Night Soul 3 - Rayhan - Kajsa Arnold - E-Book

Night Soul 3 - Rayhan E-Book

Kajsa Arnold

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Beschreibung

Dies ist der 3. Teil der Night Soul Vampir Serie ...

Madison hat ein Geheimnis und eine besondere Gabe. Sie ist ein Engel und kann Gedanken lesen. Doch sie ist ein gefallener Engel, dem man die Flügel genommen hat, weil sie ihr Blut einem Vampir gab. Dass dies nicht freiwillig geschah, ist ohne Bedeutung. Seitdem ist sie auf der Hut vor attraktiven Männern. Doch als Madison in Paris auf Omar Rayhan ibn Ziyad trifft, der nicht nur besonders attraktiv, sondern auch mehr als dreizehnhundert Jahre alt ist, schlägt sie alle Vorsicht in den Wind. Denn Ray trägt das gleiche Tattoo, welches auch ihre verstorbene Schwester trug, und Madison setzt alles daran, Antworten zu bekommen. Ray hofft, mit ihrer Hilfe das Diarium zu finden, das die Jäger der Dunkelheit in ihren Besitz gebracht haben. Eine Spur führt nach Dubai. Wird er dort auf seinen Bruder Maroush und die Krieger des Glaubens treffen? Dies ist der 3. Teil deiner mehrteiligen Serie!

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Night Soul 3

Rayhan

Kajsa Arnold

Inhalt

Zitat

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Danksagung

Deutsche Neuveröffentlichung

Ausgabe März 2018

Copyright © 2014, 2018 Kajsa Arnold

Alle Rechte vorbehalten

Nachdruck, auch auszugsweise,

nur mit Genehmigung

1. Auflage

Covergestaltung: Marie Wölk

www.wolkenart.com

Foto: © prabradyphoto - Getty Images

© ThomasVogel - Getty Images

© ipopba - Getty Images

© MRBIG_PHOTOGRAPHIE - Getty Images

Kajsa Arnold Edition

www.kajsa-arnold.de

Erstellt mit Vellum

Zitat

Du kannst deine Augen schließen, wenn du etwas nicht sehen willst, aber du kannst nicht dein Herz verschließen, wenn du etwas nicht fühlen willst.

(Johnny Depp)

Prolog

Schneeweiße Federn stoben wirr durch die Luft, dass man glauben mochte, es würde mitten im August schneien. Erst der laute Flügelschlag, der die Stille durchschnitt, ließ erkennen, woher diese stammten.

Der Erzengel kam mit verschränkten Armen neben der Frau zum Stehen und stemmte sich breitbeinig auf den Boden. Kopfschüttelnd betrachtete er sie. Sie war so ein wunderschöner Engel und doch dumm wie ein kleines Kind. Hatte er nicht all seine Engel gewarnt? Sie hätte seinen Rat befolgen sollen, es hätte sie vor diesem Unglück bewahrt. Nun klaffte eine große Wunde an ihrem Hals, das Erdreich war getränkt von ihrem Blut. Ihre wundervollen Flügel hingen leblos herab, wie das gebrochene Gefieder eines verletzten Vogels. Viele der früher mal weißen Federn waren dunkelrot mit ihrem Blut beschmiert. Der Gestank des Vampirs haftete immer noch an ihr, obwohl er sich wohl schon vor Stunden aus dem Staub gemacht hatte.

Ungläubig schüttelte der Erzengel den Kopf. Wie hatte die Frau sich nur mit einem Vampir einlassen können? Hatte er nicht eindringlich vor den Vampiren gewarnt? Diese Kreaturen, die gierig nach Engelsblut waren, das so rein und köstlich war, dass keiner von ihnen widerstehen konnte, davon zu kosten. Kaum einer dieser Blutsauger hatte sich so gut im Griff, dass er ein Himmelswesen am Leben ließ, nachdem er von dessen köstlichem Saft getrunken hatte. Wie eine Droge machte es sie süchtig, nach mehr und immer mehr.

Mit stolzen Schritten umrundete der Erzengel den leblosen Körper. Sie stand an der Schwelle zum Tode, doch noch war ein Hauch Leben in ihr. Er hockte sich hin, beugte sich tief über sie und horchte auf ihren Herzschlag.

Der Atem ging flach, noch nicht alles Blut war aus ihrem Körper gewichen. Er sollte sie töten, um ihr Leiden zu verkürzen, doch etwas hielt ihn zurück. Sie war schön, so schön, wie es nur ein Engel war. Es wäre eine Schande, den Menschen diese Schönheit zu rauben.

Trotzdem rang der Erzengel mit sich. Wer seinen Anweisungen nicht Folge leistete, gehörte bestraft, so wollte es das Gesetz, doch ihre Anmut und Schönheit rührte etwas in ihm, das nur mit einem Wort zu beschreiben war: Gnade.

Er berührte ihren Hals mit seinen Fingerspitzen, was ein Licht aufflammen ließ, heller als ein Sonnenstrahl, und pure Energie begann zu fließen. Die Blutung stoppte und die Wunde heilte, schnell, wie durch ein Wunder. Bald würde sie nicht mehr sichtbar sein. Doch dass sie sich mit einem Vampir eingelassen hatte, konnte er ihr nicht durchgehen lassen, soweit ging sein Mitleid dann doch nicht.

Er richtete sich zu seiner vollen imposanten Größe auf und mit unermesslicher Kraft riss er ihr die Flügel aus dem Rücken. Federn stoben durcheinander, landeten in den blutigen Pfützen auf der Erde. Ihr Gesicht verzog sich trotz ihrer Bewusstlosigkeit zu einem lautlosen Schmerzensschrei.

Der Erzengel stoppte zwar die Blutung an ihren Schultern, doch zwei tiefe Narben würden sie für den Rest ihres Lebens daran erinnern, welchen Verrat sie begangen hatte – dass sie ein gefallener Engel war. Dass sie den Himmel und ihre Flügel für einen Vampir geopfert hatte. Und es würde ein langes Leben sein, denn er nahm ihr nicht ihre Unsterblichkeit und ihre Gabe, nein, er nahm ihr nur das Privileg, weiterhin ein Engel auf Erden zu sein.

Kapitel 1

Der schnittige rote Sportwagen surrte leise über die Straße und brachte seine Insassen in kürzester Zeit Richtung Saint-Denis, einem Vorort von Paris.

Dr. Madison Balisari war vor ungefähr vier Monaten hierhergezogen, nachdem sie die Stelle als Chirurgin im Curie Institute angenommen hatte. Ihre Zweizimmerwohnung lag in der ersten Etage eines vierstöckigen Wohnhauses. Die Fassade aus Sandstein war mit den Jahren ergraut und verwittert, doch hinter der Wohnungstür lag ein kleines Paradies.

Ihr Blick fiel auf ihren Beifahrer, der in dem kleinen Sportwagen aufgrund seiner riesigen Körpergröße fehl am Platz wirkte. Er beobachtete aus dem Augenwinkel, wie Madison mit sicherer Hand das Auto lenkte und nach einiger Zeit vor dem Wohnhaus geschickt in einer kleinen Lücke einparkte.

Omar Rayhan ibn Ziyad folgte Madison wortlos und stand anschließend etwas unschlüssig im Flur des gemütlich wirkenden Appartements.

»Bitte treten Sie näher. Es gibt nur das Schlafzimmer und das Wohnzimmer mit offener Küche. Sie können sich also nicht verlaufen. Wenn Sie duschen möchten, ich glaube, ich habe noch eine alte Jeans und ein T-Shirt meines Vaters, die Ihnen passen dürften. «

Das Wasser prasselte wie ein warmer Regenschauer auf Rayhans Körper nieder. Eine Wohltat! Minutenlang lief das nasse Element an ihm herab. Das Duschgel hatte eine frische Note nach Zitronenmelisse. Er hatte diesen Geruch schon an Madison wahrgenommen, doch er wurde überdeckt von dem ihr eigenen Melonengeruch, der sich wie dichter Nebel auf seinen Verstand legte.

Neben einem Handtuch lagen eine große Jeans und ein T-Shirt der Universität Yale für ihn parat. In diesem Aufzug fühlte er sich auf jeden Fall wohler, als in Arztkittel und OP-Hose, die er angezogen hatte, um schnellstmöglich das Krankenhaus zu verlassen, in das er nach dem Kampf mit den Jägern der Dunkelheit eingeliefert worden war, von wem auch immer. Als er das Badezimmer verließ, stand Madison bereits wartend an der Tür.

»Ich habe uns Pizza bestellt, ich hoffe, Sie mögen Salami mit doppeltem Käse. Bezahlen Sie den Boten? Das Geld liegt in der Küche auf dem Tresen. Ich springe auch schnell unter die Dusche.« Schon war Madison ins Bad verschwunden.

Eine merkwürdige Situation, in der Rayhan hier steckte. In der Wohnung einer Frau, die er nicht kannte, und deren Geruch ihm den Kopf vernebelte.

Er sah sich in der Wohnung um, hielt nach Fluchtmöglichkeiten Ausschau. Nicht, dass er damit rechnete, plötzlich flüchten zu müssen, aber er war gerne vorbereitet.

Die Möbel waren ein Sammelsurium verschiedener Stile. Kunterbunt zusammengewürfelt, aber in sich doch stimmig. Die Tür zum Schlafzimmer war nur angelehnt und mit der Fingerspitze drückte er sie weiter auf, um einen kurzen Blick hineinzuwerfen. Ein kleiner Raum, spartanisch eingerichtet: ein Schrank, ein Nachttisch – und ein Himmelbett! Ein großes weißes Bett, an dessen vier Pfosten dünne Gazevolants in der gleichen Farbe hingen. Rayhan fragte sich, mit wem Madison dieses riesige Bett wohl teilte. Weit kam er mit seinen Überlegungen nicht, denn es klingelte an der Tür.

»Eine Familienpizza mit doppeltem Käse und eine Flasche Bordeaux.« Der Bote übergab den Wein und die Pizzabox, nahm das Geld in Empfang und war verschwunden, bevor Rayhan nach dem Wechselgeld fragen konnte.

Sie stand unter der Dusche, wo vor wenigen Minuten er gestanden hatte, ging es ihr durch den Kopf, und sie sog seinen Duft nach Pampelmuse, Pfefferminze und einem Hauch Zimt ein, der noch immer in der Luft des kleinen fensterlosen Raums hing. Sie spülte das Shampoo aus den Haaren und wünschte, seine Hände würden an ihr hinuntergleiten, anstelle des Schaums.

Mein Gott!, was ist nur mit mir los? Sie kannte diesen Mann überhaupt nicht und bezweifelte sogar, dass er ein Mann war. Wer war er nur? Was war er?

Schnell beendete Madison ihre Dusche und stellte das Wasser ab. Stimmen waren an der Tür zu hören, das musste der Pizzabote sein. Das Bad war erfüllt von Nebelschwaden, die das warme Wasser hinterlassen hatte, und sie öffnete die Tür einen Spalt breit, wischte schnell den Spiegel frei. Es waren harte zweiundsiebzig Stunden gewesen. Bereitschaftsdienst gehörte nicht auf die Top Ten Liste ihrer Lieblingstätigkeiten. Die tiefen Ringe unter ihren Augen begannen bereits, sich langsam blau zu färben. Sie brauchte dringend eine Mütze Schlaf. Doch daran war erst einmal nicht zu denken, mit einem fremden Mann in ihrer Wohnung. Was hatte sie sich nur dabei gedacht, ihn hierherzuschleppen?Sie wusste nichts über ihn. Vielleicht war er ein Mörder oder gesuchter Vergewaltiger.

Schnell schob sie diese Gedanken beiseite. Irgendetwas sagte ihr, dass sie ihm vertrauen konnte, und dass er ihr Leben verändern würde. Schnell schlüpfte sie in die Unterwäsche und zog ihren langen Bademantel über, dann ging sie zurück ins Wohnzimmer, wo Rayhan bereits mit der Pizza wartete.

Das höchste Gebäude der WELT! Rund achthundertdreißig Meter maß der Burj Khalifa und verfügte über nicht weniger als einhundertneunundachtzig Etagen. Kein anderes Gebäude wäre dem Anführer der Jäger der Dunkelheit würdiger gewesen, als der stählerne Turm im Downtown der Wüstenstadt Dubai. Schon von Weitem ragte er kerzengerade in die Höhe und streckte seinen eisernen Finger gen Himmel, als wolle er nach den Sternen greifen.

Philippe Orlandie bewohnte eine komplette Etage im Armani Hotel des Burj Khalifa. Der Ausblick war atemberaubend, selbst in der Nacht, denn dies war die einzige Tageszeit, in der Philippe, seines Zeichens Vampir, den Ausblick genießen konnte. Als Jäger der Dunkelheit musste er das Tageslicht, welches unwiderruflich mit ultravioletten Strahlen daherkam, meiden, um Verbrennungen seiner Haut und dem daraus folgenden Tod zu entgehen. Wäre er ein Krieger des Glaubens gewesen, hätte er das Sonnenlicht ertragen können. Das Geheimnis, warum dies so war, würde er bald lüften, darin bestand kein Zweifel, denn er war endlich im Besitz des Diariums. Das lang verschollene Buch der Vampire, in dem alle Geheimnisse festgehalten waren, unter anderem, wie sich ein Glaubensgelöbnis entwickelte und vor allem, was viel wichtiger war, wie man als Vampir das Sonnenlicht ertrug.

Nur gab es einen kleinen Haken. Es fehlte der Schlüssel, um das Diarium zu öffnen. Das in Leinen gewickelte Buch verfügte über einen komplizierten Schließmechanismus, der nur mit einem ganz besonderen Schlüssel zu öffnen war. Ansonsten lief man Gefahr, das Buch zu zerstören.

Die Frage war: Hatten die verhassten Krieger den Schlüssel zusammen mit dem Buch entdeckt oder waren sie selbst noch auf der Suche und hatten ihm deshalb als Ablenkung das Wertvollste, was sie geschworen hatten zu hüten, überlassen?

Er stand an der riesigen Fensterfront und blickte auf die pulsierende Stadt zu seinen Füßen, die Hände tief in den Taschen seiner Anzughose vergraben.

Auf der breiten Couch hatte es sich Viktor Kassai bequem gemacht und beobachtete ihn mit wachem Blick. Er war ein alter Vampir mit viel Erfahrung und einer Vorliebe für schöne junge Frauen und deren makelloses Blut. Orlandie hatte ihn zu seinem Berater auserkoren, nachdem Castaway durch die Krieger des Glaubens seinen Kopf verloren hatte, was Philippe eher als einen Gefallen, denn als einen Affront empfand.

»Was wollen wir hier in Dubai?«

Philippe verabschiedete sich von der wundervollen Aussicht und schenkte Viktor seine ganze Aufmerksamkeit.

»Hier gibt es die besten Schneider. Wir werden uns eine neue Kollektion von Anzügen zulegen. Das Leben, das wir bisher geführt haben, ist vorbei. Ich werde die Jäger der Dunkelheit zu dem machen, wozu sie auserkoren sind. Und dazu gehört auch das richtige Outfit.«

»Du warst bisher ein armer kleiner Student. Woher weißt du, dass es hier die besten Schneider gibt?« Kassai schien nicht überzeugt.

»Von Karim, einem alten Freund.«

»Wer ist dieser Karim?«

»Karim el Mouradi hat mit mir zusammen in Paris studiert. Nach dem Studium ist er zu seiner Familie hierher zurückgekehrt. Karim ist ein ausgesprochenes Finanzgenie und er hat einen erlesenen, wenngleich kostspieligen Geschmack. Das ist genau das, was wir jetzt brauchen.«

Viktor hob fragend eine Augenbraue. »Ein Finanzgenie also. Ich dachte, Castaway hätte mehr als genug Geld gehabt!«

»Castaway war nicht nur der Anführer der Jäger, sondern Inhaber einiger gutgehender Unternehmen und prallgefüllter Bankkonten, die ich übernehmen werde. Aber ich muss erst einmal drankommen. Und nebenbei bemerkt ist Karim nicht nur ein Finanzexperte, sondern auch ein wahrer Künstler, wenn es darum geht, Dokumente zu fälschen.«

Genüsslich streckte sich Shia auf dem großen Bett der Suite aus, die er mit Ewa teilte. Er hatte schon lange nicht mehr so tief und fest geschlafen. »Ich kann nicht glauben, dass Channing das für Sara getan hat.« Er schüttelte ungläubig den Kopf.

»Er muss sie sehr lieben«, nickte Ewa, die mit ihrem Kopf auf seinem Oberkörper ruhte. »Das Haus neu aufzubauen, komplett einzurichten und dies über einen Ozean hinweg, ohne ihr Wissen, dazu gehört eine Menge Organisationstalent.«

Shia grinste. »Deshalb ist er unser Anführer. Channing mag nicht der beste Kämpfer sein, aber er ist der beste Mann für Sara und um uns zu führen. Er behält den Überblick.« Er hielt einen Moment inne. »Apropos Überblick ... Scheiße, wo ist dieses Mädchen abgeblieben? Fuck, wir haben sie vergessen!«

»Welches Mädchen?« Ewa hob ihren Kopf und schaute Shia fragend an.

»Ich habe eine junge Frau in einer Bar aufgegabelt. Sie ist eine Vampirin, eine Kriegerin des Glaubens, und sie scheint nicht zu wissen, was sie eigentlich ist. Aber ich habe ihr Tattoo gesehen. Ray sollte sie in Sicherheit bringen. Verdammt, ihn können wir wohl kaum fragen, wo sie abgeblieben ist.«

»Du warst in einer Bar und hast eine Frau aufgegabelt? Und du weißt auch, dass sie ein Krieger-Tattoo trägt?«

»Ich war etwas trinken, brauchte eine Auszeit.«

»Wann?«

»Wann? Ich verstehe deine Frage nicht.« Shia erhob sich aus dem Bett und Ewa stand ebenfalls auf und zog sich an.

»Ich nehme mal an, du hast diese Frau kennengelernt, nachdem ich dir davon erzählt hatte, dass Gabriel mein Glaubensgelöbnis sei.«

»Ja, und was stört dich daran?« Shia schüttelte verständnislos den Kopf und stieg in seine Cargohose.

»Alles«, zischte Ewa durch ihre ausgefahrenen Fänge, »weil es zeigt, wie schnell du bereit warst, dich zu trösten. Du hast mir nicht mehr vertraut!« Sie verschränkte wütend die Arme vor der Brust.

Er hielt in der Bewegung inne. »So war es doch gar nicht. Du verstehst das vollkommen falsch. Und wenn wir hier schon von Vertrauen sprechen – was ist mit deinem Vertrauen? Ich habe ja wohl wesentlich mehr Grund zur Eifersucht gehabt als du, findest du nicht?«

»Ich habe mir mein Gelöbnis mit Gabriel nicht freiwillig ausgesucht. Du bist so was von selbstgefällig.« Wütend schnappte sich Ewa eines der Kopfkissen und warf es mit aller Kraft Richtung Shia, der es zu spät kommen sah und die volle Breitseite abbekam.

»Hast du sie noch alle?«, knurrte er laut, doch sie hörte ihn nicht mehr. Ewa hatte bereits den Raum mit einem lauten Türschlag verlassen.

»Verdammt!« Wütend griff Shia zu seinem Smartphone und wählte mit der Kurzwahltaste Maroushs Nummer. Nach nur drei Sekunden meldete sich dessen tiefe ruhige Stimme.

»Bruder, gibt es Neuigkeiten von Ray?«, brummte Shia in den Hörer.

»Nein, bisher konnten wir seine Fährte nicht aufnehmen. Aber ich bin mir sicher, dass er noch lebt.«

»Du musst mir einen Gefallen tun. Eigentlich sind es zwei. Fahr in die Bretagne und schaue nach, ob das Mädchen, das ich aus Paris mitgebracht habe, noch im Hotel ist. Ich hatte Ray beauftragt, sie in Sicherheit zu bringen. Vermutlich hat er sie in einer der Zellen im Keller untergebracht.«

Er hörte ein leichtes Knurren von Maroush, was heißen sollte, dass dieser verstanden hatte.

»Und der zweite Gefallen?«

»Schick mir meinen verdammten R8 nach Seattle!«

Für nur einen kurzen Augenblick erhaschte er einen Blick durch den Spalt der Tür auf ihre nackte Gestalt, doch diese Sekunde veränderte sein Leben. Sein Blick blieb an ihrer Hüfte kleben. Die Blütenranke mit den geschwungenen Buchstaben! Das Zeichen der Krieger des Glaubens. Zweifellos!

Das einzige Problem war, dass sie keine Vampirin war, da war Rayhan sicher, und doch trug sie die Losung, die nur für ihn bestimmt war: Credo, ut intelligam – ich glaube, um zu verstehen. Dr. Madison Balisari war sein Glaubensgelöbnis. Die Frau, die das Schicksal für ihn vorbestimmt hatte.

Bevor er diesen Gedanken zu Ende denken konnte, geschah etwas in seinem Kopf, das ihn vollends aus dem Konzept brachte. Er hatte das Gefühl, als versuchte jemand, in seinen Geist einzudringen. Sofort machte er dicht und blendete alle Gedanken aus. Als Vampir besaß er die Fähigkeit, seinen Geist so zu blockieren, dass es für Fremde nicht möglich war, in seinen Kopf vorzudringen. Unruhig sah er sich um, aber er konnte nicht sagen, woher diese Bedrohung kam, ob von draußen oder aus seiner unmittelbaren Nähe.

Skeptisch beäugte er Madison, die in einen Bademantel gehüllt aus dem dampfenden Badezimmer kam.

»Mann, habe ich einen Hunger! Ich glaube, ich habe in den letzten fünfzehn Stunden nur Kaffee getrunken.«

Sie fuhr mit dem Pizzaschneider, den sie aus der Schublade holte, über den Fladen und teilte ihn in acht gleichmäßige Stücke.

»Beeilen Sie sich, sonst ist gleich nichts mehr übrig.«

»Ich bin nicht hungrig«, gestand Rayhan, der lieber Madison dabei beobachtete, wie sie genussvoll in das erste Pizzastück biss. Sie saßen sich an der Küchentheke auf Barhockern gegenüber und schauten einander in die Augen.

»Kommen Sie, Sie müssen ein Stück probieren, die ist wirklich gut. Ich mag nicht allein essen. Das gibt mir das Gefühl, gierig zu sein. Oder nehmen Sie keine Nahrung zu sich wegen ihrer 49 Chromosomen?«

Kaum hatte Madison diese Worte ausgesprochen, griff Rayhan zu einem Stück und biss hinein. »Hm, die ist wirklich gut«, nickte er.

»Sag ich doch«, lächelte Madison. Ein Lächeln, das ihm direkt ins Herz fuhr und es erwärmte.

Er starrte sie an und konnte seinen Blick einfach nicht mehr abwenden. Sein Glaubensgelöbnis. Konnte es wirklich wahr sein, dass er sie endlich gefunden hatte, nach all den Jahrhunderten?

Sein durchdringender Blick schien Madison unangenehm. Sie starrte zurück, doch er reagierte nicht darauf.

»Bitte bedienen Sie sich.« Sie schob ihm ein weiteres Stück über den Tresen. Damit brach sie den Bann und Rayhan konzentrierte sich wieder auf das Essen.

»Wollen Sie mir Ihr Geheimnis anvertrauen?«, fragte sie und stand auf. Aus dem Schrank nahm sie zwei Gläser und wollte den Wein öffnen, als Rayhan ihr diese Aufgabe abnahm. Gekonnt entkorkte er die Flasche und schenkte ein.

»Auf unsere Geheimnisse«, stieß Madison mit ihm an.

»Haben Sie denn welche?«, fragte Rayhan mit hochgezogener Augenbraue.

»Haben wir die nicht alle?«

»Touché.« Er trank einen Schluck und setzte danach sein Glas, das in seinen großen Händen zerbrechlich wirkte, behutsam ab. Er beobachtete Madison dabei, wie sie ebenfalls trank, und sah auf ihre zarten Hände. Feingliedrige Finger, die wie geschaffen dafür waren, Operationsinstrumente zu führen. Wie sich diese Finger wohl auf seiner Haut anfühlen mochten? Er schüttelte unmerklich den Kopf, um seine Gedanken wieder zu ordnen.

»Was ist Ihr Geheimnis, Madison? Warum haben Sie mir erzählt, dass Ihre Schwester das Tattoo auf ihrem Körper trug, wenn es doch gar nicht der Wahrheit entspricht? Warum haben Sie meine Patientenakte aus dem Krankenhaus entwendet?«

Erschrocken blickte Madison auf. »Meine Schwester trug dieses Tattoo, das war nicht gelogen. Wie kommen Sie auf die Idee, dass ich nicht die Wahrheit gesagt habe?« Sie schien leicht gereizt.

Da war es wieder, das Gefühl, dass sich jemand in seine Gedanken stehlen wollte. Er verschloss erneut seinen Geist und blickte sie herausfordernd an.

»Was soll das?«

»Was soll was?«

»Madison, warum dieses Katz- und Mausspiel? Was glauben Sie, in meinem Kopf zu finden? Seit wann können Sie Gedanken lesen?«

Wie um etwas Zeit zu gewinnen, trank sie einen weiteren Schluck aus ihrem Glas. »Wie kommen Sie auf diese Idee?«

»Schluss jetzt!« Rayhan stand so abrupt auf, dass Madison erschrocken zusammenfuhr. Er drehte sie auf dem Barhocker zu sich herum und stemmte seine Hände rechts und links auf die Stuhllehne, sodass sie gefangen war, dabei beugte er sich über sie.

»Sagen Sie mir die Wahrheit, Madison! Wer sind Sie wirklich? Kein normaler Mensch kann in den Kopf eines anderen eindringen. Aber ich spüre Ihre Aura, versuchen Sie nicht, es zu leugnen.«

»So, wie kein Mensch 49 Chromosomen besitzt!«, presste sie zwischen den Zähnen hervor.

Er holte tief Luft, hörte ihren Pulsschlag, der sich in seinem Kopf festsetzte, und ein tiefes Knurren kroch seine Kehle hinauf. Er atmete tief aus.

»Was ist los, Ray? Können Sie das Knurren kaum noch unterdrücken? Fahren Ihre Reißzähne aus, um mich zu beißen? Das erübrigt die Frage wohl, was Sie wirklich sind.«

Ihre Stimme blieb ganz ruhig, kein Zittern war zu vernehmen, dabei war ihm klar, dass sich seine Augen zu Schlitzen verengten und ein leicht silberner Schimmer hervortrat. Obwohl sein Gesicht nur Zentimeter von ihrem entfernt war, zeigte sie keine Angst.

»Dann sag mir, was ich bin.«

Sie zeigte keine Regung. Wollte sie ihn aufziehen?

»Was solltest du schon anderes sein als ein Vampir?« Das Du kam ihr wie selbstverständlich über die Lippen. »Eine dieser Kreaturen, die schon ewig auf der Erde verweilen, sich als Menschen tarnen und das Blut armer Ahnungsloser rauben.«

Bitter spie sie die Worte aus. Aber Rayhan hörte auch etwas anderes heraus. Er fasste sie an der Schulter, damit sie ihm nicht entwischen konnte, und spürte, wie seine Fänge sich ihren Weg bahnten und unter seiner Oberlippe hervortraten. Leugnen wäre alles andere als sinnvoll gewesen. Es entsprach auch nicht seiner Natur, da war ihm die direkte Konfrontation lieber.

»Sag mir, was du bist und versuche nicht, mir weiszumachen, du seist ein Mensch.«

Madison starrte ihn an, als würde sie seine Worte nicht verstehen. Ihre Hand schloss den Kragen des Bademantels, als könnte dieser sie vor Rayhans unangenehmen Fragen schützen.

»Ich weiß nicht, worauf du hinauswillst.«

Ihr Hochmut brachte Rayhans Geduld zum Überkochen. Mit Gewalt riss er ihren Bademantel auseinander und deutete auf Madisons Tattoo, das sich um ihre Hüften schlang. Buchstaben, welche die lateinischen Worte: Credo, ut intelligam – Ich glaube, um zu verstehen bildeten. Die Buchstaben waren umwoben von einer wunderschönen Blumenranke.

Madison schreckte zurück, als hätte Rayhan sie geschlagen, und schloss schnell den Mantel.

»Ich bin gespannt, was für eine Geschichte du mir auftischst, wie du an diese Tätowierung gekommen bist.«