Norrland - Anne Jacobsson - E-Book

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Anne Jacobsson

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Beschreibung

Norrland Emilia Nyström, frisch graduierte Geoingenieurin der Queens Universität in Kanada, eilt zu dem wartenden Taxi, um ihren Flug nach Stockholm zu erreichen. Sverre Andresen ebenfalls mit einem Diplom als Minen Ingenieur in der Tasche hegt momentan die gleiche Absicht, ohne zu wissen, dass dieses Taxi von Emilia bestellt wurde. Doch die Beiden einigen sich und bekommen rechtzeitig ihren Flug. Dieser kuriose Zufall ist der Start einer glücklichen Beziehung. Sie heiraten und ziehen in den kalten, dunklen Norden Schwedens, nach Kiruna in Norrland. Die Zwillinge Ava und Lasse vollenden das gemeinsame Familienglück und sie führen ein freies, von der Natur bestimmtes Leben, mit viel Schnee und langen dunklen Nächten. Als die Kinder in die Pubertät kommen, ist es Ava, die mit diesem ländlichen Leben nicht mehr glücklich ist. Sie möchte weg von Norrland. Lasse hingegen, kann den Wunsch seiner Schwester nicht verstehen. Das Haus mit dem See und den angrenzenden unendlichen Waldgebieten, den vielen Tieren und die absolute Ruhe, das alles will er nicht missen. Emilia kommen Zweifel, ob sie den Kindern nicht zu viel Einsamkeit zumutet und es möglicherweise besser wäre nach Stockholm zu ziehen. In dieser Gedankenphase schneit Sverre ein Angebot aus Mexiko ins Haus und er sagt zu. Mögliche Umzugspläne werden plötzlich über den Haufen geworfen als er nach einigen Wochen zum Weihnachtsfest nach Norrland zurückkehrt. Anne Jacobsson erzählt eine schwedisch-norwegische Familiengeschichte voller Spannung, Emotionen und ungewöhnlichen Ereignissen.

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Anne Jacobsson

Norrland

Zeitgenössicher Roman aus Schweden

Inhaltsverzeichnis

Fünfzehn Jahre später

Angeln sollte beruhigen

Thomas und das Haus

Norrland versus Mexiko

Neuer Job-Neuer Fall

Winter in Norrland

Liebe ist grenzenlos

Trauer

Fünf Jahre später

Impressum

Scand Torg AB

Emilia Nyström, frisch graduierte Geoingenieurin der Queens Universität in Kanada, eilt zu dem wartenden Taxi, um ihren Flug nach Stockholm zu erreichen. Sverre Andresen hegt momentan die gleiche Absicht, ohne zu wissen, dass dieses Taxi von Emilia bestellt wurde. Doch die beiden einigen sich Dieser kuriose Zufall ist der Start einer glücklichen Beziehung. Sie heiraten und ziehen in den kalten, dunklen Norden Schwedens, nach Kiruna in Norrland. Die Zwillinge Ava und Lasse vollenden das gemeinsame Familienglück. Als die Kinder in die Pubertät kommen, ist es Ava, die mit diesem ländlichen Leben nicht mehr glücklich ist. Sie möchte weg von Norrland. Lasse hingegen, kann den Wunsch seiner Schwester nicht verstehen. Emilia kommen Zweifel, ob sie den Kindern nicht zu viel Einsamkeit zumutet und es möglicherweise besser wäre nach Stockholm zu ziehen. In dieser Gedankenphase schneit Sverre ein Angebot aus Mexiko ins Haus und er sagt zu. Mögliche Umzugspläne werden jedoch plötzlich über den Haufen geworfen, als er mit deprimierenden Nachrichten zum Weihnachtsfest nach Norrland zurückkehrt. Anne Jacobsson erzählt eine schwedische Familiengeschichte voller Spannung, Emotionen und ungewöhnlichen Ereignissen.

Anne Jacobsson

N O R R L A N D

Ein

Schweden Roman

Original Ausgabe

Auflage November 2023

©2023 Scand Torg AB

All rights reserved

Lektorat: Michael Thomas

[email protected]

Klövervägen 3

37692 Ringamåla – Svängsta

Sweden

ISBN 978-91-527-8895-0

Zwei Uniabschlüsse

Endlich. Emilia nimmt das Diplom entgegen und drückt es fest an ihr Herz. Sie freut sich, es nach zwei Jahren in der Hand halten zu können. Geo-Ingenieur, ein Traum ist wahr geworden. Ich bin spät dran, mein Taxi wartet, denkt sie und nimmt schnell ihren Koffer und geht eilig aus dem Unigebäude. Das Taxi wartet bereits, jedoch als sie rennend auf das Auto zukommt, öffnet ein junger Mann die Tür des Wagens. »Stopp, das ist mein Taxi,« ruft sie. Der Mann dreht sich um und zuckt mit den Schultern. »Schade, ich sollte dringend zum Bahnhof, da ich noch bis Toronto muss und von dort meinen Flug nach Hause bekommen sollte.« »Ja, ich eben auch, also fahren wir zusammen mit dem Taxi zum Bahnhof,« entgegnet Emilia. »Vielen Dank, dass sie mich mitnehmen, ich heiße Sverre Andresen.« »Gern geschehen, Emilia Nyström.« »Dann sind sie auch nicht von hier?« »Nein, ich komme aus Schweden. Ich fliege von Toronto nach Stockholm.« »Das ist aber ein Zufall, ich fliege auch nach Stockholm. Allerdings wohne ich in Oslo. In Stockholm mache ich einen Stopp und besuche meine Schwester Ylva.«, antwortet Sverre fasziniert. »Emilia wollen wir uns duzen?« »Klar, gern.« »Bist du fertig mit deinem Studium, oder hast du Sommerferien?«, fragt Sverre. »Ich bin frisch gebackene Geo-Ingenieurin, und du?« »Ebenfalls fertig, ich bin Bergbau-Ingenieur, das passt doch prima«, erwidert er und lacht. Das Taxi hält am Bahnhof. Sverre zahlt und hilft Emilia den Koffer aus dem Wagen zu heben. »Danke, das ist aber nett von dir.« »Ich habe meine Manieren nicht in der Eisenmine abgegeben,« entgegnet Sverre und lächelt sie an. Der Zug steht bereits am Gleis. Sie haben noch ein paar Minuten und holen sich jeder schnell ein Sandwich. Ein Abteil ist frei und beide machen es sich bequem. Die Zugfahrt nach Toronto dauert etwas mehr als zwei Stunden. Emilia ist eine hübsche junge Schwedin, vierundzwanzig Jahre alt, groß, schlank mit einem hellblonden Pferdeschwanz und blauen Augen. Sverre ist sechsundzwanzig, ungefähr 1,90 cm groß mit hellbraunen Haaren, einem ebensolchen Vollbart und grünen Augen, die, wenn man ihn ansieht, spitzbübisch leuchten. »Wenn ich in Schweden bin, mach’ ich erst einmal Urlaub. Meine Eltern besitzen ein Ferienhaus auf Växholm, dort werde ich den Sommer verbringen. Danach schaue ich mich nach einem Job um. Und was hast du vor?« »Ja eigentlich genau wie du, erst einmal Ferien machen. Etwas Genaues habe ich bisher nicht geplant. Aber ich bin sicher, dass mir etwas einfallen wird. Anschließend werde ich mich ebenfalls, um einen Job als Bergbau-Ingenieur bemühen. Ich bin zuversichtlich etwas Gutes zu finden. Mein Vater arbeitet ebenfalls in der Minen Industrie und ich hoffe, dass er mir bei der Jobsuche behilflich sein wird.« »Sverre, wenn wir in Stockholm sind und du deine Schwester besuchen willst, dann könnten wir dort zusammen essen gehen, hättest du Lust?« »Ja sicher, ich freue mich. Vielleicht kannst du mir einige interessante Sehenswürdigkeiten zeigen? Wir haben Som­mer und sollte das Wetter mitspielen, sogar die Chance auf Schwimmen in den Schären.« »Klar, so machen wir es. Jetzt würde ich sehr gern ein we­nig schlafen. Die letzten drei Tage waren anstrengend. Nur Party, Party, Party, mit den Kommilitonen.« »Ja, schlaf etwas Emilia, ich lese derweil. In Toronto wecke ich dich, damit du unseren Flieger nicht verpasst,« erwidert Sverre und schmunzelt.

»Emilia, kommst du mit schwimmen?«, fragt ihr Cousin Mik. »Nein, ich mag heute nicht.« »Du willst nie mit mir spielen, komm schon.« Mik rennt zum See und springt hinein. Emilia liegt auf der Decke und schaut ihm zu. Nach ein paar Minuten sieht sie wie Mik wild um sich schlägt. »Mik, was ist?« »Hilfe, Hilfe, ich hänge fest.« Emilia rennt wie der Blitz zum See hinunter und springt hinein. In drei Zügen erreicht sie Mik und greift ihn. Er prustet und hustet. »Was war das denn eben?«, fragt sie ihn. »Was hielt dich fest?« »Ich weiß es nicht, es fühlte sich wie eine riesige Hand an.« Sie schwimmen gemeinsam zum Strand. »Mik, da hast du aber Glück gehabt, dass wir zu zweit sind, wenn du allein schwimmen gegangen wärst, hättest du ertrinken können.« »Ja, danke, dass du mich herausgeholt hast. Ich war ziemlich erschrocken, als sich das Unbekannte, was auch immer es war, sich an mein Bein klammerte.« »Komm wir gehen ins Haus, ich mach’ uns einen Kakao,« erwidert Emilia und läuft den Weg zum Haus hoch. Das Ferienhaus in Växholm ist enorm groß und die Familie macht jeden Sommer hier ihren Urlaub. Meistens kommen zusätzlich andere Familienmitglieder mit, so wie in diesem Jahr ihr Cousin Mik. Urlaub auf Växholm. Niemand freut sich mehr auf die sommerliche Idylle als ihr Vater Bosse. Er arbeitet als Pilot bei der Skandinavien Airline und ist aufgrund seiner ständigen Flüge in alle Welt, froh, wenn er die Ferien zu Hause verbringen kann. Emilias Mutter Brita besitzt eine kleine Boutique mit Kindermoden in der Innenstadt von Stockholm. Ihr Bruder Ole ist fünf Jahre älter und machten in diesem Jahr Abitur. Er möchte nach den Ferien Informatik studieren.

Als Emilia in die Küche kommt, um den Kakao für sich und Mik zu kochen, steht Ole neben ihr. »Was habt ihr beiden draußen im See gemacht? Ich habe gesehen, wie Mik wild um sich geschlagen hat.« »Das wissen wir eben nicht, Mik hatte das Gefühl ir­gendetwas umklammerte seine Beine. Deshalb bin ich schnell hingeschwommen und habe ihn gerettet.« »Meine kleine Schwester, die Lebensretterin,« Ole lacht und verschwindet in seinem Zimmer. »Blödmann!«, ruft ihm Emilia nach. »Was ist?«, fragt Mik, als er in die Küche kommt. »Ach, mein Bruder ist ein Idiot, sonst ist nichts.« Sie trinken beide ihren Kakao und gehen anschließend in den Garten und spielen Tischtennis. »Emilia aufwachen, wir sind da!« »Wo da?« »In Toronto, wo sonst?« »Ach herrje, ich hatte gerade einen blöden Traum. Ich war mit meinem Cousin auf Växholm. Wir waren als Kinder jeden Sommer dort. Einmal habe ich ihn aus dem See retten müssen, weil ihn irgendetwas beim Schwimmen festhielt und das habe ich eben geträumt.« »Nun sind wir im heute und jetzt und müssen gleich los. In fünf Minuten treffen wir am Flughafen Terminal ein«, erwidert Sverre und holt die Koffer aus dem Gepäckfach. Emilia ist noch immer etwas verschlafen und hängt ihrem Växholm Traum nach. »Ich bin ganz verwirrt, aber ein Glück, dass du mich geweckt hast. Wäre ich allein, hätte ich bestimmt die Haltestelle am Flughafen verpennt,« sie lacht und zieht ihre Jacke über. Beide gehen den kurzen Weg von der Bahnhaltestelle zum Terminal. Sie checken ein und sagen der Ground Hostess, dass sie gern einen Platz nebeneinander hätten. Der Weg zum Gate führt sie an den Duty-Free Geschäften vorbei. »Ich möchte gern etwas für meine Schwester kaufen,« sagt Sverre und geht zielstrebig zu den Parfums. »Gute Idee, ich nehme meinen Eltern eine Flasche Cognac mit, den mögen beide.« Sie zahlen und gehen langsam zu ihrem Gate. Bis das Boarding beginnt, dauert es weitere vierzig Minuten. Der Flughafen ist recht groß, trotzdem ist wenig Freiraum. Die Sommerferien haben gerade begonnen und es sind sehr viele Menschen unterwegs. Man sieht zahlreiche Familien mit Kindern, die sich ganz offensichtlich auf den gemeinsamen Urlaub freuen. »Als ich klein war, sind wir nie weggeflogen, wir haben die meisten Ferien bei meinen Großeltern in Stavan­ger verbracht,« erzählt Sverre. »Wir auch nicht, mein Vater ist Pilot, daher gab es keinen Sommerurlaub mit dem Flieger. Er wollte immer nur nach Växholm, mit dem Motorboot fahren und Angeln. Das war seine liebste Beschäftigung.«, erwidert Emilia und lacht. »Wenn du die Wahl hättest, würdest du lieber die Som­merferien auf den Schären verbringen, oder irgendwohin in den Urlaub fliegen?«, fragt Sverre. »Also ganz ehrlich. Ich würde den Sommer immer gern auf Växholm verbringen, dafür aber den schrecklich langen Winter in einer warmen Gegend,« antwortet Emilia.

»Passagiere zum Flug 345 nach Detroit, bitte zum Boarding.«, tönt es aus dem Lautsprecher. Emilia und Sverre begeben sich zum Gate-Ausgang. Es sieht so aus, als ob die Maschine voll ausgebucht ist. Als sie zum Flugzeug gehen, beobachten sie ein kleines Mädchen, das sich gerade von der Hand seiner Mutter losreißt und zurückläuft. »Berit, komm zurück!«, ruft eine junge Frau. Sverre stellt sich der Kleinen in den Weg. »Wo willst du denn hin?« »Nicht nach Stockholm«, erwidert sie. »Warum denn nicht?« »Weil es in Stockholm immer so kalt ist.« Sverre muss lachen. »Nein, jetzt nicht. Es ist Sommer, auch in Stockholm.«, sagt er zu ihr. Die Mutter des Mädchens kommt zu ihnen und nimmt sie an die Hand. »Danke, dass sie sie aufgehalten haben, sie ist ein Wirbelwind.« »Hast du eigentlich auch Geschwister?«, fragt er Emilia. »Ja, einen Bruder, Ole. Er wohnt und arbeitet in Malmö als IT-Ingenieur bei einem Chemieunternehmen. Er wird bald dreißig und wie mir meine Mutter am Telefon sagte, will er diesen Sommer heiraten. Ich kenne seine Freundin aber nicht.« Sie suchen sich ihren Platz und verstauen das Handgepäck. Glücklicherweise haben sie einen Platz mit nur zwei Sitzplätzen erhalten. In Detroit müssen sie umsteigen. Ihr Boardingpass zeigt, dass sie wieder zwei Plätze nebeneinander haben. »Da hatten wir aber Glück, dass sie uns in eine Zweier-Reihe buchten,« freut sich Sverre. »Stimmt, bei so einem langen Flug ist es angenehmer.«, erwidert Emilia und macht es sich auf ihrem Platz bequem. Nach dreißig Minuten hebt die Maschine ab. Es ist ruhig, keine Turbulenzen. Emilia fliegt gern. Sie spürt keine Flugangst und genießt den Blick aus dem Fenster und sieht wie die Häuser und Straßen immer kleiner werden. Manchmal erzählte ihr Vater von Flügen, bei denen es nicht so ruhig herging, oder auch von Passagieren, die vor lauter Panik fast ohnmächtig wurden. Aber all das lässt sie unberührt. Sie mag es über den Wolken zu schweben, wo man die sogenannte Freiheit genießen kann. »Fliegst du auch gern?«, fragt sie Sverre. »Sagen wir es mal so, ich habe keine Angst, aber ein Vielflieger bin ich nicht. Die Zeit, die man auf dem Flughafen und mit der Hin und Herfahrt verbringt nervt mich«. »O.k., das heißt, du bleibst lieber auf dem Boden, oder unter dem Boden im Bergwerk.«, erwidert sie lachend. »Ja genau, lieber drunter als drüber.« Die Airhostess kommt mit dem Wagen und bietet Getränke an. »Ein Mineralwasser bitte«, sagt Emilia. »Ich auch bitte«, ergänzt Sverre. Es ist nur ein kurzer Flug von nicht einmal zwei Stunden bis Detroit, da gibt es außer einer Tüte Nüsse und Getränke nichts zu Essen.

Die beiden unterhalten sich über ihre Familien, ihre Kindheit und, wie sie aufgewachsen sind. Sowohl Sverre als auch Emilia blicken auf eine wunderbare Kindheit zurück. Sie durften frei und ungezwungen heranwachsen und verbrachten viel Zeit in der Natur mit den Eltern oder Großeltern. Sverres Großeltern in Stavanger betreuten meistens die Kinder in den Ferien. Sie liebten es mit ihnen in die Fjorde zu fahren und Lachse zu angeln. Sverres Großvater Magnus, war ein Bär von einem Mann. Fast zwei Meter groß mit rotblondem Haar und rotem Bart. Er erzählte viele Geschichten aus den Fjorden von Trollen, die in Norwegen NØK genannt werden und Märchen von Edda, der Frau des Meeresgottes und dem Riesen Ägir. Seine Erzählungen wa­ren spannend und gruselig, zumal die NØKs immer Böses im Schilde führten. Emilia hingegen verbrachte die meisten Ferien auf der Schäreninsel. Regelmäßig waren die Großeltern und Cousins und Cousinen dabei, es war immer was los, wurde nie langweilig und Oma Emma, konnte wunderbare Geschichten der Wikinger erzählen. Außerdem war sie eine fantastische Gärtnerin. Sie liebte Pflanzen und Kräuter und brachte Emilia bereits in jungen Jahren bei, welche Pflanzen als Heilpflanzen genutzt werden. Leider starb ihre geliebte Oma vor zwei Jahren. Diesen Verlust verschmerzte ihr Opa Eldar nicht gut und so verstarb auch er ein Jahr später. Emilia erbte eine kleine Wohnung in Stockholm. Sie liegt in der wunderschönen Gamla Stan und wurde liebevoll von ihrer Oma eingerichtet. Ihr Bruder erhielt das Ferienhaus in Torsvik, welches er neu ausstattete und nun im Sommer an Feriengäste vermietet. Beide stellen fest, dass sie eine wunderbare Zeit als Kinder verbringen durften. »Möchtest du Kinder?«, fragt Sverre unvermittelt. »Natürlich, mindestens zwei. Aber zuerst muss ich einen Mann finden,« erwidert Emilia und lacht. Das Flugzeug setzt zur Landung in Detroit an. Sie haben nicht viel Zeit den Flieger nach Stockholm zu bekommen und machen sich eiligst auf den Weg zum Gate. Natürlich liegt es genau am anderen Ende und sie müssen sogar rennen, denn es ist bereits Boarding-Time. »Geschafft!«, sagt Emilia und lässt sich erschöpft auf ihren Sitz fallen. »Das war knapp.«, erwidert Sverre und verstaut das Handgepäck. Das Flugzeug ist gerade zehn Minuten in der Luft, da wird bereits das Abendessen serviert, was beide erfreut, denn sie sind hungrig. Sverre bestellt sich Huhn und Emilia ein vegetarisches Gericht. »Bist du Veganerin?«, fragt Sverre überrascht. »Ach woher, es ist nur etwas leichter zu verdauen, wenn man so lange sitzen muss. Wenn du wüsstest, wie gern ich Grillpartys mag?«, ergänzt Emilia und schmunzelt. Als sie sich mit einem Glas Rotwein zuprosten und beide hocherfreut über ihr plötzliches kennenlernen auslassen, hören sie eine Durchsage:»Sehr geehrte Fluggäste, wir möchten sie bitten angeschnallt zu bleiben, da wir in Kürze einige Turbulenzen durchfliegen.« »Na gut, ich wollte ohnehin schlafen,« sagt Sverre. »Ich auch, gute Nacht, bis morgen in Stockholm.«

»Verehrte Fluggäste, hier spricht ihr Kapitän, wir landen in wenigen Minuten in Reykjavik. Die Turbulenzen haben einen Defekt in der Elektronik verursacht, den wir beheben müssen, bevor unser Flug nach Stockholm weitergehen kann. Bitte behalten sie Platz, der Aufenthalt dürfte nicht länger als dreißig Minuten dauern.« Sverre und Emilia schauen sich verschlafen an. »Reykjavik?«, fragt sie erstaunt. »Ja, es gibt ein technisches Problem aufgrund der Turbulenzen, sollte aber nicht lange dauern.«, erwidert Sverre. Sie stehen auf und gehen ein paar Schritte im Flur entlang. Um die Zeit für die Passagiere angenehmer zu gestalten werden Getränke und Kekse serviert. Tatsächlich ist der Schaden in einer halben Stunde behoben und das Flugzeug startet wieder. »Na gut, ist mir egal, wann wir ankommen, ich werde ohnehin nicht abgeholt, da ich zu meiner Wohnung fahre«, erklärt Emilia. »Ich auch nicht, meine Schwester weiß nicht, wann ich genau ankommen werde.« Sie legen sich beide so gut es geht wieder auf ihre Plätze und schlafen auch tatsächlich schnell ein.

Fünfzehn Jahre später

»Kinder, das Frühstück ist fertig. Lasse und Ada kommt endlich der Schulbus ist gleich da.« »Ja sofort!«, rufen beide von oben. Emilia legt je einen Apfel und ein paar Erdbeeren in die Büchsen und verschließt sie. Sverre ist bereits seit einer Woche zu einem Lehrgang in Kanada. Seit seiner Beförderung als Chef Ingenieur bei der Bergbaufirma in Kiruna, verfügt er über ein fantastisches Gehalt, aber trägt dementsprechend viel Verantwortung. Emilia teilt sich einen Job mit einer anderen Mutter in dem gleichen Unternehmen als Geologische Gutachterin. Seit die Zwillinge Lasse und Ada auf der Welt sind, arbeitet sie nicht mehr Vollzeit. Ihr macht das Haus, der Garten und die Betreuung der Familie genauso viel Freude, wie die Arbeit in der Bergbaufirma. »Nun beeilt euch mal, der Bus ist gleich hier.« Die beiden Dreizehnjährigen haben es nicht eilig. »Der wartet schon auf uns,« meint Lasse und trinkt genüsslich seinen Kakao aus. »Mama, was hast du und Papa eigentlich gedacht, als ihr in diese gottverlassene Gegend gezogen seid?«, fragt Ada und rümpft ihre Nase. »Nun mach aber mal halblang Ada, euch geht es doch gut hier. Viel Wald, viel frische Luft und…« »Ja, ja und viel Schnee, viel Kälte und weit und breit kein Mensch.«, motzt sie und schnappt sich ihre Schultasche.

Als Emilia und Sverre nach ihrem Kennenlernen vor fünfzehn Jahren in Kanada mit ihren Diplomen in Stockholm landeten, wussten sie bereits nach wenigen Tagen, dass sie füreinander bestimmt waren. Ein Jahr später machte ihr Sverre einen Heiratsantrag. Genau wie ihr Bruder Ole, heirateten sie in Stockholm und feierten eine riesige Hochzeit auf Växholm. Es war wunderbar, denkt Emilia, als das Telefon läutet. »Sverre, schön von dir zu hören, alles ok.?« »Ja und nein. Ich muss weitere drei Tage dranhängen, komme also erst die nächste Woche zurück.« »Kein Problem, wir sind alle gut beschäftigt. Die Kinder sind die meiste Zeit draußen und versuchen erfolglos Fische zu angeln. Scheinbar sind sie alle aus dem See weggeschwommen,» sage ich und muss lachen. Ada hat eigentlich recht. Warum sind wir in diese Abgeschiedenheit nach Norrland gezogen? Es gab ganz andere Möglichkeiten. Mit unseren Diplomen hätten wir überall auf der Welt, wo Bergbau betrieben wird, arbeiten können. Sverre war die treibende Kraft. Er kannte das einsame Leben an den nördlichen Fjorden und er mag die vielen Menschen in den Städten nicht. Mir war es egal, ich kann mich schnell und unkompliziert anpassen. Als wir dann sogar zusammen ein Angebot der Bergbaufirma in Kiruna bekamen, war es unausweichlich, dass wir hierher­zogen. Norrland hat eine Fläche von 261.292 Quadratkilometer, aber nur 1.116.000 Einwohner, das sind 12,8 Prozent der schwedischen Gesamtbevölkerung. Somit ist klar, dass man dem Nachbarn nicht in den Suppentopf schauen kann. Kurz nachdem wir hier ankamen baute Sverre ein wun­derschönes, großes Haus am See. Natürlich aus Holz in Falunröd mit weißen Fensterrahmen. Neben unserer Villa errichteten wir zusätzlich drei Hütten (Stügas). Die eine wird für unser Holz zum Heizen gebraucht, in der anderen halten wir Hühner, die im Sommer natürlich draußen herumlau­fen. Die dritte Stüga ist ein Gästehaus, welches ich mit viel Liebe und in skandinavischem Design eingerichtet habe. Um unser nordisches Feeling zu vollenden, stellten wir eine Sauna (Bastü) direkt an den See, zu dem wir einen eigenen Zugang haben. Das Grundstück besteht aus 3 Hektar mit einem Stück Wald. Eigentlich haben wir ein total entspanntes Leben hier, wenn auch ein sehr kaltes. Im Sommer erreichen wir gerade mal knapp die zwanzig Grad. Im Winter, der von Oktober bis Mai geht, sind beständige Minusgrade an der Tagesordnung, daher verstehe ich meine Tochter. Als sie Kinder waren, spielte es keine Rolle, wo wir wohnten. Sie waren von Anfang an zu zweit und lebten ein Leben in der Wildnis mit Elchen, Rehen, Wildschweinen, Füchsen und unserem Husky Runer. Sie waren glücklich. Aber jetzt kommt die Pubertät und es stellt sich die Frage, ob dieses einsame Leben noch passt und sie damit glücklich sind? Ich muss unbedingt mit Sverre reden, wenn er wieder zurück ist. Vielleicht ist es an der Zeit einen erneuten Wechsel vorzunehmen? Natürlich können wir nicht Hals über Kopf hier wegziehen, es benötigt eine längere Planung und überhaupt brauchen wir beide einen gut bezahlten Job. Der Gedanke, eines Tages das wunderschöne Haus zu verlassen stimmt mich jedoch ausgesprochen sentimental.

»Mama, wir sind zurück. Ich muss dir unbedingt etwas erzählen«, ruft Ada, als sie im Flur steht. »Hallo ihr zwei, was gibt es denn Neues?« »Also, kannst du dich an Anna erinnern, die mit mir in eine Klasse geht und deren Vater ebenfalls bei der Minen Firma arbeitet?« »Ja klar, die Anna, die so wahnsinnig lange Haare hat und bereits jetzt einen Kopf größer ist als ich.« »Genau, Mama. Die ziehen in drei Monaten nach Sambia.« »Nach Sambia? Was machen sie denn dort?« »Ihr Vater bekam ein Angebot von SENTINEL eine Mine im Nordwesten Sambias, sagte mir Anna.« »Das ist aber ein riesiger Unterschied zu Norrland.« »Genau Mama, dort ist es warm. Sie ziehen nach Kalumbila, erklärte sie mir.« »Aha, keine Ahnung, wo das ist mein Schatz, muss ich mir auf der Karte anschauen.« »Ich wünschte, wir würden auch hier wegziehen, Mama.« »Du spinnst wohl, hier wegziehen und dann auch noch nach Afrika, ohne mich.«, mault Lasse sie sofort an. »Steht momentan nicht an, also was möchtet ihr zum Abendessen?« »Für Ada Schlange und Grille, und für mich Lasagne,« erwidert Lasse und kann sich vor Lachen kaum halten. »Idiot!«, kontert Ada und geht auf ihr Zimmer.

Was ein Unterschied von Norrland nach Afrika, denke ich, als ich das Hackfleisch für die Lasagne anbrate. Ob wir vielleicht an einen größeren Umzug denken sollten? Doch momentan steht mir nicht der Sinn danach, denn wenn ich mir vorstelle, all das Liebgewonnene hier aufgeben zu müssen, bin ich wenig begeistert. Ada ist sehr unzufrieden und ich fürchte, dass sich das mit jedem weiteren Jahr potenziert. Das Telefon läutet. »Hallo Papa, was gibt es?« »Hallo Emilia, schön, dass ich dich erreiche, wir wollten fragen, ob wir euch in zwei Wochen mal besuchen können?« »Immer Papa, wir freuen uns, wenn ihr kommt, vorrangig die Kinder. Gibt es einen besonderen Grund dafür, oder fällt euch die Decke in Stockholm auf den Kopf und ihr sucht Abwechslung im wilden Norden?« »Emilia, wir möchten mit euch etwas besprechen. Mama und ich sind nicht mehr die Jüngsten und unsere Pläne sind dahin gehend, eventuell das Haus und das Ferienhaus zu verkaufen und uns etwas Kleineres zu suchen. Wir wollen aber erst einmal mit euch darüber reden. Mit Ole und Elsa haben wir bereits gesprochen. Da die beiden mittlerweile mit ihren Kindern nach Dänemark gezogen sind, besteht bei ihnen kein Bedarf das Haus zu übernehmen. Deshalb möchten wir jetzt mit euch sprechen.» »Natürlich könnt ihr gern kommen und wir reden darüber. Lass mich einfach wissen, wann ich euch am Flughafen abholen soll.« »In Ordnung, ich frage deine Mutter und rufe dich dann an.« »Kinder, essen ist fertig.« »Oh lecker, Lasagne. Wo ist Adas essen?« stänkert Lasse. »Halt deinen Mund, Lasse.«, erwidert Ada mit bösem Blick. »Hört mal zu, Opa Bosse und Oma Brita kommen in zwei Wochen.« »Yeah, klasse, dann kann ich mit Opa wieder auf die Pirsch gehen.« »Du Tierquäler, willst doch nicht etwa ein armes Reh totschießen?«, beschwert sich Ada. »Als ob du was von Männerdingen verstehst? Bei dir dreht sich alles nur um Mädchenkram. Was ziehe ich an, welcher Nagellack ist in, welche Frisur soll ich machen, alles so ein unnützer Kram.«, kontert Lasse und schneidet Grimassen. »Wenn ihr so weiter macht, gebe ich euch zur Adoption frei.« »Mama, Lasse, ist einfach doof, sorry. Aber Tiere schießen geht gar nicht.« »Ruhe jetzt. Oma und Opa kommen hierher, weil sie umziehen wollen.« »Zu uns?«, fragen beide gleichzeitig. »Nein, eher nicht, sie wollen sich wohl eine kleinere Wohnung suchen, weil ihnen das Haus zu groß ist.« »Das heißt, sie wollen das Haus verkaufen? Und wo können wir dann wohnen, wenn wir in Urlaub zu ihnen wollen, wenn sie keinen Platz mehr haben?«, fragt Lasse traurig. »Warten wir es erst einmal ab, bis Oma und Opa hier sind. Dann werden sie uns berichten, was ihnen so vorschwebt, O.k.?« »Das Essen war lecker, hast du auch Nachtisch?«, fragt Ada. »Klar, was denkt ihr wohl?« »TIRAMISU!«, rufen beide. »Wie könnte ich Lasagne kochen ohne Tiramisu als Nachtisch? Das ist schließlich Tradition in unserem Haus.« Als die beiden endlich satt, zufrieden und ohne Streit die Küche verlassen, um sich ihren Hausaufgaben zu widmen, rufe ich Sverre an. »Hallo Schatz, wie geht es dir? Alles O.k. in Kanada?« »Hallo Liebling, ja, alles bestens. Morgen ist der letzte Tag. Übermorgen geht mein Flieger. Ich bin bald wieder zu Hause.« »Schön, ich freue mich auf dich. Vorhin rief Bosse an, sie wollen in zwei Wochen zu uns kommen, um mit uns ihren Umzug zu besprechen.« »Deine Eltern wollen noch einmal umziehen? Wohin?« »Weiß ich nicht, nur in eine kleinere Wohnung sagte mein Vater.« »Gut, wir werden sicher mehr erfahren, wenn sie hier sind. Bis übermorgen dann.«

Ich mache mir Sorgen darüber, dass meine Eltern umziehen wollen, dann gibt es womöglich gesundheitliche Probleme. Eigentlich hängen beide an ihrem Haus und natürlich an Växholm. Für uns kommt ein Umzug nach Stockholm ebenso wenig in Betracht, wie für Ole, der ein wunderschönes Haus in Dänemark besitzt. Wenn wir einmal wegziehen sollten, dann wohl eher in eine Gegend mit Bergwerk. Wo sonst sollte Sverre arbeiten? Wenn ich an die Kinder denke, muss ich leider immer öfter einen Wechsel in Erwägung ziehen. Sie sollten zumindest die Möglichkeit haben, mehr als nur Norrland kennen zulernen. Wie das für uns weitergeht, werden wir gemeinsam besprechen und später entscheiden. Vorerst scheint zumindest der Umzug meiner Eltern anzustehen.

»Was für ein Flug, nur irre. Hallo erst einmal, mein Schatz.« »Hallo Liebling, was war denn bei deinem Flug los?« Sverre ist sichtlich gestresst. »Komm wir gehen erst einmal einen Kaffee trinken, bevor wir nach Hause fahren, du bist doch total angespannt.« »Wenn du diesen Flug mitgemacht hättest, wärst du auch k.o.« Wir setzen uns in das kleine Flughafen Café und Sverre berichtet. »Also auf dem Flug nach Toronto saßen drei schreiende Kinder hinter mir. Einer lauter als der Andere. Die Mutter hatte alle Hände voll zu tun, um sie zu beruhigen, was mehrheitlich misslang. Ihr Angetrauter stopfte sich Ohrstöpsel in die Ohren und bearbeitete sein Laptop. Ihr eventuell einmal zu helfen, kam ihm nicht in den Sinn. Egal, der Flug war nur kurz. Aber als ich dann in Toronto in den Flieger nach Stockholm stieg, widerfuhr mir das unsagbare Glück, eine Gruppe von acht sichtlich angeheiterten Studenten als Sitznachbarn zu haben, die offensichtlich ihren Abschluss gebührend gefeiert hatten und auch nicht beabsichtigten diese Party im Flieger zu beenden. Ich konnte praktisch kein Auge schließen. Die Stewardess gab sich alle Mühe, die Herren um etwas mehr Ruhe zu bitten, jedoch vergebens. Jedenfalls war es anstrengend. Das einzig Positive, war der Flug von Stockholm nach Kiruna. Kaum Leute in der Maschine.« »Mein armer Mann.«, ich streiche ihm über den Kopf. »Weißt du, wie ich mich auf mein Bett freue?« »Mit oder ohne Inhalt?«, frage ich schmunzelnd. »Och, echt jetzt? Heute mit Inhalt, aber ohne Aktivität. Morgen mit Inhalt und natürlich mit Spaß.« »Komm, wir fahren nach Hause, dann kannst du dich hinlegen, mein gestresster Bergmann.« »Machst du dich lustig über mich?«, fragt er schmollend. »Natürlich nicht.« Ich drehe mich schnell um, damit er nicht sieht, wie ich lachen muss.

Mein Vater gab seinen Termin durch, Morgen um drei am Nachmittag landen sie in Kiruna. Das passt prima, dann kann ich die Kinder von der Schule abholen und gleich danach zum Flughafen fahren und die Großeltern in Empfang nehmen. Die Gäste Stüga putzte ich bereits vor zwei Tagen und bezog die Betten neu. Lasse und Ada freuen sich auf die Großeltern, denn so viel Abwechslung ist hier nicht. Freunde aus unserer Studienzeit hatten zwar immer wieder geschrieben, dass sie uns besuchen wollen, aber wen zieht es schon nach Norrland? Soweit im Norden und dann das Klima, nein, da fahren sie alle lieber nach Italien, Spanien oder Griechenland. Mittlerweile denke ich auch immer öfter an einen Umzug, doch wenn ich mir unser Haus, die Stügas, den See mitten auf unserem Grundstück und die weitläufigen Wälder anschaue, dann kommen mir Zweifel, ob ich das denn alles aufgeben möchte. Noch ist es Zeit, die Kinder sprechen gelegentlich davon, dass sie hier weg möchten, aber es ist eher Ada, die unzufrieden ist. Sverre steht diesem Thema ohnehin skeptisch gegenüber. Er ist der einsame Wolf, der es liebt allein seine langen Waldspaziergänge zu machen, im See zu fischen oder einfach nur die unglaubliche Ruhe um uns herum zu genießen. Sverre ist ein eher introvertierter Mann, doch in seinem Job ist er direkt, präzise und als Vorgesetzter sehr geschätzt. Er hegt eine äußerst soziale Einstellung und einen unglaublich starken Gerechtigkeitssinn. Fachlich ist er absolut unschlagbar. Er schätzt pragmatische Lösungen und verabscheut unendliche, nichts bringende Sitzungen. Leere Worthülsen und aufschiebende Entscheidungen sind ihm ein Gräuel. Er ist ein Mann der Taten und das nicht nur in seinem Beruf, sondern auch hier bei uns zu Hause. Habe ich einen Wunsch, zum Beispiel, einen Umbau oder eine Verbesserung, ist er kurzerhand in seinem Arbeitsanzug und verschwendet keine Zeit mit langen Diskussionen. Was gewünscht wird, wird gemacht. Dafür liebe ich ihn sehr. Manchmal wünschte ich allerdings, dass er kommunikativer ist und es ihm genau so viel Spaß bereitet mit Freunden auszugehen, oder sie einzuladen. Das ist definitiv nicht sein Ding. Es kostet mich sehr viel Überredungskünste, wenn uns Lena und Leif zum Bowling animieren möchten. Viel Abwechslung gibt es ohnehin nicht. Ich bin ein weitaus kommunikativerer Mensch und glücklicherweise schaffe ich es jedes Mal, Sverre dann doch zu überreden.

Am Flughafen ist wenig Betrieb. Die Kinder besorgten für Oma Brita einen Blumenstrauß und warten gespannt auf ihre Ankunft. Ich freue mich ebenfalls darauf meine Eltern wieder zu sehen. In der Regel kommen sie leider nicht oft nach Norrland. Meinem Vater ist das raue Klima nicht zuträglich. Er bekam im Alter Rheuma und bevorzugt Urlaub in wärmeren Gegenden. Selbst sein über alles geliebtes Växholm besucht er nicht mehr so oft wie früher. »Das sind sie!«, rufen Ada und Lasse. Sie rennen den Großeltern entgegen. »Hallo ihr beiden!« begrüßen Oma und Opa die Zwillinge. »Ihr seid schon wieder ein ziemliches Stück gewachsen.«, bemerkt Oma. »Das sagts du jedes Mal, wenn du uns siehst, erwidert Lasse. »Stimmt doch auch, sagt Opa und nimmt beide in den Arm.« »Hallo Mama, hallo Papa, schön, dass ihr gekommen seid.« Ich umarme meine Eltern und stelle fest, dass auch die Zwei ein wenig älter geworden sind. Brita trägt ihre Haare kürzer und ist ergraut. Bosse ist sowieso seit einigen Jahren schneeweiß und ließ sich einen Bart wachsen. »Gut seht ihr aus!« »Unsinn, Emilia du musst uns nicht schmeicheln, wir wissen selbst, dass wir älter geworden sind.«, erwidert Mama und schmunzelt. »Trotzdem, ihr seht beide gut aus«, sage ich überzeugend und nehme Mama den Koffer ab. »Das Wetter ist, wie immer in Norrland, gewöhnungs­bedürftig.«, bemerkt Bosse, verdrießlich. »Euer Klima ist wirklich eine Herausforderung.« »Ach Papa, das stimmt so nicht. Wir haben neun Monate Schnee und drei Monate schlechte Ski Verhältnisse,« erwidere ich und lache. »Genau!«, sagt Papa und lacht ebenfalls.

Von Kiruna zu uns nach Hause ist es nur eine halbe Stunde Fahrt und jetzt im Sommer, ohnehin kein Problem. Im Winter bei meterhohem Schnee, kann sich die Fahrt locker mal auf drei Stunden ausdehnen. Da braucht nur ein Baum quer zu liegen, oder eine Schneewehe das Durchkommen zu erschweren.

Die Kinder erzählen während der Fahrt von ihren schulischen Erlebnissen und von den Freunden und dies und das, was sie in der letzten Zeit alles so anstellten. »Lasse, wollen wir beide morgen im See angeln, wenn du Lust hast?«, fragt Opa. »Immer, Opa, mit dir macht mir alles Spaß,« antwortet Lasse freudestrahlend. »Schön, dass ihr bereits eine Idee habt und was planen wir anzustellen, Ada?«, fragt Oma. »Morgen kann ich leider nicht, ich habe Theater AG in der Schule, aber übermorgen können wir was unternehmen.«, erwidert sie. Als wir zu Hause ankommen, steht Sverre vor dem Haus. »Du bist ja schon da!«, rufe ich ihm freudig entgegen. »Na klar, bei dem hohen Besuch.«, erwidert er schmunzelnd. »Freut mich euch zu sehen, Brita und Bosse.« »Wir freuen uns auch hier zu sein.«, antworten die beiden. »So, kommt erst einmal rein, ich habe Kuchen gebacken und mache jetzt einen Kaffee, wenn ihr mögt?« »Immer gerne, du weißt mein Schatz, ich liebe Kuchen,« erwidert mein Vater. »Wie kann ich so etwas vergessen, Papa? Setzt euch und erzählt uns von Stockholm. Ich bringe sofort den Kaffee.« Mein Vater erzählt uns von den Plänen. Sie möchten das Haus verkaufen und auch das Ferienhaus auf Växholm und sie hätten es sich gut überlegt. Für Brita wird das große Haus mehr und mehr zur Belastung. Es braucht viel Pflege und sie fühlt sich manchmal überfordert. Bosse hilft im Haushalt zwar mit, aber das ist natürlich nicht das Gleiche. Meine Mutter meint, sie wären in einem kleineren Haus, oder einer Wohnung besser aufgehoben. Sie denken an eine Stadtwohnung und haben durchblicken lassen, dass sie nicht mehr so gerne mit dem Auto fahren und lieber in der Innenstadt wohnen möchten. »Also, wenn das euer Wunsch ist, warum nehmt ihr nicht meine Wohnung in Gamla Stan?« »Das wäre eine traumhafte Lösung,« erwidert Brita. »Ich mache euch folgenden Vorschlag. Euer Haus könnt ihr verkaufen, weder wir noch Ole werden es beziehen. Aber, und das wäre meine Bitte, behaltet das Ferienhaus auf Växholm. Dann können Ole oder wir mit den Kindern immer mal dort Urlaub machen. Die Wohnung in Gamla Stan könnt ihr so lange ihr möchtet beziehen. Wir sind ohnehin sehr selten dort. Würde das euren Vorstellungen entgegenkommen?« »Kinder, das wäre ein Traum,« sagt Oma und sie kann vor lauter Freude ihre Tränen kaum zurückhalten. »Ja, wenn ihr uns die Wohnung zur Verfügung stellt, wäre unser Problem sofort gelöst.«, ergänzt Bosse. »Ich hole eine Flasche Champagner, darauf müssen wir anstoßen«, meint Sverre und geht in den Keller.

»Meint ihr, das Haus lässt sich gut verkaufen in Stockholm?«, frage ich skeptisch. »Kind, wir haben bereits einen Makler angefragt. Er sagte, er hätte sofort Interessenten für das große Haus und die Summe liegt zwischen 15.000 000 und 20.000 000 Schwedische Kronen.«, sagt Bosse und kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. »Das wäre eine ziemlich große Wertsteigerung,« bemerkt Sverre, der gerade den Champagner einschenkt. »Allerdings und es kommt euch aus zugute. Wir wollen den Betrag durch Dreiteilen. Jeder bekommt ein Drittel der Summe. Emilia, Ole und wir. Das heißt mindestens 5.000 000 Schwedische Kronen für jeden.« ergänzt Oma und hebt ihr Glas. »Das ist einfach unglaublich,« Ada und Lasse bekommen große Augen. »So, der ein oder anderen Wunsch unserer vier Enkelkinder ist dann zusätzlich erfüllbar.«, ergänzt Opa und schmunzelt. »Echt jetzt Opa, Oma?«, fragt Ada. »Ganz echt!« Oma lacht. »Wow, ich kann es nicht glauben, Opa ich wünsche mir seit Langem ein iPhone.«, sagt Ada. »Und ich einen Laptop!«, ruft Lasse. «Kinder, nun aber Schluss. Das Haus ist bis jetzt nicht verkauft und ihr meldet bereits eure Wünsche an. Wenn Oma und Opa sagen, ihr bekommt etwas, dann werden sie es zu gegebener Zeit, insbesondere Weihnachten.« erfüllen. »Weihnachten erst?«, fragt Lasse enttäuscht. »Werden wir sehen,« erwidert Oma und beendet hiermit das Wunschkonzert.

Sverre und Bosse ziehen sich in den Garten zurück. Für heute werden keine Wünsche mehr erfüllt, außer vielleicht ganz Kleine. Oma Brita nimmt mich mit in die Stüga. Wir räumen gemeinsam die Kleider in den Schrank und lüften. Sie erzählt mir, dass mein Vater zwischenzeitlich Luftnot bekommt, wenn sie spazieren gehen, oder Fahrrad fahren. Sie macht sich Sorgen, aber er will partout nicht zum Arzt gehen. »Ich werde mal mit ihm reden, solange ihr hier seid,« verspreche ich und nehme ihr damit ein wenig Angst. Meine Mutter packt ihre Kosmetik aus und ein Täschchen mit Schmuck. »Hier mein Schatz, der ist für dich!« Sie hält mir einen wunderbaren weiß goldenen Brillantring vor die Nase. »Mama, was soll das? Warum gibst du mir diesen schönen Ring? Den kannst du selbst tragen. Außerdem hast du wirklich mehr Gelegenheit dich schick zu machen, als ich hier in der Pampa.« »Emilia, es ist mir wichtig, dass du diesen Ring bekommst, er ist von deiner Großmutter. Sie war einmal mit einem sehr noblen Mann befreundet, der schenkte ihr den Ring. Ich möchte ihn dir jetzt geben, damit ich weiß, dass du ihn trägst.« »Wie, von wem hat Oma denn so einen tollen Ring bekommen?« »Sie sprach nicht darüber. Eines Tages erwähnte sie lediglich einen Lennart, der ihr sehr zugetan war. Sie sagte nur, dass dieser Lennart ausgesprochen wohlhabend war und aus einer berühmten Familie kam. Mehr war aus ihr nicht herauszubekommen. Sie schwieg eisern, über diese amouröse Beziehung.

---ENDE DER LESEPROBE---