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»Für alles kann man die Norweger befinden, wenn man nur will: stur, wortkarg, rot- und altbacken, witzlos, nur eines sind sie nicht im Entferntesten: aufdringlich. (…) Es gibt aber eine Situation, wo alle Berührungsängste schwinden, wo der Norweger Gebaren beinahe an Hemmungslosigkeit grenzt: Fragt man sie etwas, antworten sie.« Ein humoristisch unterfütterter Erlebnisbericht einer Radtour durchs südliche Norwegen, in dem Elche, Schutzhütten, blonde Norwegerinnen, Qi-Gong-Übungen inmitten sehr lästiger Mückenschwärme, norwegischer Dauerregen, Straßen mit Höhenfieber und norwegischer Frauenfußball eine nicht unbedeutende Rolle spielen.
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Seitenzahl: 43
Was nun, Sir, wenn ihm, da er seinen Weg allein gehen musste, ein Unfall zugestoßen wäre? – Oder wenn mein kleiner Herr durch den erlittenen Schreck, der bei einem so jungen Wanderer ganz natürlich wäre, das Ziel seiner Reise elend und erschöpft erreicht hätte; – wenn seine Muskelstärke und seine Mannheit zu einem Fädchen eingeschrumpft, – wenn seine eigenen Lebensgeister über alle Beschreibung zerrüttet worden wären, – und wenn er sich in diesem traurigen verstörten Nervenzustand für lange, lange neun Monate hingelegt hätte, eine Beute plötzlicher Zuckungen oder einer Rehe schwermütiger Träume und Fantasien.
Laurence Sterne, Tristram Shandy
Nordfunk
Hüttengaude in Norge
Gleichgeschlechtliche Hiebe
9.7.2007,
Drammen
, (leider) Campingplatz
11.7.2007,
Tinnsjø
Lachsstiegen
Impertinent
14.7.2007,
Blefjell
29.7.2007,
Peer Gyntvegen
Topografie einer norwegischen Straße mit Höhenfieber
Rivalitätstheorie
Auf Abwegen am
Rallarvegen
… denn wahrlich, ich sage euch, die Deutschen sind überall (ganz und gar nicht kinderbibeltauglich)
I ♥ Qi Gong
Klang of music
Ein Unfall
Tyedalen
– etwas mit Wäschewaschen
Olympia
Bleiben wir beim Sport
Nehmen wir all die Annehmlichkeiten der Zivilisation, an die wir uns dermaßen gewöhnt haben, dass sie längst aus unserem Bewusstsein gepoltert sind, auf die wir aber unverhofft bestehen, sobald sie drohen, abhandenzukommen, und nach denen wir uns verzehren, sollten sie bereits abhandengekommen sein:
Das Dach überm Kopf, die Klobrille unterm A.; geregelte Mahlzeiten und Beziehungen (Letztere natürlich bevorzugt aus den digital geflochtenen Sozialgespinsten); gigalastige Computer (an die Spuren, die man mit ihnen im weltwebweiten Netz hinterlässt, haben wir uns keineswegs gewöhnt – wir können sie noch nicht einmal wahrnehmen); wendehälserne Überwachungskameras in den Straßen (mit denen ist es das Gleiche); Autos; Stellvertretersex oder gar Cybersexhoffnungen …
Im Grunde dreht sich das meiste um derlei, obgleich oft in begehrlicher Vertretung durch den schnöden Mammon. Dabei gilt: Für Geld tun die Menschen zwar alles, geben aber tatsächlich nichts dabei – geben sie tatsächlich alles, tun sie das nicht für Geld.
Wenn also das alles Alles ist, befinde ich mich augenblicklich haargenau im Nichts.
Wälder, verschwenderisch aufgetragen, von Gewässern durchzogen. Moore, die keinem See das Wasser reichen können, selbstverloren vegetieren sie zwischen den Elementen. Eine Straße, die sich zögerlich hier durch schlängelt. Elche, Bären und wer weiß sonst noch alles haben den Durchblick, sie kennen genügend Verstecke, um unsereins zu meiden. Die ganze Gegend besteht praktisch aus Verstecken, sie ist Verstecke.
In Warndreiecken rot eingerahmt die schattenhaften Elche, sie betreffen mich Radfahrer viel mehr als die Autofahrer. Hat so ein Bursche beim Straßeüberqueren unsereins einmal plattgerammt, bemerkt er das wahrscheinlich kaum; ich eher schon. Andererseits habe ich gegen die Mücken schlagkräftige Argumente; sie eher nicht, vielmehr stichhaltige. Wieso gibt’s eigentlich keine Schilder, die vor denen warnen? Zumindest eines bei der Einreise, und das gilt gleich flächendeckend fürs ganze Land.
Der Himmel hält sich bedeckt, ab und zu lässt er Wasser, wie von launiger Hand reguliert. Asphalt und ich dampfen in der Sonne.
Das ewige Auf und Ab fordert Tribut, und ich mache eine Pause. Aus Langeweile wird Neugierde, ich nestle an meinem Handy herum und … bin verblüfft, nein, schockiert. Obwohl keiner von uns – weder ich noch Handy – auf Norwegisch getrimmt ist, hat sich das Gerät in ein norwegisches Netz eingeklinkt, was bedeutet, unfassbar aber wahr: Hier im Nichts gibt’s Empfang! Und das ist tatsächlich schon Etwas.
Dazu muss man fairerweise ein bisschen ausholen und konstatieren, Norweger bauen gerne. Und das ist eine schmeichelhafte Umschreibung für anhaltende, exzessive Baugeilheit. Damit jeder Punkt Norwegens auch wirklich erreichbar ist (natürlich die Norweger ebenso), bauen sie die Asphaltstraßen überall hin und das Handy-Netz überall aus. – Mit dem Ergebnis: Die Norweger und ihre Hütten lauern an jeder Waldecke …
Wenn du bei uns auf die Alm gehst und oben ankommst, steht da meistens eine Hütte. In Norwegen nicht. Da stehen achtzig, oder mehr.
In den schönsten Landschaften, allemal Garant für Naturschauspiele reinsten Gepräges, stehen, nein, stören sie zuhauf. Der norwegische Hang zu Erschließung und Kom-fort ist unübersehbar. Ich bin sicher, das Wort »Kom-fort« muss von »kommt vor« oder »vor-kommen« herkommen, denn hier kommen eindeutig zu viele Hütten vor; und gewissermaßen kommen die Norweger damit auch der subarktischen Wildnis zuvor, bedrohen sie sogar ein bissel, und das ist nicht vor – natürlich fair – , wie mir vorkommt. Auf diese Weise können sie tagelang (im Sommer ist das wirklich lang) aus den heimeligen Panoramafenstern schauen und beobachten, wie aus Nichts nichts wird, auch kein Nicht-Nichts, und längst kein Alles. Fraglos ein wohl behüttetes Volk, die Norweger.
Zählt man hier viereinhalb Millionen Menschen, und jeder Norweger hat so eine Hütte, geht sich das gar nicht aus: Hab ich allein schon mehr gesehen. Jeder Einwohner muss also ein paar davon besitzen. Rechnet man dazu noch die Nationalflaggen, die hoch zu Mast obligat vor den Häuschen und eigentlich überall wehen, müssten pro norwegischen Staatsbürger mehrere Flaggen kommen. Das ist wahrer Patriotismus. Bildlich veranschaulicht: