No risk, no fun - Florian Auer - E-Book

No risk, no fun E-Book

Florian Auer

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Beschreibung

1973 unternimmt der Autor des Buches, Florian, gemeinsam mit zwei Freunden eine Reise mit einem VW-Bus auf dem "Hippie-Trail" nach Nepal. Unterwegs erleben sie viele spannende und teils gefährliche Abenteuer. Sie wehren sich gegen Steinewerfer, werden in Afghanistan von Revolutionstruppen gefangen genommen, geraten in das Visier einer Demonstration, erleben einen Flugzeugcrash und steigen bis über 5 000 m Höhe in Richtung Mount Everest. Unterwegs werden sie mehrmals von Bauernfängern reingelegt. Bei Einheimischen erleben sie aber oft selbstlose Gastfreundschaft und erfahren vieles über deren Leben. Sie müssen während der Reise auch feststellen, dass unterschiedliche Charaktere nicht immer gut harmonieren. Insgesamt können sie jedoch ihren Horizont erweitern und lernen, sich in andere Menschen und Kulturen einzufühlen. Nach dem Verkauf ihres Autos in Kathmandu reist der Autor mit Flugzeug, Bahn, Schiff, Bus und per Anhalter weiter bis Singapur und fliegt dann von Bangkok aus zurück nach Hause. Unterwegs wird ihm sein Geld gestohlen, einmal muss er wegen eines Gefechts von Soldaten mit Rebellen seine Reise unterbrechen und in einer Missionsstation übernachten. Neben einer interessanten Reisebeschreibung voller unerwarteter Ereignisse ist das Buch gleichzeitig ein Entwicklungsroman: In der Bewertung seiner Reise stellt der Autor fest, dass er nach der Rückkehr im Erwachsensein angekommen ist und er beginnt, sein weiteres Leben zielbewusst zu organisieren. Er beschließt, auch im späteren Berufsleben dem Abenteuer treu zu bleiben: Er wird Wissenschaftler und widmet sich erfolgreich der Herausforderung, Neues zu entdecken und dadurch dazu beizutragen, die Behandlung von Krankheiten zu verbessern. Das Buch ist unterhaltsam geschrieben und enthält über hundert farbige Originalbilder.

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ÜBER DEN AUTOR UND SEINE BEIDEN MITREISENDEN

1973, als sie ihre Reise begannen, waren die drei Reisenden im Studentenalter. Der Autor des Buches, Florian, war dann nach Abschluss seines Medizinstudiums zunächst als Arzt und Wissenschaftler an verschiedenen Universitäten tätig. Bis zu seiner Pensionierung leitete er anschließend über viele Jahre ein großes Forschungsinstitut. Inzwischen lebt er wieder in München.

Der Mitreisende Markus gründete direkt nach seinem Studium eine Firma und wurde binnen kurzem mit seinen Produkten Weltmarktführer. Inzwischen ist er leider verstorben.

Der dritte Reisende, Thomas, wurde nach seiner Rückkehr Heilpraktiker und führte über Jahrzehnte eine sehr erfolgreiche Praxis.

»Es soll nicht genügen, dass man Schritte tue, die einst zum Ziele führen, sondern jeder Schritt soll Ziel sein und als Ziel gelten.«JOHANN WOLFGANG VON GOETHE

INHALTSVERZEICHNIS

VORWORT

1 VORBEREITUNGEN

2 VON MÜNCHEN NACH HERAT

Tomaten und Melonen

Der Sonne entgegen

Zwillenkämpfe

Abgezockt

Badevergnügen

Die erste Karawane

Die Türkisstadt

„No Afghanistan, go back to Iran”

3 VON HERAT NACH KASCHMIR

Gefangennahme

Im Bürgerkriegsgebiet

Im Hindukusch

Band-e-Amir

Unangenehme Gerüche

Und wieder Durchfall

Schwüle Hitze

Inschallah

Ashok Cinema

Im Paradies

4 VON KASCHMIR NACH KATHMANDU

Khanna Jewellers

Sehenswürdigkeiten

Heilige Städte

Autoverkauf

Auf zum Mount Everest

5 VON KATHMANDU BIS BANGKOK

Beim berühmtesten Magier der Welt

Oma pafft dicke Zigarren

Bangkok: Zurück in der Moderne

6 VON BANGKOK NACH SINGAPUR UND ZURÜCK NACH MÜNCHEN

Mein Geld ist geklaut

Darf ich über die Grenze?

So langsam muss ich an die Heimreise denken

Gefecht an der Grenze

Rückkehr

NACHWORT

VORWORT

Das – etwas fragmentarische – Tagebuch meiner Asienreise als junger Student liegt seit nunmehr 50 Jahren unbeachtet in der Schublade. Jetzt, da ich seit einigen Jahren im Ruhestand bin und der Kontakt zu den Themen meines Berufslebens als Arzt und Wissenschaftler unerbittlich abnimmt, sind mir diese Aufzeichnungen wieder in die Hände gefallen.

Und wenn ich so darin blättere, wird mir klar, dass diese Reise für mein weiteres Leben wichtiger war, als mir bisher bewusst gewesen ist. Daher schreibe ich nun diese Erinnerungen auf und hoffe zum einen, dass ich dadurch selbst manches aus meinem eigenen Leben besser verstehen lerne, und zum anderen, dass mein Reisebericht für heutige Leser:innen interessante Einblicke liefern könnte.

Als ich Student war, herrschte gerade die Zeit der Hippies mit ihrem dominierenden Lebensgefühl von »Flower Power« und »make love, not war«. Der Traum vieler war damals, auf dem »Hippie Trail« zwischen Europa und Asien unterwegs zu sein, auf dem auch ich, zusammen mit zwei Freunden, damals gefahren bin.

Die schon etwas vergilbten Bilder stammen aus digitalisierten Super-8-Filmen, die ich damals gedreht hatte, sowie von, inzwischen ebenfalls vergilbten, Fotos. Alle geschilderten Ereignisse sind tatsächlich genau so passiert, es ist nichts erfunden. Meinen Namen und die Namen meiner Freunde habe ich verändert; Fotos, auf denen meine Freunde zu erkennen wären, habe ich weggelassen.

Meiner Frau und meinen Freunden R. und P. danke ich sehr für ihre konstruktiven Korrekturen und Verbesserungsvorschläge.

Ich widme das Buch meinen Enkeltöchtern und -söhnen, die dadurch einen Einblick in eine wichtige Phase meines Lebens bekommen können.

Es heißt ja oft: »Opa, erzähl doch mal!«. Also gut, Opa erzählt!

1 VORBEREITUNGEN

Es ist Sommer 1973. Gerade habe ich, Florian, mein Physikum hinter mir, also die erste wichtige Zwischenprüfung auf dem Weg zum Arzt.

Das wird natürlich ausgiebig gefeiert, und auf einer Party geht es wild her, alle sind wir in Aufbruchstimmung in ein hoffentlich interessantes Leben! Da erzählt mir Markus, einer meiner Freunde, dass er geplant habe, gemeinsam mit zwei anderen im Sommer mit dem Auto nach Indien zu fahren. Leider sei aber inzwischen einer abgesprungen, deshalb würde das nicht klappen. Sofort bin ich begeistert. Indien!! Ich frage, ob ich da nicht einspringen könne: So eine Gelegenheit wird sich mir wohl nie mehr bieten – ich hätte ja jetzt, vor dem Wintersemester, noch genügend Zeit. Wenn ich erst mal in den höheren Semestern und mit der Doktorarbeit beschäftigt bin, dann in den Beruf einsteige, ginge das nicht mehr. Diese einmalige Gelegenheit muss ich am Schopf packen!

Mit Freuden werde ich aufgenommen und wir drei beginnen schon an diesem Abend, ernsthaft zu planen. Mit Markus und einem weiteren Freund war ich ein paar Jahre zuvor, mit 18 kurz nach Erwerb des Führerscheins, in den Sommer-Schulferien für sechs Wochen mit einem Bulli (VW-Bus) in Griechenland gewesen und wir hatten damals eine herrliche, unbeschwerte Zeit. Der Dritte in unserer Indien-Mannschaft, der mir bisher unbekannte Thomas, Diplomatensohn, ist in Asien aufgewachsen und war bereits in Indien. Da ich also Markus sehr gut kenne und Thomas Asienexperte ist, sind die Voraussetzungen für eine solche Reise sehr gut.

Wie es in diesem Alter vielen geht, sind auch wir uns alle sicher, dass die Zukunft großartig würde und dass uns alle Wege offenstehen. Keiner von uns weiß allerdings so richtig, in welche Richtung er in Zukunft beruflich gehen soll. Die Reise betrachten wir als reines Abenteuer, denn wir sehen uns weder als Hippies noch als Aussteiger.

Markus hatte unsere Schule vor einigen Jahren verlassen, Fachabitur gemacht und studiert jetzt an einer Fachhochschule. Er weiß allerdings noch nicht, was er anschließend machen will. Im Wintersemester muss er ein Berufspraktikum absolvieren und hofft, am Ende unserer Reise irgendwo in Asien ein solches Praktikum machen zu können oder zumindest bestätigt zu bekommen. Thomas hat sein Abitur geschafft, ist eben mit dem Grundwehrdienst fertig geworden und dabei, sich für einen Studienplatz in Medizin zu bewerben – bisher allerdings erfolglos. Auch er kann also gut während der Wartezeit nach Indien fahren. Wie meine eigene berufliche Zukunft aussehen soll, ist mir auch noch nicht klar. Ich weiß vor allem, welche Berufe ich nicht ausüben will und studiere Medizin wie viele »Einser-Abiturienten« eher aus Verlegenheit, denn aus Berufung. Wie sich später herausstellen wird, hilft die Asienreise auch mir, genauso wie den beiden anderen, im Anschluss einen zu mir passenden und erfolgreichen Berufsweg einzuschlagen.

So beschließen wir also, nach Indien zu fahren! Zunächst überlegen wir, wohin wir genau wollen, denn Indien ist riesig. Aber diese Entscheidung ist dann schnell getroffen: »Wir fahren bis Nepal und steigen so hoch auf den Mount Everest, wie wir es schaffen, mindestens 5 000 m hoch.« Wenn wir in Kathmandu unser Auto verkaufen können, dann geht es später irgendwie und irgendwohin weiter, wenn nicht, fahren wir eben wieder zurück.« Das ist also geklärt, wir wissen »genau«, was wir wollen.

Ich höre von Bekannten, dass man sich beim ADAC Straßenkarten auch in die entferntesten Länder der Erde besorgen kann. Und tatsächlich, auf Nachfrage in einer ADAC-Filiale wird mir kostenlos binnen Tagen eine handliche Straßenkarte – als Block zusammengeheftete Einzelblätter so im Format 10 × 20 cm – zusammengestellt. Je Seite sind dabei etwa 200 – 400 km Fahrstrecke mit Abfahrten und Wegweisern aufgeführt. Wir haben also eine perfekte und ziemlich detaillierte Wegbeschreibung von München bis Kathmandu, die während der gesamten Fahrt äußerst hilfreich sein sollte.

Ein paar Jahre vorher hatten uns die Eltern eines Freundes für unsere Griechenlandreise einen gebrauchten Bulli ausgeliehen. Den legendären VW-Transporter: robust, zuverlässig und einfach zu warten. Deshalb fragen wir nach, ob sie in ihrer Firma jetzt auch wieder einen alten Bulli hätten, den sie uns für die Reise verkaufen könnten. Sie machen es zu einem für finanziell nicht so solvente Studenten verkraftbaren Preis (ich glaube heute, es waren damals 1 500 DM). Da Thomas sich mit Autos auskennt, fahren wir gemeinsam von Autofriedhof zu Autofriedhof und erstehen dort sehr preisgünstig verschiedene evtl. nötige Ersatzteile und mehrere alte Reifen. Da er meint, in Indien gingen oft Frontscheiben kaputt, lassen wir uns auch eine Frontscheibe aus Plexiglas zuschneiden, die man notfalls mit Gurten als Fensterersatz befestigen könnte.

Zufällig fahren wir später an einem weiteren Schrottplatz vorbei – dort finden wir einen großen Dachständer, der genau auf unseren Bulli passt. Für wenig Geld wird auch dieser und die zugehörige regenfeste Plane gekauft. Meine Eltern betreiben damals eine Innenausbau-Firma: Deshalb kostet uns der Ausbau des Bulli zu einem Camper mit drei Schlafplätzen nichts. Dann geht’s zur Zulassungsstelle zum Ummelden: Bald sind wir stolze Besitzer des ovalen Schildes für ins Ausland abgemeldete Autos. Alle drei lassen wir unseren Gesundheitszustand untersuchen – kerngesund, also kein Problem – sowie Impfungen auffrischen. Ein Thomas bekannter Apotheker hilft uns – wiederum kostenfrei – eine Reiseapotheke mit Durchfalltabletten, Schmerzmitteln, Dreieckstuch, Verbandszeug etc. zusammenzustellen. Dass mir dieses Dreieckstuch noch einmal sehr nützlich sein und Geld einbringen würde, kann ich natürlich damals noch nicht ahnen. Wir kaufen auch Vorräte: H-Milch, Mehl, Nudeln, Haferflocken und andere lange haltbare Lebensmittel. Auch ein paar Flaschen schottischer Whisky werden eingelagert bzw. gut versteckt. Für mich zunächst unverständlich, warum, aber unser Asienexperte Thomas meint, das sei eine gute Währung, denn auf dem indischen Subkontinent stünde dieses Getränk seit dem Abzug der Engländer hoch im Kurs und würde bei manchem Inder nostalgische Gefühle an die Kolonialzeit wecken. Es sind noch einige Visa und internationale Führerscheine zu besorgen und so langsam fühlen wir uns für die Reise gut vorbereitet. Bleibt noch das Geld: Wir beschließen, dass jeder den selben Betrag mitnimmt ( je 1 000 US $, damals etwa 2 500 DM), dass wir alles in einer gemeinsamen Kasse verwalten. Kassenwart machen wir dann abwechselnd (am Ende wird das aber an mir hängen bleiben). Mein Sparkonto ist damit jetzt geplündert. Dann brauchen wir eine gute Stereoanlage mit langem Verbindungskabel, damit wir auch auf dem Autodach während der Fahrt Musik hören können. Schließlich kauft sich Markus noch feste Bergschuhe für den Aufstieg zum Mount Everest. Er trägt sie später während der ganzen Reise – auch in der Wüste oder im tropischen Indien – täglich, weil er sie »einlaufen« und damit möglichen Wasserblasen während der Bergtour vorbeugen will.

Es ist Mitte Juli 1973 und wir wollen spätestens in einem Monat abfahren. Da höre ich in den Nachrichten, dass der König von Afghanistan, Zahir Shah, in Ischia zu seinem Urlaub eingetroffen sei. Kurz darauf, am 17. Juli, dann die beunruhigende Nachricht: Sein Cousin Daoud Khan hat in Kabul die Regierung übernommen und den König gestürzt. Die Grenzen des Landes sind geschlossen und man befürchtet einen Bürgerkrieg.

Was tun? Sollen wir die Reise absagen, sollen wir eine andere Route wählen, sollen wir warten? Nein: Wir beschließen, einfach loszufahren und hoffen, dass bis zu unserer Ankunft in Afghanistan die politische Lage geklärt ist. Wenn die Grenze geschlossen bleibt oder die Lage zu gefährlich erscheint, fahren wir eben in den Süd-Iran und versuchen, mit einem Schiff nach Karatschi in Pakistan zu kommen und von dort weiter in Richtung Nepal zu fahren. Wo ist das Problem – also nichts wie los!!!!

2 VON MÜNCHEN NACH HERAT

TOMATEN UND MELONEN

Auf der Abschiedsparty im Elternhaus von Markus ist auch eine junge Inderin, Ratna, die hier am Goethe-Institut Deutsch lernt. Sie meint, sie komme aus Amritsar nicht weit von der Grenze zu Pakistan. Wenn wir dort vorbeikämen, sollten wir doch ihre Eltern besuchen, sie würden sich sicher freuen. Sie gibt uns deren Adresse und verspricht, ihnen über unseren geplanten Besuch zu schreiben. Also haben wir auch noch einen wertvollen Anker für den Fall, dass wir in Indien Hilfe benötigen sollten.

Am nächsten Tag, dem 5. August 1973, wird nach der langen Partynacht zunächst ausgeschlafen und dann noch aufgeräumt. Aber nachmittags geht es dann los in Richtung Asien. Glücksgefühle pur! Bald ist die Grenze bei Salzburg erreicht. Unser Auto wird vom Zoll ausgestempelt und nach Erledigung dieser Formalien können wir schließlich nach etwa zwei Stunden wieder weiter – eine Rückkehr nach Deutschland mit diesem Auto geht nun nicht mehr. Jetzt wollen wir aber möglichst schnell möglichst weit kommen. Jeder fährt abwechselnd für einige Stunden, die anderen versuchen in der Nacht, hinten auf der Liegefläche Schlaf zu finden. Beim Fahrerwechsel wird nicht stehen geblieben, sondern der nächste Fahrer steigt von hinten links über die Sitzbank nach vorne und der Fahrer übergibt, während er nach rechts rutscht. Stehen geblieben wird nur zum Tanken, dabei werden auch Toilettengänge erledigt. Essen und Trinken haben wir dabei. Wir fühlen uns richtig großartig und frei! So vergeht die Nacht auf dem berüchtigten jugoslawischen Autoput mit Lastwagen an Lastwagen oder auch schon mal einem unbeleuchteten Eselsgespann. Immer wieder sieht man am Straßenrand übel zerstörte Unfallautos und -lastwagen dahinrosten. Aber schon sind wir durch und erreichen morgens die Grenze nach Bulgarien. Hier bekommen wir beinahe unsere Einreisestempel, aber dann stören sich die sozialistischen Grenzsoldaten an unseren langen Haaren: Um sicher zu gehen, dass wir nicht im Lande bleiben, müssen wir jeweils für 15 DM pro Person ein Transitvisum erwerben. Wir sind sauer und lassen die Grenze so schnell wie möglich hinter uns. Kurz vor Sofia wird eine erste Rast eingelegt und wir frühstücken ausgiebig. Dann beim Weiterfahren im langsamen Stadtverkehr neben uns ein Lastwagen mit einer Ladefläche voller Tomaten! Mit Zeichensprache fragen wir den Fahrer, ob wir welche nehmen dürfen. Er lacht und stimmt zu: Vom Seitenfenster aus versorgen wir uns, während wir neben dem Lastwagen herfahren, kiloweise mit Tomaten, zum Dank reichen wir ihm Zigaretten hinüber. Auf den Geschmack gekommen, dürfen wir uns später auch noch aus einem Melonentransporter bedienen. So schließen wir also erste »Freundschaften« vom Autofenster aus. Lern-Effekt: Bulgarien ist freundlicher als der erste Eindruck an der Grenze vermuten ließ. Auch die Visumkosten sind, auch wenn die nächsten Mahlzeiten etwas einseitig sind, durch unseren Tomaten- und Melonenkauf wenigstens reduziert. Schon bald sind wir in der Türkei angelangt und machen dort in Edirne Halt. Als wir die dortige Selimije-Moschee betreten, ist es gerade dunkel geworden. Plötzlich ist aller Stress der langen Fahrt abgefallen, wir fühlen uns geborgen und im Orient angekommen. Aber wir wollen zügig weiter: Auf nach Istanbul. Als wir im Mondschein das Meer rechts neben uns erblicken, beenden wir all die Hetzerei: Wir fahren an den Strand, genießen ein Abendessen – mit Tomaten und Melonen – und richten uns in unseren Schlafsäcken am Strand ein. Übernächtigt wie wir sind, schlafen wir fest und als wir aufwachen, steht die Sonne schon längst am Himmel. Wir sind nun schon etwa 2 000 km gefahren und noch immer am Beginn unserer Reise. Tagsüber wird zunächst gefaulenzt, gebadet, gequatscht, es gibt weiterhin Melonen und Tomaten im Überfluss und wir freuen uns auf die nächsten Etappen. Nachmittags geht’s dann gemütlich los nach Istanbul.

DER SONNE ENTGEGEN

Für mich ein Wiedersehen: Als ich 12 Jahre alt war, waren meine Eltern mit meinem älteren Bruder und mir in Varna in Bulgarien im Urlaub. Dort ergab sich damals kurzfristig die Möglichkeit, sehr preisgünstig mit dem Schiff über das Schwarze Meer einen mehrtägigen Ausflug nach Istanbul zu unternehmen. Und weil der damals für uns drei sehr spannend wurde, werfe ich hier einen kleinen Seitenblick auf dieses Abenteuer. Meine Mutter fuhr nur mit meinem Bruder und mir, denn für meinen Vater zusätzlich reichte die Reisekasse leider nicht aus. Dort hielt unser Ausflugsbus nach einer Besichtigungstour vor der Rückkehr zu unserem Schiff direkt vor einem Postamt, damit wir für unsere Ansichtskarten Briefmarken kaufen konnten. Ich lag gerade mit meinem Bruder im Streit. Wir beide wurden nun zusammen losgeschickt, Marken zu kaufen. Da wir beide auch Briefmarken sammelten, kauften wir getrennt voneinander. Ich war zuerst dran. Irgendwie glaubte ich, wir sollten nach dem Markenkauf zum Schiff zurückgehen; und da ich ja auf meinen Bruder sauer war und deshalb nicht gemeinsam mit ihm gehen wollte, machte ich mich also auf den Weg. Ich wunderte mich zwar, dass der Bus noch vor dem Postamt stand, aber ich ging munter los. Es war mitten in der Stadt, kein Hafen oder gar Schiff war zu sehen. Deshalb ging ich bergab, das Meer musste ja logischerweise unten sein. Für mich war das sehr interessant zu erleben! Tatsächlich kam ich nach etwa 30 Minuten an ein Hafengelände. Als schließlich ein Muezzin rief, hörten die Arbeiter spontan mit ihrer Arbeit auf, legten ihre kleinen Gebetsteppiche aus, knieten darauf nieder und beteten mit vielen Kopfverneigungen in Richtung Mekka. So etwas hatte ich noch nie gesehen, so exotisch, so fremd. Ich war in Hochstimmung ob der neuen Erfahrung. Und dann sah ich auch schon unser Schiff. Mein Bruder stand wütend davor: Wo bist du gewesen, was hast du gemacht, warum bist du nicht wieder in den Bus eingestiegen? Der Bus hatte ihn und die übrigen Passagiere zum Schiff gebracht und war mit meiner Mutter, die mich dort weiter suchen wollte, wieder zum Postamt gefahren. Irgendwann kam sie dann aufgelöst im Bus zurück und wollte mich gerade bei der Polizei als vermisst oder gar entführt melden. Aber da stand ich plötzlich. Ich musste mir also so einiges anhören, nicht nur von meiner Mutter; plötzlich kannte mich das ganze Schiff … Insgeheim war ich aber sehr zufrieden mit mir, hatte ich doch so interessante Sachen gesehen wie sonst keiner.

Aber zurück zu unserer Indienfahrt: Dieses gerade geschilderte Erlebnis kommt ganz lebendig wieder hoch, als wir in die Stadt einfahren. Zunächst geht es in Richtung historisches Zentrum. Wir besuchen die Blaue Moschee, die Hagia Sofia »kenne« ich ja bereits von früher … und dann geht’s ab in den »Pudding Shop« – ein Geheimtipp für jeden, der auf dem »Hippie Trail« von Europa nach Nepal unterwegs ist. Dort treffen sich Leute aus der ganzen Welt, die entweder, wie wir, die Reise von Europa aus eben beginnen, oder – wie z. B. Australier oder US-Amerikaner – in Bangkok, Indien oder Nepal gestartet sind und hier das Ziel ihrer Reise erreicht haben. Wir lernen einige Leute kennen, die von Indien kommen und uns erste wertvolle Tipps bezüglich Zwischenzielen oder Unterkünften im Iran, in Afghanistan oder Indien geben. Ob die Grenze nach Afghanistan, die noch geschlossen ist, bald wieder aufmacht, weiß natürlich niemand und wir alle spekulieren wild hin und her. Zum ersten Mal verabschieden uns einige dann mit dem später zum geflügelten Wort werdenden »see you Christmas in Nepal«. Der Abend ist so schön direkt vor den beiden Moscheen, dass wir beschließen, unser Nachtlager nicht im Bus, sondern auf dem Busdach aufzuschlagen.

Am nächsten Morgen wache ich früh auf, die Dämmerung kommt. Meine Freunde schlafen noch, ich steige vom Dach und mache einen Morgenspaziergang im dämmrigen und bald klar-hellen alten Stadtzentrum, das nun so langsam erwacht. Voller überwältigender Eindrücke steige ich anschließend wieder auf das Dach und filme noch den herrlichen Sonnenaufgang im Osten (1). Für mich ist das wie ein Zeichen: Mein Motto für unsere gesamte nach Osten gehende Reise ist von jetzt ab: Der Sonne entgegen. Später geht’s nach dem Frühstück in den Basar und in den Topkapi-Palast, aber dann lockt uns doch der Weg über den Bosporus in das eigentliche Abenteuer, nach Asien. Und los geht’s!

Der Weg nach Ankara erscheint mir wie ein Katzensprung, aber es sind dennoch über 400 km. Hier haben wir eine wichtige Aufgabe zu lösen: Afghanistan erkennt auch Visa aus der Zeit des Königreichs nicht mehr an und erlaubt nur Leuten mit neuem Visum die Einreise. Da wir erst nachmittags losfahren, erreichen wir Ankara lange nach Mitternacht. Schlafen, schlafen, schlafen! Danach geht es nun in die Botschaft. Und Gott sei Dank eine gute Nachricht: Die Grenze ist wieder geöffnet. Wir bekommen ein neues Visum und brechen in Richtung Iran auf.

ZWILLENKÄMPFE

Es geht jetzt in die Berge und – obwohl es noch Hochsommer ist – wird es zunehmend windig und kühl. Wir sind froh, dass wir auch Pullover dabeihaben. Abends suchen wir uns