Mythor 42: Schattenjagd - Paul Wolf - E-Book

Mythor 42: Schattenjagd E-Book

Paul Wolf

0,0

Beschreibung

Seit dem Tag der Wintersonnenwende, dem Tag der entscheidenden Schlacht, die auf dem Hochmoor von Dhuannin zwischen den Streitern der Lichtwelt und den Kräften des Dunkels ausgetragen wurde, sind Monde vergangen. Mit der Unterstützung Drudins, des obersten Dämonenpriesters, der die Kräfte der Finsternis mobilisierte, haben die eroberungssüchtigen Caer über die Kämpfer der Lichtwelt triumphiert und die große Schlacht für sich entschieden. Damit halten Tod und Verderben ihren Einzug auch in solchen Ländern, die bisher vom Krieg verschont geblieben sind. Massen von Menschen, unter ihnen die demoralisierten Besiegten der Schlacht, streben in heilloser Flucht nach Süden, die Herzen von Trauer und Hass erfüllt. Auch Mythor zieht südwärts, wobei der junge Held der Lichtwelt und seine jeweiligen Weggefährten in eine ganze Reihe von lebensgefährlichen Abenteuern verwickelt werden. Gegenwärtig ist Mythor zusammen mit Sadagar, dem Steinmann, bestrebt, nach Logghard, der Ewigen Stadt, zu gelangen. Doch ein schrecklicher Verfolger hat sich an die Fersen der beiden Männer geheftet - und damit beginnt die SCHATTENJAGD ...

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 138

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Nr. 42

Schattenjagd

von Paul Wolf

Seit dem Tag der Wintersonnenwende, dem Tag der entscheidenden Schlacht, die auf dem Hochmoor von Dhuannin zwischen den Streitern der Lichtwelt und den Kräften des Dunkels ausgetragen wurde, sind Monde vergangen. Mit der Unterstützung Drudins, des obersten Dämonenpriesters, der die Kräfte der Finsternis mobilisierte, haben die eroberungssüchtigen Caer über die Kämpfer der Lichtwelt triumphiert und die große Schlacht für sich entschieden.

Damit halten Tod und Verderben ihren Einzug auch in solchen Ländern, die bisher vom Krieg verschont geblieben sind. Massen von Menschen, unter ihnen die demoralisierten Besiegten der Schlacht, streben in heilloser Flucht nach Süden, die Herzen von Trauer und Hass erfüllt.

Auch Mythor zieht südwärts, wobei der junge Held der Lichtwelt und seine jeweiligen Weggefährten in eine ganze Reihe von lebensgefährlichen Abenteuern verwickelt werden.

Gegenwärtig ist Mythor zusammen mit Sadagar, dem Steinmann, bestrebt, nach Logghard, der Ewigen Stadt, zu gelangen. Doch ein schrecklicher Verfolger hat sich an die Fersen der beiden Männer geheftet – und damit beginnt die SCHATTENJAGD ...

Die Hauptpersonen des Romans

Mythor – Der Held der Lichtwelt muss um seinen Körper kämpfen.

Sadagar und No-Ango – Mythors Begleiter.

Ganif, Harmod und Madahim – Träger eines dämonischen Schattens.

Dhuannin-Deddeth

1.

Deddeth

Was aus dem Dunkeln kommt und das Licht kennengelernt hat, seine unzähligen Farben und Formen, das kann sich nicht mehr mit einem Schattendasein zufriedengeben.

Und etwas, das einen Geschmack von der Vielgestaltigkeit des Lebens bekommen hat, muss seine eigene Körperlosigkeit als Verdammnis empfinden.

Dieses Etwas hatte seine Geburtsstunde im Hochmoor von Dhuannin erlebt, als die Heere des Dunkels und des Lichts aufeinanderprallten. Es mochte bloß eine glückliche Fügung gewesen sein, dass zum Zeitpunkt des großen Sterbens ein Stein vom Himmel fiel, darin Etwas als unfertiges Schattending eingeschlossen war.

Möglich aber auch, dass höhere Mächte dahintersteckten und einen bestimmten Plan damit verfolgten. Etwas wusste es nicht, es kam überhaupt erst nach und nach dahinter, dass im Hochmoor von Dhuannin eine große Schlacht im Gange war, als der Himmelsstein einschlug und aufbrach – und es freigab. Etwas erkannte erst allmählich, dass es die Lebenskräfte der sterbenden Krieger aus beiden Lagern waren, die auf es einströmten und stärkten.

Etwas sog gierig soviel von dieser Kraft in sich auf, bis es selbst zu etwas Lebendigem wurde, dem zur Fertigkeit nur noch ein Körper fehlte.

Und aus Etwas wurde ein Deddeth.

Der Deddeth hielt Umschau in der Galerie des Lebens, aber je mehr Körper er schaute, desto wählerischer wurde er. Der Körper, den er zu seinem machen wollte, musste ohne Fehl und Makel sein, ohne Schwächen und Gebrechen.

Der Deddeth wollte nur das Beste vom Besten.

Endlich entdeckte er in Mythor solch einen Körper, und er sah es von nun an als seine Bestimmung an, diese vollendete Lebenshülle als Sitz seines dunklen Geistes zu erwählen.

Der Deddeth stürzte sich in blinder Gier auf sein Opfer, jagte ihm nach, als es ihm entfliehen wollte, und focht gegen den Geist einen erbitterten Kampf, als dieser sich als überaus widerspenstig erwies.

Endlich, an einem Ort, weit vom Hochmoor entfernt, gewann der Deddeth die Oberhand und glaubte, den begehrten Körper fest in seiner Gewalt zu haben. Gewiss war es von tieferer Bedeutung, dass der Ort seines Triumphs ebenfalls von einem aufgebrochenen Himmelsstein gekennzeichnet war, von einem Stein, der eine lähmende Wirkung auf sein Opfer hatte, so dass der Deddeth leicht in dessen Körper schlüpfen konnte.

Er war nun in Mythor, beherrschte ihn, konnte aber weder seinen Körper steuern, noch seinen Geist unterdrücken. Und bevor der Deddeth Mythors Widerstand endgültig brechen konnte, wurde er durch Einflüsse von außen wiederum verjagt und musste aus Mythors Körper fliehen.

Doch der Deddeth gab sich nicht geschlagen. Nachdem er das Gefühl kennengelernt hatte, einen Körper zu besitzen, lechzte er mehr denn je danach. Und er setzte die Jagd auf Mythor fort, hetzte ihn durch die unendlichen Weiten dieses Landes, das so ganz anders war als das Schattenreich, stellte ihm nach und wartete auf seine Gelegenheit.

Es war unstillbare Begierde, Raserei geradezu, die den Deddeth vorantrieb. Auf seiner Wanderung, dabei von Schatten zu Schatten springend, die das Leben der Lichtwelt abwarf, hatte er oft genug Gelegenheit, sich irgendeinen beliebigen Körper zu beschaffen. Doch solche Zufallsbegegnungen nutzte er nur dazu, sich von diesen Opfern jene Energie zu holen, die er zum Leben brauchte. Dadurch wurde er stark und mächtiger und seiner Bestimmung immer mehr gewachsen, die da lautete: Hole dir Mythors Körper – er ist dein!

Für den Deddeth machte es keinen Unterschied, ob übergeordnete Mächte der Schwarzen Magie ihn lenkten. Er ging nie in sich, um sich zu fragen, ob er sich diese Aufgabe selbst gestellt hatte, oder ob er in fremdem Auftrag handelte. Es zählte nur, dass er sein Ziel erreichte.

Dafür wagte er alles, nutzte alle seine Möglichkeiten aus und setzte seine stärker werdenden Fähigkeiten in vollem Umfang ein. Seine Bindung an Mythor war bereits so stark, dass er ihn selbst über große Entfernungen der Lichtwelt wahrnehmen konnte. Und so war es ihm ein leichtes, seinem auserwählten Opfer zu folgen, als dieses sich in einem großen, bauchigen Ding auf die wirbelnden Wasser der Strudelsee hinauswagte. Dieses Wassergefährt, Lichtfähre genannt, war mit vielen anderen von Mythors Art besetzt, deren sich der Deddeth bedienen konnte, um sich an sein Opfer heranzumachen.

Endlich bekam der Deddeth eine neue Chance, als er erreichte, dass Mythor, in eine Lederblase eingenäht, in die Fluten geworfen wurde. Aber da mischte sich auf einmal wieder eine fremde Kraft von außen ein, die ihm die Beute entriss und an unbekannte und unerreichbare Gestade spülte. Noch immer fühlte sich der Deddeth durch die unsichtbaren Bande mit Mythor verbunden, doch konnte er ihm nicht zu der Insel folgen, weil dort eine Macht herrschte, die ihm den Weg versperrte.

Der Deddeth lauerte in der Ferne, enttäuscht und verbittert; voll Zorn und Hass musste er zusehen, wie die Inselmacht Mythor in ihr Netz verstrickte. Er wurde von wechselnden Empfindungen hin und her gerissen, war einmal nahe daran, einen anderen Menschenkörper als Sitz zu erwählen und wäre dann wiederum beinahe in das Schattenreich zurückgekehrt, aus dem er stammte. Aber er war unfähig, sich zu irgendeiner Entscheidung durchzuringen.

Und dann geschah das Unglaubliche – Mythor kam aus eigener Kraft wieder frei, besiegte die Inselmacht und glitt auf einer der Strömungen erneut hinaus in die Strudelsee.

Das Warten hatte sich gelohnt. Der Deddeth durfte wieder hoffen, seine Bestimmung zu finden und in dem begehrten Körper ein Jemand zu werden. Diese dritte Chance wollte sich der Deddeth nicht entgehen lassen, denn vielleicht war es die letzte.

Die Schatten der Wasserlebewesen nutzend, eilte er den Weg voraus, den auch sein Opfer nehmen musste, und erreichte schließlich wieder festes Land.

*

Dieses neue, fremde Land war ein Ort des pulsierenden Lebens. Hier sprudelte der Quell der Lebenskraft in solchem Übermaß, dass der Deddeth förmlich davon berauscht wurde. Er musste stark an sich halten, um nicht wahllos hineinzulangen in die Lebensflut. Er konnte aber seine Begierde zügeln und fand allmählich seine innere Ruhe wieder.

Nun hielt er erst einmal Umschau, damit er seinen Standort bestimmen konnte.

Zu diesem Zweck drang er in den Schatten eines menschlichen Lebensträgers ein und schlich sich in dessen Geist. Was für ein herrliches Gefühl das war, die Lichtwelt durch die Augen eines ihrer Bewohner zu betrachten. Es war immer aufs neue ein unbeschreibliches Erlebnis, diese Fülle von Farben und Formen zu schauen, anstatt sie durch die Deutung von Schattenbildern zu erahnen. Die Erbärmlichkeit seines Daseins wurde ihm auf diese Weise deutlich zu Gemüte geführt, und er musste an sich halten, um nicht tiefer in den Geist seines Wirtes einzudringen und sich nicht in seinem Körper niederzulassen.

Deine Bestimmung ist es, Mythors Körper in Besitz zu nehmen!

Er brauchte sich dies nur fest genug einzuhämmern, dann fiel es ihm leichter, von diesem Körper abzulassen und zu seinem Wirt auf Abstand zu bleiben.

Er hieß Behlem und war ein hellhäutiger Basakoter von mittelgroßer Gestalt. Die dunkelhäutigen Menschen dieses Landes, das Moro-Basako hieß, waren die Moronen. Früher, bis vor einem halben Menschenalter, hatten diese beiden Völker gegeneinander um die Vorherrschaft gekämpft. Aber dann hatte sie Shallad Rhiad dazu gezwungen, Frieden zu schließen – und hatte gleichzeitig ihr Land in sein großes Reich eingegliedert.

Behlem war nun schon über einen Mond in dieser Stadt, die Tambuk hieß. Tambuk war die Hauptstadt von Moro-Basako, lag in einer Bucht der Strudelsee und wurde von den vier Armen des Stromes Ghali umschlossen.

Dieses Wissen holte sich der Deddeth aus Behlems Geist, während dieser dem bunten Treiben im Hafen zusah, wo die Galeeren ankerten. Es waren fast durchweg Händlerschiffe, die die Strudelsee befuhren und hier ihre Ladungen löschten, die sie aus dem Norden mitgebracht hatten. Zwei Schiffe liefen gerade aus, ein anderes fuhr in das Hafenbecken ein. Ein viertes Schiff fuhr weit draußen stromaufwärts. An den seltsamen Deckaufbauten und dem bauchigen Rumpf war es als Lichtfähre zu erkennen, das Legionäre für Logghard brachte.

Behlem dachte kurz daran, dass die Lichtfähre den Ghali bis zum See Nehred hinauffahren würde, um in der Stadt Nebruk die Legionäre an die Yarl-Führer zu übergeben. Aber diese Dinge beschäftigten ihn nicht wirklich. Er hatte kein Auge für das hektische Hafenleben, er nahm die wogenden Menschenmassen, den Lärm und die Gerüche kaum wahr. Ihm stand der Sinn nach etwas ganz anderem, seine Augen suchten in der Menge etwas ganz bestimmtes.

Es zog ihn wieder hinaus ins weite Land, zu den Bergen von Rafhers Rücken, wo sein Stamm seine Zelte aufgeschlagen hatte. Behlem war mit drei jungen Orhaken nach Tambuk gekommen, die wild eingefangen worden und noch nicht gezähmt waren. Er hatte sie zu einem guten Preis verkaufen können und war solange geblieben, bis sich die jungen Wildtiere an ihre neuen Besitzer gewöhnt hatten. Nun war seine Arbeit getan, es hielt ihn nichts mehr in der Stadt, er wollte zu seinem Stamm zurück. Ihn gelüstete jedoch danach, noch ein letztes Mal die Freuden von Tambuk auszukosten ...

»Isga!«, rief er, als er in der Menge endlich das Weib entdeckte, nach dem er die ganze Zeit über Ausschau gehalten hatte.

»Isga, dass ich dich endlich finde!«

Sie blieb stehen und drehte sich lächelnd nach ihm um, winkte ihm zu und wollte mit wiegenden Hüften weitergehen. Aber Behlem holte sie ein und erklärte ihr, dass er aus Tambuk nicht fortgehen wolle, ohne ein Stündchen in ihrer Gesellschaft verbracht zu haben.

Sie aber lachte ihn aus und rief:

»Du stinkst mir heute zu sehr nach Vogelmist. Was soll ich mit einem, der unter den Schwanzfedern von Orhakos herumkriecht? Ich will einen ganzen Kerl, einen richtigen Mann!«

»Wenn du Ganif suchst, dann kommst du zu spät«, sagte Behlem. »Ich war dabei, als er sich Legionäre von Bord einer Lichtfähre holte und daraufhin sagte, dass er nun keine Leute mehr benötige, um des Shallads Willen zu erfüllen. Er hat Tambuk inzwischen verlassen und wird bereits in seinem Lager sein. Willst du nicht doch mit mir vorlieb nehmen?«

»Was ist das für ein seltsamer Ausdruck in deinen Augen?«, fragte Isga und betrachtete ihn misstrauisch.

Der Deddeth zog sich schnell tiefer in Behlem zurück, um sich nicht zu verraten. Sofort schwand das Misstrauen aus dem Gesicht des Weibes wieder; Isga gab seinem Drängen nach, ohne zu wissen, dass er sie schamlos belog.

Es war wohl richtig, dass Ganif eine Lichtfähre angehalten hatte, um an die zwanzig Legionäre für seinen Feldzug gegen die Ungläubigen von Bord zu holen. Aber er war daraufhin nicht sogleich in sein Heerlager außerhalb der Stadt zurückgekehrt, sondern hatte eine Schenke drei Straßen weiter aufgesucht. Dort feierte er vermutlich immer noch mit einigen seiner Krieger. Das verschwieg Behlem wohlweislich, um sich seinen Wunsch erfüllen zu können.

Doch was für den Orhako-Händler ein Vergnügen gewesen wäre, war für den Deddeth nur Zeitverschwendung. Er wartete, bis die beiden in eine stille, menschenleere Seitengasse einbogen, dann zehrte er seinen Wirt auf.

Das ging so schnell, dass Isga nicht mehr die Zeit hatte, auch nur einen Laut von sich zu geben, als sie sah, wie sich Behlem vor ihren Augen von einem lebenden Wesen in ein runzeliges, vertrocknetes Etwas verwandelte.

Isga war vor Entsetzen so gelähmt, dass sie dem Deddeth keinerlei Widerstand bot, als er in sie einschlug und ihr seinen Willen aufzwang. Sie wirkte nur ein wenig benommen, als sie in die belebte Hafenstraße zurückkehrte. Doch das merkte niemand, und noch vor Erreichen der Schenke, in der Ganif Labsal und Entspannung suchte, war ihr Schritt wieder locker und der Schwung ihrer Hüften so verführerisch und herausfordernd wie ehedem. Auf Ganif jedenfalls verfehlte sie ihre Wirkung nicht.

Er war ein großer, kräftiger Morone mit beinahe blauschwarzer Haut. Seine Rüstung aus schön gezeichnetem, edlem Echsenleder gab seiner stattlichen Erscheinung zusätzlich etwas Würdevolles, auch wenn er nicht mehr ganz sicher auf den Beinen war.

Bei Isgas Anblick stieß er die anderen Weiber, die seinen Tisch belagerten, fort und zog sich unter dem Gegröle seiner vier Tischgenossen, alles Krieger des Shallad wie er, mit Isga in einen Nebenraum zurück.

Der Deddeth ließ Isga schnell die Tür schließen und sich von Ganif in die Arme nehmen. Schon bei der ersten Berührung wechselte der Deddeth von dem Weib in den Krieger über.

Isga brauchte dabei nicht zu sterben, denn so sehr der Schatten auch nach der Lebenskraft ihres Körpers gierte, so unterdrückte er diesmal seine Begierde. Er hatte gelernt, dass es manchmal besser war, zu verzichten und keine verräterischen Spuren zu hinterlassen.

So erwachte das Weib nur wie aus einem bösen Traum, an den es sich kaum erinnern konnte. Ihr Gesicht drückte Verwirrung und eine heimliche Angst aus, die sich allmählich in Entsetzen verwandelte, als sie Ganifs Blick kreuzte. Wahrscheinlich fand sie in seinen Augen das Unheimliche wieder, das sie gerade selbst beherrscht hatte, ohne es jedoch benennen zu können.

Mit einem Aufschrei stieß sie den dunkelhäutigen Hünen von sich und floh. Der Deddeth ließ sie gewähren und kehrte in den Schankraum zurück, wo sich Ganif einige anzügliche Bemerkungen seiner Freunde darüber gefallen lassen musste, dass Isga vor ihm Reißaus genommen hatte.

Der Deddeth sah sie der Reihe nach durch Ganifs Augen an und erfuhr dabei gleichzeitig ihre Namen aus seinem Gedächtnis. Sie hießen Janshar, Aburd, Fanhaj und Madahim und standen in einem niedrigeren Rang als Ganif. Auch trugen sie keine Echsenrüstungen.

»Was ist denn in dich gefahren, dass du auf einmal so ernst wirkst?«, erkundigte sich Janshar.

Der Deddeth geriet für einen Moment in Aufruhr, weil er dachte, dass der Krieger sein Spiel durchschaute. Doch dann erkannte er, dass Janshar das nur so dahersagte.

»Wir warten noch das Eintreffen der nächsten Lichtfähre ab«, ließ er Ganif sagen. »Es kann nichts schaden, wenn wir uns noch mit einigen Legionären verstärken, bevor wir in den Kampf ziehen.«

Seine Männer waren über diese Entscheidung verblüfft, aber keiner wagte es, sich dagegen zu stellen.

*

Ganif hatte sich mit seinen Männern zu dem Pferch begeben, wo ihre Reitvögel untergebracht waren. Jedes der fünf Orhaken hatte eine eigene Koppel, und sie trugen zusätzlich ihre Hauben, damit sie sich nicht gegenseitig zur Raserei brachten. Daneben standen noch zwei Diromen zur Verfügung, von denen jedes gut ein Dutzend Männer tragen konnte.

Als sich Ganif seinem Orhako Federdorn näherte, wurde es trotz der Haube unruhig und hieb mit dem mörderischen Schnabel blind in seine Richtung.

»Du hast zuviel getrunken, Ganif, darum mag dich dein Liebling nicht«, stichelte der Vogelhüter Amharun.

Der Deddeth zog sich tiefer in Ganif zurück, woraufhin sich das Orhako sofort wieder beruhigte. Es hatte die Nähe des Schattens gespürt und gemerkt, dass mit seinem Herrn irgendetwas nicht stimmte. Der Deddeth nahm sich vor, in Gegenwart des Laufvogels zurückhaltender zu sein und Ganifs Zügel soweit zu lockern, dass er ihn gerade noch in seiner Gewalt hatte.

»Brav, Federdorn«, raunte Ganif seinem Orhako zu und kraulte es am hellen Halsflaum. Das Tier senkte seinen behaubten Kopf, rieb seinen grell bemalten Schnabel an Ganifs Gesicht und ließ die Zunge vorschnellen. Ganif griff lachend danach und hielt die zuckende Zunge in der Faust fest. Der Laufvogel gab einige krächzende Laute von sich und sträubte unter der Haube die Kopffedern. Das war das Zeichen für Ganif, von ihm abzulassen.

Der Deddeth hielt sich im Hintergrund und beobachtete die Verhaltensweise des Vogelreiters, um sie später übernehmen zu können. Es war wichtig, dass Ganif sich durch nichts verriet.

»Eine Lichtfähre kommt!«

Ganif wandte sich um und sah den Boten in die Koppel kommen, den er zum Hafen geschickt hatte. Es war ein ärmlich gekleideter Junge, den Ganif von früher kannte und den er schon öfters mit kleineren Aufgaben betraut hatte.

»Weißt du, um welche Lichtfähre es sich handelt?«, fragte Ganif wie nebenbei.

»Es ist die Halmash«, behauptete der Junge.