Mythen und Sagen aus allen Kulturkreisen - Philip Wilkinson - E-Book

Mythen und Sagen aus allen Kulturkreisen E-Book

Philip Wilkinson

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Beschreibung

Die spannendsten Mythen der Welt im Überblick Geschichten über Götter, Helden & den Kosmos faszinieren uns seit Jahrtausenden. Von der europäischen Antike bis zu den wenig bekannten Geschichten Amerikas, Asiens oder Ozeaniens – dieses reich illustrierte Nachschlagewerk entführt Sie in die großen Mythen & Sagen der Welt! Über 1.500 beeindruckende Bilder erwecken die legendären Geschichten rund um Achilles & Sisyphos zum Leben & porträtieren die bekanntesten Hauptfiguren der Mythologie. Sammlung der berühmtesten Mythen und Sagen In allen Kulturen der Welt werden Geschichten über die Entstehung der Welt, Götter, Heldenabenteuer oder das Ende der Zeiten erzählt, denn sie festigen die kulturelle Identität einer Gruppe. Ob Brudermord oder ikonische Liebesgeschichte – die Motive sind sich oftmals sehr ähnlich und doch haben die Geschichten ganz unterschiedliche Ursprünge. In eindrucksvollen Abbildungen versammelt dieser Bildband die prägnantesten Mythen und Sagen der Welt und erklärt anschaulich ihre Ursprünge, ihre Bedeutung und ihren Einfluss bis in unsere Gegenwart. Lassen Sie sich mitreißen von griechischen Götterwelten und geheimnisvollen ägyptischen Dämonen! Erleben Sie Mythologie anschaulich zusammengefasst: - Bekannte Mythen und Sagen der Welt. - Übersichtliches Layout. - Berühmteste Hauptfiguren im Porträt. - Spannende Themenseiten. - Hochwertige Gestaltung. Tauchen Sie ein in die spirituelle Welt und entdecken Sie die Kulturgeschichte der Welt in ihrem kosmischen Kern!

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Seitenzahl: 617

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MYTHEN & SAGEN
aus allen Kulturkreisen
PHILIP WILKINSON
MYTHEN & SAGEN
aus allen Kulturkreisen
Jonathan Metcalf, Liz Wheeler, Aparna Sharma,
Patrick Newman, Manisha Thakkar, Rohan
Sinha, Sam Atkinson, Paula Regan, Debra
Wolter, Suchismita Banerjee, Kingshuk Ghoshal
John Wilkinson gewidmet
DK London / Delhi
Lektorat
Gestaltung und Bildredaktion
Karen Self, Arunesh Talapatra, Anna Hall,
Tannishtha Chakraborty, Mitun Banerjee,
Mahua Mandal, Ivy Roy, Dean Morris, Adam
Walker, Jagtar Singh, Preetam Singh, Balwant
Singh, Roland Smithies, Malavika Talukder
Herstellung
Joanna Byrne, Luca Frassinetti, Inderjit Bhullar
Illustrationen Anshu Bhatnagar und Debajyoti
Dutta
Für die deutsche Ausgabe:
Programmleitung Monika Schlitzer
Redaktionsleitung Dr. Kerstin Schlieker
Projektbetreuung Carola Wiese
Herstellungsleitung Dorothee Whittaker
Herstellungskoordination Claudia Rode
Herstellung Verena Marquart
Titel der englischen Originalausgabe:
Myths & Legends
© Dorling Kindersley Limited, London,
2009, 2019
Ein Unternehmen der
Penguin Random House Group
Alle Rechte vorbehalten
© der deutschsprachigen Ausgabe: 2009, 2020
Dorling Kindersley Verlag GmbH,
Arnulfstr. 124, 80636 München
Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten
Deutsche digitale Ausgabe, 2024
Dorling Kindersley Verlag GmbH
Jegliche – auch auszugsweise – Verwertung,
Wiedergabe, Vervielfältigung oder Speicherung, ob
elektronisch, mechanisch, durch Fotokopie oder
Aufzeichnung, bedarf der vorherigen schriftlichen
Genehmigung durch den Verlag.
Übersetzung Angelika Feilhauer (Kap. 1–3),
Elisabeth Reschat (Einleitung, Kap.4–6)
Lektorat Anke Wellner-Kempf
eISBN 978-3-8310-8381-7
5902-314672-21710-01
www.dk-verlag.de
Hinweis
4
Die Informationen und Ratschläge in diesem Buch
sind von den Autoren und vom Verlag sorgfältig
erwogen und geprüft, dennoch kann eine Garantie
nicht übernommen werden.
Eine Haftung der Autoren bzw. des Verlags
und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und
Vermögensschäden ist ausgeschlossen.
INHALT
Einführung
EUROPA
Europäische Antike
Die griechische Schöpfung
Der kosmische Krieg
Die zwölf Olympier
Zeus
Erschaffung der Menschen
Apollon
Poseidon und die Flut
Mythische Wesen
Dionysos
Athene
Aphrodites Liebschaften
Griechische Göttinnen
Die Unterwelt
Orpheus in der Unterwelt
Die Arbeiten des Herakles
Der Garten der Hesperiden
Theseus und der Minotaurus
Bellerophon und Pegasos
Die Heldentaten des Perseus
Verlassene Kinder
Ödipus
Der Trojanische Krieg
Die Odyssee
Mythische Antihelden
Mythische Antiheldinnen
Die Argonauten
Römische Götter und Göttinnen
Aeneas und die Anfänge Roms
Schutzgottheiten
6
14
16
18
20
24
26
28
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32
34
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38
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64
68
70
72
76
78
82
Fruchtbarkeitsgötter
Pan und Syrinx
Der Norden Europas
Nordische Schöpfung
Der Nordische Kosmos
Nordische Götter
Loki
Die letzte Schlacht
Das Kalevala
Die Sage von Sigurd
Erdgottheiten
Der Westen Europas
Mythen der alten Kelten
Der Ulster-Zyklus
Der Finn-Zyklus
Magische Welten
Das Mabinogion
König Artus und seine Ritter
Der Heilige Gral
Mittel- und Osteuropa
Der böse Koschtschei
Sagen von der Hexe
84
86
88
90
92
94
96
98
100
106
Geschichten von Helden und Rittern 104
Beowulf
108
110
112
114
116
118
120
124
126
128
130
132
134
Mythen der Wälder und Gewässer 136
Götter und Göttinnen der Liebe
Der Feuervogel
Götter der Macht
138
140
142
VORDER- UND ZENTRALASIEN
Vorderasien
Enûma elîsch
Inanna
148
150
154
Das Gilgamesch-Epos
Mythen aus Ugarit
Mythen der Hethiter
Der große Himmelsgott
Glücks- und Schicksalsgötter
Zentralasien und Arabien
Kampf gegen das Böse
Das Epos von Gesar Khan
Die Göttin al-Lat
SÜD- UND OSTASIEN
Südasien
Die vedischen Götter
Brahma und die Schöpfung
Shiva
Die zehn Avatars Vishnus
Durga
Das Ramayana
Das Mahabharata
Entstehung des Ganges
Ostasien
156
158
160
162
164
166
168
Die Sage von Rostam und Sohrab 170
Tiermythen aus der Mongolei
Kriegsgötter
172
174
176
180
186
188
190
194
196
198
200
206
208
210
P’an-ku erschafft das Universum 212
Chinesische Heldensagen
Der Hof des Jadekaisers
Die zehn Sonnen
Die Abenteuer des Affen
Japanische Schöpfung
214
216
218
220
222
Susanoo und seine Nachkommen 226
Kintaro
228
AFRIKA
Das alte Ägypten
Der Anfang der Welt
Das Totenbuch
Ein Königsmord
Nilgöttinnen
Reise in das Land der Toten
Westafrika
Ursprungsmythen
Anansi
Mythische Helden
Zentralafrika
Lonkundo
Mwindo
Der weise König
Ostafrika
Das erste Rind
Schamanen
Südafrika
Mythen der San
Hlakanyana
Volksmärchen aus Südafrika
AMERIKA
Nordamerika
Die Navajo erscheinen
Ahnen
Rabe stiehlt das Licht
Reise zum Himmel
Mythen aus dem hohen Norden
Mesoamerika
Popol Vuh
234
236
238
240
244
246
248
250
252
254
256
258
260
262
264
266
268
270
272
273
274
280
282
284
286
288
290
292
294
Mythen von der Gefiederten
Schlange
Naturgötter der Azteken
Karibik
Die fünf Zeitalter
Götter und Geister
Guede
Südamerika
Die Anfänge der Inka
Himmelsgötter der Anden
Ortsgeister
OZEANIEN
Australien
Die Regenbogenschlange
Die Ersten Schwestern
Die Ermordung Lumalumas
Die Bram-Bram-Bult
Polynesien
Tangaroa
Der Ursprung des Todes
Heilige Steine
Register
Dank
298
300
304
306
308
310
312
314
318
320
326
328
330
332
334
336
338
340
342
344
351
5
EINFÜHRUNG
I
n allen Kulturen der Welt werden Mythen
erzählt – Geschichten über Götter, Helden
und den Kosmos. Sie behandeln die funda-
mentalen Fragen des Daseins: die Erschaffung
des Universums und des Menschen, das Wesen
der Götter und Geister, den Tod und was
danach mit uns geschieht und das Ende der
Welt. Mythen loten Liebe und Eifersucht, Krieg
und Frieden, Gut und Böse aus, und sie tun
dies mit spannenden Handlungen, lebensnahen
Charakteren und einprägsamen Szenen, die an
unsere tiefsten Gefühle rühren – dies ist die
Quelle ihrer immerwährenden Faszination.
Mythen entstanden als Geschichten, die man
sich, von Generation zu Generation, am Feuer
erzählte. Mancherorts werden sie noch heute
mündlich tradiert. Später schrieb man sie nieder
und bearbeitete sie als Dramen, Gedichte und
Romane neu. Die ältesten Werke der Weltliteratur,
von den griechischen Epen Homers bis zu den
frühesten Sagen Islands, basieren auf einer noch
viel älteren mündlichen Überlieferung.
UNZÄHLIGE MYTHEN
Die Herkunft aus dem mündlichen Erzählen
erklärt, warum Mythen in zahlreichen Varian-
ten existieren. Es gibt in der Regel keine »ein-
zig richtige« Version. Von einem Stamm zum
nächsten erfährt der Name eines Gottes eine
Abwandlung, nimmt die Geschichte eine andere
Wendung. Wurde ein Mythos niedergeschrieben,
vervielfacht sich die Zahl der Nacherzählungen.
Dieses Buch kann nur einen Bruchteil der
Mythen der Welt erzählen, und in der Regel
nur in einer Variante. Dennoch enthält es eine
reiche Auswahl, besonders der Mythen Europas,
die, schon früh schriftlich festgehalten, sich
weitverbreiteten und großen Einfluss ausübten.
6
EINFÜHRUNG
GÖTTER, DAHER EXISTIEREN IHRE MYTHEN
IN UNENDLICH VIELEN VARIANTEN.
MANCHE KULTUREN KENNEN TAUSEN DE
KOSMOS UND MENSCH
Die scheinbar endlose Vielfalt der Mythen
kennt wiederkehrende Themen. Zu Beginn
steht fast immer die Frage nach dem Anfang
der Welt. Meist unternimmt ein schattenhafter
Schöpfer den ersten Schritt, manchmal ein
Gott, der sich durch einen Willens akt selbst
hervorbringt. Gelegentlich hat dieser es mit
einem kosmischen Ei zu tun. So erschafft der
chinesische Schöpfer P’an-ku Himmel und
Erde, indem er ein solches Ei zerbricht. In
anderen Kulturen holt der Schöpfer das Land
aus der Tiefe eines Ur-Ozeans hervor – so
der Erdtaucher in indianischen Mythen. Oft
entspringt die Welt auch der Verbindung eines
Schöpfers und einer Schöpferin. Der Mensch
tritt meistens erst viel später auf. Häufig wird
er aus Ton modelliert oder aus Holz geschnitzt.
Irdischen Bildhauern gleich, unterlaufen den
Göttern bei seiner Erschaffung Fehlversuche.
Von Mexiko bis Griechenland erzählen Mythen,
wie die Erschaffung des Menschen erst beim
dritten Anlauf gelingt. Manchmal ist der erste
Mensch ein Mann, und erst als dessen Tod naht,
kommt die Frau hinzu, damit die Menschheit
sich fortpflanzen kann.
GÖTTER UND IHRE MACHT
Die meisten Kulturen kennen viele Götter und
Geister – manchmal Tausende, denn sie sind
überall. In Japan wie in Afrika sind Felsen,
Bäche, Seen und Berge von Geistern bewohnt.
7
EINFÜHRUNG
SONNE UND REGEN ERKLÄRTEN SICH
DIE FRÜHEN VÖLKER MIT DER EXISTENZ
VON GÖTTERN.
Oft sind dies lokale Gottheiten, verehrt vor
allem von den Menschen, deren Lebensraum
den dem Geist geweihten Ort einschließt.
Doch selbst in Kulturen mit Tausenden
Gottheiten gibt es eine kleine Gruppe allgemein
bekannter Götter, die über besondere Macht
verfügen. Es sind die Götter der Sonne, des
Regens, des Meeres, des Himmels, der Berge
und der Flüsse. Eigene Götter herrschen über
Jagd, Ackerbau, Liebe, Geburt, Krieg und Tod.
In vielen Mythen kommen Sterbliche mit
übermenschlichen Kräften vor. Diese Helden
lösen unerfüllbare Aufgaben, siegen allein in
Schlachten und besuchen sogar die Unterwelt.
Unter ihnen sind Kulturheroen, denen die
Menschen wichtige Fertigkeiten wie die Beherr-
schung des Feuers verdanken. Oft werden sie
nach ihrem Tod zu Göttern.
HERRSCHER ÜBER DIE ELEMENTE
Zu den bedeutendsten Göttern gehören die
der Elemente, besonders der Sonne und des
Regens. Da sie das Gedeihen der Feldfrüchte
verantworten, sind ihre Kulte am weitesten
verbreitet. Figuren wie Inti, der Sonnengott der
Inka, oder Zeus, der Himmelsgott der Griechen,
besitzen überragende Macht.
Das Walten der Elemente gehört zu den
wichtigsten mythischen Themen. Viele Kultu-
ren kennen einen Mythos, in dem die Sonne
verschwindet, sodass den Menschen Nahrung
und Wärme fehlt. Auch erklärt er, warum es Tag
8
EINFÜHRUNG
und Nacht gibt. In China und Teilen Afrikas
erzählen Mythen, wie die Götter den zu reich-
lichen Sonnenschein einschränken oder durch
die Nacht ausgleichen. Überall auf der Welt
schicken erzürnte Götter eine große Flut, die
manchmal nur eine Familie überleben lässt. Sol-
che Erzählungen, ergreifende Geschichten von
Gefährdung und Errettung, erklären Naturkata-
strophen und halten die Menschen dazu an, die
Götter zu ehren, um ihren Zorn zu besänftigen.
DIE BEDEUTUNG DER MYTHEN
Mythen festigen die kulturelle Identität einer
Gruppe. So erzählen die Ursprungsmythen der
australischen Aborigines von den Wegen, die
ihre Ahnen gingen, um die Landschaft und ihre
Merkmale ins Dasein zu rufen: Das Land, die
Menschen und ihre Mythen sind unauflöslich
miteinander verbunden. Ebenso wichtig waren
Mythen für die alten Griechen, die ihre größte
Stadt, Athen, nach ihrer Schutzgöttin Athena
benannten, für die Inka, die ihre Herrscher für
direkte Abkömmlinge des Sonnengottes hielten,
und für die nordischen Völker, deren Krieger
ihrem großen Gott Odin nacheiferten.
Einen Beweis für die Lebendigkeit und
Bedeu tung der Mythen liefert neben der Vielzahl
von Nacherzählungen auch die Art und Weise,
wie ihre Götter und Helden die Kunst in spiriert
haben. Von China bis zum alten Rom haben
Künstler die Götter in Gemälden und Plastiken
dargestellt – als Kulthandlung oder einfach, um
die Götter und ihre Taten zu verherrlichen.
Mythen entspringen einer engen Beziehung
des Menschen zur Natur und zur spirituellen
Welt – einer Beziehung, die heute oft verloren
ist. Sie bewegen sich an der Grenze von Reali-
tät und Fantasie, stellen das Merkwürdige und
Ungewisse in den Mittelpunkt und beschreiben
furchterregende Kräfte von kosmischer Dimen-
sion. Das macht sie aufregend und inspirierend.
Sie sind unsere fesselndsten Geschichten, weil
sie Herz und Verstand ansprechen und an den
Kern unseres Daseins rühren.
9
EINFÜHRUNG
EUROPA
V
erglichen mit den gewaltigen
Landflächen Afrikas und Asiens, ist
Europa relativ klein, besitzt aber
eine reiche Kultur geschichte. Teil
dieses Erbes sind Tausende von
Mythen und Legenden, die zahlreiche sehr
unterschiedliche Traditionen aus allen Teilen
des Kontinents hervorgebracht haben. Sie
umfassen die Geschichten der Slawen im
Osten Europas und die Mythen der Kelten im
Westen ebenso wie den komplexen Götterhim-
mel der Griechen und Römer der Antike sowie
die Rittererzählungen des Mittelalters. Die
meisten dieser Geschichten sind auf der
ganzen Welt bekannt, da Europa auf eine lange
schriftliche Überlieferung zurückblicken kann.
Die Mythen und Legenden Europas ent-
standen wie all die anderen auf der Welt lange
vor Erfindung der Schrift. Einige Zeugnisse aus
vorgeschichtlicher Zeit
existieren noch,
doch diese sind
spärlich. So berichteten etwa die Römer von
einigen Gottheiten und religiösen Praktiken
der schriftunkundigen Kelten, deren Gebiete
sie eroberten, aber ihre Beschreibungen sind
bruchstückhaft. Selbst zusammen mit archä o-
logischen Funden wie Statuen, Altären,
Schmuckstücken und anderen Objekten
ergeben sie nur ein unvollständiges Bild.
Die Mythen mancher Regionen sind uns
allein durch mündliche Überlieferung erhalten
geblieben – Mythen, die erst sehr spät von
Dichtern und Volkskundlern aufgeschrieben
wurden, manche erst im 19. Jh. Viele Götter
und Geschichten Mittel- und Osteuropas haben
auf diese Weise überlebt und erwachten wieder
zum Leben, als sie Schriftsteller, Maler und
Komponisten zu neuen Werken anregten. So
sind etwa Illustrationen des bekannten Buch-
illustrators und Bühnenmalers Iwan Bilibin oder
auch die Musik berühmter Komponisten wie
Tschaikowsky oder Strawinsky durch Geschich-
ten aus der russischen Mythologie inspiriert.
12
EUROPA
EINLEITUNG
DER MENSCH SCHUF DIE
GÖTTER NACH SEINEM BILD.
Der griechische Philosoph Xenophanes (570–480 v. Chr.)
Die bekanntesten Mythen sind uns durch
literarische Werke überliefert. Erzählungen aus
dem alten Griechenland über die Götter des
Olymp, über Helden und Halbgötter blieben
in den Werken griechischer Dichter und
Dramatiker lebendig. Als Homer, Hesiod,
Aischylos und Euripides die alten Mythen in
ihren Werken verarbeiteten, gewannen die
faszinierenden Götter- und Heldengeschichten
über Zeus und Apollon, Herakles und Perseus
noch an Popularität. Später gestaltete eine
neue Generation römischer Dichter, darunter
Ovid und Vergil, diese Geschichten noch
weiter aus. Ein weiteres Beispiel für eine reiche
literarische Kultur, die in ferner Vergangenheit
wurzelnde Stoffe verarbeitet, sind die Wer ke
mittel alter licher Schriftsteller, die die Legende
von König Artus und seiner Tafelrunde sowie
andere Rittergeschichten nacherzählten.
Die literarischen Hinterlassenschaften der
europäischen Mythen lassen auf einen hohen
kulturellen Entwicklungsstand der Gesellschaf-
ten schließen, die sie hervorbrachten. Doch ihr
kultureller Gehalt ist nur die eine Seite, denn in
der mythologischen Welt Europas geht es
oftmals alles andere als kultiviert zu. Blutige
Schlachten, zerstückelte Körper, Götter, die sich
wenig oder gar nicht um Moral scheren – all
dies sind geläufige Elemente der antiken
griechischen und römischen Mythologie. Nicht
minder brutal und furchterregend sind die
Hexen, Riesen, Wasserkobolde, Werwölfe und
anderen finsteren Gestalten, die in vielen
Geschichten aus Mitteleuropa ihr Unwesen
treiben. Auch wenn ihre Wurzeln bis zu den
Anfängen der Kultur zurückreichen, präsentiert
sich die Mythologie Europas bis heute so
vieldeutig und tiefgründig wie eh und je.
13
14
Altar der Göttin Fortuna
Dieser Altar stammt aus der Stadt Cerveteri, eine Gründung der Etrusker, die im nörd-
lichen Mittel italien siedelten, bevor die Römer es eroberten. Der Altar zeigt eine Opfe-
rung für die Schick salsgöttin Fortuna. Später wurde sie auch von den Römern verehrt.
EUROPÄISCHE ANTIKE
EUROPÄISCHE ANTIKE
Die Mythen der alten Griechen und Römer, die von den Liebschaften,
Kämpfen und großen Taten der antiken Götter und Helden erzählen, gehören
zu den bekanntesten Geschichten der Weltliteratur.
Die Kultur des alten Griechenland, die im
5. Jh. v. Chr. ihre Blütezeit erlebte, wurde
nicht von einer großen Nation oder einem
Reich hervorgebracht, sondern von einer
Reihe von Stadtstaaten mit jeweils eigenen
Traditionen, Sitten und Gottheiten. Aus
diesem Grund waren viele Götter und
Göttinnen eng mit bestimmten Orten ver-
bunden, so etwa Athene mit Athen, Zeus
mit Olympia und Apollon mit Delphi.
Doch überall in Griechenland erkannte
man eine große Gruppe von Gottheiten
an, die zueinander standen wie etwa
die Angehörigen einer Großfamilie
mit zahllosen nahen Verwandten. Die
Mitglieder dieses Pantheons von Göttern
Iason, die von großen Abenteuern und Rei-
sen bis in die Unterwelt berichten, werden
bis heute wiedererzählt.
BLEIBENDER EINFLUSS
Den Niedergang der griechischen Kultur
Sizilianischer Tempel
Klassische Tempel wie dieser im sizilianischen Agrigent
waren rechteckige Bauten aus Säulenreihen. Innen befand
sich ein Raum mit einer Statue der Tempelgottheit, der
wertvolle Gaben wie Gold und Silber geopfert wurden.
und Göttinnen verliebten sich und gingen Beziehungen ein
– sogar mit Sterblichen –, trugen gewaltige persönliche und
politische Rivalitäten aus und führten häufig Krieg.
DIE GRIECHEN UND IHRE GÖTTER
Die alten Griechen verehrten ihre Götter, indem sie ihnen
in Tempeln Opfer darbrachten und regelmäßig Feste
zu ihren Ehren veranstalteten. Über ihre Kulte ist viel
bekannt, da zahlreiche Tempel, Kultgegenstände und Sta-
tuen erhalten geblieben sind und griechische Dichter der
Antike religiöse Rituale wie die Opferung von Speisen und
Wein beschrieben. Die Gläubigen hofften, dadurch die
Gunst der Götter zu gewinnen, denn man glaubte, dass
diese großen Anteil am Schicksal der Menschen nahmen.
So soll etwa der Krieg zwischen Griechenland und Troja in
jeder Phase auf beiden Seiten der Konfliktparteien durch
Eingreifen der Götter beeinflusst worden sein.
In griechischen Mythen zeigt sich die Interaktion von
Göttern und Menschen auch in Gestalt zahlreicher Helden –
Figuren, die sterblich sind, häufig aber eine Gottheit als
Elternteil haben und damit auch einige von dessen göttlichen
Eigenschaften. Geschichten von Helden wie Herakles und
überlebten die Mythen auf verschiedene
Weise. Als die Römer ihr riesiges Reich
schufen, übernahmen sie lokale Gott-
heiten der Völker, die sie unterwarfen.
Da die griechischen Götter den ihren
wesensverwandt waren, gingen diese
gewissermaßen in den römischen Gott-
heiten auf, erhielten aber häufig noch
zusätzliche Attribute. So ist etwa der
Himmelsgott Jupiter das römische Pen-
dant zum griechischen Zeus. Die Römer verbanden mit Jupiter
aber auch Gerechtigkeit und die Treue zu Eiden, weshalb die
Magistrate ihm bei Amtsantritt Opfer darbrachten.
Auch Kunst, Architektur und mythologische Darstellun -
gen der Griechen blieben erhalten und übten nachhaltigen
Einfluss aus, insbesondere auf die Maler und Schriftsteller der
Renaissance (um 1350–1550) in Westeuropa.
Das heilige Gewand der Athene
Diese Szene ist Teil eines Wandfrieses, das einmal den Parthenon, den großen Tempel
der Athene auf der Akropolis in Athen aus dem 5. Jh. v.Chr., schmückte. Es zeigt Tempel-
bedienstete, die das heilige Gewand der Athene halten.
15
EUROPÄISCHE ANTIKE
DIE GRIECHISCHE
SCHÖPFUNG
Mehrere Schöpfungsgeschich ten in der griechischen Mythologie
erzählen, wie Schöpfergottheiten das Universum formten, ehe die
ersten Geschlechter den Kosmos bevölkerten. Diese Geschichten
bilden den Hintergrund für die Geburt der Götter und Göttin-
nen, die die antike Mythologie weitgehend beherrschen und
nach allgemeiner Vorstellung auf dem Olymp lebten.
DER MYTHOS
Am Anfang war nichts als dunkle Leere, Chaos genannt.
Dieser Leere entsprang eine Schöpferkraft, die in den
verschiedenen Mythen unterschiedliche Namen und Gestalt
hat. In manchen war sie eine Göttin namens Eurynome, die
sich mit der Urschlange Ophion paarte, um den Schöp-
fungsprozess in Gang zu setzen, während sie anderen
zufolge Gaia, Mutter Erde, war.
DAS WELTENEI
Eurynome nahm die Gestalt einer Taube an und legte ein
großes Ei, um das sich Ophion wand. Durch die Schlange
gewärmt, schlüpften aus dem Ei Uranos, der Himmel,
Ourea, die Gebirge, Pontos, das Meer, und alle Sterne und
Planeten. Gleichzeitig entsprang dem Ei Gaia, die Erde, mit
ihren Bergen und Flüssen. Als so der Kosmos entstanden
war, begaben sich Eurynome und Ophion zum Olymp,
wo sie sich niederließen. Doch Ophion erklärte sich zum
alleinigen Schöpfer des Kosmos, und Eurynome
bestrafte ihn dafür, indem sie ihn erst mit den
Füßen trat und schließlich
für immer in die Unter-
welt verbannte.
MUTTER ERDE
Einem anderen Mythos zufolge war Gaia
16
die Urschöpferin. Sie vereinigte sich mit
Uranos, dem Himmel, und dieser sandte
lebensspendendes Wasser auf sie herab. Aus
dieser Verbindung entstanden nicht nur die
Seen und Meere der Erde, sondern auch die
Die Taube
Ophion
Die Schlange Ophion wand
sich um das Ei der Eurynome,
das den Anfang aller Dinge, die
existieren, enthielt.
ersten Lebewesen, die die
Welt bevölkerten, zunächst
die hundertarmigen Riesen
(Hekatoncheiren), von denen
Die Geschichte von Euronyme, die sich
in eine Taube verwandelt, ist sehr alt
und findet sich vor allem in Fragmenten
antiker griechischer Schriften.
jeder 50 Köpfe und 100 Arme besaß. Ihnen folgten die
Kyklopen, einäugige Riesen, die der Schmiedekunst kundig
waren. Manche sagen, dass sie später den Gott Asklepios
angriffen, worauf dessen Vater Apollon sie tötete. Ihre Geis-
ter spuken aber noch immer in den Höhlen unter dem Vul-
kan Ätna. Andere sagen, dass die Macht und Kunstfertigkeit
der Kyklopen Uranos Angst einjagte, und da
er fürchtete, sie könnten ihm seine Macht
rauben, verbannte er sie in die Unterwelt.
Das bedeutendste Geschlecht, das Gaia
und Uranos zeugten, waren die Riesen,
die so genannten Titanen. Sie wurden die
ersten Herrscher über die Erde und grün-
deten mit ihren weiblichen Gefährtinnen,
den Titaninnen, Familien. Ihre Kinder,
darunter Helios, der Sonnengott, und
Eos, Göttin der Morgenröte, beides Kinder
des Titanen Hyperion, sollten zu den mäch-
tigsten Göttern und Göttinnen gehören. Am
einflussreichsten aber waren die Kinder des
Kronos, des Anführers der Titanen, denn sie
wurden die Götter des Olymp.
EUROPÄISCHE ANTIKE
SCHLÜSSELFIGUREN
Der altgriechische Kosmos beginnt mit schemenhaften Gestalten,
deren Hauptaufgabe es ist, die Schöpfung in Gang zu bringen.
Sie besitzen aber nicht die differenzierten Persönlichkeiten der
späteren Götter des Olymp. Eurynome etwa wird als Göttin aller
Dinge beschrieben, die durch das Urchaos tanzen oder die Gestalt
eines Vogels annehmen kann, der das Weltenei legt. Andere Figuren
wie Kronos, ursprünglich ein Erntegott, herrschen über Kräfte der
Natur. Die Titanin Rheia war wie Gaia eine Urgöttin, eine Mutter-
gestalt, die stark mit der Erde identifiziert wurde. Die Titanen
herrschten auch über verschiedene Himmelskörper: Phoibe und
Atlas über den Mond, Rheia und Kronos über den Saturn, Theia und
Hyperion über die Sonne.
Gaia, die Muttergöttin
Mit ihrem Gefährten Uranos soll
Gaia Meere, Flüsse und Berge
gezeugt haben.
Kronos verschlingt eines
seiner Kinder
Der Titan Kronos, der seine ersten
fünf Kinder fraß (S. 18), lebte mit
seiner Gefährtin Rheia in einer
Felsenfestung auf dem Berg Othrys.
Uranos
Kronos, angestachelt von seiner
Mutter Gaia, entmannte seinen
Vater Uranos, weil dieser Gaias
andere Kinder gefangen hielt.
RIESEN UND KYKLOPEN
Zu den ersten Kreaturen im Universum gehörten Geschlechter von
Riesen wie die einäugigen Kyklopen und die hundertarmigen Riesen.
Diese Geschlechter besaßen übermenschliche Kräfte und sahen
Furcht einflößend aus, weshalb die Titanen sie in die Unterwelt ver-
bannten. Spätere Mythen berichten jedoch von Kyklopen, die auf die
Erde zurückfanden und dort als Hirten lebten. Die
meisten dieser Kyklopen waren sanftmütig,
einige aber auch Menschenfresser.
Rheia täuscht Kronos
Um ihr sechstes Kind vor Kronos
zu retten, überreichte Rheia die-
sem einen in Windeln gehüllten
Stein (S. 18).
TRINITÄTEN
Die Titanen und andere Urwesen
zeugten eine Reihe von Kindern, die
niederere Gottheiten als sie selbst
waren, aber dennoch großen Einfluss
auf andere ausüben konnten. Nicht
selten waren es Dreiergruppen wie die
Hesperiden und die Moiren. Letztere
besaßen enorme Macht und lenkten
nicht nur das Leben der Menschen,
sondern auch das der Götter. Die
Griechen glaubten, dass sich niemand
ihrer Macht entziehen konnte.
Die drei Hesperiden
Kyklopen
Kyklop bedeutet so viel wie
»Rundauge«. Die Kyklopen
besaßen ein einzelnes Auge
mitten auf der Stirn.
Hundertarmige Riesen
Die hundertarmigen Riesen lebten im Tartaros,
der tiefsten Region der Unterwelt, wohin sie von
ihrem Vater Uranos verbannt worden waren.
Die Töchter des Titanen Atlas
wurden Hesperiden genannt, was
»Töchter des Abends« bedeutet.
Sie hüteten einen Garten, in dem
ein Baum mit goldenen Äpfeln
stand (S. 48–49).
Die drei Moiren
Die drei Schicksalsgöttinnen waren
die Töchter der Nacht. Klotho spann
den Lebensfaden, Lachesis maß seine
Länge ab, und Atropos trennte ihn am
Ende des Lebens durch.
SIEHE AUCH Europäische Schöpfungsgeschichten 90–91, 100–103 • Riesen 64–67, 96–97, 104–105
17
DIE GRIECHISCHE SCHÖPFUNG
DER KOSMISCHE KRIEG
Die Götter des Olymp, die in den meisten
Mythen des alten Griechenland eine tragende
Rolle spielen, gewinnen nach einem langen
Krieg gegen die Titanen, ihre Vorfahren und
Rivalen, die Herrschaft über das Universum.
In der Geschichte dieses kosmischen
DER MYTHOS
Weil ein Orakel dem Titaten Kronos prophe-
zeit hatte, dass eines seiner Kinder ihn töten
würde, verschlang er den Nachwuchs seiner
Frau Rheia gleich nach der Geburt. Nachdem
Kronos so fünf Kinder getötet hatte, ersann
Rheia einen Plan. Nach der Geburt ihres
sechsten Kindes Zeus brachte sie diesen nach
Kreta, wo ihn die Ziegennymphe Amaltheia auf-
zog. Kronos hingegen gab sie einen in Windeln
gehüllten Stein, den er verschlang.
Krieges finden sich viele Motive – Weis-
sagungen, verlorene Kinder oder Rache –, die
in späteren Mythen zum Thema werden. Am
Ende des Kampfes war Zeus Herrscher über
das Universum, und die geschlagenen Titaten
wurden in die Unterwelt verbannt.
Schild und Schwert
Die Griechen stellten kunstvolle
Waffen aus Bronze her. Mythen über
Schmiede wie die Kyklopen zeigen
die Bedeutung dieses Handwerks.
ZEUS KEHRT ZURÜCK
Als Zeus erwachsen war, offenbarte Amaltheia ihm seine
wahre Herkunft und erzählte ihm, dass Kronos seine
Geschwister verschlungen hatte. Zornig beschloss Zeus,
an seinem Vater
Rache zu nehmen.
Die Titanin Metis
verriet ihm, wie er
seine Brüder und
Schwestern noch
retten konnte. Sie
gab ihm ein Mittel,
das er Kronos
verabreich te, worauf
dieser alle seine
Schlachtgetümmel
Götter und Riesen
18
schleuderten riesige Felsen
aufeinander. Dieses Gemälde
zeigt eine Szene aus der
Gigantomachie, dem Kampf
zwischen den Göttern und
Gaias Kindern, den Riesen.
Kinder wieder erbrach. Nachdem Zeus seine
Geschwister, die Götter Poseidon und Hades
und die Göttinnen Hera, Hestia und Demeter,
gerettet hatte, befreite er die Kyklopen, jene
einäugi gen Riesen, die Uranos in die Unterwelt
verbannt hatte. Unter Zeus’ Führung erklärten
Götter und Kyklopen Kronos den Krieg.
Beide Seiten waren gleich stark, und der
Konflikt schien endlos zu währen. Doch die
Kyklopen waren meisterliche Schmiede. Sie
fertigten eine Reihe magischer Waffen an,
darunter einen Blitz für Zeus, einen Dreizack für Poseidon
und für Hades eine Tarnkappe, die ihn unsichtbar machte.
Mit ihrer Hilfe errangen die Götter schließlich den Sieg und
damit die Herrschaft über den Kosmos. Die Titanen wurden
in den Tartaros verbannt, eine Region der Unterwelt, die
von furchterregenden Ungeheuern bewohnt und von den
hundertarmigen Riesen bewacht wurde.
ERNEUTE KÄMPFE
Gaia war außer sich darüber, dass man ihre Kinder in
den Tartaros verbannt hatte, und so begann sie mit ihren
anderen Kindern, den Giganten, einen neuen Krieg gegen
die Götter. Am Ende trugen die Götter den Sieg davon, und
die Giganten ware dazu verurteilt, fortan unter Vulkanen
zu leben. Doch noch war die Herrschaft der Götter nicht
ge sichert. Ein letztes Mal wurde Zeus von einem weiteren
Kind Gaias herausgefordert, dem Ungeheuer Typhon, das
viele Köpfe und zahllose Arme und Beine besaß. Zeus
konnte das Ungeheuer zwar mit seinem Blitz verwunden,
doch es schleuderte weiter riesige Felsen nach ihm. Zeus
ließ die Felsen an seinen Blitzen zurückprallen. Schließlich
schleuderte er Typhon in den Tartaros hinab, und damit war
seine Herrschaft endgültig gesichert.
EUROPÄISCHE ANTIKE
DER KOSMISCHE KRIEG
DIE WAFFEN DER GÖTTER
Die griechischen Götter waren in mehrfacher Hinsicht den
ATLAS
Menschen ähnlich. Wenn sie Krieg führten, stellten die Griechen
sie sich in Menschen gestalt und mit Waffen vor. Diese Waffen
fertigte Hephaistos, Gott der Schmiedekunst und des Feuers und
eine Art himmlischer Schmied, doch sie besaßen weitaus stärkere
Kräfte als irdische Schwerter und Dolche. Wenn Zeus seinen Blitz
schwang oder Poseidon mit seinem Dreizack zuschlug, erbebte der
ganze Kosmos. Mitunter schmiedete Hephaistos auch Waffen für
Sterbliche, z.B. Achilles (S. 60–61), und wenn ein Held besonders
geschickt mit Waffen umging, hieß es, sie seien
von Hephais tos geschmiedet worden.
Dreizack
Poseidons Waffe war
der Dreizack. Mit ihm
entfachte er Stürme,
ließ die Erde erbeben
und holte selbst neue
Inseln vom Meeresgrund
herauf.
Atlas, Sohn des Titans Iapetos
und der Meeresnymphe Kly-
mene, herrschte über das Insel-
reich Atlantis. Er hatte zahl-
reiche Untertanen, aber als sie
degenerierten, beschlossen
die Götter, sie zu bestrafen.
Sie sandten eine große Flut, die
alle Menschen tötete und Atlantis
im Meer versinken ließ. Empört
über den Verlust seines König-
reichs, führte Atlas die Titanen
im kosmischen Krieg gegen
die Götter an. Nachdem die
Götter gesiegt hatten, musste
Atlas als Strafe fortan das
Himmelsgewölbe auf seinen
Schultern tragen.
Himmelsträger
Blitz
Mit seinem Blitz erschütterte
Zeus nicht nur den Himmel,
sondern er vermochte ihn auch
zielgenau zu schleudern, um sei-
nen Gegner zu töten oder dessen
Waffe zu zerschmettern.
Tarnkappe
Hades’ Tarnkappe machte ihn
unsichtbar, sodass er seine Gegner
unbemerkt angreifen konnte. Als
Herrscher der Unterwelt wurde er
in der antiken griechischen Kunst
niemals dargestellt.
Das Himmelsgewölbe auf
Atlas’ Schultern wurde
mitunter für die Erde
gehalten. Aus diesem
Grund verwendet man
seinen Namen für Bücher,
die Landkarten enthalten.
TARNUNGEN DER GÖTTER
Ein wiederkehrendes Motiv in der griechischen
TYPHON UND DIE WINDE
Gaia gebar das Feuer speiende Ungeheuer Typhon,
Mythologie sind die Tarnungen der Götter, die es sich
immer wieder zunutze machten, ihre Gestalt wandeln
zu können. Als die Götter beispielsweise von dem
Ungeheuer Typhon herausgefordert wurden, flohen
sie mit Ausnahme der tapferen Athene nach Ägypten,
wo sie sich in unterschiedliche Kreaturen verwan-
delten und versteckten. Zeus gab
seine Tarnung aber schließlich
auf und kämpfte gegen das
Ungeheuer.
Der Widder
Der sonst mutige Zeus verwandel te
sich in einen Widder, ein angriffs-
lustiges Tier mit eindrucksvollen
Hörnern.
Die Krähe
Apollon, der Gott
der Musik, gab sich
wenig schmeichelhaft
als Krähe aus, um sich zu
verbergen.
Die Katze
Artemis, Göttin der Jagd und selbst
Jägerin, nahm die Gestalt einer
Katze an, eines Tiers, das
ebenfalls jagt.
den Gott der Winde, denn sie wollte einen Sohn,
der stark genug war, um die Götter zu besiegen.
Einige Mythen erzählen, dass Zeus ihn überwältigte
und in die Unterwelt verbannte. Anderen Mythen
zufolge überlebte er und ließ sich auf dem Olymp
nieder. Dort schloss er Frieden mit den Göttern,
entfachte aber gelegentlich äußerst heftige Stürme,
Taifune genannt.
Wieder anderen
Berichten zufolge
hauste er im Ätna,
wo er Rauch und
Lava spie.
Typhon in der Hölle
In der verbreitetsten
Version des Mythos
wurde Typhon nach seiner
Niederlage gegen Zeus in
die Unterwelt verbannt.
SIEHE AUCH Kriege 60–61, 98–99, 104–105, 116–119, 126–127, 170–171, 176–177, 206–207
19
DIE ZWÖLF
OLYMPIER
Die zwölf großen Gottheiten der griechischen Mytholo-
gie, die auf dem Olymp lebten, waren Göttervater Zeus,
Aphrodite, Apollon, Ares, Artemis, Athene, Demeter,
Hephaistos, Hera, Hermes, Hestia und Poseidon. Der
Stammbaum zeigt ihre Verwandtschaftsverhältnisse
untereinander sowie zu einigen Titanen (S. 16–19) und
niedrigeren Göttern.
GAIA
KYKLOPEN
KRONOS
RHEIA
POSEIDON
HESTIA
DEMETER
HADES
ZEUS
PERSEPHONE
HERA
ZEUS
Demeter
Poseidon
Hestia
HEPHAISTOS
20
Hephaistos
Ares
APHRODITE
ARES
HEBE
EUROPÄISCHE ANTIKE
DIE ZWÖLF OLYMPIER
Aphrodite
URANOS
APHRODITE
RIESEN
UNGEHEUER
Zeus und Hera
KOIOS
PHOIBE
OKEANOS
TETHYS
ZEUS
LETO
Artemis
ASTERIA
KLYMENE
APOLLON
ARTEMIS
PROMETHEUS
ZEUS
ATHENE
PLEIONE
ATLAS
METIS
EPIMETHEUS
IAPETOS
MAIA
Athene
HERMES
Apollon
ZEUS
Hermes
21
Die Götter des Olymp
In den Mythen lebten die griechischen Götter
auf dem Olymp, dem höchsten Berg Griechen-
lands. Maler der Renaissance stellten sie
häufig in einem wolkenreichen Himmel dar.
ZEUS
Zeus, Sohn der Titanen Kronos und Rheia, war der Gott des
Himmels und des Donners, seine gefürchtetste Waffe der von
den Kyklopen angefertigte Blitz. Er wurde Oberhaupt der Göt-
ter, nachdem er sie im kosmischen Krieg (S. 18–19) gegen die
Titanen angeführt hatte. Obwohl mit der Göttin Hera verheira-
tet, war er für seine zahlreichen Liebschaften berüchtigt, die er
mit Göttinnen, Nymphen und Sterblichen hatte. Einige seiner
Kinder erlangten große Macht über die Menschen.
ZEUS’ VERWANDLUNGEN
Der Glanz von Zeus’ Körper konnte Sterbliche in Schre-
cken versetzen und sein Blitz alles verbrennen, dem er nahe
kam. So waren viele Objekte seiner Lust unwillig, sich ihm
hinzugeben, sodass er sich ihnen in anderer Gestalt näherte:
zu Europa kam er als Stier, zu Danae als Goldregen, zu
der thebanischen Prinzessin Antiope als Satyr, zu Leda als
Schwan. Alkmene (S. 46) täuschte er, indem er die Gestalt
ihres Gatten Amphitryon annahm. Den Jüngling Ganymed, in
den er sich verliebt hatte, trug er als Adler davon. Auch
die Objekte seiner Liebe konnte Zeus verwandeln. So
ließ er etwa Io, eine Priesterin der Hera, zu einer Kuh
werden, und Kallisto, eine Nymphe der Artemis, zu
einer Bärin, um den Argwohn seiner Frau Hera zu
beschwichtigen.
Göttervater Zeus
Zeus, das Oberhaupt der
Götter, überließ es meistens
seinen zahlreichen Nach-
kommen, auf das Leben
der Menschen Einfluss zu
nehmen. Er selbst nutzte
seine Macht nur selten.
Europa und der Stier
Der Phönizierin Europa näherte sich
Zeus als weißer Stier. Als diese ihn
streichelte und auf seinen Rücken
stieg, stob er mit ihr davon.
Danae und der Goldregen
Danaes Vater hatte sie in einen Turm gesperrt,
da ihm der Tod durch seinen zukünftigen Enkel
prophezeit worden war, doch Zeus schwän-
gerte sie in Gestalt eines Goldregens.
Leda und der Schwan
24
Zeus näherte sich Spartas Königin Leda als
Schwan. Zu ihren Kindern gehörten Helena von
Troja (S. 60–61) und die Dioskuren (S. 83).
EUROPÄISCHE ANTIKE
ZEUS
ZEUS UND HERA
Das göttliche Paar
Hera war notorisch eifersüchtig auf ihren untreuen Gatten. Ihre
Anhänger betonen dennoch den Wert der Ehe, und manche
Künstler stellten sie und Zeus als liebendes Paar dar.
Zeus nahm seine Schwester Hera, Göttin der Ehe, zur Frau, die
übergangen worden war, als die großen Götter Zeus, Poseidon
und Hades den Kosmos unter sich aufteilten. Durch die Heirat
mit Zeus erhielt sie die Macht, die ihr versagt worden war. Die
meisten Geschichten über Hera erzählen von ihrer Eifer-
sucht aufgrund der zahlreichen Affären ihres Gatten und von
Racheakten an ihren Rivalinnen. Als Io in eine Kuh verwandelt
wurde, sandte Hera eine Bremse, die sie unablässig stach und
so in den Wahnsinn trieb. Als die Göttin Leto Kinder von Zeus
erwartete, verbat Hera allen Ländern der Welt, sie aufzuneh-
men. Semele brachte sie dazu, Zeus zu bitten, ihr in all seinem
Glanz zu erscheinen. Als Zeus widerstrebend nachgab, wurde
Semele durch seinen mächtigen Blitz zu Asche verbrannt. Hera
verfolgte auch die Kinder aus Zeus’ Liebschaften, wie etwa den
Helden Herakles (S. 46–47), den sie in den Wahnsinn trieb,
worauf dieser seine Frau und seine Kinder tötete. Den meisten
ihrer Opfer fügte Hera aber keinen dauerhaften Schaden zu.
Die drei Grazien
Die Grazien, Begleiterinnen von Aphrodite und Eros,
brachten den Menschen Glück, vor allem in der Liebe.
Ihr Atem ließ Pflanzen gedeihen.
DIE MUSEN
Die Töchter von Zeus und Mnemosyne waren Schutzgöt-
ZEUS’
KINDER
Zeus hatte mit verschiedenen
Frauen Dutzende Kinder, von
denen einige in der griechischen
Mythologie bedeutende Rollen
spielen – als Unsterbliche, die über verschiedene Aspekte
des Kosmos herrschten, oder als Helden, die große Taten
vollbrachten. Zeus und seine Gattin Hera waren die Eltern
der Göttern Ares (Kriegsgott) und Hebe (Mundschenkin
der Götter). Hermes entstand aus Zeus’ Liaison mit Maja,
aus seiner Affäre mit Metis ging Athene (S. 36) hervor.
Mit Leto zeugte er die Zwillinge Apollon und Artemis, mit
Eurynome die drei Grazien. Aus seiner Verbindung mit der
Titanin Mnemosyne (Erinnerung) entstanden die Musen,
aus der mit Ananke die Moiren. Unter seinen sterblichen
Geliebten war Europa die Mutter von Sarpedon (Held im
Trojanischen Krieg), Minos (König von Kreta) und Rha-
damanthys (König von Kreta; nach seinem Tod Herrscher
über Elysion und Richter im Hades). Danae gebar den
Helden Perseus, Alkmene den berühmten Herakles.
tinnen der Künste und wurden mit Apollon als Gott der
Künste in Verbindung gebracht. Ursprünglich gab es viele
Musen, die gemeinsam Dichter und Künstler inspirier-
ten, spätere Autoren nannten jedoch neun, die jeweils für
spezielle Dinge zuständig waren – Kalliope (Dichtung), Klio
(Geschichtsschreibung), Erato (Lyrik), Euterpe (Instrumen-
talmusik), Melpomene (Tragödie), Polyhymnia (Harmonie),
Terpsichore (Tanz und Chorlyrik), Thalia (Komödie) und
Urania (Wissenschaft und Himmelskunde). Wie es hieß,
lebten die Musen auf Bergen, wo sie mit ihrem Gesang und
Tanz alle entzückten und inspirierten, die ihnen begegneten.
Die Musen mit Apollon
25
SIEHE AUCH Himmelsgötter 114–115, 142–143, 158–163, 188–189, 236–239, 252–253, 266–267, 294–297, 318–319, 338–339
ERSCHAFFUNG
DER MENSCHEN
Anders als in vielen anderen Kulturen gab es bei den alten
Griechen nicht nur eine Geschichte über die Entstehung der
Menschheit, sondern die griechischen Mythen berichten von
mehreren Versuchen. Erst nach drei Fehlschlägen entstand das
Menschengeschlecht – sein Urheber bleibt jedoch ungewiss. Der
Ursprung bedeutender kultureller Leistungen wie die Beherr-
schung des Feuers wird hingegen stets dem Titanen Prome-
theus, einem Freund der Menschen, zugeschrieben.
DER MYTHOS
Der erste Versuch zur Erschaffung von Menschen fand
statt, als die Titanen unter Kronos den Kosmos regierten
(S. 16–17). Dabei entstand die Goldene Rasse, die ein
ideales Leben ohne Arbeit und Altern wie ein immerwäh-
rendes Fest führte. Als diese Wesen schließlich starben,
war ihr Tod wie ein friedvoller Schlaf, aber die Erde war
von Neuem unbewohnt.
Um die Leere zu füllen, beschlossen die Olympier
26
(S. 20–21) die Silberne Rasse zu erschaffen, die lange lebte,
aber nur langsam erwachsen wurde. Die Kinder wurden
von ihren Müttern sorgsam aufgezogen und benötigten
hundert Jahre, um das Erwachsenenalter zu erreichen.
Doch sie erwiesen sich als träge und dumm, bekämpften
einander unablässig und starben als
Erwachsene meist rasch. Zudem wei-
gerten sie sich, die Götter anzubeten
oder auch nur zu respektieren, sodass
Zeus sie erzürnt in die Unterwelt
verbannte. Dann formte Zeus aus
Ton ein neues Geschlecht. Die
Wesen dieser Rasse trugen bronzene
Rüstungen und benutzten bronzene
Werkzeuge, weshalb sie die Bronzene
Rasse genannt wurden. Wie die Sil-
berne Rasse waren sie aggressiv und
vernichteten einander gegenseitig in
gnadenlosen Kämpfen.
Prometheus stiehlt das Feuer
Prometheus stahl ein kleines Feuer auf
dem Olymp und hüllte es in Fenchel ein,
um es sicher zu den Menschen tragen
zu können.
DIE MENSCHEN
Schließlich erschienen die Menschen.
Einigen Mythen zufolge hatte der Titan
Prometheus sie aus Ton geformt. Er wurde Beschützer der
Menschen, lehrte sie wichtige Fertigkeiten wie Schifffahrt
und Heilkunst und zeigte ihnen, wie sie den Göttern
opferten, nämlich indem sie einen Teil des Fleischs für sich
behielten und den Rest den Göttern darbrachten. Einmal
töteten die Menschen einen Stier, waren sich aber uneins,
was sie opfern sollten. Prometheus hüllte das Fleisch in die
Haut des Stiers und die Knochen in sein
Fett. Zeus wählte die eingehüllten Kno-
chen. Als er die Täuschung entdeckte,
war er so erbost, dass er den Menschen
das Feuer verweigerte.
DIEB DES FEUERS
Prometheus, der Menschenfreund, stahl
Die Schmiede des Hephaistos
Prometheus fand das Feuer in der Schmiede des Hephais-
tos, wo der Gott (nach manchen Mythen auch die Kyklo-
pen) Zeus’ Blitz und andere mächtige Waffen schmiedete.
das Feuer aus dem Himmel und brachte
es den Menschen, damit sie ihr Essen
garen und und sich wärmen konnten.
Zur Strafe ließ Zeus den Titanen an einen
Felsen ketten und jeden Tag einen Adler
an seiner Leber hacken.
EUROPÄISCHE ANTIKE
DAS GOLDENE ZEITALTER
Während des Goldenen Zeitalters wurde die Welt von Kronos
beherrscht. Es war eine Zeit des Friedens, in der es keinen
Krieg und kein Unrecht gab und niemand arbeiten musste, da
die Natur ausreichend Nahrung lieferte. Später
wurde der Begriff des Goldenen Zeitalters zum
Synonym für eine Zeit in ferner Vergangenheit,
in der paradiesische Verhältnisse herrschten.
Als in der Renaissance (etwa 1350–1550)
italienische Maler und Schriftsteller die Kultur
des alten Griechenland wiederentdeckten, kam
die Idee vom Goldenen Zeitalter in Mode und
wurde ein beliebtes Thema in der Malerei.
Die Goldene Rasse
Renaissancemaler stell-
ten das Goldene Zeitalter
als eine Zeit des Friedens
dar, in der Menschen und
wilde Tiere einträchtig
zusammenlebten.
GEFESSELTER PROMETHEUS
Weil Prometheus den Göttern das Feuer gestohlen
hatte, ließ Zeus ihn an einen Felsen an der Grenze
zwischen Erde und Chaos ketten. Dort musste er
entsetzliche Qualen erleiden, weil ein Adler an seiner
Leber hackte, die sich jede Nacht erneuerte, sodass
die Tortur kein Ende fand. Prometheus sollte gefesselt
bleiben, bis ein anderer seine Stelle einnehmen würde.
Nach Tausenden von Jahren erbot sich der verwundete
Kentaur Cheiron, doch als er zu dem Felsen kam,
verwandelte Zeus ihn in ein Sternbild. Prometheus aber
wurde von dem griechischen Helden
Herakles erlöst, der den Adler
tötete (S. 46–47).
Prometheus’ Strafe
Jeden Morgen erschien ein Adler,
der den ganzen Tag über an Pro-
metheus’ Leber pickte. Nachts
wuchs sie nach, sodass
Prometheus am
nächsten Tag
von Neuem
Qualen litt.
Kronos
Kronos, der seine eigenen
Kinder fraß (S. 18), gilt
dennoch als sanfter und
gerechter Herrscher des
Goldenen Zeitalters. Er
wurde als Erntegott verehrt.
PANDORA
Aischylos
Der griechische
Dramatiker Aischylos,
der im 5. Jh. v. Chr.
lebte, schrieb mehrere
Stücke über den
Prometheus-Mythos.
Nach dem Raub des Feuers wollte Zeus die Menschen
bestrafen. Er – manche sagen, Hephaistos – schuf
die wunderschöne Sterbliche Pandora. Sie heiratete
Prometheus’ Bruder Epimetheus,
der sie auf die Erde brachte. In
einem Krug gaben die Götter ihr
Geschenke mit. Als sie den Krug
öffnete, entwichen aus ihm
Seuchen und Katastrophen,
die Elend über die Mensch-
heit brachten. Das einzig
Positive darin war Hoff-
nung, die den Menschen
Trost spendete.
Pandora
Vorratskrug
Maler stellen Pandora oft mit einer Büchse
dar, doch griechische Quellen sprechen
von einem pithos, einem Vorratsgefäß.
SIEHE AUCH Die ersten Menschen 90–91, 162–163, 168–169, 250–251, 282–283, 306–307, 314–315, 328–329
27
ERSCHAFFUNG DER MENSCHEN
APOLLON
Der als schöner junger Mann dargestellte Gott Apollon, Sohn von Zeus
und Leto, herrschte über viele Aspekte des Lebens. Als Schutzgott
der Bogenschützen fügte sein Bogen Menschen Qualen zu,
aber er war auch Gott der Heilkunst und Vater des
mythischen Arztes Asklepios, Gott der Musik und
der Künste und ein begnadeter Lyraspieler. Zudem
wurde er als Gott des Lichts und der Sonne verehrt.
DIE LYRA DES APOLLON
Als Apollon einmal durch eine Liebelei abgelenkt war, ließ er seine
herrliche Rinderherde unbewacht. Hermes, der die Tiere schon lange
bewundert hatte, stahl sie und versteckte sie in einer Höhle. Doch
Apollon, der die Gabe der Weissagung besaß, wusste genau, wo
sich seine Rinder befanden, und machte sich auf,
um sie zurückzufordern. Als er zu Hermes kam,
begann dieser auf einem Instrument zu spielen, das
er aus den Därmen eines der Rinder gefertigt hatte.
Verzaubert vom Klang der Lyra, willigte Apollon ein,
die Tiere gegen sie einzutauschen.
Apollon mit seiner Lyra
Die Lyra des Apollon (auch
Kithara genannt) bestand aus
Därmen, die über einen Schild-
krötenpanzer gespannt waren.
Hermes
Hermes, Trickster (S. 97) und Götter-
bote, trug Flügelsandalen, mit denen
er sich zwischen Olymp, Erde und
Unterwelt bewegte.
Eros
28
APOLLON UND DAPHNE
Nachdem Apollon die Schießkünste des Liebesgottes Eros verhöhnt
hatte, beschloss dieser, sich zu rächen. Er schoss einen Pfeil mit gol-
dener Spitze auf Apollon ab, damit er sich in die Nymphe Daphne
verliebte. Auf diese schoss Eros jedoch einen Pfeil mit bleierner
Spitze, damit sie Apollon zurückwies. Als Apollon die Nym-
phe verfolgte, betete diese zu Zeus, er möge ihr eine Gestalt
geben, die sie vor Apollons Zudringlichkeit schützte, worauf
Zeus sie in einen Lorbeerbaum verwandelte.
Die Nymphe Daphne war
eine begeisterte Jägerin, die
gern durch Wälder und wilde
Landschaften streifte.
Daphne
Als Zeus die
fliehende Daphne in
einen Lorbeerbaum
verwandelte, wand
Apollon aus dessen
Zweigen einen Kranz
für sein Haupt.
EUROPÄISCHE ANTIKE
APOLLON UND DELPHI
Als Zeus’ Ehefrau Hera entdeckte, dass ihr Mann eine Liebschaft mit
Leto (S. 25) hatte, beschloss sie, Rache an der Geliebten zu nehmen.
Sie sandte ihr die große Schlange Python, die auf dem Gipfel des
Berges Parnass hauste und die Gegend um Delphi verwüstete. Apol-
lon tötete die Schlange mit einem Bogen und Pfeilen, die ihm der
göttliche Schmied Hephaistos (S. 39) gegeben hatte. Danach wurde
Delphi dem Apollon geweiht und zu seinen Ehren ein Tempel errich-
tet. Alle vier Jahre hielt man die pythischen Spiele ab, um Apollons
Sieg über den Python zu gedenken. Zu ihnen gehörten Dichter- und
Musikwettstreite und Sportveranstaltungen. Seitdem ist Apollon mit
Delphi eng verbunden.
Apollon tötet den Python
Der Gott tötete den riesigen Python
mit seinen vergifteten Pfeilen.
Apollon besaß Heilkräfte, konnte mit
seinen Pfeilen aber auch Krankheit
und Tod bringen.
Der Tempel in Delphi
Der Tempel Apollons in Delphi wurde um das 7. Jh. v. Chr. erbaut.
Er steht auf einem Hügel und war ursprünglich von Statuen
mythischer griechischer Helden umgeben.
DAS ORAKEL VON DELPHI
Apollon besaß die Gabe der Weissagung. In Delphi befragte seine
Priesterin Pythia das Orakel, während sie auf einem Dreifuß saß
und Lorbeerblätter und eine Schale mit Wasser aus der Quelle
Kassotis hielt. In Trance beantwortete sie Fragen, die politische
und religiöse Inhalte haben konnten, aber auch Fragen zur
Zukunft der Ratsuchenden. Da die Worte der Pythia schwer zu
verstehen waren, deuteten
Priester sie für die Zuhö-
rer. Doch auch diese
Deutungen waren
verwirrend und
schwer verständ-
lich – aber sie
bewahrheiteten
sich oft auf die selt-
samste und unvor-
hersehbarste Weise.
Pythia
Musikalischer Wettstreit
Aus Dummheit legte sich Marysas mit Apollon an, der ihn
austrickste und für seine dreiste Anmaßung auf grausame
Weise bestrafte.
DIE BESTRAFUNG DES MARSYAS
Der Satyr (S. 32) Marsyas spielte die Doppelflöte ebenso begnadet wie
Apollon die Lyra. Da er sich aber für den besseren Musiker hielt, for-
derte er den Gott zu einem Wettstreit heraus. Apollon willigte unter der
Bedingung ein, dass der Sieger den Verlierer auf beliebige Weise bestrafen
durfte. Niemand konnte entscheiden, wer schöner musizierte, bis Apollon
vorschlug, die Instrumente verkehrt herum zu spielen, was mit einer Lyra,
aber nicht mit einer Flöte möglich war. Apollon wurde zum Sieger erklärt.
Er fesselte Marsyas an eine Fichte und häutete ihn bei lebendigem Leib.
SIEHE AUCH Sonnengötter 114–115, 160–161, 188–189, 218–219, 222–223, 238–239, 290–291, 314–315, 318–319
29
APOLLON
POSEIDON
UND DIE FLUT
Da viele Griechen auf Inseln oder in Siedlungen nahe der
Küste lebten, wurde ihr Leben vom Meer bestimmt. Aus
diesem Grund war der Meeresgott Poseidon einer der
mächtigsten Götter des Olymp, der heftige Stürme ent-
fachen und Naturkatastrophen wie Erdbeben auslösen
konnte. Aber er strebte nach noch mehr Macht und
stritt mit Athene um die große Ehre, Schutzgottheit
der Stadt Athen zu werden.
DER MYTHOS
Poseidon und Athene wollten beide Schutzgottheit der Stadt
Athen werden. Doch anstatt gegeneinander zu kämpfen,
beschlossen sie, ihren Disput durch einen Wettstreit beizu-
legen, wer den Menschen der Stadt das bessere Geschenk
machen würde. Der Meeresgott bestieg die Akropolis, und
oben angelangt, stieß er seinen Dreizack in den Boden, wo
eine salzige Quelle entsprang. Dann kam Athene mit ihrem
Geschenk zur Akropolis: dem ersten Olivenbaum der Stadt.
DAS URTEIL DER GÖTTER
Zeus rief die Götter des Olymp zusammen, die beurteilen
sollten, welches das großartigere Geschenk sei. Der Anblick
der Quelle war beeindruckend, doch nutzte Salzwasser
den Menschen wenig. Der Olivenbaum hingegen lieferte
Früchte, deren Öl zum Kochen und für Lampen verwendet
werden konnte. Und
Olivenöl war nicht
nur für die Athener
wertvoll, sondern auch
für jene, mit denen sie
handelten, was bedeutete,
Streit mit Athene
30
Poseidon mit seinem Dreizack und
Athene mit ihrem Speer waren Furcht
einflößende Gegner, aber sie legten
ihren Streit friedlich bei.
Poseidon
Der Meeresgott wurde oft
als bärtiger Mann dargestellt, der einen
Dreizack hält und auf einer von Delfinen oder See-
pferdchen gezogenen riesigen Muschel steht.
dass der Baum die Athener ernähren und reich machen
konnte. Überdies ließ sich auch sein Holz verwenden. Als
der attische König Kekrops bestätigte, dass es auf der Akro-
polis noch nie einen solchen Baum gegeben hatte, erklärte
Zeus Athene zur Siegerin des Wettstreits. Sie wurde Schutz-
göttin der Stadt und der Ort nach ihrem Namen benannt.
DIE GROSSE FLUT
Als Poseidon hörte, wie die anderen Götter ent-
schieden hatten, tobte er vor Wut. Er nahm seinen
Dreizack und schlug wie besessen auf das Meer,
wodurch sich ein gewaltiger Sturm erhob. Die Wasser
stiegen und überschwemmten die Ebene von Eleusis, in
der Athen lag. Erst nach einer längeren Zeit zogen sich die
Fluten endlich zurück, sodass die Athener ihre Stadt wie-
der instand setzen konnten. Sie errichteten einen Tempel
für ihre neue Göttin Athene, die ihnen Wohlstand bringen
sollte, doch sie opferten auch Poseidon, um den Zorn des
Gottes zu besänftigen.
EUROPÄISCHE ANTIKE
POSEIDON
UND DIE TIERE
Poseidon wurde eng mit der
Lebenskraft und Energie von
Tieren in Verbindung gebracht,
allen voran von Stier und Hengst.
Beide galten bei den alten Griechen
als besonders potent und ungestüm.
Bei seinen sexuellen Eroberungszügen
nahm Poseidon mitunter die Gestalt
eines Pferdes an, etwa als er die Göttin
Demeter verfolgte, die sich in eine Stute
verwandelt hatte. Auch der wilde Stier,
der sich im Mythos über Hippolytos aus
dem Meer erhob (S. 70), ist eine Manifes-
tation von Poseidons Kraft.
WEITERE MEERESGÖTTER
Die Griechen beteten auch andere Meeresgötter an, die jedoch alle
Der Hengst
Einem Mythos zufolge
ent stand das erste Pferd
aus Samen, den Poseidon
auf einem Felsen vergoss.
weniger Macht besaßen als Poseidon. Einige wurden mit bestimmten
Meeres lebewesen assoziiert, wie etwa Glaukos mit Fischen oder Pro-
teus mit Robben. Andere besaßen besondere Fähig-
keiten. Triton beispielsweise war ein berühmter
Musikant, der auf einer Schneckenschale
spielte. Proteus war für seine
große Weisheit bekannt,
doch auf Fragen der
Menschen antwortete
er nur ungern.
Glaukos
Der Fischer Glaukos erlangte Unsterb-
lichkeit, nachdem er ein Zauberkraut
gegessen hatte, und wurde einer der
niedrigeren Meeresgötter.
Proteus
Proteus war für seine
Weisheit berühmt, doch
oft nahm er eine andere
Gestalt an, um nicht
erkannt zu werden.
Triton
Pasiphae und der kretische Stier
Die von Poseidon mit einem Fluch belegte kretische Königin
Pasiphae verliebte sich in einen Stier. Aus der Verbindung ging
der Minotauros hervor (S. 50–51).
POSEIDON UND ODYSSEUS
Homers Odyssee (S. 64–67) erzählt die Rückreise des Odysseus
von Troja nach Ithaka als eine Abfolge von Unglücksfällen
auf See. Die meisten waren von Poseidon verursacht, der sich
dafür rächte, dass Odysseus den Kyklopen Polyphem geblendet
hatte, Poseidons Sohn. In einer lebendigen Sprache berichtet
das Epos, wie Poseidon Stürme aufkommen ließ, in denen
Odysseus Schiffbruch erlitt. Andere Bedrohungen gingen auch
von Poseidons Nachkommen aus, etwa der Charybdis.
Poseidon peitscht die Wellen auf
Manchmal wühlte Poseidon mit seinem
Dreizack die Meere auf, um das Wasser
zum Tosen zu bringen.
Tempel in Sounion
Der Poseidontempel in
Sounion war vom Meer
aus weithin sichtbar. Heute
ist er eine Ruine aus zwei
Säulenreihen und einem
Sockel aus Stein.
SIEHE AUCH Meeresgötter 158–161, 290–291, 294–297, 338–339 • Flut 196–197, 212–215, 288–289, 314–315, 328–329
Meeresgott Triton war
halb Fisch, halb Mensch.
Einige Mythen sprechen
von mehreren Tritonen.
DIE TEMPEL DES POSEIDON
Als mächtiger Gott hatte Poseidon viele Anhänger, und einige seiner
Tempel sind noch erhalten. Nicht immer wurde er als Meeresgott
verehrt – manche Tempel waren dem Poseidon Hippios (»Poseidon der
Pferde«) geweiht, und viele Menschen beteten Poseidon auch als Vege-
tationsgott an. Mindestens einer seiner Tempel – der Tempel am Kap
Sounion in Attika – liegt hoch über dem Meer
und blickt auf den Machtbereich des Gottes
hinab. Dort wurden ihm zu Ehren
Bootsrennen abgehalten.
31
POSEIDON UND DIE FLUT
MYTHISCHE WESEN
Seltsame Wesen, halb Mensch, halb Tier, grausame Riesen und
winzige Feen gehören zu den häufigsten Gestalten in den
Mythologien der Welt. Diese sehr unterschiedlichen Geschöpfe
griffen oft in das Leben der Menschen ein und galten als sehr
alt, da sie bereits vor Erschaffung der Götter existierten oder in
einem anderen Zeitrahmen als die Menschen lebten.
MISCHWESEN
Die Mythologien kennen viele Wesen, die, halb Mensch, halb Tier,
Merkmale verschiedener Spezies und gegensätzliche psycholo-
gische Qualitäten in sich vereinen. Die griechische Mythologie ist
reich an Beispielen hierfür. Gestalten wie Meerjungfrauen, Wasser-
nymphen oder Wasserfeen sind aber in vielen Kulturen bekannt.
Kentauren
Halb Mensch, halb Pferd, sollen die Kentauren –
Nachkommen von Ixion, König der Lapithen (S. 68)
und einer Wolke, der Zeus die Gestalt von Göttin
Hera gegeben hatte – gewesen sein. Sie vereinen die
wilde Natur des Pferdes mit menschlicher Weisheit.
Meerjungfrauen
In vielen Mythologien gibt es
zumeist weibliche Wesen, die halb
Fisch, halb Mensch sind und
mit ihren fatalen Reizen
Männer ins Verderben
locken.
Satyrn
Die griechischen Satyrn besaßen den Oberkörper
eines Mannes und den Unterkörper, manchmal
auch die Ohren und Hörner einer Ziege. Sie
waren Begleiter des Dionysos (S. 34–35).
LENKER DES
32
SCHICKSALS
Die launenhaften Wendungen des
Lebens wurden in Mythen und
Legenden häufig mit dem Wirken
höherer Wesen erklärt wie etwa
der römischen Furien, der grie-
chischen Moiren oder der Nor-
nen, riesenhafter Frauen, die
in der nordischen Mythologie
das Schicksal lenkten und wenig
Rücksicht auf die Gefühle ihrer
menschlichen »Opfer« nahmen.
Die Furien
Die Furien, meist als drei alte Frauen dargestellt,
straften jeden, der die natürliche Ordnung störte.
Sie wurden auch Eumeniden genannt, was
ironisch »die Wohlgesinnten« bedeutet.
Die Moiren
Zunächst kannte
man nur drei dieser
Schicksalsgöttin-
nen – Lachesis, die das
Leben begann, Klotho,
die den Le bens faden
spann, und Atropos,
die ihn abschnitt.
Später hielt man die
Moiren für eine grö-
ßere Gruppe Frauen.
MYTHISCHE WESEN
DÄMONEN UND BÖSE WESEN
Bösartige Geschöpfe gibt es in vielen Kulturen. Sie zerstören,
bedrohen Unschuldige und fordern Menschen und Götter
heraus. Viele sind Riesen, Wesen mit übermenschlicher Kraft,
die nur von Helden oder mithilfe magischer Waffen besiegt
werden können. Andere, wie Vampire oder Werwölfe, sind Men-
schen mit seltsamen Kräften oder von bösem Charakter. Ihre
Geschichten sollten vielleicht für ansonsten nicht herleitbare
Verbrechen oder Missbildungen eine Erklärung liefern.
Werwölfe
Werwölfe, die im Norden Europas sehr
gefürchtet waren, hatten Menschenmütter
und hauptsächlich menschliche Züge, wurden
bei Vollmond aber zu heulenden Wölfen.
VERBORGENE WESEN
Wesen wie Zwerge oder Elfen leben
meist vor den Blicken der Menschen
verborgen oder weit von ihnen ent-
fernt. Manche von ihnen können sich
unsichtbar machen, andere sind nur
für bestimmte Menschen sichtbar. Oft
haben diese Wesen zwei unterschied-
liche Seiten, deren eine den Menschen
wohlgesinnt, die andere hingegen
aufdringlich oder bösartig ist – letztere
soll möglicherweise negative Phäno-
mene erklären.
Zwerge
Vampire
Trolle
Trolle sind riesige Gestalten der
nordischen Mythologie, die oft
als Eltern mit Kind auftreten.
Sie belästigen Menschen oder
greifen sie an und können dabei
sehr gewalttätig sein.
In der slawischen Mytholo-
gie sind Vampire verstorbene
Menschen, die sich an ihre
physische Existenz klam-
mern, indem sie schlafenden
Menschen frisches Blut
aussaugen.
In nordischen Mythen
sind Zwerge weise und
sehr geschickt in Handwer-
ken wie der Schmiedekunst.
Sie wohnen in dunklen
Felshöhlen. Alte Texte
sagen wenig über ihre
Größe aus.
Riesen
Elfen oder Alben
Europäische Legenden
kennen mehrere Rassen von
Riesen, die oft groß, stark,
hässlich und von geringer
Intelligenz sind. Einige sind
Kannibalen, andere fressen
Tote. In der christlichen
Vorstellung erscheint der
Teufel mitunter als
Riese.
Dämonen
In der Hindu-Mythologie
gibt es viele Dämonen,
oder Rakshasas, die
nachts Frauen und Kinder
angreifen. Mitunter entwi-
ckeln sie in Kämpfen mit
Göttern ungeheure Kräfte.
In einigen Mythen gelten
auch Vanaras, affenähn-
liche Waldbewohner, als
Dämonen.
Nordeuropäische Mythen kennen zahlreiche Arten
von Elfen – böse, hässliche Bewohner des Schat-
tenreichs sowie schöne und hilfsbereite.
Feen
Feen können der Sage nach auf vielfältige Weise in
das Leben von Menschen eingreifen und tauchen in
den Legenden vieler Kulturen auf. Sie sind hilfsbe-
reit oder boshaft und können meistens fliegen.
33
MYTHISCHE WESEN
DIONYSOS
Der Weingott Dionysos war eine anarchische Gestalt, die über Trunken-
heit und veränderte Bewusstseinszustände wie religiöse Ekstase herrschte.
Als Gestaltwandler konnte er sich in Tiere verwandeln, aber auch als
Mensch auftreten, und oft war er von Verehrern oder von Tieren umgeben.
Diese Eigenschaften machten ihn zum Schutzgott der Schauspieler, und in
Athen wurden ihm zu Ehren regelmäßig Festspiele abgehalten.
DIE RETTUNG DES DIONYSOS
Als Zeus, getarnt als Sterblicher, mit Semele, der Tochter des thebanischen Königspaars
Kadmos und Harmonia, eine Liebschaft begann, sann seine eifersüchtige Frau Hera auf
Rache. Sie verwandelte sich in eine alte Frau und überredete Semele, den Gott zu bitten,
ihr in all seinem Glanz zu erscheinen. Als Zeus ihrer Bitte nachkam, tötete die Hitze
seines Blitzes die sterbliche Semele. Einer der Götter – manche sagen Hermes, andere
nennen die Flussgöttin Dirke – rettete ihr ungeborenes Kind Dionysos und brachte es zu
Zeus, der seinen Oberschenkel aufschnitt und das Kind darin austrug. Dionysos’ Geburt
erzürnte Hera dermaßen, dass sie den Titanen (S. 16–19) befahl, den Säugling in Stücke
zu reißen. Doch seine Großmutter Rheia erbarmte sich, fügte seine Glieder wieder zusam-
men und brachte ihn zu Zieh eltern. Da Hera auch dies herausfand, verwandelte Rheia
den Jungen zu seinem Schutz in einen Widder.
Dionysos
Der Gott des Weins wurde oft als
schöner Jüngling, mit einem Becher
in der Hand und Weinlaub im Haar,
dargestellt.
Hera
In der Geschichte von Dionysos ist Hera
wie immer eifersüchtig. Sie kann sich
ihrer Rivalin Semele entledigen, nicht
aber ihres Kindes.
Semele
34
Flammen von Zeus’ Blitz töteten Semele.
Ihre Geschichte wurde ein beliebtes Motiv
für Maler, und Georg Friedrich Händel
schrieb eine Oper über sie.
EUROPÄISCHE ANTIKE
DIE REISEN
DES DIONYSOS
Als Erwachsener war Dionysos rastlos. Er
unternahm mehrere lange Reisen. Wo immer
er hinkam, wurde er für seine Trinkexzesse
bekannt, die in wilder Raserei endeten. Viele
glaubten, dass Hera hinter diesen Orgien
steckte, weil sie immer noch grollte, dass
Semeles Sohn überlebt hatte. Auf seinen
Reisen wurde Dionysos von den Satyrn unter
Führung ihres Königs Silenos begleitet sowie
von einer Gruppe Frauen, die man »Mäna-
den« nannte. Die Mänaden konnten sich in
ekstatische Raserei versetzen und tanzten wild,
bis sie schließlich vollkommen außer Kon-
trolle gerieten und jedes Lebewesen, das ihnen
begegnete, in Stücke rissen. Da die Mänaden
ihre Kraft von Dionysos erhielten, konnte
nichts – weder
Feuer noch
Schwert – ihren
Tanz beenden
oder ihnen etwas
anhaben.
Satyrn
Die Söhne einer Bergnymphe und
eines Ziegenbocks waren halb
Mensch, halb Ziege und als lüsterne
Trunkenbolde bekannt.
Mänaden
Die Mänaden trugen durchschei-
nende Kleider und tanzten zum
Klang von Doppelflöte und
Tamburin. Sie hatten Macht
über wilde Tiere und ritten
mitunter auf Panthern.
PENTHEUS’ TRAGÖDIE
Auf ihren Reisen kamen Dionysos und die Mänaden auch
nach Theben, wo Pentheus regierte. Die junge Königin-
mutter Agave fand Gefallen an den Mänaden und schloss
sich in Trunkenheit ihrem wilden Tanz an. Entsetzt vom Ver-
halten seiner Mutter, wollte Pentheus dem Treiben Einhalt
gebieten. Er bat Dionysos um Rat, der dem König empfahl,
sich zu verstecken und die Mäna-
den zu beobachten, ehe er
Schritte unternahm. Doch
die Mänaden entdeckten
Pentheus und rissen ihn
in Stücke.
Silenos
Der weise alte Satyr Silenos
führte Dionysos’
Ge folg schaft an.
Einigen Mythen
erzählen, dass er den
Gott als Kind mit aufzog.
Pentheus’ Tod
Unter den Mänaden, die
Pentheus zerrissen, war auch
seine eigene Mutter. In ihrer
Raserei glaubte sie, einen
Löwen zu töten, ehe sie begriff,
dass es ihr eigener Sohn war.
SIEHE AUCH Reisen 44–45, 64–67, 78–79, 120–121, 220–221
35
MEER AUS WEIN
Während Dionysos das Mittelmeergebiet bereiste, lehrte
er seine Anhänger, Reben zu pflanzen, ihre Trauben zu
ernten und daraus Wein herzustellen. Nachdem die
Menschen diesen Wein probiert hatten, wurde Dionysos
sehr beliebt. Einmal wurde der Gott auf seinen Reisen
von Piraten gefangen genommen, die ihn für einen
reichen jungen Mann hielten. Sie fesselten ihn, doch
die Knoten lösten sich immer wieder. Dann verwan-
delte Dionysos Mast und
Takelwerk in Weinreben
und das Meer um das
Schiff in Wein. Der
Anblick erschreckte
die Piraten derart,
dass sie ins Meer
sprangen.
Piratendelfine
Als die Piraten entsetzt ins Meer
sprangen, verwandelte Dionysos
sie in Delfine, eine Szene, die
in dieser Tasse (um 530 v. Chr.)
dargestellt ist.
DIONYSOS
ATHENE
Die mächtige Kriegsgöttin Athene wurde meist mit ihrem Schild oder
ihrem Brustpanzer, der Aigis, dargestellt. Sie war auch Schutzpatro-
nin der Handwerker und Stadtgöttin von Athen. Von ihrer Mut-
ter Metis hatte sie Weisheit geerbt, was sie Odysseus gewogen
machte, dem weisesten und listenreichsten aller griechischen
Helden. Die Menschen schätzten sie in allen ihren Rollen
besonders deshalb, weil sie sich stets zugänglich zeigte, im
Gegensatz zu vielen anderen Göttern, die auf Distanz blieben.
DIE GEBURT DER ATHENE
Eine der ersten Geliebten des Zeus war Metis,
Tochter der Titanen Okeanos und Tethys. Sie war
nicht nur schön, sondern auch intelligent – ihr
Name bedeutet »der kluge Rat« –, und Zeus war
ihr sehr zugetan. Doch als Metis schwanger wurde,
prophezeiten Gaia und Uranos dem Göttervater,
dass Metis nach der Geburt einer Tochter auch
einen Sohn mit ihm haben sollte, der ihn entmach-
ten würde. Sie rieten Zeus zu unverzüglichem Han-
deln. Gaia schlug vor, er sollte Metis verschlingen,
ehe sie niederkommen konnte. Zeus befolgte den
Rat. Als die Zeit der Geburt gekommen war, griff
Hephaistos ein und zerteilte Zeus’ Haupt mit einer
Axt, sodass das Kind sich befreien konnte. Auf
wundersame Weise entstieg Athene seinem Haupt,
in voller Rüstung und einen Schlachtruf von sich
gebend. Einigen Mythen zufolge war Athene das
Lieblingskind ihres Vaters und das einzige, das
seinen Brustpanzer tragen durfte.
Kriegerische Athene
Athenes Lieblingswaffe war ihr
Speer, den sie in Zeiten des Frie-
dens senkrecht hielt, im Kampf
aber wild schwang. Ihren Kopf
schützte sie mit einem Helm.
GÖTTIN VON ATHEN
Athene erwarb sich das Recht, als Stadtgöttin von Athen verehrt zu
werden, nachdem sie in einem Wettstreit mit Poseidon der Stadt
den wertvollen Olivenbaum geschenkt hatte (S. 30). Die Menschen
würdigten ihre Bedeutung, indem sie Darstellungen von ihr und
ihrem heiligen Vogel, der Eule, auf ihre Münzen prägten. Auf der
Akropolis oberhalb der Stadt errichteten sie den Parthenon, wo
eine Skulptur den Wettstreit zwischen Athene und Poseidon zeigte.
Der Tempel beherbergte eine massive Statue der Athene aus Gold
und Elfenbein, die der bekannte Bildhauer Phidias geschaffen hatte.
Die Originalstatue existiert nicht mehr, es wurden aber zahlreiche
Miniatur-Nachbildungen gefunden. Der Name des Tempels bedeu-
tet »Jungfrauengemach«, denn die Göttin
war streng auf ihre Keuschheit
bedacht.
36
Athenes Geburt
Frühe Darstellungen von
Athenes Geburt wie diese
Vasenmalerei zeigen,
wie die Göttin in voller
Rüstung und mit Waffen
dem Kopf ihres Vaters
entsteigt.
Der Parthenon
Athenische Münze
EUROPÄISCHE ANTIKE
ATHENE
Arachne wird in eine Spinne verwandelt
Athene hatte Mitleid mit Arachne und verwan-
delte sie in eine Spinne, damit sie auf ewig
spinnen und weben konnte.
Arachne webt
Athene war verzaubert von der Schönheit und Güte der
Arbeit Arachnes. Manche sagen, dass sie das Mädchen
aus Eifersucht mit seinem Weberschiffchen schlug.
DER WEBERWETTSTREIT
Athene war auch Göttin der Tuchmacher und Sticker. Wenn jemand gut
weben konnte, hieß es, er habe diese Gabe von Athene erhalten. Das
Mädchen Arachne, das eine gute Weberin war, beharrte jedoch darauf, ihr
Können allein sich selbst zu verdanken. Dies erzürnte die Göttin, und
sie forderte Arachne zu einem Weberwettstreit heraus. Athene sah,
dass Arachnes Arbeit mindestens ebenso gut war wie ihre