Nur gute Seiten - Alfred Habersack - E-Book

Nur gute Seiten E-Book

Alfred Habersack

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Beschreibung

Das Freitagebuch ist ein gernegroßer Blick über alles überall am Niederrhein. Eine Quasselmappe in rotzigem Plauderton, ein Panorama der Wochen vom 9. August 2019 bis zum 28. Oktober 2022, jeden Freitag. Die Notizen dienen keinem erinnerungsseligen Zustand, und der Vorhang vor dem Privatleben geht auch nur einen Spalt weit auf, denn an diesem Buch hat eher die Sprache mitgeschrieben als das Leben. Wer zu Silvester Freude an "Best of Inas Nacht" empfinden kann, könnte sich die Wartezeit bis dahin mit diesem Freitagebuch vertreiben.

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Über den Autor

Alfred Habersack, geb. 1957, lebt in seinem Keller in Moers. Er hat Sport und Deutsch in Duisburg-Essen studiert und von 1986 – 2022 als Lehrer in Dinslaken gearbeitet. Für ›Nur gute Seiten‹ hofft er auf den neu einzurichtenden Debütpreis der Stadtsparkasse Moers und eine Nominierung für den Niederrheinischen Literaturpreis der Stadt Krefeld 2024.

So lebt, so eilt: so lebt so eilt,

So lasst uns tapfer zechen,

Nebukadnezar schützet uns;

Der Habersack zur Sonne fliegt.

Vernunft hat auch der Hund.

Die arme Welt im Argen liegt,

War einst so kugelrund, rund –

LUDWIG EICHRODT

Inhalt

Vorwort

2019 »… die Arroganz als Alleinunterhalter …«

2020 »… sorgloser Abgang in die Idylle …«

2021 »… dann wurde es Herbst und ich hatte große Freude an den Farben …«

2022 »… Zweifel und Zufriedenheit …«

Vorwort

Werbung in uneigener Sache

Wir sind nicht immer einer Meinung, Habersack und ich. Er meint zum Beispiel, er schreibe vieles für einige, ich glaube, er schreibt einiges für viele.

Dieses Freitagebuch zum Beispiel, man könnte auch Quasselmappe sagen. Ein gernegroßer Blick über alles und überall am Niederrhein.

Ich hatte die Freude, doppelt so viele Notizen zu lesen, als hier vom 9. August 2019 bis zum 28.10. 2022 vorliegen.

Ich habe die Hälfte gestrichen, denn auch wenn Habersack meint, wo er sich gehen lässt, sei er am besten, gab es subjektive Zensur. Er hätte auch ein paar Tage »Best of Bad« hineingeschmuggelt, aber ich war anderer Meinung und ich hatte recht: Jetzt ist die Sache rund, denn diese Materialien dienen keinem erinnerungsseligen Zustand, und der Vorhang vor dem Privatleben geht auch nur einen Spalt weit auf, denn an diesem Freitagebuch hat eher die Sprache mitgeschrieben als das Leben. Dabei ist frech nicht unfeinfühlig, brachial nicht unbesinnlich. Betrübte Melancholie hat keinen großen Platz, denn alt sein ist eine Haltung: Egal, wie das Leben verpackt ist, es bleibt ein Geschenk.

Das Freitagebuch ist Wagnis und Spiel: Das Wagnis, ich zu sagen, in Alltag, Arbeit, in allem, und ein Spiel, denn er spielt gerne und warum sollte das Spielkind vor der Sprache haltmachen? Die Lust am Augenblick zeigt sich dann manchmal als präzises Protokoll, manchmal als lyrische Luftnummer, Hauptsache, man gähnt nicht.

Hach, wie genau das trifft, vielleicht sollte ich auch mal was schreiben. Habersack wäre wahrscheinlich dagegen, aber wir sind ja nicht immer einer Meinung.

Vigoleis Buck

2019 »… die Arroganz als Alleinunterhalter …«

9. August, Moers

Mir geht das weinerliche Nachdenken erfolgreicher Autoren über ihr Leben auf die Nerven. Von mir aus auch Autorinnen.

Im Restaurant. Am Nebentisch ein junges Pärchen, man versteht jedes Wort. Als der Kellner das Essen bringt, hält er einen Teller halbhoch über den Tisch und fragt: »Die Pute?« Die Frau hebt schnell die Hand: »Das bin ich.«

Sobald im Straßensperrmüll auch nur Teile eines Kratzbaums zu sehen sind, gucken wir erst gar nicht. Bilderrahmen, ein rollbares Regal, Kommoden (dann aufgehübscht), wunderbare Frisörstühle (umfunktioniert zu Schreib- und Küchentischstühlen), ein Brotkasten, Gartenschmuckstücke, Karteikästen und Büroschränke fanden bei uns aber einen Gnadenhof, der uns schmückt.

16. August, Moers

Arbeitszimmer, heller Keller. »Bin im Arbeitszimmer«, oder einfach »Bin unten«.

Lauter und deutlicher als in einem Tagebuch kann man ja wohl kaum ich sagen:

Ich bin ein Einundalles. Ich bin ein Wirklichgroß.

Ich bin der Falldesfalles. Ein scharfer Jetztgehtslos.

Ich bin ein Allerbesta. Ich bin ein Springinsfeld.

Ich bin ein Gehmawegda. Ein schneller Wiebestellt.

Ich bin ein Seltenirdisch. Ich bin ein Nichtverkehrt.

Ich bin ein Schnapsundbiertisch. Ein wirklich Nennenswert.

Ich bin ein Allewetter. Ich bin ein Schlagmichtot.

Ich bin ein Dickebretter. Ein dunkler Wangenrot.

Ich bin ein Hoppereiter. Ich bin ein Aufdieknie.

Ich bin ein Weiterheiter. Ein großer Aberwie.

Ich bin ein Lassmastecken. Ich bin ein Klopfaufholz.

Ich bin ein Ohneecken. Ein lauter Rocknrolls.

Ich bin ein Alleneune. Ich bin ein Leckmichfett.

Ich bin ein Habmichgerne. Ein dicker Steinimbrett.

Ich bin ein Trallafitte. Ich bin ein Jetztkommich.

Ich bin ein Keineschnitte. Ich bin der Allesnich.

Klar, du kommst auch vor:

Du bist ein Nullaufhundert. Du bist ein Nagelbrand.

Du bist ein Stetsverwundert. Ein tiefer Kopfimsand.

Du bist ein Bangundbänger. Du bist ein Rutschmirdoch.

Du bist ein Untergänger. Ein heißer Überkoch.

Du bist ein Nieundnimmer. Du bist ein Tutmirleid.

Du bist ein Jammerimmer. Ein später Gleichsoweit.

Du bist ein Machmalpause. Du bist ein Liebernich.

Du bist ein Aufdiebrause. Du bist ein Besserdich.

23. August, Moers

Grüner-Fisher-Investments mit Sitz in Frankfurt haben es sich zur Aufgabe gemacht, mir zu helfen und gefährliche Fehler zu vermeiden. Falls ich das Kästchen »Ich verfüge über 250.000 Euro oder mehr anlegbare oder liquide Mittel« ankreuzen kann, schicken sie mir ein Handbuch zu und teilen aktuelle Erkenntnisse mit mir wie:

Die Performance der Vergangenheit ist keine Garantie für zukünftige Renditen. Investitionen in Wertpapiere enthalten das Risiko eines Wertverlustes bin hin zum Totalverlust.

Bücherschrankfund: Siri Hustvedt, ›Die gleißende Welt‹

30. August, Duisburg

Aufgewacht in der Nähe einer Luftmatratze. Ganz erfreulich nach dem kollektiven Selbstmordversuch in Sachen Alkohol. Es dämmert mir. War da irgendwas mit der brünetten Kitzelmich? Gab es Theater mit dem Potzblitz an Kerl? Schleppe viel mit mir rum, abgesehen vom Kater, und nirgendwo ein Buch, in dem ich verschwinden könnte.

Was bei Schriftstellern gut klingt, klingt nur gut:

» … die wichtigsten Bücher sind vielleicht die, die nie geschrieben werden … « ist zum Beispiel Quatsch oder: »… wenn ein Mensch stirbt, wird nicht ein Kapitel aus einem Buch gerissen, sondern in eine neue Sprache übersetzt.«

Halte meine eigene Lyrik nicht für gut, aber für unverbesserbar.

6. September, Hamm

Diese Grabstätte ist ungepflegt

Mein Vater gönnte sich seinen eigenen, bierseligen Kopf.

Hilfsarbeiter, Kranführer aufm Bau.

Der große Zeiger seiner Uhr war eine Flasche, jeden Tag war er so betrunken, dass er die Handbewegungen des Rauchens im Dösigen machte, mit und ohne Zigaretten im brandlöchrigen Sessel auf dem Balkon.

Oben im Kran las er Jaspers, in der Kneipe redete er marokkanisch mit seinem Nebenbuhler.

Mein Neubau hatte seinen Geruch, er schwitzte Speis aus, seine Hände waren rau vom Putz, rissig und dürr wie die Worte, die er mit mir wechselte. Warum fielen seine Arme nicht ab, von der Schwarzarbeit und dem dunklen Tabak, den er stundenlang in die Hülsen ratschte, während er rauchte, achtzig Stück am Tag.

Ich kann mich nicht erinnern, dass er über die Arbeit stöhnte, über Hitze, Regen oder die Kälte, und nur einmal klagte er über Schmerzen, trotz Morphiums in seinen krebsverseuchten Knochen, zwei Stunden, bevor er starb. Ich konnte nicht mit ihm reden, wir führten keine Gespräche. Ich kann mich nicht erinnern, bis auf eine Ohrfeige, nach der ich quer über das Sofa flog.

Sein Grab besuche ich nie, sein Todesjahr habe ich vergessen.

13. September, Millingen aan de Rijn

Mit Zug und Rad ins Theetuin. Café und Park, Eintritt wird verrechnet. Gehegt und gepflegt und in die Jahre gekommen. Der Park als Selfie. Schönes Sitzen bei Kaffee und Kuchen. Man muss ja nicht immer Weihrauch über das Geschehen schwenken, hier kommt man aber schon ans Denken, was man gut findet, zum Beispiel:

Kellner, die in kurzen Hosen mit mir im Garten versommern

Nomen, Präfix, Verb, konnotatives Suffix, Metapher, Diminutiv und Verb aus dem Wortstamm »scheiß«

alle Katastrophen meiner eigenen Kneipengeschichte.

Und sonst?

die baumwollene Seite des Blues

Generalvertreter von dem Genitiv

Agenten der Alliteration

Sitzen auf dem breiten Arsch des Alltags

Schweigen im Chor der Ehrlichen

Widerworte gegen die Hostie der Seligkeit

Zahlen, bitte.

Schweigen im Chor der Ehrlichen? Was soll ich machen, mein Charakter ist meinen moralischen Vorstellungen in keiner Weise gewachsen.

Nach der Kündigung des Probe-Abonnements »Welt am Sonntag« finde ich eine Mitteilung des Zustellers im Postkasten: »Guten Morgen, ich habe eine Abgangsmeldung Ihrer Welt erhalten.«

So dramatisch sehe ich das noch gar nicht, aber vielleicht ist ja was Wahres dran.

Süßigkeit der Woche: Kokosmakronen

20. September, Moers

Lese zur Zeit viel, lese sogar mein Rennrad:

Elfmal Müsing, fünfmal Ultegra und viermal Shimano sind eine ganze Geschichte.

Mein Müsing ist eine alte Dame, »Lady in Red«, Handwerkskunst von Bernd Müsing. Das Rad wird schätzungsweise fünf Jahre unbenutzt im Keller stehen, bevor ich sterbe. Noch aber von März bis Oktober schraube ich mich dreimal die Woche in den Sattel und komme über den Niederrhein. Bei einem 26-Schnitt gefalle ich meinem Rad am besten.

Habe mir die Einladung zu einer Lesung im Peschkenhaus, Moers erträumt. Noch am Frühstückstisch aus Freude eine Absage geschrieben:

Sehr geehrter Herr B.,

ich bin Künstler, also eitel, aber Ihre Vorschusslorbeeren kann ich nicht annehmen. Ich kann zu Ihrer schönen Ausstellung »Über meine Verhältnisse. Memos aus aller Welt« nichts beitragen, denn ich arbeite nicht an Tagebuchnotizen, da hat Sie irgendein Klatschbote geleimt. Aber keine Sorge, ich bin Künstler, also kundig:

Habersack heißt der Typ, der macht auch vor so was nicht halt.

»Nur gute Seiten« heißt sein Freitagebuch, keine Flüstereien durch den Spalt zwischen zugezogenen Vorhängen, sondern ein Ausloten literarischer Möglichkeiten.

Laden Sie den Mann ein, ein Künstler wie wir alle, also käuflich. Sie schaffen das, Sie kriegen das hin, schließlich sind Sie kein Künstler.

Mit freundlichen Grüßen

Die ganz normale Verschontheit wird kippelig und wenn man davon auch mal ein Gefühl hat, soll man ein Gedicht schreiben.

Das dauert eine Woche:

KITSCHPUNK

Fang dir einen guten Morgen,

trag die Liebe durch den Tag.

Diese Welt gehört gefeiert,

was man sich auch fangen mag.

Liebe hat so viele Namen

und dein Licht kommt auch dazu:

Leuchtest du in dunkle Ecken,

heißt die Liebe so wie du.

Du musst nur die Augen öffnen,

überall liegt Glück herum.

Diese Welt gehört gefeiert,

frag den Liebenden, warum.

Liebe kann sich jeder leisten,

Liebe kennt kein Honorar,

du kannst so viel Schönes sehen,

diese Welt ist wunderbar.

Leg dich in den Abendhimmel,

fang dir einen Stern, der fliegt!

Such das Schöne nicht bei andern,

weil es in dir selber liegt.

Gegen 17 Uhr Vera und Clemens, die uns bekochen. Wenn die Welt um uns herum verrückt spielt, muss man in einen sicheren Hafen einlaufen.

Alte, umgebaute Dorfschule mit viel Land. Clemens, der Maler – nicht so einer, der dir zu Hause bei den Tapeten helfen kann –, hat natürlich (warum natürlich?) die eigenen vier Wände kunstvertäfelt. Herzensguter Mann, dem man den Baumarktcharme seiner Kunst gerne verzeiht. Nennt Räume »Taumelfelder«, seine Kunst ähnelt der jeweiligen Richtung, aus der er klaut. Vera, Optikerin, bringt das Geld nach Hause. Trägt gerne überdimensionale Hüte mit breiter Krempe, an der ihr Gesicht hängt.

Sie sind das einzig rundum glückliche Paar, das ich kenne. Noch immer lässt Clemens beim Rasenmähen für Vera ein Herz stehen. Sie sind der Fels, noch ist nicht alles verloren.

Das »meine« in »meine Frau« ist kein besitzanzeigendes Fürwort.

35 Jahre.

Meine Frau hat mich geheiratet, als ich keinen Job hatte. Sie hat den Haushalt geführt, während ich Erziehungsurlaub hatte, zwei Jungen erzogen und neben einem Vollzeitjob studiert.

Was soll ich sagen, außer dass sie trotzdem manchmal Unrecht hat? Selbstverständlich habe ich sie als Wortmensch beeindruckt, eine gewisse linguistische Basis ist bei der Liebe nicht zu leugnen.

Klar, meine tuberkulosefarbenen Straßenköteraugen haben sie interessiert, aber gekriegt habe ich sie doch nur mit dem selbstgebauten Grill auf dem grillrostgroßen Balkon meiner ersten Wohnung.

GROSS!

Das Maß aller Dinge. Der Sprung, wenn ich springe. Der Stein, den ich schiebe. Das Herz und die Liebe. Das Pech, das ich buche. Die Sehnsucht und Suche. Die Hoffnung auf später. Gott, der Verräter. Die Sorgen, die starten. Die Wut und das Warten. Die Fragen, die quälen. Das Moos auf den Seelen. Die Nöte auf Erden. Das Leid der Beschwerden. Die Reihe der Feinde. Die Kummer-Gemeinde. Die Pläne des Lebens. Groß, größer, vergebens.

27. September, Moers

Das perfekte Auto eines Schriftstellers ist ein Fahrrad.

Dem Oberstudienrat kann das Auto egal sein, solange es ein E-Volvo ist.

Nur Helmut Krausser darf elitären Porsche fahren

Für Sloterdijk gibt es keine Automarke mit der konvenierenden Firmen-Philosophie.

Letzten Sonntag mit blankem Neid an Samstag gedacht:

Aljoscha saß in einem säkularisierten Kinosessel vor laufendem Fernseher, die Hände im Nacken verschränkt. Eine Fußballübertragung ohne Ton. Fünf ordentlich aufgereihte Flaschen Alt neben ihm lassen vermuten, wie gerne er in seinem Durst wohnt, jelängerjeleber.

Diese Adresse teilen sich viele von uns, aber Aljoscha wohnt wirklich luxuriös: Mit einer körperlichen Konstitution gesegnet, die zum Alkoholiker taugt, kann er saufen, was er will, Pontifex Diebels hat nach wie immer getränktem Vollrausch keinen Kater und wenn bei uns allen schon der unkontrollierte Speichelfluss einsetzt, predigt Aljoscha immer noch das einzige Evangelium, das schäumt.

4. Oktober, Moers

Das wiegt die stundenlange Korrektur einer Klassenarbeit auch nicht auf, aber Spaß macht es schon. Hinterher. Kurz.

Quelle: Klassenarbeit Nr. 2, Deutsch, Analysiere das Gedicht

›Weil du nicht da bist‹ von Mascha Kaleko

(Die Rechtschreibung wurde behutsam der aktuellen deutschen Rechtschreibung angeglichen.)

»Ich habe das Gefühl, dass der Autor sich viel Mühe gegeben hat und meiner Meinung nach ist das Gedicht gut gelungen, denn die Reime passen gut zu den jeweiligen Strophen.«

»Zunächst fühlt die Frau in ihrem Herzen einen Wind, denn die Stadt ist hell erleuchtet und laut befunkelt.«

»Dieses Gedicht beinhaltet viele emotionale Gefühle, es zeigt zum Beispiel eine Frau, die so verzweifelt ist, dass sie ihre Gefühle in einem Gedicht ausdrücken muss.«

»Das lyrische Ich ist nämlich eine Frau, weil in der vorletzten Strophe ›Liebster‹ steht und Männer nicht so lange einer hinterherheulen.«

»In der dritten Strophe beschreibt das lyrische Ich seine Organe mit einem sprachlichen Mittel: ›Den Herbst im Herzen.‹ Es werden der Herbst, der Winter und der Monat November erwähnt. Damit ist gemeint, dass sowohl das Herz als auch das Gemüt schon bessere Tage gesehen haben.«

»Ich finde auch gut, wie der Dichter seine Begriffe beschreibt. Er hat das Gedicht sehr genau beschrieben. Trotzdem könnte man das Gedicht hier und da noch verbessern und etwas ändern.«

BERUFLICHE RANDNOTIZ

Der Rotstift korrigiert nicht,

das ist ein Blutbad.

Einsamer Sinnsoldat

im Königreich der Sprache.

Kämpfst dich leer, Roter,

blutest aus,

im grammatikalischen Gemetzel

einer vergeblichen Schlacht.

11. Oktober, Moers

Draußen goldiges Wetter wie eine Fototapete, also lieber Keller und heiter weiter.

Ein Keller ist der geringste aller Räume. Auch so ein kokettierendes Selfie: Was im Keller landet, ist ein für alle Mal verloren. Schau dich um:

Auf der Arbeitsplatte Kommune I der unbelebten Elemente: Über- und untereinander kuscheln Bücher, Stifte, Notizhefte, Bilder, Boxen, Kabel, Büromaterial, Bildschirm, Tastatur, Flaschen, Mehrfachstecker, Brillen, Süßigkeiten, Hi-Fi-Anlage, Papier und Räuchermännchen. Und drei Figuren: die handtellergroße Zinnfigur Lämpel mit dem dürren, erhobenen Zeigefinger, die große Buchstütze von Loriot, ein soignierter, wohlmeinender Herr in entspannter, lächelnder Denkerpose mit übereinandergeschlagenen Beinen und Rose im Knopfloch. Außerdem der kleine Tramp in Bronze, Schultertasche mit Habseligkeiten, verwohntem Hut und Kopp im Nacken mit Flasche im Gesicht. Lehnte ursprünglich an einem Fass. Da eine Kiste Bier passender gewesen wäre, abgebrochen.

Süßigkeit der Woche: Pfefferminzbruch

Bücherschrankfund: Uwe Siebrands, ›Warum schweigst du, Großer Bär?‹

18. Oktober, Moers

Ach, Erinnerung.