Neue Wege - Frida Kurt - E-Book

Neue Wege E-Book

Frida Kurt

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Beschreibung

Jana Schmidt, eine schöne zurückhaltende Frau. Als Erbin einer Galeriekette agiert sie nur im Hintergrund. Der Aktionär Sander übernimmt die Öffentlichkeitsarbeit. Niemand ahnt, welche Schicksalsschläge Jana Schmidt schon bewältigen musste. Sie wird von ihrem Mann Alexander verlassen und steht allein da. Eigentlich wollte sie ihm eine frohe Botschaft mitteilen. Aber es kommt dann doch ganz anders. Er fordert die Scheidung, da er die reiche Kunsthandelstochter Roswitha Göltenboth heiraten will. Dabei geht er über Leichen. Sie geht zurück, in ihre Heimat und arbeitet hart. Alexanders Kunsthandel steht vor dem Ruin. Eines unerwarteten Tages erscheint ein Mann an ihrer Tür.

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Neue Wege

Neue WegeImpressum

Neue Wege

Die Sonne schien dem kleinen Jungen ins Gesicht. Er blinzelte mit den Augen und zählte:

Ein, zwei, drei, vier, fünf, sechs….

Sechs Kerzen flackerten leuchtend auf der grossen Geburtstagstorte. Eine Spidermantorte hatte sich Jonas gewünscht. Sechs Jahre bin ich schon, Mami. Kann ich gut zählen? fragte der kleine Junge

„Sehr gut Jonas, mein Schatz und ich wünsche dir viel Glück für dein neues Lebensjahr.“ Zärtlich nahm Jana Schmidt ihren Sohn in die Arme und streichelte sein dunkles Haar.

„Und nun wirst du mit Natascha deine Geschenke auspacken. Ich bin bald wieder zu Hause und dann machen wir uns einen schönen Tag.“

„Warum kannst du denn heute nicht mal bei mir bleiben, Mami?“ fragte Jonas betrübt

Jana Schmidt sah ihren Sohn an. „Weil wir eine ganz wichtige Sitzung haben, bei der ich nicht fehlen darf.

Jonas sah eine schöne Mutter an. „Andere Kinder haben Väter, die arbeiten“, sagte er. Wieso haben wir eigentlich keinen Vater? Bei uns musst du immer das Geld verdienen. Jana verspürte einen schmerzlichen Stich. Ausgerechnet heute musste ihr Sohn so tiefgreifende Gedanken haben. Ausgerechnet heute,  da sie eine tiefgreifende Entscheidung fällen musste.

Gestern hatte sie noch gedacht, dass diese Entscheidung nur einen symbolischen Charakter trug. Eine späte Genugtuung für die Erlebnisse, die jetzt bereits mehr als sechs Jahre zurücklagen. An dem Tag als sie erfuhr, dass sie bald Mutter sein würde.

„Ein Paket möchte ich aber mit Dir auspacken, Mami.“ sagte Jonas

„Welches soll ich nehmen und auspacken?“

Jonas schien zu wissen, dass sie ihm diesen Wunsch nicht abschlagen würde und Jana konnte es auch nicht, obwohl die Zeit drängte.

„Das da…“ sagte sie und deutete auf ein kleines hellblaues Päckchen.

„Das Kleinste…?“ fragte Jonas

Na gut, Mami. Mit den anderen Päckchen lasse ich mir dann Zeit, bis du wiederkommst. Er wickelte es aus und seine Augen weiteten sich staunend.

„Oh, Mami“ jubelte er, „das ist ja die Spieldose, die wunder-wunderschöne Spieldose die aus dem Arbeitszimmer von Onkel Gustav. Die ich nicht anfassen durfte als ich kleine war, nur anschauen durfte. Warum bekomme ich sie jetzt geschenkt?

Weil ich weiss das du ein lieber und vernünftiger Junge bist und du mit der Spieldose ganz vorsichtig umgehen wirst.

Jonas nickte…

„Ganz vorsichtig werde ich mit der tollen Spieldose umgehen, meine allerliebste Mami.

Es war rührend wie ernsthaft er das sagte. Jana versuchte die Tränen zu verdrängen die sich in ihren Augen breitzumachen drohten. Sie küsste ihren kleinen Sohn noch einmal auf die Stirn.

„Und ich freue mich dass ich so einen lieben Sohn habe“ sagte sie lächelnd

Aber als sie dann in die Galerie fuhr, wurden Erinnerungen an jenen bedeutungsvollen Tag  vor mehr als sechs Jahren wieder wach.                                        

Sie fuhr mit ihrem Auto auf den gegenüberliegenden Parkplatz, stieg aus und ging in die Galerie. Jana schloss die Tür hinter sich und atmete erst einmal tief ein.   Na, dann wollen wir mal, dachte sie bei sich.

Die kleine Wohnung war nicht besonders gross und auch ziemlich eng gewesen, in der sie seit gut zwei Jahren mit ihrem Mann lebte. An genau diesem Morgen aber hatte Alexander Kampe sich eingeengt gefühlt und sich bei seiner Frau Luft gemacht. Er hatte über diese beengten Verhältnisse geschimpft und es an ihr ausgelassen.

„Überall stösst man sich. Ich habe am ganzen Körper schon blaue Flecke. Kannst du denn nicht endlich die Möbel umstellen, Jana?“

Ja, so hatte der Tag angefangen und dann hatte Alexander ihr gesagt, dass er auch an diesem Abend später heimkommen würde.

„Du brauchst nicht auf mich zuwarten! Ich bin auf einer Party eingeladen. Tschüss!“

Das war das letzte Mal das sie ihn gesehen hatte. Es war der Abschied gewesen. „Ich bin auf einer Party eingeladen!“ So, als wäre sie gar nicht vorhanden.

Sicher sie hatte nichts anzuziehen gehabt für solch eine Party. Alexander musste sich ja zuerst neu einkleiden, damit er standesgemäss auftreten konnte. Seine neue Stellung forderte das von ihm.

Sie hatte sich so sehr darauf gefreut, dass er so schnell eine gute Anstellung bekommen hatte. In der Firma Göltenboth hatte er eine Führungsposition erhalten. Natürlich musste er da auch entsprechend auftreten. Das war für Jana selbstverständlich gewesen.

Alles war zu selbstverständlich für sie gewesen. Auch als sie sich in Alexander Kampe verliebte. Sie hatte ihn auf der Universität kennengelernt. Er studierte Betriebswissenschaften und hatte bereits sein drittes Semester hinter sich gebracht. Sie besass eine eigene kleine Wohnung und auch ein wenig Geld. Er nur ein möbliertes Zimmer. Sie hatten bald geheiratet, er zog zu ihr und sie sparten sich die Miete für sein Zimmer. Alexander hatte da wirtschaftlicher gedacht als sie. Aber sie waren glücklich gewesen in diesem Augenblick. Wenigstens war sie glücklich gewesen. Jana zweifelte daran, dass Alexander es jemals gewesen war.

Aber erst an diesem Tag waren ihr Zweifel gekommen. Plötzlich war auch ihr die Wohnung zu eng geworden. Sie hatte sich ihren alten Wollmantel angezogen und war im Park herumgelaufen. Dann durch die Strassen, bis sie sich verirrt hatte. Sie hatte über ihre Ehe nachgedacht, die nun in Scherben lag. Für ihn ging es nun wirtschaftlich aufwärts, das schien ihn plötzlich zu verändern. Sehr oft kam Alexander sehr spät nach Hause. Andere Männer waren da schon längst bei ihren Familien. War nur die kleine Wohnung daran schuld?

Diese Frage hatte sich Jana gestellt, als sie stundenlang durch die Strassen lief. Irgendwann schmerzten ihre Füsse so sehr das sie sie nicht mehr trugen und Jana zusammenbrach.

Ein fremder Mann hatte angehalten und war aus seinem Auto gestiegen, hatte dann Jana zum Arzt gebracht. Ein grosser junger Mann mit Sommersprossen im Gesicht, der sie auf seinem Armen getragen hatte. Mehr hatte sie nie von ihm erfahren. Keinen Namen – keine Telefonnummer damit sie sich bedanken konnte – rein gar nichts. Sie hatte sich nicht bei ihm bedanken können. Doch vom Arzt hatte sie dann erfahren, dass sie im dritten Monat schwanger sei. Verwundert hatte der Arzt sie gefragt, ob sie denn die Schwangerschaft nicht bemerkt hatte.

Jana hatte nichts bemerkt. Alexander war immer der Meinung dass sie sich kein Kind leisten konnten.

Jana war plötzlich überglücklich und meinte, dass sie  sich doch ein Kind und eine grössere Wohnung leisten konnten. Einige tausend Euro besass sie noch aus dem Erbe des Grossvaters. Bisher hatten sie davon nur während des Studiums davon gelebt. Jetzt verdiente Alexander gut. Sie brauchte keinen Luxus. Ein Kind erschien ihr der grösste Luxus zu sein und ihr grösstes Glück.

Der Gedanke daran gab ihr die Kraft. Jana begann sich auf das Leben in ihr zu freuen. Sie wollte warten, bis ihr Mann Alexander nach Hause kam. Sie freute sich so sehr, es ihm sagen zu können.

Er kam erst gegen vier Uhr morgens. Jana war doch eingeschlafen, aber sie war glücklich, dass sie ihm nicht böse sein konnte.

„Warum schläfst du nicht?“ hatte Alexander sie mürrisch gefragt

„Ich muss etwas mit dir besprechen“ hatte sie erwidert.

„Was denn mitten in der Nacht?“

„Wir könnten uns doch jetzt eine grösser Wohnung leisten, nicht wahr Alexander?“ hatte Jana ihren Mann gefragt

Und dann war das Unfassbare geschehen „Wozu?“ hatte er gefragt

Jana wir werden uns trennen…

Ich werde Roswitha Göltenboth heiraten. Unsere Ehe war doch kindisch und ein Fehler. Jetzt kommt die grosse Chance für mich. Du wirst doch einsehen, dass eine schnelle und zügige Abwicklung unserer Ehe besser ist. Ich werde dich auch finanziell absichern.

Als ob ihr Zusammenleben ihm gar nichts bedeutet hätte, hatte er es gesagt. Als sein sie ein Niemand. Ein lästiges Etwas. Sie hatte es nicht über sich gebracht, ihm zu sagen, dass sie ein Kind von ihm erwartete. Sie war wie erstarrt gewesen, bei seinen Worten. Jana hatte nicht begriffen, dass er jetzt nachdem er eine Trennung ausgesprochen hatte, noch neben ihr liegen konnte und schlafen wollte.

Was war das nur für ein Mensch?

Alexander Kampe war ohne jede Moral und auch ohne jegliche Gewissensbisse zu ihr ins Bett gekrochen und hatte die Nacht im gemeinsamen Ehebett verbracht. Er dachte nur noch an seine Zukunft, die ihm schillernd und glänzend erschien.

Roswitha Göltenboth wusste ja dass ihr Lover Alexander verheiratet war, aber sie hatte seine Erklärung das seine Ehe nur auf dem Papier stattfand lächeln zur Kenntnis genommen.

Das hatte Jana Schmidt, die ihren Mädchennamen nach der Scheidung wieder angenommen hatte, damals nicht gewusst, aber sie war dennoch gegangen. Jana konnte den Anblick von Alexander nicht mehr ertragen. Es schmerzte einfach in jeder Phase ihres Körpers.  Sie ging in eine ungewisse Zukunft und es war ihr gleichgültig. Doch sie ahnte ja nicht, was in ihrem Leben noch passieren würde.

Der Portier der Galerie riss die Tür auf, sobald er Jana erblickte. Sie nickte ihm freundlich zu. Danke Charles… sagte sie lächelnd.

Wie geht es ihrer Frau Charles?  fragte sie

Frau Schmidt, jetzt wieder ganz gut. Viele Dank für die Nachfrage und auch vielen Dank für alles was sie für uns getan haben. Das war wirklich äussert nett von ihnen.

„Ist doch nicht der Rede wert.“ erwiderte Jana

Nein vor sechs Jahren hatte sie noch keine Ahnung davon gehabt, dass sie einmal Alleinerbin einer Kette von Galerien sein würde. Ihr Grossvater hatte Galerien aufgekauft und vor den Bankrott so bewahrt. Sammler und Kaufinteressierte waren glücklich über diese positive Wendung der vier Galerien. Alle Galeristen durften bleiben, nur der Name wurde verändert. Um sich und ihr ungeborenes Kind nicht auf der Strasse ernähren zu müssen, ist sie zu ihrem Grossvater geflüchtet und hat dort Unterschlupf gefunden.

Er wollte nur eins wissen. „Du bekommst also ein Kind und dein Mann hat dich verlassen: hatte er spöttisch gefragt“

Jana musste damals allen Mut aufbringen um ihn zu widersprechen.

„Nein, ich habe ihn verlassen“ hatte sie erwidert

Und warum? Ich will die Wahrheit wissen Kind. Ich kann dieses Herumgedruckste nicht ausstehen. Wenn du mich belügst, kannst du gleich wieder gehen. Ich werde dahinterkommen.

Jana hatte die Wahrheit gesagt. Warum hätte sie auch lügen sollen? Alexander musste sie nicht schützen! Nein, soweit ging dann ihr Eheversprechen dann doch nicht mehr.

Ich will keine Almosen Grossvater, nur eine Arbeit: hatte sie gesagt.

Nur unter Bedingung dass du wieder den Namen deiner Mutter annimmst, hatte ihr Grossvater mit Erstaunen erwidert. Ich will nicht das meine Enkelin wegen solch unmoralischen Menschen ins Gerede kommt.

Ja Grossvater, ich bin an dem Namen Kampe nicht mehr interessiert, hatte sie erwidert.

Sie hatte einen völlig anderen Grossvater kennengelernt, als den aus Kindertagen, der ständig geizig und geldgierig war. Einen einsamen Menschen, der ihr bester Freund geworden war. Dem sie in seinem letzten Lebensjahr das grösste Glück beschieden hatte. Ihren kleinen Jonas, der später einmal alles erben sollte. Sie war die Verwalterin des Erbes geworden, bis ihr Sohn die Volljährigkeit erreicht hatte. Doch jetzt setzte sie alle Kraft die in ihr steckte zum Erhalt seines Lebenswerkes ein.

Sie hatte sich die Stellung, die jetzt besass, verdient. Sie wurde respektiert wegen ihres Weitblickes und auch wegen ihrer Intelligenz und Redegewandtheit dem Kunden gegenüber, ohne das der das Gefühl erhielt beschwatzt worden zu sein. In den fünf Jahren hatte sich Jana Schritt für Schritt nach oben gekämpft und sich von ihrer Vergangenheit gelöst. Sie war eine Karrierefrau geworden, aber auch eine Frau mit einer zurückhaltenden Natur. Sie musste mit Männern verhandeln, doch diese waren für sie nur Kunden oder Sammler. Und heute am sechsten Geburtstag ihres Sohnes, lag es im Ermessen über das Schicksal der Gesellschaft für Kunsthandel Göltenboth zu entscheiden und somit auch über das Schicksal ihres Exmannes Alexander. Nur aus diesem einzigen Grund wollte sie der Sitzung nicht fernbleiben.  Sie zählte zehn Männer, die an einem runden Tisch sassen. Sie erhoben sich als Jana den Aktionärsraum betrat.

„Guten Tag, meine Herren“ sagte Jana lässig.

„Kommen wir gleich zur Tagesordnung…“ begann sie. Meine Zeit ist knapp bemessen, ich werde erwartet. Es steht zur Debatte…. sie musste sich selbst unterbrechen. Verzeihung, ich muss gestehen, dass ich über den augenblicklichen Stand der finanziellen Schwierigkeiten  der Gesellschaft für Kunsthandel Göltenboth nicht ausreichend informiert bin. Herr Sander würden sie bitte übernehmen!

Herr Sander, ein Mann von etwa vierzig Jahren und eine markante Erscheinung, warf Jana einen kurzen Blick zu und nickte. Sander konnte mit den allerneusten und genausten Auskünften aufwarten und hatte in Jana Schmidt eine bemerkenswert aufmerksame Zuhörerin.

Zur selben Zeit…

Einige Kilometer weiter entfernt, in einem sehr noblen Stadtviertel mit einem grossen Landsitz das prächtig ausgestattet war, stand Roswitha Göltenboth in ihrem grossen Wohnbereich am Kamin.

Alexander… du bist ein Versager, ein Nichts…, ein Niemand…: sagte sie kalt

Du hast nicht im Entferntesten meine Hoffnungen erfüllt und die meines Vaters schon gar nicht. Wir haben auf dich gesetzt und du bist kläglich untergegangen und gescheitert. Du erwartest jetzt auch noch das ich mein eigenes privates Kapital in den Kunsthandel Göltenboth investiere. Mein privates Vermögen? Da irrst du dich aber gewaltig.

So kalt wie ihre Stimme klang, strahlten auch ihre Augen. Nicht einmal Eisberge konnten diese Augen zum Schmelzen bringen. Der sinnliche Mund passte so rein gar nicht zu Roswithas Gesicht. Ihr Gesicht hatte markant strenge Linien, obwohl es auch eine eigenartige Schönheit besass. Roswitha Kampe – Göltenboth  war eine Frau mit sehr vielen Gesichtern.  Eine Frau die dem Luxus erlegen war, die sich sehr für Geld interessierte, doch nicht dafür woher das Geld für ihre Luxusartikel kam. Ihr Vater hatte sie masslos verwöhnt. Roswitha hatte nie irgendetwas entbehren müssen. Alles was sie sich wünschte bekam sie. Ein Nein akzeptierte sie nicht.  Einzig und allein der Tod ihres Vaters im letzten Jahr war der schwerste Verlust den sie bewältigen musste. Sie hatte alles bekommen, was sie sie wollte, auch Alexander Kampe. Der Mann der eigentlich mit einer anderen Frau verheiratet war.

Er sah umwerfend aus, auch jetzt noch das sein Gesicht von Kummer und Sorgen gezeichnet war. Schlaflose Nächte hatte er viele. Doch seine Sorgen waren nicht Roswithas Sorgen. Er stand fast vor dem Ruin.

„Es ist nicht meine Schuld Roswitha“ sagte er

„Thomas Siebers will mich herausdrängen.“ Er will die Aktienmehrheit haben.

„Was will er denn damit, wenn die Gesellschaft vor dem Aus steht?“ sagte sie von oben herab

„Wäre er früher eingestellt worden, wäre uns dies hier erspart geblieben. Alexander du hast einfach nicht das Rückgrat und das Format für solch ein Unternehmen. Es war wohl doch eine Nummer zu gross für dich.

Vor gut fünf Jahren hatte sie anders gesprochen. Alexander erinnerte sich noch gut daran, wie sie immer seine Nähe gesucht hatte. Roswitha hatte ihm immer wieder beteuert, dass er nach der Meinung ihres Vaters genau der richtige Mann für die Position in der Gesellschaft sei. Lange sechs Jahre… Alexander fuhr sich über die Augen, weil ihm da auch noch andere unbequeme Erinnerungen kamen.

Nein, man konnte nicht sagen dass er in Roswitha verliebt gewesen war. Er hatte einfach seine Chance nutzen wollen und das war es ihm wert gewesen, ihr seine Gefühle vorzutäuschen die niemals da gewesen waren. Auch heute noch nicht.

Es war nach seiner Sicht eine reine Zweckehe. Für ihn ein Aufstieg in der Gesellschaft. Und dafür hatte er ohne viel Bedenken seine Ehe mit Jana geopfert.

„Wir werden eine Fusion mit der Schmidt Holding  eingehen“ erklärte er

Es ist so gut wie sicher, dass das passiert. Ich hatte gestern Abend noch eine lange Unterredung mit Sander. Er hat grossen Einfluss auf die anderen Aktionäre.

Aus zusammengekniffenen Augen starrte Roswitha ihren Mann an. Da fällt mir ein, hiess deine Ex nicht auch Schmidt? Wie amüsant! Ihre Stimme trifte vor Hohn und Spott.

„ Eine Namensgleichheit, weiter nichts“ sagte Alexander mit einer wegwerfenden Handbewegung

Schmidts gibt es wie Sand am Meer. Schau doch man ins Telefonbuch.

Er wusste tatsächlich nichts von der verwandtschaftlichen Verbindung. Jana hatte nie über ihre Familie geredet, als Alexander sie kennenlernte war sie allein, ohne eine Familie. Ihre Eltern waren bei einem Unfall ums Leben gekommen. Alexander wusste auch nicht das Jana das letzte Wort in der Holding hatte.

Sie gab den Ton an, auch wenn sie offiziell nie in Erscheinung trat.

„Immerhin ist es doch recht amüsant, dass du meine lieber Mann vor dem Namen Schmidt zu Kreuze kriechen musst“ spottete Roswitha weiter

Wäre ich doch nicht so verrückt gewesen, dich unbedingt heiraten zu müssen, dann wärst du dageblieben wo du warst – ganz unten. Da passt du auch eindeutig besser hin du Loser.

Roswitha musste ihrer Wut Luft verschaffen, sonst platze sie noch. Sie wollte ihn demütigen dafür, dass ihre Freunde und Bekannten jetzt schon schlecht über sie sprachen du sie von ihrem hohen Ross herabsteigen musste. Und sie traf ihn an seiner empfindlichsten Stelle, seiner Eitelkeit.

„Du hast mich doch haben wollen“ Es ging dir doch gar nicht schnell genug: fuhr er sie an

Bildest du dir etwa ein, dass ich dich geheiratet hätte wenn du ein Fräulein Niemand gewesen wärst? Eine Schuhverkäuferin etwa… er lachte hart auf. Die beiden verbliebenen Hausangestellten erlebten wieder einmal ein meisterhaftes Bühnenstück im Hause Göltenboth.

Dies ging jetzt fast täglich so.

Im Aktionärsraum der Schmidt Holding hatte Sanders seinen Bericht beendet. Es herrschte einige Sekunden Schweigen, dann ergriff Jana das Wort.

Sie räusperte sich leise.

Ich glaube nicht, das es in unserem Interesse liegen kann, die Finanzen der Kunsthandelsgesellschaft wieder in Ordnung zu bringen: sagte sie kühl

Wir müssen daran denken, unseren  Mitarbeitern die Arbeitsplätze zu sichern.

Staunend, aber auch sehr betroffen richteten sie die Augenpaare der Männer auf sie.

Darf ich mir eine Bemerkung erlauben Frau Schmidt, sagte Sanders mit leicht gepresster Stimme.

Bitte!

Wir könnten dadurch einen Konkurrenten ausschalten.

Jana legte den Zeigefinger an ihre Stirn. Dann legte sie den Kopf in den Nacken und sagte: Ein bankrotte Firma kann keine Konkurrenz für uns sein. Nach allem was ich gehört habe, wurde Millionen sinnlos verprasst. Die Geschäftsführung dieser Gesellschaft ist inkompetent und dilettantisch vorgegangen.

Ich hätte da auch noch etwas zu sagen: erklärte Meier Schmidt

Herr Siebers wäre bereit, mit seinem Privatvermögen zu haften, falls es zu einer Fusion kommen sollte.

Herr Siebers? fragte nur Jana Schmidt

Thomas Siebers, ist der Neffe und Erbe des früheren Teilhabers  der Gesellschaft.

Wer war der frühere Teilhaber? fragte Jana weiter

Wissen sie, Frau Schmidt … begann Meier Schmidt, Hannes Siebers war vor langen Zeiten der Teilhaber des alten Göltenboth. Sie bekamen in Streit und Hannes Siebers zog sich zurück. Er war auch schwer gesundheitlich angeschlagen. Doch die Teilhaberschaft behielt er bis zu seinem Tod. Diese hat sein Neffe Thomas Siebers geerbt und ist wieder in die Gesellschaft vor kurzen eingestiegen. Er hat ein völlig anderes Format als Kampe, der zwar ein guter Betriebswissenschaftler sein mag, doch kläglich versagt hat. Von Geschäftsführung versteht Kampe so gut wie nicht.

Es scheint so… sagte Jana ironisch. Sie überlegte einen kleinen Augenblick lang.

Gut wenn sie es für richtig halten, verhandeln sie mit diesem Siebers.

Meine Herren…. entschuldigen sie mich jetzt bitte.

Ich werde erwartet. Mit einem Lächeln verliess Jana den Aktionärsrat.

Natascha Leisi, eine junge Russin war vor vier Jahren als Kindermädchen in das Haus der Familie Schmidt gekommen. Das Haus der Familie war ein kleines Fachwerkhaus inmitten einem grossen Garten. Am Morgen konnte man die Vögel zwitschern hören und der nicht weit entfernte Bach sang auch sein Lied in aller Stille. Jana hatte dringend ein Kindermädchen gebraucht, als sie den Platz ihres Grossvaters einnehmen musste. Natascha hatte ihr auf Anhieb gefallen. Sie waren beinahe Freundinnen geworden und Natascha war bis heute geblieben.