Nixenmärchen - Erik Schreiber - E-Book

Nixenmärchen E-Book

Erik Schreiber

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Beschreibung

Dieses Taschenbuch beschreibt Märchen und Sagen von Nixen und Wassermännern. Nixen sind seit Jahrhunderten faszinierende Wesen in Mythen und Geschichten, die in vielen Kulturen auf der ganzen Welt verehrt wurden. Der Inhalt wird aus alten Quellen bezogen und neu veröffentlicht. Mit dem vorliegenden Buch lernt man mit den Sagen und die eigene Heimat besser kennen.

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Herausgeber

Erik Schreiber

Märchen Sagen und Legenden

Nixenmärchen

Saphir im Stahl

Märchen Sagen und Legenden 16

e-book 181

Nixenmärchen

Erscheinungstermin 01.10.2023

© Saphir im Stahl Verlag

Erik Schreiber

An der Laut 14

64404 Bickenbach

www.saphir-im-stahl.de

Titelbild: Julia Schiffler

Lektorat Peter Heller

Vertrieb neobook

Herausgeber

Erik Schreiber

Märchen Sagen und Legenden

Nixenmärchen

Saphir im Stahl

Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkung Erik Schreiber

Die kleine Seejungfer

Die Quellnixen der Donau

Die Tochter der Stromkönigin

Die Nixe vom Strudengau

Das Donauweibchen

Der Fluch der Nixe

Der Wassermann von Devin

Der traurige Wassermann

Die verheiratete Meermaid

Der Wassermann und der Bauer

Der Meermann namens Ekke Nekkepenn

Die Rache der Unstrutnixe

Epfenbacher Nixen

Die drei Nymphen von der Stempfersmühle

Die Wasserfräulein

Der Wassergeist

Der Sohn des Wassergeistes und der junge Bursche

Der Zarewitsch und der Wassergeist

Wie ich den Wassergeist sah

Der Wassergeist am Ufer

Der Wassergeist

Die Wasserfee vom Karersee

Der Nyx

Der Nyx bei der Eichförsterei

Der Wassermann

Der Nyx im Käscher

Lumpak

Spuk in der Buschmühle

Der Koblik

Der gefangene Wodernyks

Der Wodernyx

Die Bademutter

Der Kuchen des Wodernyx

Der Wassermann

Das Gewitter

Der Hodernyks und der Bär

Der Nyxstein

Der Nyx und die Mädchen

Der Nyx im Dorfe Burg

Die Meerjungfrau von Boltenhagen

Die Seejungfrau im Haff

Das Männlein vom See

Die Geister am Mummelsee

Mummelsee

Nixenbraut

Die Nixenmühle

Wassernixe

Der Nicus

Der Wassermann in der Mühle

Der Müller und die Nixe

Das Licht in der Nacht

Nixer

Der Nickelmann

Der Nickert

Der Nix holt die Wehmutter

Des Nixes Beine

Die beleidigte Nixe

Das Ungeheuer

Hans Heilings Felsen

Die Prinzessin und die Nixe

Die Wassernixe

Hans Meernixensohn

Herkunftsländer

Nachwort

Meerjungfrau, Seejungfrau, Udine und Nixe

Die Meerjungfrau (auch Seejungfrau oder Seejungfer) ist ein relativ bekanntes Fabelwesen. Ihren Ursprung findet man in alten Sagen. Frühe Vertreterin ist „Undine“, ein weiblich jungfräulicher Wassergeist, der erst nach Vermählung mit einem Menschenmann eine Seele bekommt. Erste Erwähnung findet man in den Schriften des frühen 14. Jahrhunderts. Eine Variation des Motivs findet sich in der aus dem schwäbischen Raum stammenden Volkssage über „Melusine“. Diese wandelt an sechs Wochentagen als Menschenfrau umher und erlangt nur an Samstagen ihre ursprüngliche Seejungfrauen-Gestalt. Doch letztlich verhindert die Neugierde ihres menschlichen Gatten ihre Erlösung. Bildlich dargestellt wurden Meerjungfrauen auch als Galionsfiguren an Schiffen. Besonders beliebt waren sie als Motiv im Jugendstil. Über Meerjungfrauen gibt es viele Geschichten, allerdings nicht viele Märchen. Bei den Gebrüder Grimm tauchen die Nixen auf, die Menschen zu sich auf den Grund eines Gewässers ziehen.

Die bekannteste Meerjungfrau ist die tragische Titelheldin in „Die kleine Meerjungfrau“. Eine erfundene Geschichte von Hans Christian Andersen. Einen größeren Auftritt hat eine Vertreterin dieser Fabelwesen-Gattung in dem Märchen „Die Meerjungfrau im Trockenen“. Hier wird eine Meerjungfrau entführt und an Land gebracht, doch ein junger Graf und sein magiebegabter Diener befreien sie und versuchen mit ungewöhnlichen Mitteln, ihr den Weg zurück ins Meer zu ermöglichen. Die Bezeichnung Wassermann ist ein Oberbegriff für männliche Wassergeister. Er ist eine Gestalt aus vielen Sagen, Mythen und Märchen und kommt im gesamten europäischen Raum vor. Er ist von eher bösem Charakter, tritt aber auch ambivalent auf. Im Gegensatz dazu ist die Wasserfrau eher gutmütig und den Menschen wohlgesinnt. Die weibliche Form sind Nixen, Meerjungfrauen, Brunnenfrauen, Nymphen, Nereiden und Sirenen.

Erik Schreiber

Die kleine Seejungfer

Weit draußen im Meere ist das Wasser so blau wie die Blätter der schönsten Kornblume und so klar wie das reinste Glas. Aber es ist sehr tief, tiefer, als irgendein Ankertau reicht, viele Kirchtürme müssten aufeinander gestellt werden, um vom Boden bis über das Wasser zu reichen. Dort unten wohnt das Meervolk.

Nun muss man aber nicht glauben, dass da nur der nackte, weiße Sandboden sei, nein, da wachsen die sonderbarsten Bäume und Pflanzen, die so geschmeidig im Stiele und in den Blättern sind, dass sie sich bei der geringsten Bewegung des Wassers rühren, als ob sie lebten. Alle kleinen und großen Fische schlüpfen zwischen den Zweigen hindurch wie hier oben die Vögel durch die Bäume. An der tiefsten Stelle liegt des Meerkönigs Schloss; die Mauern sind von Korallen und die langen Spitzbogenfenster vom klarsten Bernstein, aber das Dach bilden Muschelschalen, die sich öffnen und schließen, je nachdem das Wasser strömt. Es sieht herrlich aus, denn in jeder liegen strahlende Perlen, eine einzige davon würde großen Wert in der Krone einer Königin haben.

Der Meerkönig dort unten war seit vielen Jahren Witwer, während seine alte Mutter bei ihm wirtschaftete. Sie war eine kluge Frau, aber stolz auf ihren Adel, deshalb trug sie zwölf Austern auf dem Schwanze, die andern Vornehmen aber durften nur sechs tragen. — Sonst verdiente sie großes Lob, besonders weil sie viel auf die kleinen Meerprinzessinnen, ihre Enkelinnen, hielt. Es waren sechs schöne Kinder, aber die Jüngste war die Schönste von allen, ihre Haut so klar und so fein wie ein Rosenblatt, ihre Augen so blau wie die tiefste See, aber ebenso wie die andern hatte sie keine Füße, der Körper endete in einen Fischschwanz.

Den ganzen Tag konnten sie unten im Schlosse spielen, in den großen Sälen, wo lebendige Blumen aus den Wänden hervorwuchsen. Die großen Bernsteinfenster wurden aufgemacht, und dann schwammen die Fische zu ihnen herein, wie bei uns die Schwalben hereinfliegen, wenn wir die Fenster aufmachen; doch die Fische schwammen zu den Prinzessinnen hin, fraßen aus ihren Händen und ließen sich streicheln.

Draußen vor dem Schlosse war ein großer Garten mit feuerroten und dunkelbraunen Blumen, die Früchte strahlten wie Gold und die Blumen wie brennendes Feuer, indem sie fortwährend Stängel und Blätter bewegten. Die Erde selbst war der feinste Sand, aber blau, wie die Schwefelflamme. Über dem Ganzen lag ein eigentümlich blauer Schein; man hätte eher glauben mögen, dass man hoch in der Luft stehe und nur Himmel über und unter sich habe, als dass man auf dem Grunde des Meeres sei. Während der Windstille konnte man die Sonne erblicken, sie erschien wie eine Purpurblume, aus deren Kelche alles Licht strömte.

Eine jede der kleinen Prinzessinnen hatte ihren kleinen Platz im Garten, wo sie graben und pflanzen konnte, wie es ihr gefiel. Die eine gab ihrem Blumenfleck die Gestalt eines Walfisches, einer andern gefiel es besser, dass der ihrige einem kleinen Meerweibe gleiche, aber die Jüngste machte den ihrigen rund, der Sonne gleich, und hatte Blumen, die rot wie diese schienen. Sie war ein sonderbares Kind, still und nachdenkend, und wenn die andern Schwestern mit den merkwürdigsten Sachen, welche sie von gestrandeten Schiffen erhalten hatten, prunkten, wollte sie außer den rosenroten Blumen, die der Sonne dort oben glichen, nur eine hübsche Marmorstatue haben. Dies war ein herrlicher Knabe, aus weißem, klarem Steine gehauen, der beim Stranden auf den Meeresgrund gekommen war. Sie pflanzte bei der Statue eine rosenrote Trauerweide, die wuchs herrlich und hing mit ihren frischen Zweigen über derselben, gegen den blauen Sandboden herunter, wo der Schatten sich violett zeigte und gleich den Zweigen in Bewegung war; es sah aus, als ob die Spitze und die Wurzeln miteinander spielten, als wollten sie sich küssen.

Es gab keine größere Freude für sie, als von der Menschenwelt zu hören; die Großmutter musste alles, was sie von Schiffen und Städten, Menschen und Tieren wusste, erzählen, hauptsächlich erschien ihr besonders schön, dass oben auf der Erde die Blumen dufteten, denn das taten sie auf dem Grunde des Meeres nicht, und dass die Wälder grün wären, und dass die Fische, die man dort zwischen den Bäumen erblickte, laut und herrlich singen könnten, dass es eine Lust sei. Es waren die kleinen Vögel, welche die Großmutter Fische nannte, denn sonst konnten sie sich nicht verstehen, da sie noch keinen Vogel gesehen hatten.

„Wenn ihr euer fünfzehntes Jahr erreicht habt“, sagte die Großmutter, „dann sollt ihr die Erlaubnis erhalten, aus dem Meere emporzutauchen, im Mondenscheine auf der Klippe zu sitzen und die großen Schiffe vorbeisegeln zu sehen. Wälder und Städte werdet ihr dann erblicken!“ In dem kommenden Jahre war die eine der Schwestern fünfzehn Jahre alt, aber von den andern war die eine immer ein Jahr jünger als die andere; die jüngste von ihnen hatte demnach noch volle fünf Jahre zu warten, bevor sie von dem Grunde des Meeres hinaufkommen und sehen konnte, wie es bei uns aussehe. Aber die eine versprach der andern, zu erzählen, was sie erblickt und was sie am ersten Tage am schönsten gefunden habe, denn ihre Großmutter erzählte ihnen nicht genug, da war so vieles, worüber sie Auskunft haben wollten.

Keine war sehnsüchtiger als die Jüngste, gerade sie, die noch die längste Zeit zu warten hatte und die stets still und gedankenvoll war. Manche Nacht stand sie am offenen Fenster und sah durch das dunkelblaue Wasser empor, wie die Fische mit ihren Flossen und Schwänzen plätscherten. Mond und Sterne konnte sie sehen, freilich schienen diese ganz bleich, aber durch das Wasser sahen sie größer aus als vor unsern Augen. Zog dann etwas, einer schwarzen Wolke gleich, unter ihr hin, so wusste sie, dass es entweder ein Walfisch sei, der über ihr schwamm, oder ein Schiff mit vielen Menschen; die dachten sicher nicht daran, dass eine leibliche, kleine Seejungfer unten stehe und ihre weißen Hände gegen den Kiel emporstreckte.

Nun war die älteste Prinzessin fünfzehn Jahre alt und durfte über die Meeresfläche emporsteigen.

Als sie zurückkam, hatte sie hunderterlei zu erzählen, aber das Schönste, sagte sie, sei, im Mondenschein auf einer Sandbank in der ruhigen See zu liegen und die nahgelegene Küste mit der großen Stadt zu betrachten, wo die Lichter gleich hundert Sternen blinken, die Musik, das Lärmen und Toben von Wagen und Menschen zu hören, die vielen Kirchtürme zu sehen und das Läuten der Glocken zu vernehmen.

Oh!, wie horchte die jüngste Schwester auf, und wenn sie später abends am offenen Fenster stand und durch das dunkelblaue Wasser emporblickte, gedachte sie der großen Stadt mit dem Lärmen und Toben, dann glaubte sie, die Kirchenglocken bis zu sich herunter läuten hören zu können.

Im folgenden Jahre erhielt die zweite Schwester die Erlaubnis, aus dem Wasser emporzusteigen und zu schwimmen, wohin sie wolle. Sie tauchte auf, als die Sonne unterging, und dieser Anblick, fand sie, sei das Schönste. Der ganze Himmel habe wie Gold ausgesehen, und die Schönheit der Wolken konnte sie nicht genug beschreiben! Rot und violett waren sie über ihr dahingesegelt, aber weit schneller als diese flog einem langen weißen Schleier gleich ein Schwarm wilder Schwäne über das Wasser hin, wo die Sonne stand. Sie schwamm derselben entgegen, aber die Sonne sank, und der Rosenschein erlosch auf der Meeresfläche und in den Wolken.

Das Jahr darauf kam die dritte Schwester hinauf. Sie war die Dreisteste von allen, deshalb schwamm sie einen breiten Fluss, der in das Meer mündete, aufwärts. Herrliche, grüne Hügel mit Weinranken erblickte sie, Schlösser und Burgen schimmerten aus prächtigen Wäldern hervor, sie hörte, wie alle Vögel sangen, und die Sonne schien so warm, dass sie oft unter das Wasser tauchen musste, um ihr brennendes Antlitz abzukühlen. In einer kleinen Bucht traf sie einen Schwarm kleiner Menschenkinder. Diese waren völlig nackt und plätscherten im Wasser, sie wollte mit ihnen spielen, aber die flohen erschrocken davon, und es kam ein kleines, schwarzes Tier, ein Hund — aber sie hatte nie einen Hund gesehen — der bellte sie so schrecklich an, dass sie ängstlich die offene See zu erreichen suchte. Doch nie konnte sie die prächtigen Wälder, die grünen Hügel und die niedlichen Kinder vergessen, die im Wasser schwimmen konnten, obgleich sie keinen Fischschwanz hatten.

Die vierte Schwester war nicht so dreist, sie blieb draußen im wilden Meer und erzählte, dass es dort am schönsten sei! Man sieht ringsumher viele Meilen weit, und der Himmel stehe wie eine Glasglocke darüber. Schiffe hatte sie gesehen, aber nur aus weiter Ferne, die sahen wie Möwen aus; die possierlichen Delphine hatten Purzelbäume geschlagen, und die großen Walfische aus ihren Nasenlöchern Wasser emporgespritzt, so dass es ausgesehen hatte, wie Hunderte von Springbrunnen ringsumher.

Nun kam die Reihe an die fünfte Schwester, ihr Geburtstag war im Winter, und deshalb erblickte sie, was die andern das erste Mal nicht gesehen hatten. Die See sah ganz grün aus, und rings umher schwammen große Eisberge, ein jeder erschien wie eine Perle, sagte sie, und war doch weit größer als die Kirchtürme, welche die Menschen bauen. Sie zeigten sich in den sonderbarsten Gestalten und glänzten wie Diamanten. Sie hatte sich auf einen der größten gesetzt, und alle Segler kreuzten erschrocken draußen herum, wo sie saß und den Wind mit ihren langen Haaren spielen ließ, aber gegen Abend wurde der Himmel mit Wolken überzogen, es blitzte und donnerte, während die schwarze See die großen Eisblöcke hoch emporhob und sie im roten Blitz erglänzen ließ. Auf allen Schiffen reffte man die Segel ein, da war eine Angst und ein Grauen. Aber sie saß ruhig auf ihrem schwimmenden Eisberge und sah die blauen Blitzstrahlen im Zickzack in die schimmernde See fahren.

Das erste Mal, wenn eine der Schwestern über das Wasser emporkam, war eine jede entzückt über das Neue und Schöne, was sie erblickte, aber da sie nun als erwachsene Mädchen die Erlaubnis hatten, hinaufzusteigen, wann sie wollten, wurde es ihnen gleichgültig. Sie sehnten sich wieder zurück, und nach Verlauf eines Monats sagten sie, dass es unten bei ihnen am schönsten sei, da sei man so hübsch zu Hause.

In mancher Abendstunde fassten die fünf Schwestern einander an den Armen und stiegen in einer Reihe über das Wasser auf, herrliche Stimmen hatten sie, schöner denn irgendein Mensch, und wenn dann ein Sturm im Anzuge war, so dass sie vermuten konnten, es würden Schiffe untergehen, schwammen sie vor den Schiffen her und sangen so lieblich, wie schön es auf dem Grunde des Meeres sei, und baten die Seeleute, sich nicht zu fürchten, da hinunterzukommen. Aber die konnten die Worte nicht verstehen und glaubten, es sei der Sturm, sie bekamen auch die Herrlichkeit dort unten nicht zu sehen, denn wenn das Schiff sank, so ertranken die Menschen und kamen als Leichen zu des Meerkönigs Schlosse.

Wenn die Schwestern so des Abends, Arm in Arm, hoch durch das Wasser hinaufstiegen, dann stand die kleinste Schwester allein und sah ihnen nach, und es war ihr, als ob sie weinen müsste, aber die Seejungfer hat keine Tränen, und darum leidet sie weit mehr.

„Ach, wäre ich doch fünfzehn Jahre alt!“, sagte sie. „Ich weiß, dass ich die Welt dort oben und die Menschen, die darauf wohnen und hausen, recht lieben werde.“

Endlich war sie denn fünfzehn Jahre alt.

„Sieh, nun bist du erwachsen!“, sagte die Großmutter, die alte Königswitwe. „Komm nun, lass mich dich schmücken, gleich deinen andern Schwestern!“ Sie setzte ihr einen Kranz weißer Lilien auf das Haar, aber jedes Blatt in der Blume war die Hälfte einer Perle, und die Alte ließ acht große Austern im Schweife der Prinzessin sich festklemmen, um ihren hohen Rang zu zeigen.

„Das tut so weh!“, sagte die kleine Seejungfer.

„Ja, Hoffart muss Zwang leiden!“, sagte die Alte.

Oh, sie hätte so gern alle diese Pracht abschütteln und den schweren Kranz ablegen mögen, ihre roten Blumen im Garten kleideten sie besser, aber sie konnte es nun nicht ändern. „Lebt wohl!“ sprach sie, und sie stieg dann leicht und klar gleich einer Blase aus dem Wasser auf.

Die Sonne war eben untergegangen, als sie den Kopf über das Wasser erhob, aber alle Wolken glänzten noch wie Rosen und Gold und inmitten der bleichroten Luft strahlte der Abendstern so hell und schön, die Luft war mild und frisch und das Meer ruhig. Da lag ein großes Schiff mit drei Masten, nur ein einziges Segel war aufgezogen, denn es regte sich kein Lüftchen, und ringsumher im Tauwerk und auf den Rahen saßen die Matrosen. Da war Musik und Gesang, und als es dunkelte, wurden Hunderte von bunten Laternen angezündet, die sahen aus, als ob aller Nationen Flaggen in der Luft wehten. Die kleine Seejungfer schwamm bis zum Kajütenfenster, und jedes Mal, wenn das Wasser sie emporhob, konnte sie durch die spiegelhellen Fensterscheiben hineinblicken, wo viele geputzte Menschen standen. Aber der Schönste war doch der junge Prinz mit den großen, schwarzen Augen, er war sicher nicht viel über sechzehn Jahre alt, es war sein Geburtstag, und deshalb herrschte all diese Pracht. Die Matrosen tanzten auf dem Verdecke, und als der junge Prinz hinaustrat, stiegen über hundert Raketen in die Luft, die leuchteten wie der helle Tag, so dass die kleine Seejungfer schon erschrak und unter das Wasser tauchte, aber sie streckte bald den Kopf wieder hervor, und da war es, als ob alle Sterne des Himmels zu ihr herunterfielen. Nie hatte sie solche Feuerkünste gesehen! Große Sonnen sprühten umher, prächtige Feuerfische flogen in die blaue Luft, und alles spiegelte sich in der klaren, stillen See. Auf dem Schiffe selbst war es so hell, dass man jedes kleine Tau, wie viel mehr also die Menschen sehen konnte. Oh, wie schön war doch der junge Prinz, er drückte den Leuten die Hand und lächelte, während die Musik in der herrlichen Nacht erklang.

Es wurde spät, aber die kleine Seejungfer konnte ihre Augen nicht von dem Schiffe und vom schönen Prinzen wegwenden. Die bunten Laternen wurden ausgelöscht, Raketen stiegen nicht mehr in die Höhe, es ertönten auch keine Kanonenschüsse mehr, aber tief unten im Meere summte und brummte es, inzwischen saß sie auf dem Wasser und schaukelte auf und nieder, so dass sie in die Kajüte hineinblicken konnte. Aber das Schiff bekam mehr Fahrt, ein Segel nach dem andern breitete sich aus, nun gingen die Wogen stärker, große Wolken zogen auf, es blitzte in der Ferne. Oh, es wird ein böses Wetter werden! Deshalb zogen die Matrosen die Segel ein. Das große Schiff schaukelte in fliegender Fahrt auf der wilden See, das Wasser erhob sich wie große schwarze Berge, die über die Masten rollen wollten, aber das Schiff tauchte wie ein Schwan zwischen den hohen Wogen nieder und ließ sich wieder auf die hochgetürmten Wasser heben. Der kleinen Seejungfer dünkte es eine recht lustige Fahrt zu sein, aber so erschien es den Seeleuten nicht, das Schiff knackte und krachte, die dicken Planken bogen sich bei den starken Stößen, die See stürzte in das Schiff hinein, der Mast brach mittendurch, als ob es ein Rohr wäre, und das Schiff legte sich auf die Seite, während das Wasser in den Raum eindrang. Nun sah die kleine Seejungfer, dass sie in Gefahr waren, sie musste sich selbst vor den Balken und Stücken vom Schiffe, die auf dem Wasser trieben, in acht nehmen. Einen Augenblick war es so finster, dass sie nicht das mindeste sah, aber wenn es dann blitzte, wurde es wieder so hell, dass sie alle auf dem Schiffe erkennen konnte, besonders suchte sie den jungen Prinzen, und sie sah ihn, als das Schiff sich teilte, in das tiefe Meer versinken. Sogleich wurde sie ganz vergnügt, denn nun kam er zu ihr hinunter. Aber da gedachte sie, dass die Menschen nicht im Wasser leben können, und dass er nicht anders als tot zum Schlosse ihres Vaters hinunter gelangen könnte. Nein, sterben durfte er nicht, deshalb schwamm sie hin zwischen Balken und Planken, die auf der See trieben, und vergaß völlig, dass diese sie hätten zerquetschen können. Sie tauchte tief unter das Wasser und stieg wieder hoch zwischen den Wogen empor und gelangte am Ende so zu dem Prinzen hin, der nicht länger in der stürmischen See schwimmen konnte. Seine Arme und Beine begannen zu ermatten, die schönen Augen schlossen sich, er hätte sterben müssen, wäre die kleine Seejungfer nicht herzugekommen. Sie hielt seinen Kopf über das Wasser empor und ließ sich dann mit ihm von den Wogen treiben, wohin sie wollten.

Am Morgen war das böse Wetter vorüber, von dem Schiffe war kein Span zu erblicken, die Sonne stieg rot und glänzend aus dem Wasser empor, es war, als ob des Prinzen Wangen Leben dadurch erhielten, aber die Augen blieben geschlossen. Die Seejungfer küsste seine hohe, schöne Stirn und strich sein nasses Haar zurück, er kam ihr vor wie die Marmorstatue in ihrem kleinen Garten, sie küsste ihn wieder und wünschte, dass er lebte.

Nun erblickte sie vor sich das feste Land, hohe, blaue Berge, auf deren Gipfeln der weiße Schnee glänzte, als wären es Schwäne, die dort lägen. Unten an der Küste waren herrliche, grüne Wälder, und vorn lag eine Kirche oder ein Kloster, das wusste sie nicht recht, aber ein Gebäude war es. Zitronen- und Apfelsinenbäume wuchsen im Garten, und vor dem Tore standen hohe Palmen. Die See bildete hier eine kleine Bucht, da war sie still, aber sehr tief. Gerade auf die Klippe zu, wo der weiße, feine Sand aufgespült war, schwamm sie mit dem schönen Prinzen, legte ihn in den Sand, sorgte aber besonders dafür, dass der Kopf hoch im warmen Sonnenscheine lag.

Nun läuteten alle Glocken in dem großen, weißen Gebäude, und es kamen viele junge Mädchen durch den Garten. Da schwamm die kleine Seejungfer weiter hinaus hinter einige große Steine, die aus dem Wasser hervorragten, legte Seeschaum auf ihr Haar und ihre Brust, so dass niemand ihr kleines Gesicht sehen konnte, und dann passte sie auf, wer zu dem armen Prinzen kommen würde.

Es währte nicht lange, da kam ein junges Mädchen dorthin, sie schien sehr zu erschrecken, aber nur einen Augenblick, dann holte sie mehrere Menschen, und die Seejungfer sah, dass der Prinz zum Leben zurückkam und dass er alle anlächelte. Aber ihr lächelte er nicht zu, er wusste ja auch nicht, dass sie ihn gerettet hatte, sie war sehr betrübt, und als er in das große Gebäude hineingeführt wurde, tauchte sie traurig unter das Wasser und kehrte zum Schlosse ihres Vaters zurück.

Immer war sie still und nachdenkend gewesen, aber nun wurde sie es noch weit mehr. Die Schwestern fragten sie, was sie das erste Mal dort oben gesehen habe, aber sie erzählte nichts.

Manchen Abend und Morgen stieg sie hinauf, wo sie den Prinzen verlassen hatte. Sie sah, wie die Früchte des Gartens reiften und abgepflückt wurden, sie sah, wie der Schnee auf den hohen Bergen schmolz, aber den Prinzen erblickte sie nicht, und deshalb kehrte sie immer betrübter heim. Da war es ihr einziger Trost, in ihrem kleinen Garten zu sitzen und die Arme, um die schöne Marmorstatue zu schlingen, die dem Prinzen glich, aber ihre Blumen pflegte sie nicht, die wuchsen wie in einer Wildnis über die Gänge hinaus und flochten ihre langen Stiele und Blätter in die Zweige der Bäume hinein, so dass es dort dunkel war.

Zuletzt konnte sie es nicht länger aushalten, sondern sagte es einer ihrer Schwestern, und gleich erfuhren es die andern, aber niemand weiter als diese und einige andere Seejungfern, die es nur ihren nächsten Freundinnen weiter sagten. Eine von ihnen wusste, wer der Prinz war, sie hatte auch das Fest auf dem Schiffe gesehen und gab an, woher er war und wo sein Königreich lag.

„Komm, kleine Schwester!“, sagten die andern Prinzessinnen und sich umschlungen haltend, stiegen sie in einer langen Reihe aus dem Meere empor, wo sie wussten, dass des Prinzen Schloss lag.

Dieses war aus einer hellgelben, glänzenden Steinart aufgeführt, mit großen Marmortreppen, deren eine in das Meer hinunterreichte. Prächtig vergoldete Kuppeln erhoben sich über das Dach, und zwischen den Säulen um das ganze Gebäude herum standen Marmorbilder, die aussahen, als lebten sie. Durch das klare Glas in den hohen Fenstern blickte man in die prächtigen Säle hinein, wo köstliche Seidengardinen und Teppiche aufgehängt und alle Wände mit großen Gemälden verziert waren, so dass es ein wahres Vergnügen war, es zu betrachten. Mitten in dem größten Saale plätscherte ein großer Springbrunnen, seine Strahlen reichten hoch hinauf gegen die Glaskuppel in der Decke, durch welche die Sonne auf das Wasser und die schönen Pflanzen schien, die im großen Bassin wuchsen.

Nun wusste sie, wo er wohnte, und dort war sie manchen Abend und manche Nacht auf dem Wasser. Sie schwamm dem Lande weit näher, als eine der andern es gewagt hätte, ja, sie ging den schmalen Kanal hinauf, unter den prächtigen Marmoraltan, welcher einen großen Schatten über das Wasser warf. Hier saß sie und betrachtete den jungen Prinzen, der da glaubte, er sei ganz allein in dem hellen Mondschein.

Sie sah ihn manchen Abend mit Musik in seinem prächtigen Boote segeln, auf dem Flaggen wehten; sie lauschte durch das grüne Schilf hervor, und ergriff der Wind ihren langen silberweißen Schleier, und sah jemand ihn, so glaubte er, es sei ein Schwan, der die Flügel ausbreite.

Sie hörte in mancher Nacht, wenn die Fischer mit Fackeln auf der See waren, viel Gutes von dem jungen Prinzen erzählen, und es freute sie, dass sie sein Leben gerettet hatte, als er halbtot auf den Wogen umhertrieb, sie dachte daran, wie fest sein Haupt auf ihrem Busen geruht, und wie herzlich sie ihn da geküsst hatte, er aber wusste nichts davon und konnte nicht einmal von ihr träumen.

Mehr und mehr fing sie an, die Menschen zu lieben, mehr und mehr wünschte sie, unter ihnen umherwandeln zu können, deren Welt ihr weit großer zu sein schien als die ihrige. Sie konnten ja auf Schiffen über das Meer fliegen, auf den hohen Bergen über die Wolken emporsteigen, und die Länder, die sie besaßen, erstreckten sich mit Wäldern und Feldern weiter, als ihre Blicke reichten. Da war so vieles, was sie zu wissen wünschte: aber die Schwestern wussten ihr nicht alles zu beantworten, deshalb fragte sie die Großmutter, diese kannte die höhere Welt recht gut, die sie sehr richtig die Länder über dem Meere nannte.

„Wenn die Menschen nicht ertrinken“, fragte die kleine Seejungfer, „können sie dann ewig leben? Sterben sie nicht, wie wir hier unten im Meere?“

„Ja“, sagte die Alte, „sie müssen auch sterben, und ihre Lebenszeit ist sogar noch kürzer als die unsere. Wir können dreihundert Jahre alt werden, aber wenn wir dann aufhören, hier zu sein, so werden wir nur in Schaum auf dem Wasser verwandelt, haben nicht einmal ein Grab hier unten unter unsern Lieben. Wir haben keine unsterbliche Seele, wir erhalten nie wieder Leben, wir sind gleich dem grünen Schilfe, ist das einmal durchgeschnitten, so kann es nicht wieder grünen! Die Menschen hingegen haben eine Seele, die ewig lebt, die noch lebt, nachdem der Körper zur Erde geworden ist, sie steigt durch die klare Luft empor, hinauf zu den glänzenden Sternen! So wie wir aus dem Wasser auftauchen und die Länder der Welt erblicken, so steigen sie zu unbekannten, herrlichen Orten auf, die wir nie zu sehen bekommen.“

„Weshalb bekamen wir keine unsterbliche Seele?“, fragte die kleine Seejungfer betrübt. „Ich möchte meine Hunderte von Jahren, die ich zu leben habe, dafür geben, um nur einen Tag Mensch zu sein und dann hoffen zu können, Anteil an der himmlischen Welt zu haben.“

„Daran darfst du nicht denken!“, sagte die Alte. „Wir fühlen uns weit glücklicher und besser wie die Menschen dort oben!“

„Ich werde also sterben und als Schaum auf dem Meere treiben, nicht die Musik der Wogen hören, die schönen Blumen und die rote Sonne sehen? Kann ich denn gar nichts tun, um eine unsterbliche Seele zu gewinnen?“

„Nein!“, sagte die Alte. „Nur wenn ein Mensch dich so lieben würde, dass du ihm mehr als Vater und Mutter wärest, wenn er mit all seinem Denken und all seiner Liebe an dir hinge und den Prediger seine rechte Hand, in die deinige, mit dem Versprechen der Treue hier und in alle Ewigkeit, legen ließe, dann flösse seine Seele in deinen Körper über, und auch du erhieltest Anteil an der Glückseligkeit der Menschen. Er gäbe dir Seele und behielte doch seine Eigene. Aber das kann nie geschehen! Was hier im Meere schön ist, dein Fischschwanz, finden sie dort auf der Erde hässlich; sie verstehen es eben nicht besser, man muss dort zwei plumpe Stützen haben, die sie Beine nennen, um schön zu sein!“

Da seufzte die kleine Seejungfer und sah betrübt auf ihren Fischschwanz.

„Lass uns froh sein“, sagte die Alte, „hüpfen und springen wollen wir in den dreihundert Jahren, die wir zu leben haben, das ist wahrlich lang genug, später kann man sich um so besser ausruhen. Heute Abend werden wir Hofball haben!“

Das war auch eine Pracht, wie man sie nie auf Erden erblickt. Die Wände und die Decke des großen Tanzsaales waren von dickem, aber durchsichtigem Glase. Mehrere hundert kolossale Muschelschalen, rosenrote und grasgrüne, standen zu jeder Seite in Reihen mit einem blau brennenden Feuer, welches den ganzen Saal erleuchtete und durch die Wände hindurchschien, so dass die See draußen erleuchtet war, man konnte die unzähligen Fische sehen, große und kleine, die gegen die Glasmauern schwammen, auf einigen glänzten die Schuppen purpurrot, auf andern erschienen sie wie Silber und Gold. — Mitten durch den Saal floss ein breiter Strom, und auf diesem tanzten die Meermänner und Meerweibchen zu ihrem eigenen, lieblichen Gesange. So schöne Stimmen haben die Menschen auf der Erde nicht. Die kleine Seejungfer sang am schönsten von ihnen allen, und der ganze Hof applaudierte mit Händen und Schwänzen, und einen Augenblick fühlte sie eine Freude in ihrem Herzen, denn sie wusste, dass sie die schönste Stimme von allen auf der Erde und im Meere hatte! Aber bald gedachte sie wieder der Welt über sich; sie konnte den hübschen Prinzen und ihren Kummer, dass sie keine unsterbliche Seele wie er besitze, nicht vergessen. Deshalb schlich sie sich aus ihres Vaters Schlosse hinaus, und während alles drinnen Gesang und Frohsinn war, saß sie betrübt in ihrem kleinen Garten. Da hörte sie das Waldhorn durch das Wasser ertönen und dachte: „Nun segelt er sicher dort oben, an dem meine Sinne hangen und in dessen Hand ich meines Lebens Glück legen möchte. Alles will ich wagen, um ihn und eine unsterbliche Seele zu gewinnen! Während meine Schwestern dort in meines Vaters Schlosse tanzen, will ich zur Meerhexe gehen, vor der mir immer so bange gewesen ist, aber sie kann vielleicht raten und helfen!“

Nun ging die kleine Seejungfer aus ihrem Garten hinaus nach den brausenden Strudeln, hinter denen die Hexe wohnte. Den Weg hatte sie früher nie zurückgelegt. Da wuchsen keine Blumen, kein Seegras, nur der nackte, graue Sandboden erstreckte sich gegen den Strudel hin, wo das Wasser gleich brausenden Mühlrädern herumwirbelte und alles, was er erfasste, mit sich in die Tiefe riss. Mitten zwischen diesen zermalmenden Wirbeln musste sie hindurch, um in den Bereich der Meerhexe zu gelangen. Und hier war eine lange Strecke kein anderer Weg als über warmen, sprudelnden Schlamm, diesen nannte die Hexe ihr Torfmoor. Dahinter lag ihr Haus mitten in einem seltsamen Walde, alle Bäume und Büsche waren Polypen, halb Tier und halb Pflanze, sie sahen aus wie hundertköpfige Schlangen, die aus der Erde hervorwuchsen; alle Zweige waren lange, schleimige Arme mit Fingern wie geschmeidige Würmer, und Glied vor Glied bewegte sich, von der Wurzel bis zur äußersten Spitze. Alles, was sie im Meere erfassen konnten, umschlangen sie fest und ließen es nie wieder fahren. Die kleine Seejungfer blieb vor demselben ganz erschrocken stehen. Ihr Herz pochte vor Furcht, fast wäre sie umgekehrt, aber da dachte sie an den Prinzen und an die Seele der Menschen, und nun bekam sie Mut. Ihr langes, fliegendes Haar band sie fest um das Haupt, damit die Polypen sie nicht daran ergreifen möchten, beide Hände legte sie über ihrer Brust zusammen und schoss so dahin, wie nur der Fisch durch das Wasser schießen kann, immer zwischen den hässlichen Polypen hindurch, die ihre geschmeidigen Arme und Finger hinter ihr her streckten. Sie sah, wie jeder von ihnen etwas, was er ergriffen hatte, mit Hunderten von kleinen Armen hielt. Menschen, die auf der See umgekommen und tief hinunter gesunken waren, sahen wie weiße Gerippe aus der Polypen Arme hervor. Schiffsruder und Kisten hielten sie fest, auch Skelette von Landtieren und ein kleines Meerweib, welches sie gefangen und erstickt hatten: das war ihr das Schrecklichste.

Nun kam sie zu einem großen, sumpfigen Platze im Walde, wo große, fette Wasserschlangen sich wälzten und ihren hässlichen, weißgelben Bauch zeigten. Mitten auf dem Platze war ein Haus von weißen Knochen ertrunkener Menschen errichtet, da saß die Meerhexe und ließ eine Kröte aus ihrem Munde fressen, wie die Menschen einem kleinen Kanarienvogel Zucker zu essen geben. Die hässlichen, fetten Wasserschlangen nannte sie ihre kleinen Küchlein und ließ sie sich auf ihrer großen schwammigen Brust wälzen.