünfzig
KapitelSiebenundfünfzig
Kapitel Achtundfünfzig
Kapitel Neunundfünfzig
Kapitel Sechzig
Kapitel Einundsechzig
KapitelZweiundsechzig
Kapitel Dreiundsechzig
Kapitel Vierundsechzig
Kapitel Fünfundsechzig
Kapitel Sechsundsechzig
Kapitel Siebenundsechzig
Kapitel Achtundsechzig
Epilog
Content Note
Bei manchen Menschen lösen bestimmte Themen ungewollte Reaktionen aus. Deshalb findest du am Ende des Buches eine Liste mit sensiblen Inhalten.
»So sterbe ich mit einem Kuss.«
William Shakespeare,
Romeo & Julia
Manche Romeos verdienen den Tod.
Ich dachte immer, mein Leben wäre ein Liebesroman und zwischen den Seiten ein Happy End versteckt.
Ich kam nicht darauf, dass ich mich vielleicht ins falsche Genre eingeordnet hatte. Dass es auch eine Horrorgeschichte sein könnte. Ein Thriller, der einem das Blut in den Adern gefrieren lässt.
Doch dann raste Romeo Costa wie ein Taifun durch meine Welt und riss mir die rosarote Brille von der Nase.
Er lehrte mich Dunkelheit.
Er lehrte mich Stärke.
Aber vor allem erteilte er mir die grausamste Lektion, die es gibt: Jedes Biest hat etwas Schönes, jede Rose hat Dornen.
Und eine Liebesgeschichte kann erblühen … sogar aus dem Kadaver des Hasses.
O Gott, es war also kein Witz? Er ist tatsächlich in der Stadt.« Emilie umklammerte mein Handgelenk und grub ihre spitzen Nägel in meine gebräunte Haut.
»Ja, und Oliver von Bismarck auch.« Savannah streckte einen Arm aus. »Kann mich bitte mal jemand kneifen?« Ein Wunsch, den ich ihr gern erfüllte. »Aua, Dal! Nimm doch nicht immer alles so wörtlich.«
Ich zuckte mit den Schultern und richtete meine Aufmerksamkeit auf das Catering in unserer Nähe. Den wahren Grund meiner Anwesenheit auf diesem Debütantinnenball.
Ich nahm ein Stück mit Schokolade überzogener Grapefruitschale von einem Kristalltablett, biss hinein und kostete den bitter-sauren Nektar.
Gott war kein Mann.
Gott war auch keine Frau.
Gott war vermutlich ein Stück Obst in Godiva-Schokolade.
»Was wollen die eigentlich hier? Sie kommen doch gar nicht aus dem Süden.« Emilie nahm Sav das Programm aus der Hand und fächelte sich damit das Gesicht. »Und sie sind definitiv nicht hierhergekommen, um Frauen kennenzulernen. Beide sind eingefleischte Junggesellen. Hat Costa im letzten Sommer nicht eine echte schwedische Prinzessin sitzen lassen?«
»Du meinst, im Gegensatz zu einer schwedischen Disney-Prinzessin?«, fragte ich.
»Dal.«
Wo blieben eigentlich die portugiesischen Puddingtörtchen? Man hatte mir portugiesische Puddingtörtchen versprochen.
»Du hast gesagt, hier gibt es Pastéis de Nata.« Ich schnappte mir einen Trostpreis – ein Stück Melopita – und hielt es Emilie unter die Nase. »Geschieht mir ganz recht, weil ich dir mal wieder geglaubt habe.«
Mit ihren Falkenaugen ertappte sie mich dabei, wie ich zwei Paczki in meine Handtasche gleiten ließ.
»Dal, du kannst das Zeug nicht in deinem Chanel-Täschchen verstecken. Damit ruinierst du das Kalbsleder.«
Sav schob hektisch eine Hand in ihre Clutch und holte einen Lippenstift heraus. »Ich habe gehört, von Bismarck sei in der Stadt, um Le Fleur zu kaufen.«
Die Firma Le Fleur gehörte Jennas Daddy. Sie produzierten dort Bettwäsche aus Perkal für Five-Diamond-Hotels. In der achten Klasse waren Emilie und ich von zu Hause weggelaufen und hatten eine Woche lang im Showroom von Le Fleur geschlafen, bevor unsere Väter uns fanden.
»Was will er mit der Firma anfangen?« Als Nächstes griff ich nach Kunafa, einer himmlischen orientalischen Süßspeise. Ich stand noch immer mit dem Rücken zu den mythischen Gestalten, die meinen Freundinnen den Verstand geraubt hatten … und dem hektischen Geflüster um uns herum nach zu urteilen, nicht nur ihnen.
Emilie griff nach Savannahs Lippenstift von Bond No. 9 und trug eine großzügige Schicht auf. »Er ist im Hotel- und Restaurantgewerbe tätig. Er besitzt eine kleine Kette namens The Grand Regent. Hast du vielleicht schon mal gehört.«
The Grand Regent hatte als exklusives Resort nur für geladene Gäste angefangen, dann aber mehr Niederlassungen hervorgebracht als das Hilton. Soviel ich wusste, war er also nicht gerade knapp bei Kasse. Tatsächlich war obszöner ererbter Reichtum die heimliche Eintrittskarte zur Veranstaltung dieses Abends.
Der 303. Königliche Debütantinnenball von Chapel Falls war eine bessere Hundeausstellung, die jeden Milliardär und Multimilliardär des Bundesstaates anzog. Väter führten ihre im Cotillion geübten Töchter in der Hoffnung durch das Astor Opera House, dass ihr Auftreten beeindruckend genug war, um von Männern ihrer eigenen Steuerklasse umworben zu werden.
Ich war nicht hergekommen, um mir einen Ehemann zu suchen. Daddy hatte mich bereits vor meiner Geburt jemandem versprochen, woran mich der Diamantring an meinem linken Zeigefinger erinnerte. Bisher schien das Problem immer in der Zukunft zu liegen … bis ich vor zwei Tagen in einer Klatschzeitung die offizielle Ankündigung unserer Verlobung entdeckt hatte.
»Romeo ist angeblich fest entschlossen, die Geschäftsführung in der Firma seines Vaters zu übernehmen.« Himmel, Sav schwafelte immer noch über diesen Typen. Wollten sie einen Wikipedia-Eintrag über ihn verfassen, oder was? »Er ist jetzt schon Milliardär.«
»Er ist sogar Multimilliardär.« Emilie betastete einen Diamanten im Marquiseschliff, der an ihrem Flechtarmband hing. Ihr Poker-Tell. »Und er ist nicht der Typ, der alles für Jachten und goldene Toilettensitze verjubelt oder in selbstverliebte Projekte investiert.«
Sav betrachtete die Kerle sehnsüchtig über ihren Taschenspiegel. »Kann eine von euch mich ihnen vorstellen?«
Emilie zog die Augenbrauen zusammen. »Keine von uns kennt sie persönlich, wie stellst du dir das vor? Hey, Dal? Dallas? Hörst du überhaupt zu? Das hier ist wichtig.«
Mir war als einzig wichtige Tatsache bislang aufgefallen, dass es neben Pastéis de Nata auch kein Shortbread gab. Widerstrebend richtete ich den Blick auf die zwei Männer, für die sich nun die dichte Menge aus Seidenchiffon und steifen Hochsteckfrisuren teilte.
Beide waren mindestens eins neunzig groß. Ihre Körpergröße ließ sie wie Riesen wirken, die sich in ein Puppenhaus zu quetschen versuchen. Andererseits hatten sie auch sonst nichts Gewöhnliches an sich. Die Ähnlichkeiten zwischen ihnen beschränkten sich auf die Körpergröße, ansonsten waren sie diametrale Gegensätze. Der eine war Seide, der andere Leder.
Hätte ich raten müssen, hätte ich den Live-Action-Klon von Ken für von Bismarck gehalten. Dunkelblond, mit kantigem Kiefer und einem gewollt nachlässigen Dreitagebart sah er aus wie etwas, das nur ein Walt-Disney-Illustrator skizzieren kann. Der perfekte europäische Prinz bis zu den skandalös blauen Augen und dem an einen Römer erinnernden Körperbau.
Seide.
Der andere Mann war ein Rohling mit geschliffenen Manieren. Eine Drohung in einem Anzug von Kiton. Sein tiefschwarzes Haar hatte er akkurat zur Räson gebracht.
Alles an ihm wirkte sorgfältig durchdacht, dazu bestimmt, tödliche Dosen direkt in den Blutstrom einer Frau zu injizieren. Ausgeprägte Wangenknochen, dichte Brauen, Wimpern, für die ich eine Gefängnisstrafe riskiert hätte, und die kältesten grauen Augen, die ich jemals gesehen hatte. Tatsächlich wirkten sie derart hell und eisig, dass sie meiner Meinung nach absolut nicht zu seinem gebräunten, italienisch wirkenden Teint passten.
Leder.
»Romeo Costa«, flüsterte Savannah mit Verlangen in der Stimme, als er direkt an uns vorbei auf den für VIPs reservierten Tisch zueilte. »Von ihm würde ich mich gern so gründlich und eindrucksvoll ruinieren lassen, wie Elon Musk Twitter ruiniert hat.«
»Oh, ich würde ihn unanständige Dinge mit mir anstellen lassen.« Emilie spielte an dem blauen Diamanten ihrer Halskette herum. »Ich weiß zwar nicht genau, was, aber ich wäre auf jeden Fall zu allem bereit.«
Es war ein Problem. Es war ein Problem, im 21. Jahrhundert ein unberührtes Südstaaten-Mädchen zu sein, das zur Kirche ging und in der Bibel las. Chapel Falls war für zweierlei bekannt: 1) für seine stinkreichen Einwohner, die meistens Eigentümer hochrangiger Mischkonzerne mit Sitz in Georgia waren. Und 2) dafür, dass es auf eine extreme, altmodische, seine Töchter einsperrende Art konservativ war.
Dort unten tickten die Uhren anders. Praktisch keine von uns wagte sich vor der Hochzeit über ein paar schüchterne Küsse hinaus, obwohl wir alle über einundzwanzig waren.
Während meine wohlerzogenen Freundinnen diskret zu den Männern hinüberspähten, hatte ich kein Problem damit, sie offen anzustarren. Ein nervöser Gastgeber führte sie zu ihrem Tisch, wobei die beiden die nähere Umgebung inspizierten – Romeo Costa mit der unzufriedenen Distanziertheit eines Mannes, der sich zum Abendessen mit Abfällen vom Hinterhof zufriedengeben muss, von Bismarck mit amüsierter, zynischer Verspieltheit.
»Was machst du denn, Dal? Sie merken doch, dass du sie anstarrst!« Savannah war einer Ohnmacht nah, dabei schauten die Typen nicht mal in unsere Richtung.
»Na und?« Ich gähnte und schnappte mir ein Champagnerglas von einem Tablett, das am Rand meines Blickfelds schwebte.
Während Sav und Emilie noch immer von den Kerlen schwärmten, machte ich mich auf den Weg, vorbei an den Buffettischen voll importierter Süßigkeiten, Champagner und Taschen mit Werbegeschenken. Ich drehte eine Runde, begrüßte Gleichaltrige und entfernte Verwandte, wenn auch nur, um zu den Tabletts des Caterers am anderen Ende des Saals zu gelangen. Außerdem hielt ich nach meiner Schwester, Franklin, Ausschau.
Frankie hielt sich irgendwo in diesem Saal auf und setzte vermutlich gerade jemandem das Toupet in Brand oder verlor das Familienvermögen beim Kartenspiel.
Während ich als die faule Tochter mit zu wenig Ehrgeiz und zu viel Freizeit galt, wurde sie aufgrund ihres durchdringenden Organs als die Banshee der Familie Townsend betrachtet.
Ich hatte keine Ahnung, warum Daddy sie zu diesem Ball mitgenommen hatte. Sie war gerade mal neunzehn und noch weniger daran interessiert, Männer kennenzulernen, als ich Lust hatte, für meinen Lebensunterhalt auf nicht sterilen Nadeln herumzukauen.
Ich stolzierte auf meinen Louboutins durch den Saal – Limited Edition, schwarzer Samt, spitzer, mit Swarovski-Kristallen besetzter Zwölf-Zentimeter-Absatz – und schenkte jedem ein Lächeln und einen Luftkuss, bis ich schließlich jemanden anrempelte.
»Dal!« Frankie schlang die Arme um mich, als hätten wir uns ewig nicht gesehen. Dabei hatte sie mich erst vierzig Minuten zuvor zur Verschwiegenheit verpflichtet, nachdem ich sie dabei erwischt hatte, wie sie sich ein paar Fläschchen Clase Azul in den wattierten BH steckte. Das Plastik der winzigen Fläschchen grub sich bei der Umarmung in meine Brüste.
»Amüsierst du dich?« Ich hielt sie aufrecht, damit ihre Beine nicht unter ihr einknicken konnten wie bei einer Ziege. »Soll ich dir Wasser holen? Ibuprofen? Göttliche Intervention?«
Frankie roch nach Schweiß. Nach billigem Eau de Cologne. Und nach Gras.
Lieber Gott, hilf unserem Daddy.
»Mir geht’s gut«, sagte sie, winkte ab und sah sich in dem Saal um. »Hast du diesen Herzog aus Maryland gesehen, der hier irgendwo sein soll?«
»Ich glaube, in den USA gibt es keinen Adel, Schwesterchen.« Dass von Bismarcks Name wie ausgedacht klang, hieß nicht, dass er ein Adliger war.
»Mit seinem superreichen Freund«, fuhr Frankie fort, ohne meinen Worten Beachtung zu schenken. »Einem Waffenhändler. Lustig, was?«
Nur im Universum meiner Schwester konnte ein Waffenhändler amüsant sein.
»Ja, Sav und Emilie waren aufgekratzt genug, um mit einem Berglöwen zu ringen. Bist du ihnen begegnet?«
»Nicht direkt«, sagte Frankie und zog die Nase kraus. Sie sah sich noch immer in dem Ballsaal um, wahrscheinlich nach der Person, die dafür gesorgt hatte, dass sie wie ein ungewolltes Baby im Fond einer Dealerkarre roch. »Schätze, wer sie eingeladen hat, wollte sie beeindrucken, denn auf ihrem Tisch steht Shortbread, das extra vom verehrten Bäcker der verstorbenen Königin gebacken wurde. Direkt aus Surrey eingeflogen.« Sie bedachte mich mit einem schiefen Grinsen. »Ich habe mir einen Keks geklaut, als niemand geguckt hat.«
Mein Herz zog sich zusammen. Ich liebte meine Schwester wirklich sehr, aber in diesem Augenblick wollte ich sie töten.
»Und mir hast du keins mitgebracht?« Meine Stimme überschlug sich beinahe. »Du weißt doch, dass ich noch nie echtes britisches Shortbread gegessen habe. Was stimmt nicht mit dir?«
»Ach, es ist noch jede Menge da.« Frankie schob die Finger in ihre straffe Hochsteckfrisur und massierte sich die Kopfhaut. »Und die Leute stehen Schlange, um mit diesen Vollpfosten zu reden, als wären sie die Windsors oder so. Geh einfach hin, stell dich ihnen vor, und nebenbei nimmst du dir einen Keks. Da ist ein ganzer Haufen.«
»Shortbread oder Leute?«
»Beides.«
Ich spähte über ihren Kopf hinweg. Sie hatte recht. Eine Reihe Gäste wartete darauf, den beiden Männern die Ringe zu küssen. Da ich kein Problem damit hatte, mich für eine Köstlichkeit zu erniedrigen, gesellte ich mich zu der Menschentraube, die Costas und von Bismarcks Tisch umgab.
»… katastrophale Steuerpläne, die ein wirtschaftliches Chaos anrichten würden …«
»… Mr Costa, es muss doch ein Weg an all diesen Ausgaben vorbeiführen? Wir können diese Kriege nicht länger finanzieren …«
»… stimmt es, dass diese Leute keine Hightech-Waffen haben? Das wollte ich Sie immer schon mal fragen …«
Während die Männer von Chapel Falls die beiden ins Koma laberten und die Frauen sich vorbeugten, um ihr Dekolleté zur Schau zu stellen, mischte ich mich unter die Menschenmenge, den Blick immer auf die Beute gerichtet: eine dreistöckige Etagere voll köstlichem Shortbread. Erst legte ich beiläufig eine Hand auf den Tisch. Hier gibt es nichts zu sehen. Dann schlich ich mich näher an die britischen Leckereien heran … das Herzstück.
Meine Finger streiften gerade einen viereckigen Keks, da fragte mich jemand mit schneidender Stimme: »Und wer sind Sie?«
Es war Leder. Oder besser gesagt: Romeo Costa. Er saß zurückgelehnt auf seinem Stuhl und musterte mich mit der Freundlichkeit eines Nilkrokodils. Fun Fact: Die betrachten Menschen als festen Bestandteil ihres Ernährungsplans.
Ich vollführte einen schwungvollen Knicks. »Oh, Verzeihung. Wo sind nur meine Manieren geblieben?«
»Nicht auf dem Tablett, so viel ist sicher.« Seine Stimme klang nüchtern und desinteressiert.
Okay. Schwieriges Publikum. Andererseits hatte ich tatsächlich versucht, seine Kekse zu klauen. »Ich bin Dallas Townsend.« Ich schenkte ihm ein warmes Lächeln, dann reichte ich ihm die Hand zum Kuss. Er nahm sie angewidert zur Kenntnis und ignorierte die Geste. Eine völlig unverhältnismäßige Reaktion angesichts meines mutmaßlichen Vergehens.
»Sie sind Dallas Townsend?« Ein Anflug von Enttäuschung entstellte sein göttliches Gesicht. Offenbar hatte er etwas völlig anderes erwartet. Wobei es unwahrscheinlich war, dass er überhaupt etwas erwartet hatte. Wir bewegten uns nicht in denselben Kreisen. Tatsächlich war ich mir zu neunzig Prozent sicher, dass sich dieser Mann nur in Quadraten bewegte. Er war eher der scharfkantige Typ.
»Seit einundzwanzig Jahren.«
Ich beäugte das Shortbread, so nah und doch so fern.
»Meine Augen sind hier oben«, zischte Costa.
Von Bismarck lachte leise in sich hinein und nahm sich das größte Stück Gebäck, womöglich, um mich zu ärgern. »Sie ist süß, Rom. Ein richtiges Schätzchen.«
Süß? Schätzchen? Was sollte das denn heißen? Widerstrebend löste ich den Blick von dem Tisch mit dem Gebäck und schaute Romeo ins Gesicht. Er war sehr attraktiv. Und hatte … tote Augen.
Costa beugte sich vor. »Sind Sie sicher, dass Sie Dallas Townsend sind?«
Ich tippte mir ans Kinn. »Mhm, wenn ich genauer darüber nachdenke, bin ich wohl eher Hailey Bieber.«
»Soll das etwa lustig sein?«
»Meinen Sie es etwa ernst?«
»Stellen Sie sich nicht dumm.«
»Sie haben angefangen.«
Einige Leute schnappten nach Luft, aber Romeo Costa wirkte eher gleichgültig als beleidigt. Er lehnte sich zurück, seine Unterarme ruhten auf den Stuhllehnen. Diese Haltung – und der perfekt geschnittene Anzug von Kiton – verliehen ihm die Aura eines wortkargen Königs mit einer Vorliebe für Kriege.
»Dallas Maryanne Townsend.« Barbara Alwyn-Joy trat vor, um zu intervenieren. Emilies Mutter war eine der Aufsichtspersonen bei diesem Event. Und wie alle anderen nahm auch sie ihre Aufgabe viel zu ernst. »Ich sollte deinen Vater holen, damit er dich sofort aus dem Saal führt, weil du in diesem Ton mit Mr Costa sprichst. Das ist nicht unsere Art in Chapel Falls.«
Die Art in Chapel Falls wäre es, jede Rothaarige in der Stadt auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen.
Betont langsam senkte ich den Kopf und zeichnete mit der Schuhspitze den Umriss eines Kekses auf den Marmor. »Tut mir leid, Ma’am.«
Es tat mir nicht leid. Romeo Costa war ein Scheißkerl. Er konnte von Glück sagen, dass wir Publikum hatten, denn sonst wäre er in den Genuss meines ungefilterten Selbst gekommen. Ich drehte mich um, denn ich wollte mich vom Ort des Geschehens entfernen, ehe ich für weiteren Aufruhr sorgte und Daddy mir noch die Black Card kündigte.
Aber Costa musste ja unbedingt weiterreden. »Miss Townsend?«
Für Sie immer noch Miss Bieber.
»Ja?«
»Eine Entschuldigung ist wohl angebracht.«
Ich drehte mich auf dem Absatz um und starrte ihn so wütend an, wie ich nur konnte. »Sie müssen high sein, wenn Sie glauben, dass ich mich entschul…«
»Nein, ich meinte, ich sollte mich entschuldigen«, versetzte er, stand auf und knöpfte sich den Blazer zu.
Oh. Oh. Mehrere Dutzend Augenpaare huschten zwischen uns hin und her. Ich wusste nicht, was hier vor sich ging, ich wusste nur, dass sich meine Chancen, endlich an das Mürbegebäck zu kommen, gerade verzehnfacht hatten. Außerdem musste ich sein Talent ausnutzen, selbst dann kontrolliert und selbstbewusst zu wirken, wenn er sich entschuldigte. Entschuldigungen machten mich immer ganz hilflos. Costa hingegen sah darin offenbar eine Methode, sich in der menschlichen Hierarchie noch weiter nach oben zu katapultieren. Dabei wirkte er neben seinen Altersgenossen schon jetzt wie ein Angehöriger einer völlig anderen Spezies.
Ich verschränkte die Arme vor der Brust und ignorierte wie üblich alles, was ich in Benimmkursen gelernt hatte. »Ja. Dafür wäre ich offen.«
Er lächelte nicht. Er sah mich nicht mal an, blickte vielmehr durch mich hindurch. »Ich entschuldige mich dafür, dass ich Ihre Identität angezweifelt habe. Aus irgendwelchen Gründen hatte ich angenommen, Sie wären … anders.«
Normalerweise hätte ich ihn gefragt, wer ihm etwas über mich erzählt hatte, aber ich musste den Schaden begrenzen und verschwinden, bevor mich mein Mundwerk in noch größere Schwierigkeiten bringen konnte. Nicht ohne Grund war ich ungefähr achtzig Prozent der Zeit damit beschäftigt, etwas zu mampfen. Außerdem konnte ich diesem Mann nicht in die Augen schauen, ohne das Gefühl zu haben, dass meine Beine aus Instant-Pudding bestanden. Mir gefiel nicht, wie benommen ich mich in seiner Gegenwart fühlte. Und auch nicht, dass meine Haut an den Stellen errötete, auf die sein Blick fiel.
»Mhm … klar. Ist schon okay. Passiert auch den Besten von uns. Schönen Abend noch.« Und damit marschierte ich schnurstracks zu meinem Tisch zurück.
Zum Glück war Dad beim Dinner bester Laune und unterhielt sich mit seinen Freunden über Geschäftliches. Barbara hatte ihre Drohung, mich zu verpetzen, offenbar nicht wahr gemacht, denn kurz nach der vierten Vorspeise erlaubte er mir zu tanzen.
Und das tat ich. Erst mit David aus der Kirchengemeinde. Dann mit James von der Highschool. Und schließlich mit Harold, der eine Straße weiter wohnte. Sie wirbelten mich herum, beugten mich zurück, bis ich dicht über dem Marmorboden schwebte, und ließen mich beim Walzer sogar kurz führen. Insgesamt war meine Zuversicht, dass der Abend erfolgreich verlaufen würde, beinahe wiederhergestellt. Bis Harold sich nach dem letzten Lied leicht vor mir verbeugte und ich mich auf den Rückweg zu meinem Platz machte. Denn als ich mich umdrehte, war Romeo Costa wieder da. Wie ein herbeigerufener Dämon. Ungefähr fünf Zentimeter vor meinem Gesicht.
Heilige Mutter Gottes, warum muss die Sünde immer derart verlockend sein?
»Mr Costa.« Ich legte mir eine Hand auf das nackte Schlüsselbein. »Tut mir leid, mir ist ein bisschen schwindelig, und ich bin erschöpft. Ich glaube nicht, dass ich noch tan…«
»Ich führe.« Er hob mich hoch, meine Füße schwebten über dem Boden, und er fing an, ohne meine Beteiligung Walzer mit mir zu tanzen.
Hallo, er ist eine wandelnde red flag in der Größe von Texas.
»Lassen Sie mich bitte runter«, stieß ich zwischen zusammengekniffenen Lippen hervor.
Sein Griff um meine Taille wurde fester, ich spürte seine Muskeln auf meiner Haut. »Sie brauchen nicht länger die feine Dame zu mimen. Ich habe sogar Olivia Wilde schon überzeugender spielen gesehen.«
Autsch. Ich erinnerte mich noch genau, dass ich mir nach The Lazarus Effect am liebsten die Augäpfel gebleicht hätte.
»Danke.« Ich entspannte mich und zwang ihn, entweder mein Körpergewicht zu halten oder mich schlaff auf den Marmor sinken zu lassen. »Es ist wirklich anstrengend, ein respektables Mitglied der Gesellschaft zu sein.«
»Sie sind doch wegen des Shortbreads zu mir an den Tisch gekommen, oder?«
Jedes andere Mädchen hätte vermutlich zähneknirschend geleugnet. Mir hingegen gefiel es, ihm klarzumachen, dass er hier keineswegs die Hauptattraktion für mich war.
»Ja.«
»Die Kekse waren spektakulär.«
Über seine Schulter hinweg spähte ich zu seinem Tisch. »Es sind noch welche da.«
»Sehr gut beobachtet, Miss Townsend.« Mit dem beängstigenden Geschick eines Turniertänzers wirbelte er mich herum. Ich wusste nicht, ob mir übel war, weil er sich zu schnell bewegte, oder weil er mich im Arm hielt. »Ich vermute, an etwas Champagner dazu haben Sie kein Interesse? Oliver und ich haben gerade eine Flasche Cristal Brut Millennium Cuvée geschenkt bekommen.«
Das Zeug kostete dreizehntausend Dollar pro Flasche. Selbstverständlich hatte ich Interesse. Ich versuchte, seinen lustlosen Ton zu imitieren. »Ach, ich glaube, ein Glas wäre die perfekte Ergänzung zu dem Shortbread.«
Seine Miene blieb undurchdringlich. Himmel, was musste ich tun, um diesem Mann ein Lächeln zu entlocken?
Ich war mir undeutlich der Tatsache bewusst, dass wir angestarrt wurden. Mir fiel auf, dass Mr Costa mit keiner anderen als mit mir getanzt hatte. Das bereitete mir Unbehagen. Savannah und Emilie hatten erwähnt, dass er nicht auf der Suche nach einer festen Freundin war, andererseits hatten sie mir in der Vorschule auch weiszumachen versucht, dass braune Kühe Kakao geben. Die Mädels waren eindeutig keine verlässliche Informationsquelle.
Ich räusperte mich. »Da ist etwas, das Sie wissen sollten.« Er musterte mich mit Augen, so grau wie der englische Winter, und seine Miene sagte mir, dass ich unmöglich etwas wissen konnte, das ihm verborgen geblieben war. »Ich bin verlobt und werde bald heiraten. Wenn Sie mich also besser kennenlernen möchten …«
»Sie besser kennenzulernen ist das Letzte, was ich will.« Während er sprach, bemerkte ich zum ersten Mal den winzigen Kaugummi, den er zwischen den Schneidezähnen zermalmte. Spearmint, dem Duft nach zu urteilen.
»Zum Glück«, versetzte ich und konnte mich etwas entspannter auf den Walzer einlassen. »Ich weise nur ungern jemanden zurück. Es ist mein persönliches Lieblingsärgernis, wissen Sie?«
Die Vorstellung, Madison Licht zu heiraten, gefiel mir nicht, aber ich hasste sie auch nicht. Ich kannte ihn schon mein Leben lang. Als einziges Kind von Daddys Mitbewohner zu Collegezeiten war er in den Ferien und gelegentlich zu Dinnerpartys bei uns aufgetaucht. Alles an ihm war angemessen. Er war angemessen attraktiv. Angemessen reich. Angemessen wohlerzogen. Und er tolerierte meine Schrullen. Außerdem verliehen ihm seine acht Lebensjahre mehr den Glanz eines weltgewandten, erfahrenen Mannes. Wir waren zweimal miteinander ausgegangen, und dabei hatte er klar zum Ausdruck gebracht, dass er mich mein Leben führen lassen würde, wie ich es wollte. Eine Seltenheit bei arrangierten Ehen in Chapel Falls.
Romeo Costa starrte mich an, als wäre ich ein brennender Scheißhaufen vor seiner Tür, den er austreten musste. »Wann ist die Hochzeit?« Seine Stimme war in Samt gehüllter Spott.
»Keine Ahnung. Wahrscheinlich nach meinem Abschluss.«
»Was studieren Sie?«
»Englische Literatur an der Emory.«
»Und wann machen Sie Ihren Abschluss?«
»Sobald ich am Semesterende nicht mehr durchfalle.«
Ein bitteres Lächeln umspielte seine Lippen, als hätte er erkannt, dass ich ihn damit zu amüsieren versuchte. »Wie gefällt es Ihnen?«
»Überhaupt nicht.«
»Was gefällt Ihnen denn? Außer Shortbread, meine ich.« Offenbar versuchte er, mich bei Laune zu halten, damit ich ihn nicht einfach stehen ließ.
Ich hatte keine Ahnung, warum. Er schien meine Gesellschaft nicht sonderlich zu genießen. Trotzdem dachte ich ernsthaft darüber nach, denn ich musste mich nicht darauf konzentrieren, meine Schritte richtig zu setzen. Das erledigte seine Führung für mich.
»Bücher. Regen. Buchhandlungen. Nachts alleine mit dem Auto unterwegs sein, während im Hintergrund meine Lieblingsplaylist läuft. Reisen … vor allem wegen des Essens. Aber das historische Zeug ist auch nicht schlecht.«
In Chapel Falls war ich als das Mädchen bekannt, das seine Zeit damit verbrachte, Daddys Geld in Luxustaschen umzusetzen, schicke Restaurants zu besuchen und Jagd auf jeden anständigen Roman im Bible Belt zu machen. Es war eine allseits bekannte Tatsache, dass ich keine erstrebenswerten Ziele hatte.
Aber etwas stimmte nicht an den Gerüchten. Ich hatte nämlich einen geheimen Wunsch. Einen verborgenen Wunsch, zu dessen Erfüllung leider ein Mann nötig war: Mehr als alles andere wünschte ich mir, Mutter zu werden.
Es schien so einfach zu sein. Mühelos erreichbar. Und dennoch erforderte ein solches Ziel einige Schritte, die im spießigen Chapel Falls nahezu undenkbar waren.
»Sie sind sehr freimütig.« Aus seinem Mund klang es, als wäre das nichts Gutes.
»Sie sind sehr neugierig«, versetzte ich und ließ mich von ihm nach hinten beugen, obwohl er mir dabei näherkam. »Und was mögen Sie?«, fragte ich nach kurzem Zögern, denn alles andere wäre unhöflich gewesen.
»Nur wenige Dinge.« Er drehte uns elegant im Kreis herum, direkt an Savannah vorbei, die uns mit offen stehendem Mund beobachtete. »Geld. Macht. Krieg.«
»Krieg?«, krächzte ich.
»Krieg«, bestätigte er. »Es ist ein lukratives Geschäft. Und ein beständiges. Irgendwo auf der Welt herrscht immer Krieg, es gibt immer Länder, die sich dafür rüsten. Es ist außergewöhnlich.«
»Für die Politiker vielleicht. Aber nicht für das Volk, das leiden muss. Für die Kinder, die vor Angst ins Bett machen. Für die Verletzten, die Familien, die Schmerzgeplagten …«
»Sind Sie immer so anstrengend, oder haben Sie sich diese Sonntagsrede extra für mich zurechtgelegt?«
Nachdem mir sein Arschlochverhalten für ein paar Sekunden die Sprache verschlagen hatte, antwortete ich: »Alles nur für Sie. Hoffentlich gibt es Ihnen das Gefühl, etwas Besonderes zu sein.«
Er ließ den Kaugummi platzen. Sehr gentlemanlike. Nicht. »Wir sehen uns in zehn Minuten im Rosengarten.« Jeder wusste, was im Rosengarten passierte.
Ich schürzte die Lippen. War er in den letzten fünf Minuten nicht hier gewesen? »Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich verlobt bin und bald heiraten werde.«
»Noch sind Sie nicht verheiratet.« Während er meine Aussage korrigierte, beugte er mich erneut zurück. Angeber. »Das hier ist Ihr letztes Highlight, bevor Sie den Bund der Ehe schließen. Ihr Augenblick der Schwäche, bevor es zu spät ist, um etwas Neues auszuprobieren.«
»Aber … Ich mag Sie nicht.«
»Sie müssen mich nicht mögen, ich kann trotzdem dafür sorgen, dass Sie sich gut fühlen.«
Ich reckte das Kinn und funkelte ihn zornig an. »Was genau soll das werden?«
»Eine Atempause von dieser nervtötenden Veranstaltung.« Eine weitere Drehung. Noch ein Schleudertrauma. Aber vielleicht lag es auch an dem Gespräch. Mit leiser, ausdrucksloser Stimme sprach er weiter: »Absolute Diskretion ist garantiert. Zehn Minuten. Ich bringe Shortbread und Champagner mit. Sie müssen nur sich selbst mitbringen. Eigentlich …« Er zögerte, musterte mich kurz. »Eigentlich hätte ich auch nichts dagegen, wenn Sie Ihre Persönlichkeit am Tisch zurücklassen.« Und damit löste er sich mitten im Tanz von mir und setzte mich auf dem Boden ab.
Meine Gedanken rasten, ich starrte auf seinen Rücken, während er davonschlenderte. Ich verstand nicht, was gerade passiert war. Hatte er mir etwa ein Sex-Date angeboten? Unser Gespräch hatte ihn offenbar genervt, aber möglicherweise war das seine emotionale Grundeinstellung.
Eisig, reserviert und kurz angebunden.
Ein Teil von mir überlegte, das Angebot anzunehmen. Natürlich würde es nicht zum Äußersten kommen, meine Jungfräulichkeit würde ich mir bewahren. Aber ein bisschen Fummelei in der Dunkelheit konnte nicht schaden. Schließlich saß auch Madison nicht zu Hause, um am Sammelalbum unserer Ehe zu arbeiten.
Ich wusste genau, dass er überall in D. C. unterwegs war und sich kurze Affären mit Models und Promis gönnte. Meine Freundin Hayleigh wohnte gegenüber von ihm und erzählte mir von den Frauen, die in seiner Eigentumswohnung ein und aus gingen.
Ich meine, eigentlich waren wir nicht wirklich zusammen. Auf Wunsch unserer Eltern telefonierten wir einmal im Monat miteinander, um uns »kennenzulernen«, aber das war’s auch schon.
Einem Mann wie Romeo Costa würde ich nur einmal im Leben begegnen. Das sollte ich ausnutzen. Ihn ausnutzen. Vielleicht würde er mir ein paar Tricks beibringen, etwas, womit ich Madison beeindrucken konnte.
Und außerdem … Shortbread.
Sobald Daddy sich umdrehte, um mit Mr Goldberg zu sprechen, stürmte ich zur Damentoilette. Mit weißen Fingerknöcheln hielt ich den Rand des goldgesprenkelten Kalkstein-Waschbeckens umklammert und schaute blinzelnd in den Spiegel.
Es sind nur ein paar Küsse.
Das hast du doch schon mit vielen Jungs gemacht.
Er war so ungewöhnlich, so reif, so kultiviert, dass ich sogar bereit war, über seine Gemeinheit hinwegzusehen. Jetzt mal ehrlich … Im letzten Fünftel des Romans ist Mr Darcy auch nicht gerade zum Verlieben.
»Es passiert nichts Schlimmes«, versicherte ich meinem Spiegelbild. »Absolut nichts.«
Hinter mir rauschte eine Spülung. Emilie kam aus einer Kabine und runzelte die Stirn, als sie an das Becken neben meinem trat, um sich die Hände zu waschen. »Hast du etwa auch dieses Zeug geraucht, das der Kellner deiner Schwester gegeben hat?« Mit dem Rücken ihrer eingeseiften Hand versuchte sie, mir die Stirn zu fühlen. »Du führst Selbstgespräche.«
Ich wich der Berührung aus. »Hey, Em, hast du Romeo Costa schon kennengelernt?«
Sie schmollte. »Er und von Bismarck sind die Hauptattraktion hier, immer von Leuten umringt. Ich konnte nicht mal ein Foto von dem Typen machen. Ich habe gesehen, wie du mit ihm getanzt hast, du Glückspilz. Für diese Chance würde ich töten.«
Ein atemloses, draufgängerisches Lachen kam mir über die Lippen.
»Was hast du vor?«, rief sie mir nach.
Etwas Wildes tun.
Dass ich womöglich einen Fehler beging, kam mir nicht in den Sinn, als ich auf der steinernen Bank hinter den Rosenstöcken auf ihn wartete. Der warme Atem des Sommers haftete noch an der frischen Nachtluft, die restliche Feuchtigkeit drückte die voll erblühten Rosen nieder. Romeo Costa war bereits drei Minuten und vierunddreißig Sekunden in Verzug. Aber irgendwie wusste ich, dass er kommen würde. Ich biss mir auf die Lippe, um nicht zu kichern, Adrenalin raste mir durch die Adern.
Als sich Blätterknirschen unter das Zirpen der Grillen und das Brummen weit entfernter Autos mischte, straffte ich den Rücken. Romeos makellose Gesichtszüge kamen in Sicht, beleuchtet vom blauen Licht des Mondes. Im Dunkeln war er sogar noch schöner. Es war, als befände er sich in seinem natürlichen Lebensraum, als spielte er auf seinem Heimatplatz. Er hatte Wort gehalten. Eine Hand hatte er um den Hals einer offenen Champagnerflasche geschlossen, in der anderen hielt er eine Serviette mit ein paar Keksen darin.
»Mein Schatz!«, knurrte ich mit Gollums Stimme und streckte beide Hände danach aus. Er bedachte mich mit dem genervten Blick eines Mannes, der es gewohnt ist, Fangirls abzuwehren, bevor ihm klar wurde, dass ich nicht nach ihm, sondern nach dem Shortbread gegriffen hatte. Ich schob mir einen ganzen Keks in den Mund, legte den Kopf in den Nacken und stöhnte. »So gut! Ich kann London praktisch schmecken.«
»Surrey«, stellte er richtig und starrte mich an, als wäre ich ein Wildschwein, mit dem er kämpfen musste. »Sie mögen den Geschmack alter Ruinen und Dung?«
»Spaßbremse.«
Aus einem mir unerfindlichen Grund schien er wirklich unglücklich darüber zu sein, Zeit mit mir zu verbringen, obwohl er selbst dieses Treffen angeregt hatte. »Gehen wir irgendwohin, wo man uns nicht sieht.« Es war eher eine Forderung als ein Vorschlag.
»Hier wird uns niemand finden«, sagte ich und deutete auf die Umgebung. »An diesem Ball nehme ich, seit ich siebzehn bin, teil. Ich kenne hier jeden Winkel.«
Er schüttelte den Kopf. »Es gibt Kellner, die zum Rauchen hierherkommen.«
Offenbar wollte Romeo ebenso wenig mit mir gesehen werden wie ich mit ihm. Ich war ein albernes Provinzmädchen und schädlich für seinen Ruf als milliardenschwerer Tycoon.
Seufzend wischte ich mir Kekskrümel vom Kleid, die auf dem Kopfsteinpflaster landeten. »Na schön. Aber wenn Sie glauben, dass ich bis zum Äußersten mit Ihnen gehe, dann haben Sie sich schwer getäuscht.«
»Ich würde es nicht wagen, so etwas zu glauben.« Um sein finsteres Gemurmel zu unterstreichen, kehrte er mir den Rücken und machte sich auf den Weg zur anderen Seite des Gartens. Es wirkte, als liefe er vor mir davon, nicht, als ginge er voran. Trotzdem folgte ich ihm, während ich meinen dritten Keks futterte. »Warum sind Sie in den Rosengarten gekommen? Wegen der Snacks oder wegen meines Vorschlags?«
»Ein bisschen wegen beidem«, sagte ich und leckte mir die Finger ab. »Und weil ich wetten würde, dass Madison mir nicht treu …«, fuhr ich fort, verstummte aber, weil ich nicht schlecht über meinen Verlobten sprechen sollte, auch wenn er mich tatsächlich in die Pfanne haute. Offiziell waren wir nicht zusammen. Wir hatten uns noch nicht einmal geküsst. Außerdem war ich nicht eifersüchtig. Solange wir kein Paar waren, interessierte mich nicht im Geringsten, mit wem er seine Zeit verbrachte. »Neugier ist der Katze Tod«, fügte ich hinzu.
»Ihre Katze wird überleben. Obwohl ich in Versuchung bin, sie in einen weniger unberührten Zustand zu versetzen.«
Meine Katze? Meinte er meine Va…?
Oh. Mein. Gott. Mein Körper, der nicht mitbekommen hatte, dass wir arrogante Arschlöcher lieber ablehnen sollten, fing an Stellen an zu kribbeln, deren Existenz mir normalerweise nicht bewusst war. »Sie sind schrecklich«, sagte ich fröhlich zu ihm. »Irgendwann werden Sie mein Lieblingsfehler sein.«
Vor einem sanften grünen Hügel hinter dem Opernhaus blieb er stehen. Es schien abgelegen genug; rechts von uns erhob sich eine dunkle Wand. Romeo reichte mir die Champagnerflasche. »Trinken Sie.«
Ich setzte sie an die Lippen und nahm einen kräftigen Schluck. »Sie sind nicht gerade ein Meister der Verführung, was?«
Er lehnte sich an die Wand, die Hände in den vorderen Hosentaschen versenkt. »Verführung ist eine Kunst, in der ich mich nur selten üben muss.«
Die sprudelnde Flüssigkeit rann mir die Kehle hinunter, kalt und frisch. Ich hustete ein bisschen, dann gab ich ihm die Flasche zurück. »Wie bescheiden.«
Er nahm einen großen Schluck; den Kaugummi hatte er noch im Mund. »Sind Sie noch Jungfrau?«
»Ja.« Ich sah mich um. Plötzlich fragte ich mich, ob die Sache es wert war. Er war heiß, aber irgendwie auch ein Schwein. »Und Sie?«
»Beinahe.«
Die Frage war als Witz gemeint, deshalb dauerte es einen Moment, bis ich auf seine Antwort reagierte. Ich legte den Kopf zurück und lachte. »Wer hätte das gedacht? Also versteckt sich doch ein bisschen Sinn für Humor hinter der eisigen Fassade.«
»Haben Sie sich überlegt, wie weit Sie gehen wollen?« Er gab mir die zu zwei Dritteln geleerte Flasche zurück.
»Kann ich Ihnen nicht einfach sagen, wenn Sie aufhören sollen?«
»Aufgrund unserer kurzen gemeinsamen Geschichte vermute ich, dass Sie erst aufhören werden, wenn nicht nur Ihre eigene, sondern auch die Jungfräulichkeit aller anderen wohlerzogenen Mädchen in diesem Postleitzahlenbereich dahin ist. Einigen wir uns darauf, dass Ihr Hymen intakt bleibt.« Da musste aber jemand dringend an seinem Dirty Talk arbeiten.
»Klingt gut. Sind Sie aus New York?«
»Nein.«
»Woher …«
»Nicht mehr reden.«
Oh. Kay. Dieser Typ würde nicht als der netteste Aufriss in meiner Chronik landen, dafür aber als der bei Weitem heißeste, und deshalb ließ ich es ihm durchgehen. Wir reichten den Champagner hin und her, bis die Flasche leer war. Mein Körper fühlte sich an wie ein Draht unter Strom, er summte vor Erwartung. Endlich – endlich – stellte er die Flasche auf den Boden, stieß sich von der Wand ab, nahm mein Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger und hob es an. Mein Herz schlug einen Purzelbaum und tauchte in meine Magengrube ein, wo es sich zu Matsch verflüssigte.
Zum ersten Mal funkelte eine Art warmer Zustimmung in seinen Augen. »Mir sind schon Steuerberater begegnet, die liebenswürdiger waren als Sie. Aber eines muss man Ihnen lassen: Sie sind ziemlich appetitlich, Miss Townsend.«
Mir blieb der Mund offen stehen. »Woher wissen Sie, dass …«
Aber ich konnte den Satz nicht beenden, denn er spuckte den Kaugummi ins Gras und brachte mich mit einem glühend heißen Kuss zum Schweigen. Sein Mund war warm und roch nach Lagerfeuer, teurem Parfüm und Spearmint. Er saugte sämtliche Logik aus mir heraus und machte mich ganz benommen. Sein Körper fühlte sich stark, hart und fremd an. Ich schmiegte mich an ihn, schlang die Arme um ihn wie ein Tintenfisch.
Mit der Zunge öffnete er meine Lippen, und seine Befriedigung darüber hallte in meinem Bauch wider. Er legte mir eine Hand in den Nacken und vertiefte den Kuss. Seine Zunge war nun ganz in meinem Mund und erkundete ihn, als wollte er jeden Zentimeter erobern. Die scharfe Frische, die sein Kaugummi hinterlassen hatte, erfüllte mich. Er schmeckte köstlich und übte genau den richtigen Druck aus. Und einfach so gingen seine barschen Worte und sein versteinertes Äußeres in Leidenschaft, Feuer und einem verruchten Versprechen auf, Dinge mit mir anzustellen, mit denen ich möglicherweise nicht klarkommen würde.
Die Stelle zwischen meinen Schenkeln pulsierte. Ich versuchte, mich zu erinnern, ob ich schon einmal etwas getan hatte, das sich genauso anfühlte. Traurigerweise lautete die Antwort nein. Das hier war komplettes Neuland. Unbekannte Gewässer, in die ich sofort eintauchen wollte. Ich stöhnte in seinen Mund, zerrte an den Aufschlägen seines Jacketts, spielte gierig mit seiner Zunge. Mir war egal, was er von mir dachte. Ich würde ihn niemals wiedersehen.
Meine Hände glitten über seine Ärmel, umklammerten den teuren Stoff und die sehnigen Muskeln darunter. Er war athletisch und muskulös, ohne wuchtig zu wirken. Himmel, er war schön. Kalt, glatt und kaiserlich wie Marmor. Als hätte jemand einer römischen Statue gerade genug Atem eingehaucht, um sie in Bewegung zu setzen … aber nicht genug, damit sie auch fühlen konnte.
Während wir übereinander herfielen, fragte ich mich, ob ich jeden einzelnen Muskel seines Sixpacks fühlen konnte. Ich betastete seine Bauchmuskeln. Ja, konnte ich. Das musste ich unbedingt Frankie erzählen, sie würde vor Neid heulen.
Romeo drückte mich an die Wand und schlang sich meine dunklen Zöpfe zweimal um die Fäuste wie die Zügel eines Pferds. Er zog daran, sodass mein Kopf sich hob, und vertiefte den Kuss.
Seine riesige Erektion presste sich an meinen Schenkel und pulsierte vor Hitze und Begierde.
Ein Schauer lief mir über den Rücken.
»Sieh an, sieh an.« Er verstärkte den Griff. Ich spürte, wie er sich ausdehnte, wie die Mauer um sein Inneres kleine Risse bekam. »Du bist dafür geschaffen, verführt zu werden, stimmt’s, Shortbread?«
Hat er mich gerade … Shortbread genannt?
»Mehr.« Ich krallte die Hände in seinen Blazer. Ich wusste nicht, wonach ich verlangte. Ich wusste nur, dass er besser schmeckte und mir ein besseres Gefühl gab als jedes Dessert. Und dass es in wenigen Minuten vorbei sein würde. Ich konnte es mir nicht leisten, dem Ball sehr lange fernzubleiben.
»Mehr wovon?« Seine Hand hatte sich bereits unter den Schlitz meines Kleids geschoben.
»Mehr von … keine Ahnung, wovon. Du bist hier der Experte.«
Er umfasste meinen Hintern. Ein Zeigefinger schlüpfte unter das Gummiband meines Baumwollslips und bearbeitete meine Pobacke.
»Ja, ja … das.« Ich unterbrach den Kuss und biss ihm ins Kinn, meine Unerfahrenheit machte sich bemerkbar, denn ich wusste nicht, was ich tun sollte. »Aber … auf der anderen Seite. Vorn.«
»Bist du sicher? Du willst deine Jungfräulichkeit an die Finger eines Fremden verlieren, der dir Shortbread geschenkt hat?«
»Dann steck sie nicht rein.« Ruckartig zog ich den Kopf zurück und sah ihm stirnrunzelnd ins Gesicht. »Arbeite einfach am … na ja, du weißt schon, am Rand.«
Er schob mir eine Hand zwischen die Schenkel, bedeckte meine erhitzte Mitte mit der Handfläche und drückte zu. »Eigentlich sollte ich dir hier und jetzt die Frechheit rausvögeln, damit du deine große Klappe hältst.« Zum ersten Mal hatte dieser clevere Typ vom Mittelatlantik geflucht, und irgendwie war mir klar, dass er so was nur selten tat.
Ich wölbte den Rücken, presste mich an seine Hand, suchte nach mehr Kontakt. »Mmm. Ja.«
Er streichelte mich über dem Höschen, beschrieb mit dem Finger ein Oval, ohne meine Haut tatsächlich zu berühren. Vielleicht lag es daran, dass seine Berührungen gemächlich und nur kurz waren, dass sie es darauf anlegten, mich verrückt zu machen, jedenfalls wurde mein Höschen feucht. Süße Folter, es war großartig.
»Bringt dein Mund dich öfter in Schwierigkeiten?« Er hatte aufgehört, mich zu küssen, und war dazu übergegangen, mich in den Wahnsinn zu treiben, indem er meine Pussy streichelte, während er auf mich herabschaute, ohne seine Verärgerung zu verbergen. Ein seltsamer Typ. Sehr seltsam. Aber nicht so seltsam, dass ich auf das verzichtet hätte, was gerade zwischen uns passierte.
»Immer. Momma meint, wenn ich mit den Beinen so schnell wäre wie mit dem Mund, würde ich an den Olympischen Spielen … Ohhh, das fühlt sich gut an.«
Sein Finger fuhr an meiner Vulva entlang, umkreiste meine Klit und zog sich dann so schnell wieder zurück, wie er gekommen war. Zu meinem Entsetzen konnte ich meine Nässe hören, als er meine Lippen teilte.
»Mach das noch mal«, sagte ich und schnüffelte an seinem Hals, high von seinem Duft. »Aber von vorne bis hinten.«
Er stöhnte, gefolgt von einem schroffen Flüstern, das sich verdächtig anhörte wie: Was mache ich hier eigentlich. Hey, niemand hielt ihm hier eine Knarre an den Kopf.
»Macht dir das eigentlich Spaß?« Allmählich hatte ich das Gefühl, dass er die ganze Sache bereute. Selbst durch den Schleier meiner Lust hindurch erkannte ich, dass er eher irritiert als angetörnt wirkte. Ich meine, sein Schwanz war so lang wie sein Oberschenkel und verriet mir unmissverständlich, dass er nicht litt, aber es schien ihn zu ärgern, dass er mich attraktiv fand.
»Ich bin geradezu in Ekstase.« Seine Stimme triefte vor Sarkasmus.
»Du kannst an meinen Nippeln saugen, wenn du willst. Das soll heiß sein, habe ich gehört«, sagte ich und zog auch schon am Stoff meiner Corsage.
Rasch umfasste er meine Hand und umschloss die bekleidete Brust, ohne sie zu berühren. »Großzügig von dir, aber ich verzichte.«
»Sie sind echt schön, versprochen.« Ich versuchte erneut, an der Corsage zu ziehen, denn ich wollte es ihm beweisen.
Er verstärkte den Griff um meine Hand. »Ich mag es, wenn mein Eigentum meins bleibt. Den Blicken anderer verborgen. Meiner eigenen, privaten Unterhaltung vorbehalten.«
Sein Eigentum …?
Ich war ernüchtert. »Dein …?«
Und in diesem Augenblick brach die Wand zusammen, an der wir lehnten. Die Gastgeberin des Balls stand auf dem Podium, die Fernbedienung für ein Feuerwerk in der Hand. Und auch wir standen auf dem Podium. O Gott. Es war überhaupt keine Wand. Es war nur ein Vorhang. Und vor uns saß die komplette dreihundertköpfige Gästeliste des Debütantinnenballs. Alle mit offenem Mund, geweiteten Augen und verdammt vorwurfsvoll.
Ich entdeckte Daddy sofort. Innerhalb von Nanosekunden nahm seine olivfarbene Haut den Ton von Eierschalen an, während seine Ohren rot und immer röter wurden. Endlich drangen ein paar Gedanken in mein von Lust benebeltes Gehirn vor. Erstens, Daddy würde definitiv, mit zweihundertprozentiger Sicherheit all meine Karten kündigen, von der Amex bis zu meinem Bibliotheksausweis. Und schließlich wurde mir klar, was alle sahen: mich in den Armen eines Mannes, der mit Sicherheit nicht mein Verlobter war. Und der mir eine Hand unter das Kleid und zwischen die Schenkel geschoben hatte. Mein Lippenstift war verschmiert. Meine Haare zerzaust … Und ich wusste, dass ich ihm einige gut sichtbare Knutschflecke verpasst hatte.
»Wow«, erklang Frankies Stimme aus dem Schlund der Menge. »Momma wird dir Hausarrest geben, bis du vierzig bist.«
Nun erhob sich aufgeregtes Gemurmel. Handy-Blitzlichter fielen über mein Gesicht her, als ich rückwärtsstolperte und Romeo Costa wegzustoßen versuchte. Aber er ließ es nicht zu. Dieser Psychopath gab vor, mich zu beschützen, und schob mich hinter sich. Seine Berührung war achtlos und kalt. Reine Show. Was um alles in der Welt passierte hier?
»… für jeden anderen Mann in diesem Postleitzahlen-Gebiet verdorben …«
»… armer Madison Licht. So ein anständiger Kerl …«
»… war immer schon schwierig …«
»… ein Skandalmagnet …«
»… schrecklicher Modegeschmack …«
Okay, Letzteres war eine glatte Lüge.
»D…Daddy. Es ist nicht das, wonach es aussieht.« Ich versuchte, mein Kleid von Oscar de la Renta glatt zu streichen, und trat Romeo mit meinem Pfennigabsatz auf den Fuß, um mich endlich aus seinem Griff zu befreien.
»Leider ist es genau das, wonach es aussieht«, entgegnete Romeo, fasste mich am Ellbogen und machte auf dem Podium ein paar Schritte nach vorn. Was zum Teufel hatte er vor? »Das Geheimnis ist gelüftet, Liebling.« Liebling? Ich? Er wischte sich demonstrativ die Hand an meinem Designerkleid ab, die Sekunden zuvor noch zwischen meinen Schenkeln gelegen hatte. »Bitte, betrachten Sie meine Dallas nicht als entehrte Frau. Sie hat lediglich einer Versuchung nachgegeben. Wie Oscar Wilde bereits sagte, ist so etwas nur menschlich.« Sein Blick blieb undurchdringlich. Und war direkt auf Daddys Gesicht gerichtet.
Nur menschlich? Warum redete er daher wie in einer Sonderfolge von Downton Abbey? Und warum bezeichnete er mich als entehrt?
»Ich sollte dich umbringen.« Mein Vater, der große Shepherd Townsend, schob sich mit der Schulter durch die Menge, um zur Bühne zu gelangen. »Berichtigung … Ich werde dich umbringen.« Kalte Panik erfasste mich. Ich wusste nicht recht, ob er mit mir sprach, mit Romeo oder mit uns beiden.
Meine Fingerspitzen waren so kalt, dass ich sie nicht mehr spürte. Ich zitterte wie ein Blatt im Herbstwind.
Diesmal hatte ich es wirklich geschafft. Hier ging es nicht mehr um irgendwelche vermasselten Kurse, um freche Äußerungen einer Person gegenüber, auf deren Meinung meine Eltern Wert legten, oder darum, dass ich – rein zufällig natürlich – Frankies Geburtstagskuchen aufgegessen hatte. Ich hatte den guten Ruf meiner Familie praktisch im Alleingang gründlich ruiniert. Den Namen Townsend in Schutt und Asche gelegt, sodass seine Trümmer dem Klatsch und allgemeiner Verdammnis zum Opfer fallen würden.
»Shep, richtig?« Romeo zog die Hand, die er nicht um mich gelegt hatte, aus der Tasche und warf einen Blick auf die Patek Philippe an seinem Handgelenk.
»Für Sie Mr Townsend«, stieß Daddy hervor, der jetzt mit uns auf dem Podium stand. »Was haben Sie zu Ihrer Verteidigung vorzubringen?«
»Verstehe, wir haben die Verhandlungsphase des Abends erreicht.« Costa musterte mich kurz, als wollte er entscheiden, welchen Betrag er auf mich setzen sollte. »Ich weiß, in Chapel Falls gilt der Grundsatz: Machst du sie kaputt, musst du sie kaufen, wenn es um Ihre Töchter geht.« Seine Worte fühlten sich an wie Prügel und ließen ärgerliche rote Flecken auf meiner Haut zurück. Da uns jetzt niemand mehr hören konnte, tat er nicht mehr so, als wären wir ein Paar, und sprach mit Daddy wie ein Geschäftsmann. »Ich bin bereit, zu kaufen, was ich kaputt gemacht habe.«
Warum redete er über mich, als wäre ich eine zerdepperte Vase? Und was um alles in der Welt schlug er meinem Vater da vor?
»Ich bin nicht kaputt«, sagte ich und schubste ihn auf beinahe brutale Weise. Als Reaktion verstärkte er nur seinen Griff. »Und ich bin kein Produkt, das man kaufen kann.«
»Halt den Mund, Dallas.« Daddy atmete schwer. Schweiß rann ihm an den Schläfen hinunter, wie ich es nie zuvor bei ihm gesehen hatte. Er schob sich zwischen uns, als müsste er befürchten, wir könnten uns aufeinander stürzen, um unser Liebesspiel fortzusetzen. Und endlich ließ Romeo mich los. »Nun, ich weiß nicht, was Sie da andeuten, Mr Costa, aber es waren nur ein paar Küsse an einem feuchtfröhlichen Abend …«
Romeo hob eine Hand, um meinen Vater zum Schweigen zu bringen. »Ich weiß, wie sich die Pussy Ihrer Tochter anfühlt, Sir. Und auch, wie sie schmeckt.« Ohne meinen Vater aus den Augen zu lassen, leckte er sich den Daumenballen ab. »Sie können sich aus der Sache rauszureden versuchen, bis Sie blau anlaufen. Die Welt wird mir glauben, das wissen wir beide. Ihre Tochter gehört mir. Ihnen bleibt nur noch, einen anständigen Deal auszuhandeln.«
»Was ist da vorne los?« Barbara erhob sich aus der Menschenmenge. »Ist das etwa ein Heiratsantrag?«
»Ich kann nur hoffen, dass es einer ist«, sagte jemand in drohendem Tonfall.
»Ich wusste gar nicht, dass die beiden sich kennen!«, rief Emilie. »Dallas hat die ganze Zeit nur von dem Dessert gesprochen.«
Scham färbte meine Wangen rosa. Das Einzige, was mich aufrecht hielt, war die tiefgreifende Überzeugung, dass ich diesen schrecklichen Mann niemals gewinnen lassen würde. Mein Zorn war derart schneidend, so deutlich spürbar, dass ich einen sauren Geschmack im Mund hatte. Er drang in jede Ecke, wie schwarzes Gift rann er in mein System.
Daddy senkte die Stimme und richtete all seinen Hass auf Romeo. »Ich habe meine Tochter bereits Madison Licht versprochen.«
»Licht würde sie jetzt nicht mal mehr mit einer Kneifzange anfassen.«
»Er wird es verstehen.«
»Tatsächlich?« Romeo zog eine Braue hoch. »Abgesehen von der Tatsache, dass seine Verlobte mit meiner Hand unter ihrem Kleid vor ihrer gesamten Heimatstadt gestanden hat, ist Ihnen sicher bewusst, dass wir beruflich hart miteinander konkurrieren.«
Ladies und Gentlemen, der Mann, der mich offensichtlich heiraten will. Man kann wohl davon ausgehen, dass Edgar Allan Poe sich nicht im Grab umdrehte vor Angst, von seinem Podest des großen Dichters gestoßen zu werden.
»Moment mal. Sie ist meine Tochter, und ich …«
»Sie haben sie einem wohlhabenden Arschloch geschenkt, der sie wie ein barockes Möbelstück behandeln würde.« In Romeos Stimme lag keine Freude. Auch keine Siegessicherheit. Er verkündete die Nachricht, wie ein verdrossener griechischer Gott über das Schicksal eines gemeinen Sterblichen entscheidet. »Zwischen dem, was ich ihr zu bieten habe, und dem, was Madison Licht beisteuert, besteht kein Unterschied, bis auf die Tatsache, dass ich bald zwanzig Milliarden Dollar wert sein werde, während seine Firma nicht einmal sonderlich bekannt ist.«
Das Gewicht der ganzen Welt stürzte auf mich herab, als ich zwei Dinge verstand: 1) Romeo Costa hatte bei seinem Eintreffen genau gewusst, wer ich war. Er hatte mich gesucht. Mich angelockt. Meine Aufmerksamkeit auf sich gelenkt. Er hatte es die ganze Zeit auf mich abgesehen. Schließlich hatte er es selbst gesagt: Madison Licht war sein Feind, und er wollte ihn ruinieren. 2) Romeo Costa war Scheißkerl genug, um mich auch dann zu heiraten, wenn er damit alle Beteiligten in ihr Unglück stürzte, nur um meinen Verlobten zu ärgern. Meinen ehemaligen Verlobten wahrscheinlich.
Ich stürzte auf ihn zu und drückte ihm die Handflächen auf die Brust. »Ich will dich nicht heiraten.«
»Das beruht auf Gegenseitigkeit.« Er ignorierte meine abwehrende Haltung, kam einen Schritt auf mich zu, griff nach meiner linken Hand und zog mir Madisons Verlobungsring vom Finger. »Leider, die Tradition verlangt es so. Ich habe dich berührt, ich habe dich entehrt. Sag Hallo zu deinem neuen Verlobten.« Mit gleichmütiger Miene betrachtete Romeo den Ring, der zwischen seinen Fingern klemmte. »Das Ding hier kostet gerade mal sechzehn Riesen.« Er warf ihn in die Menge, und einige nicht besonders ehrenwerte Mädchen versuchten, ihn zu fangen.
Es verschlug mir den Atem. Romeo betrachtete meinen Vater mit einem perfekten Pokerface, zuversichtlich, dass ich es trotz meiner draufgängerischen Art nicht wagen würde, den Befehl des Patriarchen zu missachten, falls er beschloss, dass wir heiraten sollten.
Nein. Nein, nein, nein, nein, nein.
»Daddy, bitte.« Ich eilte zu ihm und hakte mich bei ihm unter. Sofort riss er sich von mir los, senkte den Blick finster auf seine Loafers und bemühte sich, ruhiger zu atmen. Die Zurückweisung ließ meine Wangen brennen, als hätte er mich geschlagen. Nie zuvor war mein Vater derart grausam zu mir gewesen. Ich wollte weinen. Und ich weinte nie.
Das Böse hatte ein Gesicht. Es war atemberaubend schön … und gehörte dem Mann, der gerade zu meinem zukünftigen Ehemann geworden war.
»Warum reden wir nicht ohne Zuschauer darüber?« Daddy sah sich um, erschöpft und schmerzerfüllt. Wahrscheinlich hatte ich auch seinen Smoking ruiniert, genau wie meine Zukunft. »Mr Costa, kommen Sie sofort zu mir nach Hause.«
Romeo Costa klopfte mir im Vorbeigehen auf die Schulter, ohne mich eines Blickes zu würdigen. »Durch Shortbread entehrt.« Er steckte sich einen Kaugummi in den Mund, während seine imposante Gestalt die Bühne verließ. »Die Mächtigen sind gefallen.«
Ollie vB: @RomeoCosta, wie war es, deine Skandalbraut zu entjungfern? Willkommen im Club, Kumpel. Wir haben Snacks. Und die Kennedys.
Romeo Costa: https://www.dmvpost.org/Von-Bismarck_Erbe-Macht-Sich-An-Governeursfrau-Ran_Georgia
Ollie vB: Sag Daddy zu mir, und ich gebe meine Fähigkeiten an dich weiter.
Zach Sun: Ehen zu zerstören ist keine Fähigkeit.
Ollie vB: Erzähl das lieber Rom. Er hat gerade innerhalb von zehn Minuten eine Verlobung, einen guten Ruf und eine Zukunft zerstört. Der Schüler hat den Meister übertroffen.
Ollie vB: [Shia LaBeouf standing ovation GIF]
Zach Sun: Wo ist Rom jetzt?
Ollie vB: Bei ihr zu Hause, steckt wahrscheinlich Erinnerungsstücke ihrer Kindheit in Brand und ertränkt ihre Haustiere.
Zach Sun: Würde mir das Herz brechen, wenn ich eins hätte.
Ollie vB: Dem Kampf nach zu urteilen, den sie sich mit ihm geliefert hat, wird gegen Ende des Monats wohl eher der Geist unseres Kumpels gebrochen sein.
Eine Million Dallas Townsends latschten durch mein Gehirn und bohrten ihre Pfennigabsätze in jede Windung. Ich schlug die Augen auf. Der Raum schwankte, als wäre ich ein blinder Passagier auf einem sinkenden Schiff.
»Hättest den Pappy Van Winkle nicht allein austrinken sollen, Kumpel.« Olivers muntere Stimme hallte aus den Tiefen einer Toilette wider. »Sharing is caring.«
Zach schnalzte in einiger Entfernung mit der Zunge. »Zum letzten Mal, von Bismarck, dieses Agent Provocateur-Model wollte keinen Dreier.«
Ich atmete im Grand La Perouse Hotel zischend in ein Seidenkissen und bereute jede einzelne Entscheidung, die mich in dieses Höllenloch geführt hatte. Angestachelt durch eine Entdeckung in letzter Minute, waren wir eine halbe Stunde vor Beginn des Balls in Chapel Falls angekommen.
Gegenwärtig wohnten wir in der Präsidentensuite mit vier Schlafzimmern. Weniger, weil wir unsere Gesellschaft genossen, sondern eher, weil wir wussten, dass eigentlich irgendein Trottel das Ding vor dem Ball gebucht hatte. Sich am Elend anderer zu erfreuen, gehörte zu den kleinen Annehmlichkeiten des Lebens. Eine, die ich mir öfter mal gönnte.
Oliver kam ins Zimmer geschlendert, eine nicht angezündete Zigarre im Mund. »Du musstest den Schmerz betäuben. Die Erinnerung daran auslöschen, wie du vor den Augen der Fortune-500-Elite einen ihrer unreifen Rohdiamanten befummelt hast.« Er streifte sich ein Poloshirt über. »Die Rechnung belief sich übrigens auf vierzigtausend allein für Alkohol und Zigarren. Wir sollten in das Geschäft einsteigen und Debütantinnenbälle ausrichten. Dieser Welt wird es an privilegierten jungen Frauen nicht mangeln, die auf der Suche nach einem milliardenschweren Ehemann sind.«
Die bloße Vorstellung, meine Zeit noch einmal auf diese Weise zu verschwenden, machte mich rasend. »Du würdest den Ort in ein Spielcasino verwandeln und noch vor dem ersten Walzer ein paar uneheliche Kinder zeugen.«
Oliver ließ sich auf den Rand meines Betts fallen und zog sich die Reitstiefel an. »Ja zum Spielen, nein zu den Bastarden. Ich packe meinen Schwanz immer ein. Ohne Gummi läuft nichts.« Da er Frauen als ein Förderband mit warmen Löchern betrachtete, in denen er die Nacht verbringen konnte, nahm ich an, dass Oliver mit dem Konzept Liebe nicht vertraut war. Er zögerte, schloss dann die Lippen um die Zigarre. »Nicht jeder ist so kompromisslos, dass er deine Methode anwenden kann, um zu verhindern, dass uneheliche Kinder ihren Anspruch auf den Thron anmelden können.«
Zachary Sun – groß, schlank, unausstehlich genial und emotional so zugänglich wie ein Felsblock – kam in mein Zimmer gerauscht, den Laptop unter den Bizeps geklemmt. »Was ist denn Roms Methode?«
Am Tag zuvor hatte er sich entschieden, im Hotel zu bleiben. Seine Anwesenheit auf dem Ball war überflüssig. Allein der Gedanke, ihr Sohn könnte eine Südstaatlerin heiraten, würde Mrs Sun das Herz brechen. Ihrem alten, auf die Zhou-Dynastie zurückgehenden Geldadel konnte eine gewöhnliche Frau nicht gerecht werden.
»Es gibt ein Loch, das er niemals fickt, und zwar das, aus dem die Babys kommen.« Oliver gab diese Information mit übertriebener Fröhlichkeit preis.
Zach runzelte die Stirn. Wahrscheinlich dachte er an meine Vergangenheit. »Seit Neuestem oder immer schon?«
Wir hatten dasselbe Weltbild. Wir fanden, dass der Sauerstoff, der von den schwindenden Wäldern dieser Erde zur Verfügung gestellt wird, ein Privileg war, das nicht an weitere Menschen verschwendet werden sollte. Wider besseres Wissen hatte ich in den einunddreißig Jahren meines Lebens eine einzige Ausnahme gemacht. Die ich inzwischen bereute. Und zwar in spektakulärem Ausmaß.
»Er war so lange enthaltsam, dass wir ihn wieder als Jungfrau betrachten können.« Oliver schlüpfte in einen Reitblazer. »Und abgesehen davon auch noch als Loser.«
Wenn diese Worte mich beleidigen sollten, hatten sie ihr Ziel um ungefähr dreitausend Kilometer verfehlt. Frauen interessierten mich nicht.
Menschen im Allgemeinen auch nicht.
Zach beobachtete mich gleichzeitig verwundert und verwirrt. »Wie kommt’s, dass ich das nicht von dir wusste?«
»Offenbar ist dir die Anzeige entgangen, die ich drei Monate lang auf der Titelseite der New York Times geschaltet hatte.« Ich leerte eine Wasserflasche in einem Zug und legte mir einen Pfefferminzkaugummi auf die Zungenspitze. »Wie spät ist es?«
»Gut, dass du fragst.« Oliver zündete seine Zigarre an und nahm einen kräftigen Zug. Von der orange glühenden Spitze stieg eine Rauchwolke auf. »Es ist höchste Zeit, aber noch nicht zu spät, dich an die Ereignisse von gestern Abend zu erinnern. Der Vorfall, nachdem du eine ganze Flasche Brandy geleert hast in der Hoffnung, an einer Alkoholvergiftung zu sterben, nachdem du das Anwesen der Townsends verlassen hattest.«
Ich warf die Flasche in den Mülleimer. »Genieß deine fünf Minuten Ruhm und sag mir, wie schlimm es von außen betrachtet war.«
»Überhaupt nicht schlimm.« Zach stellte seinen Laptop auf den Tisch an meinem Bett. »Bizarr? Ja. Skandalös? Wie beabsichtigt. Aber du kamst wie ein anständiger Typ rüber, der eine Chick für sich zu gewinnen versucht. Zumindest in den Videos, die überall auf TikTok und YouTube zu sehen sind und von denen einige gerade viral gehen. Die Leute sprechen vom Heiratsantrag des Jahrhunderts.«
Oliver stieß einen Pfiff aus. »Es gibt sogar einen eigenen Hashtag für dich.«
Ich hatte in meinem ganzen Leben noch keinen Skandal verursacht, und ich genoss es ganz sicher nicht, nun Teil eines solchen zu sein. Aber wie dem auch sei: Der Zweck heiligte die Mittel.
Ich hatte es geschafft.
Ich hatte Madison Licht die Verlobte ausgespannt und sie zu der meinen gemacht.
Der Schwachkopf beendete jedes Event mit einer minderjährigen Goldgräberin, die glaubte, ihn für mehr als eine Nacht behalten zu können. Stellt euch meine Überraschung vor, als Oliver ihn zwei Tage zuvor zufällig vom hinreißenden Körper, dem perfekten Gesicht und üppigen Haar seiner Verlobten hatte schwärmen hören.
Offenbar hatte er zum ersten Mal in seinem erbärmlichen Leben nicht gelogen.
Ich rieb mir das Kinn. »War sie wenigstens so schön, wie ich sie in Erinnerung habe?«
»Exquisit. Ein Gedicht.« Oliver legte die Finger an die Lippen. »Ist sie eigentlich schon volljährig, Rom?«
»Ja, ist sie.« Ich ließ einen Finger über eine zahnförmige Kerbe unten an meinem Kinn gleiten. Das manische Weibchen hatte mich gebissen und ihr Zeichen auf mir hinterlassen. »Geht seit mindestens zwei Jahren aufs College.«
Drei Jahre oder noch länger, wenn sie bei der Anzahl ihrer vermasselten Semesterprüfungen nicht übertrieben hatte. Wie man in Englischer Literatur durchfallen konnte, entzog sich meiner Kenntnis, aber diese Erscheinung aus der Hölle hatte es bestimmt geschafft.
»Zach, ich sage es dir, die Frau war fuchsteufelswild …« Oliver schüttelte den Kopf. Rauch drang aus seinen Nasenlöchern wie bei einem dämonischen Drachen. »Sie hätte ihn fast erstochen. Das Einzige, was sie davon abgehalten hat, war der Gedanke, dass es für ihre Familie dann noch peinlicher geworden wäre.«
Zum Glück hatte Dallas Townsend diese Grenze nicht überschritten. Unserer kurzen Bekanntschaft nach zu urteilen, war es die einzige rote Linie, die sie kannte. Eine derart schillernde Frau würde sich vermutlich kein zweites Mal finden lassen.