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Fünf Ninja Warrior-Anwärter auf ihrer ersten Geheimmission: Sam, Bent, Svea, Li und Marta-Zofia haben wie Tausende anderer Kinder weltweit den Traum, an einer der fünf Ninja Academys aufgenommen zu werden. Bei ihrem ersten geheimen Auftrag in Berlin geraten die Fünf an die Grenzen ihrer außergewöhnlichen Fähigkeiten. Schon deshalb müssen die Schüler zusammenhalten und aufeinander vertrauen, denn es wird alles infrage gestellt, was sie über die internationale Ninja-Welt zu wissen glaubten. Wer sind die Guten, wer sind die Bösen? Nichts ist so, wie es scheint! Und damit beginnt die eigentliche Geschichte erst … Diese Mission ist der Beginn einer spektakulären Buchreihe von Kultautor und Kampfsportler Kai Lüftner für Kinder ab 9 Jahren.
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JOIN THE ACADEMY!
shinobi international ist Marktführer im Bereich der immer gigantischer werdenden Ninja-Warrior-Shows.
An fünf internationalen Academys bildet der Konzern Nachwuchstalente aus, denn fast jedes Kind träumt von einer Karriere als Ninja Warrior. Doch der Weg dorthin ist alles andere als leicht. Der dreizehnjährige Sam will es trotzdem versuchen. Er muss allerdings nicht nur gegen seine Ängste, sondern gegen ziemlich reale Feinde kämpfen. Zum Glück findet er die Freunde, die er braucht, um sich diesen Feinden zu stellen. Denn sie alle wollen nur eins: Ninja Warrior werden! Aber ist das wirklich so?
Wie ein Pflug grub sich die schwere Schiffsschraube ins Wasser.
Während die Fähre sich grollend entfernte, stand Sam am Hafen und schaute ihr hinterher. Dabei spürte er, wie die Bugwellen rhythmisch gegen die Stahlpoller des Anlegers schlugen.
Vor ihm das Meer, unter ihm die Insel. Bornholm.
Ein kleines Stück Dänemark, losgelöst vom Festland. Losgelöst vom Rest der Welt.
Er atmete tief durch, während die Poul Anker immer kleiner wurde.
Bald verschwamm das Dröhnen des Motors mit dem Rauschen der Wellen und wurde schließlich ganz verschluckt.
Die Luft roch nach Fisch und Tang und nach Diesel. Vor allem aber roch sie nach Abenteuer. Nach etwas Neuem.
Sam sog den Geruch tief ein.
„Wollen wir?“ Eine Hand legte sich auf seine Schulter.
Sam riss sich vom Anblick des Meeres los, während sein Großvater den Rest des lauwarmen Kaffees aus seiner Lieblings-Emailletasse in einen Busch auf dem Hafenparkplatz kippte und den Rucksack aufhob.
Großvaters Rucksack – die Visitenkarte seines Lebens. Über und über mit Aufnähern aus der ganzen Welt bedeckt und vollgestopft mit Dingen, die andere als sinnlos bezeichnet hätten. Für Kurt Berger war dieser Rucksack beinahe so was wie ein Körperteil. Genau wie der ramponierte Kleinbus, olivgrün, Schlafzelt auf dem Dach und Reserverad am Heck, der auf dem Parkplatz auf sie wartete.
Der Eindruck täuschte; genau wie Kurt Berger war der alte Bulli vielleicht nicht mehr ganz taufrisch, aber immer noch voller Power.
Wer die beiden unterschiedlichen Gestalten da am Fähranleger von Rönne, Bornholms Hauptstadt, sah, fragte sich unweigerlich, wie sie zueinander standen: der drahtige alte Mann, sonnengebräunt, mit aufrechtem Gang und erhobenem Haupt gegen den Wind gelehnt; und der etwas entrückt wirkende Junge, nicht schlaksig, aber ungelenk und fahrig, dazu leicht kalkig im Gesicht, mit zerzaustem hellbraunem Haar.
Sie passten äußerlich nicht wirklich zusammen und waren doch verwandt. Und sie waren das beste Team, seit es Großväter und Enkel gab.
Die zuschlagende Tür des Bullis ließ den salzigen Hafendunst draußen, und Sam wurde von dem vertrauten Geruch nach Leder, Instantkaffee und leicht muffigem Schlafsack eingehüllt. Kurt Berger hatte in diesem Auto mehr Zeit verbracht als in jeder Wohnung oder jedem Haus. Und auch für Sam war der Bulli sein Zuhause.
„Los?“ Mit einem angestrengten Ächzen schob sich Kurt Berger auf den Fahrersitz und legte die Hände auf das abgegriffene Leder des Lenkrads.
Sam nickte.
„Du kannst es dir noch jederzeit anders überlegen!“
Sam nickte wieder und vermied es, seinen Großvater anzuschauen.
Der Motor des Bullis startete, und der Junge entspannte sich sofort, als das vertraute Rütteln seinen Körper erfasste.
Er war sein halbes Leben mit diesem Auto durch die Welt gefahren. Nun, nach der Pandemie, unternahmen sie ihre erste gemeinsame Tour. Sie hatten, von Berlin kommend, einen Umweg über die Mecklenburger Seenplatte und die Uckermark und bereits eine Woche Strecke gemacht, bevor sie in Sassnitz die Fähre nahmen.
Diese Fährfahrt war das Einzige, was sie fest geplant hatten, der Rest sollte sich mehr oder weniger ergeben – und würde es noch tun. Genau wie das Ende der Reise. Auch wenn es ein Ziel gab.
Kurt Berger schaltete das Radio ein, und Fetzen der kantigen Wikingersprache kollerten durch die Lautsprecher ins Innere des Bullis. Es klang ein wenig, als hätte der Radiosprecher ein viel zu großes Stück Brot im Mund, und seine Aussprache erinnerte Sam an die Orks aus Fantasyfilmen.
Sam ließ sich tief in den Sitz sinken und versuchte, die durcheinanderwirbelnden Gedanken in seinem Kopf zu ordnen. Es gelang nur mäßig, denn da gab es augenblicklich ein bisschen zu viel zu sortieren.
Der Bulli schob sich durch die für einen Berliner beinahe niedlich anmutenden Straßen und Gassen der Inselhauptstadt, bis sich die Umgebung schließlich änderte und links von ihnen das Meer, rechts lang gestreckte Felder und vereinzelte Höfe dazwischen auftauchten. Wie aus einer längst vergangenen Zeit lugten sie mit Reetdach und verwinkelten Giebelfenstern über das hohe Korn hinaus. Und dann wurde es relativ unvermittelt immer waldiger, felsiger und bergiger. Riesige Findlinge und Klippenhügel, die durch die Feldböden stachen, säumten die Straßenränder und prägten nun die Landschaft. Der Dieselmotor schnaufte sich bergauf und durch enge Kurven. Kurt Berger war nie wirklich hektisch oder aufgeregt unterwegs, aber die übertrieben langsame Art und Weise, wie er jetzt gerade den Bulli über die Insel lenkte, ließ seinen Enkel vermuten, dass er versuchte, das offenbar Unvermeidliche hinauszuzögern.
Dann entdeckte Sam das erste Schild.
Auf einem Waldparkplatz am Straßenrand prangten die bestimmt zwei Meter großen Buchstaben N und A auf dem rot-weißen Logo. Und darunter der weltbekannte Firmenname.
Sam erkannte aus dem Augenwinkel, dass sein Großvater es ebenfalls entdeckt hatte, und vermied es, ihn wieder anzuschauen.
Es kam nicht häufig vor – genau genommen bei wichtigen Themen nie –, dass Sam und Kurt Berger unterschiedliche Ansichten hatten. Trotz ihrer äußerlichen Unterschiede waren sie sich so nah und ähnlich, wie man es nur sein konnte.
Für Kurt Berger blieb es von daher bis jetzt absolut unerklärlich, warum Sam sich in den Kopf gesetzt hatte, ein Ninja Warrior zu werden – zumal seinem Enkel ganz offensichtlich alle körperlichen Voraussetzungen dafür fehlten. Dennoch waren sie hier, und er würde Sam selbstverständlich unterstützen. Gut fühlte er sich dabei allerdings nicht.
Jetzt tauchte ein Richtungspfeil auf mit der Information, dass es noch drei Kilometer bis zu ihrem Ziel waren. Zum Greifen nah, unendlich weit entfernt. Sam verkrampfte innerlich und musste sich regelrecht zwingen, nicht laut zu stöhnen. Er selbst war sich ebenfalls alles andere als sicher, das Richtige zu tun. Aber er hatte es sich vorgenommen, und nun würde er es auch durchziehen, dachte er grimmig.
Der Bulli verlangsamte die Fahrt und bog dann leicht links von der Hauptstraße auf einen schmaleren Weg ein, der durch die ihn einfassenden Alleebäume beinahe im Dunkeln lag. Sam empfand die Umgebung nun als fast mystisch und ein bisschen bedrückend.
Der Weg führte, wenn auch nicht steil, immer höher hinauf. Irgendein nordisches Folklorelied aus dem Radio malte einen düsteren Soundtrack in die Fahrerkabine. Die klagende Stimme der Sängerin passte zu Sams trüben Gedanken. Der Junge lauschte, schaute aus dem Fenster und versuchte, seinen Atem zu kontrollieren. Es ging hier nicht darum, seinem Großvater zu beweisen, dass das Ganze keine Schnapsidee war. Nein, es ging darum, dass Sam es sich selbst beweisen musste!
Vor ihnen lichtete sich nun der Wald und gab die Aussicht auf Koppeln, Weiden und borstige Heide frei. Während Sams Blick noch versuchte, die Weite einzufangen, wurde er angezogen von einem riesigen Objekt an der Grenze zwischen Land und Meer. Thronend über allem. Weit aufragend, wie eine in den Himmel gestreckte Riesenfaust aus brüchigem Stein. Angefressen, aber unverwüstlich seit Jahrhunderten.
Sam hatte alles darüber gelesen, was im Netz verfügbar gewesen war: Hammershus! Nordeuropas größte Festungsanlage, auf einem strategisch und landschaftlich einmaligen Bergmassiv, mit Sicht auf Schweden, dort irgendwo am Ende des Horizonts. Diese ehemalige Burganlage und Festungsruine war nicht nur eine Art Wahrzeichen der Insel, sondern auch ein beliebter Touristenmagnet. Wenn nicht sogar der beliebteste.
Bis 2006. Damals hatte shinobi international das komplette Areal gekauft.
Sam hielt die Luft an.
„Da ist sie!“, sagte sein Großvater, als bedürfe es irgendeiner Erklärung. „Die Ninja Academy …“
Es war eine ungemütliche Mischung aus simpler Feststellung und Frage.
Dann schwiegen sie wieder beide.
Sam nickte stattdessen, wie so oft, um überhaupt irgendetwas zu tun.
Ein Teil der Hammershus-Anlage war noch immer eine für Urlauber zugängliche Touristenattraktion. Der weitaus größere Teil und der Rest der ganzen Umgebung aber gehörten zur einzigen Ninja Academy im skandinavischen Raum, ja, in ganz Europa. Und sie war Eigentum der größten Firma der Welt. Ein globales Unternehmensmonster, so umstritten wie erfolgreich: shinobi international.
Mindestens hundert kleine Buden, Zelte, Pavillons und Verkaufsstände duckten sich auf der Freifläche vor Hammershus, dahinter prangte neben einer gigantischen dänischen Fahne das shinobi-Logo auf einem ebenso riesigen Banner direkt an der Burgmauer. Damit war es für jeden, der hier ankam, unübersehbar: Der Konzern hatte nicht nur einen Fuß in der Tür, er hatte sie eingetreten, ausgehängt und durch sein Logo ersetzt.
Wimpel und Fähnchen in den Farben der japanischen, kanadischen, russischen und südafrikanischen Flaggen flatterten von beinahe jedem Baum und unzähligen Fahnenmasten in der ganzen Umgebung. Sie standen stellvertretend für die anderen vier Standorte der internationalen Ninja-Academy-Szene.
Während sein Großvater den Wagen langsam auf einen riesigen Parkplatz lenkte, auf den ihn ein Platzanweiser in gelber Warnweste dirigierte, versuchte Sam, sich einen Überblick zu verschaffen. Es war so unwirklich, nun tatsächlich hier zu sein, und es übertraf wirklich alles, was er sich in seiner Fantasie ausgemalt hatte! Auch all die YouTube-Videos und Fotos, die er wieder und wieder angeschaut hatte, vermittelten nur einen schwachen Eindruck von der Wirklichkeit. Das hier war echt!
Hinter den Zinnen von Hammershus konnte er Teile der legendären Arena erspähen – dem Bereich, in dem die angehenden Ninja Warrior trainierten. Er erkannte auch die hoch hinausragenden Stahl- und Aluminiumgerüste, die zu unterschiedlichen Balancier-, Hangel- oder Lauf-Parcours umgebaut werden konnten und vor dem graublauen Himmel über der Ostsee beinahe unecht wirkten. Sie schienen überall aus der ehemaligen Burgruine herauszuwachsen und schlängelten sich über die angrenzende Klippe bis ins Meer. Es war atemberaubend, wie die modernen Konstruktionen mit der alten Substanz verschmolzen.
Die Buden und Stände vor der Anlage wirkten vor diesem Hintergrund wie eine Miniaturwelt aus kleinen bunten Legosteinchen. Je nachdem, wie der Wind stand, schwappten Geräuschfetzen ins Innere des Bullis – Musik oder Rufe, das dumpfe Wummern von Trommeln, Sam glaubte auch das Klirren von Metall zu hören. Alles kam ihm so surreal vor. In dieser überwältigenden Kulisse, die über Jahrtausende fast menschenleer und von der Natur dominiert gewesen war, hatte shinobi international einen europäischen Hotspot der Ninja-Warrior-Welt erschaffen.
Wo früher Schafe und Kühe die Koppeln abgegrast hatten, wurde nun alles von Menschen zertrampelt. Überall wuselten sie herum. Manche als Touristen erkennbar mit Rucksäcken, Fernglas und Fotoapparat, andere waren offenbar Verkäufer oder auch Lieferanten der Academy.
Sam erblickte mehr und mehr Menschen in bunter, teilweise schräg und verrückt anmutender Kleidung. Er fühlte sich an die Buchmesse in Leipzig vor ein paar Jahren erinnert, auf der es von solchen Cosplayern nur so gewimmelt hatte –Kinder und Jugendliche, die in den Outfits ihrer Lieblings-Superhelden, Manga-Figuren oder Fantasiewesen herumliefen und mehr oder weniger deren Identität angenommen hatten. Schon auf der Fähre nach Bornholm waren ihm einige davon aufgefallen. Sie pilgerten zu den Ninja-Academy-Standorten oder ihren Wettkämpfen und Shows, kauften Souvenirs, himmelten die erfolgreichen Akteure an und waren dadurch ein weiterer wesentlicher Baustein im Ninja-Kosmos.
Download der Weltkarte auf www.oetinger.de
Ninja Academy war eine weltweite Marke geworden. Die Marke schlechthin. Ein Begriff, der mit Erfolg, Glanz, Show, Geld und Beliebtheit einherging. Und die aktiven und erfolgreichen Ninja Warrior waren die neuen Superstars am Showfirmament der weltweiten Unterhaltungsbranche. Sie schlugen eine bis dahin nicht da gewesene Brücke zwischen Sport und Unterhaltung und hatten längst Schauspieler, Musiker, YouTuber, Fußball- oder NBA-Profis in Bekanntheit und Verdienstmöglichkeiten überholt.
Wer heute etwas erreichen wollte, erreichte es mit shinobi international.
Die fünf Academy-Standorte hatten sich in den letzten Jahren zu dem gemausert, was früher Fußballmannschaften gewesen waren: eigene Universen mit Stars und Fans, mit eigenen Shops und eigener Werbung.
Die Schulen hatten alle unterschiedliche Schwerpunkte, Fähigkeiten und Trainingsphilosophien – und maßen sich regelmäßig in sportlichen Kämpfen miteinander. Wer es in seiner Academy zu Ansehen und zum Hattori brachte – zu einem Ninja der Stufe 3 –, der durfte sich offiziell Ninja Warrior nennen und hatte dadurch automatisch mindestens einen größeren Werbedeal und vielleicht sogar seine eigene TV-Show sicher.
Die Academy in Japan war die erste ihrer Art gewesen. In Yokohama wurden in einer ehemaligen Tempelanlage vor allem traditioneller Kampfsport und Schwertkunst unterrichtet. Hier legte man großen Wert darauf, den etwa dreihundertfünfzig Schülerinnen und Schülern nahezubringen, was es für Körper und Geist bedeutete, ein echter, traditioneller Ninja zu sein.
Im Gegensatz dazu war die Schule in Kanada die erste gewesen, die mit der Ausbildung von Show-Ninja begonnen hatte. Auch die shinobi-Zentrale, das Zentrum der Ninja-Warrior-Industrie, war in Halifax ansässig. Die Schülerinnen und Schüler dort waren bekannt für ihre großartige Akrobatik und beeindruckenden Showkämpfe.
Die Academy in Russland war mit mittlerweile fast tausend Lernenden die mit Abstand größte Schule. Irrtusk galt als Kaderschmiede der härtesten Show-Ninja der Welt.
Und Kapstadt in Südafrika wuchs am schnellsten. Hier wimmelte es nur so vor ehrgeizigen und disziplinierten Anwärtern, für die eine Karriere als Ninja oft der einzige Weg aus einem Leben in bitterer Armut war.
Als letzte der fünf Ninja-Schmieden war Bornholm entstanden. Mit nur einhundertfünfzig Schülerinnen und Schülern war die Schule verhältnismäßig klein, sodass in beinahe familiärer Atmosphäre sehr individuell auf die Fähigkeiten des Einzelnen eingegangen werden konnte.
Es gab kaum noch ein Kind, das nicht davon träumte, ein erfolgreicher Ninja Warrior in der Academy seiner Wahl zu werden.
Genau diesen Traum hatte auch Sam. Aus unterschiedlichen Gründen, und obwohl er sich darüber im Klaren war, dass es Hunderttausende Kinder und Jugendliche gab, die – körperlich zumindest – besser geeignet waren als er selbst.
Und nun stand er hier, an dem Ort, wo sein Traum wahr werden würde.
Einige grimmig dreinblickende Männer in dunklen Uniformen und mit verschiedenen gefährlich anmutenden Utensilien am Ledergürtel – spitz, scharf, geladen – waren als Sicherheitsbeamte unterwegs. Sie zogen ihre Bahnen durch die Menschenmenge neben dem Parkplatz. Auf ihren breiten Rücken prangte ebenfalls das shinobi-Logo, und sie kontrollierten routiniert und wahllos die Ausweise von einigen, die sie für Besucher oder Gaffer hielten. Oder vermeintliche Academy-Bewerber.
Eltern mit mehr oder weniger großen, mehr oder weniger aufgeregten, mehr oder weniger geeignet scheinenden Kindern und Jugendlichen, die auf eine Karriere als Ninja Warrior hofften, strömten zahllos über den Platz. Viele Familien waren unübersehbar angespannt; sie blickten mit ähnlicher Aufregung wie Sam auf den ganzen Trubel um sie herum, fotografierten und filmten mit ihren Handys oder versuchten, einen ihrer Stars in der Menge zu entdecken. Die meisten der Kinder wirkten deutlich durchtrainierter und selbstbewusster als Sam. Bei vielen hatte er nicht den kleinsten Zweifel, dass sie Karriere machen würden. Einige trugen sogar selbst gestaltete Shirts und Jogginganzüge mit Logo. Sie waren bereits ihre eigene Marke, gefördert und unterstützt von ihren Familien.
Sam entdeckte eine größere Gruppe in orange-weißem Outfit und mit einer riesigen Fahne, die ganz offensichtlich zusammengehörten und sogar einen eigenen Schlachtruf hatten. Sie grölten unüberhörbar, während sie den Äußeren Ring durchquerten. In der Mitte der Gruppe stolzierte ein kräftiger Junge, vielleicht fünfzehn oder sechzehn Jahre alt, der ununterbrochen Schattenboxen machte und dabei wie ein Star von den anderen gefilmt und angefeuert wurde. Es wirkte absurd – und passte doch total in die ganze Szenerie.
Sam spürte wieder leichte Panik in sich aufkommen. Was zur Hölle tat er hier? Er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, erreichte aber genau das Gegenteil.
„Opa … ich …“, murmelte Sam.
Kurt Berger, der den Motor ausgemacht und bisher schweigend neben ihm gesessen hatte, nickte seinem Enkel aufmunternd zu. „Wollen wir vielleicht erst mal einfach nur gucken gehen?“
Sam zuckte die Schultern und wurde von so tiefer Liebe zu seinem Großvater erfüllt, dass er am liebsten jetzt und sofort diese verrückte Ninja-Idee aus seinem Kopf vertrieben und einfach nur mit ihm Urlaub gemacht hätte. Hier, auf dieser Ostseeinsel, ein Tourist, der im Meer baden ging, ein paar Attraktionen anschaute, das berühmte dänische Softeis genoss und in ein paar Tagen wieder auf die Poul Anker stieg und nach Hause zurückfuhr.
Aber das würde er nicht tun. Das wusste er, trotz der Panik. Denn das Ganze war längst mehr als nur eine fixe Idee geworden. Viel mehr.
Kaum hatten sie den Bulli verlassen, wurden sie von ein paar Männern umringt, die Bauchläden trugen und allen möglichen Kram feilboten: Basecaps, Shirts, Aufnäher und Sticker der verschiedenen Academys, allerlei Ninja- oder shinobi-Merchandise, Hammershus-Souvenirs und anderes Zeug.
Kurt Berger schob sie sanft, aber bestimmt beiseite und kniff die Augen zusammen, was ihm eine natürliche Autorität verlieh und seine Wirkung auch jetzt nicht verfehlte: Die Männer ließen von ihnen ab und stürzten sich auf andere Neuankömmlinge.
Sam lächelte seinen Großvater schüchtern an, der ihm verschmitzt zuzwinkerte, bevor er mit ihm in Richtung des Tors lief, das zu dem Platz mit den Buden und Ständen führte.
Hier begann der sogenannte Äußere Ring, eine Art Speckgürtel, wo sich all die tummelten, die es nicht oder noch nicht in die Arena geschafft hatten oder es vielleicht nie schaffen würden.