Only One Song - Anne Goldberg - E-Book
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Anne Goldberg

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Beschreibung

"We're all born as dreamers ..."

Bei ihrem Nebenjob in einem Londoner Club lernt Theo den gutaussehenden Winston kennen. Der Kerl, den sie erst für die Thekenaushilfe und das perfekte Klischee eines Instagrammodels hält, entpuppt sich als Drummer der aufstrebenden Band "Treehouse Promises".

Beide fühlen sich sofort zueinander hingezogen, doch Winstons Band steht kurz vor einer großen Tour. Deswegen scheut Theo sich davor, mehr als unverbindlichen Spaß mit dem sympathischen Schönling zuzulassen. Nur folgen Gefühle logischen Regeln nicht, und Theo lässt Winston viel näher an sich heran, als sie es vorhatte. Bis das große Auftaktkonzert seiner Europatour ansteht ... und noch ahnt niemand, dass dieser Abend anders enden wird als erwartet.

Der erste Band der dramatischen Contemporary-Romance-Reihe von Anne Goldberg. Originell. Intensiv. Heiß.

LESER-STIMMEN ZUM BUCH:

"Es hat mich gepackt,ich hatte Herzklopfen beim Lesen, einige Tränen habe ich verdrückt." (Sunshinebook, Lesejuy)


"Eine erfrischende Story, die definitiv mit ihren wirklich unvorhersehbaren Wendungen und Entwicklungen punktet. Ein Muss für alle Lesebegeisterten." (Blueloved, Lesejury)

"Überraschend, erfrischend und die beste Rockstargeschichte, die ich bisher gelesen habe." (Ellasworlfofbooks, Lesejury)

"Das Buch hat mich gefesselt, von Herzen lachen und schmachten lassen und auf so vielen Ebenen berührt und zerstört. Ich habe sogar Rotz und Wasser geheult!" (Tiiundana, Lesejury)

"Dieser Roman (...) ist so viel mehr als nur Gefühle, die entstehen und zwei Personen, die durch eine Krise gehen müssen. Es ist lachen, weinen, mitfiebern und hoffen auf einem ganz neuen Niveau." (Nellicon, Lesejury)

eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.




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Inhalt

Cover

Über dieses Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Widmung

45 Tage

42 Tage

41 Tage

33 Tage

31 Tage

30 Tage

19 Tage

18 Tage

12 Tage

8 Tage

7 Tage

4 Tage

3 Tage

2 Tage

1 Tag

0 Tage

Tag 1

Tag 40

Danksagung

Über dieses Buch

Bei ihrem Nebenjob in einem Londoner Club lernt Theo den gutaussehenden Winston kennen. Der Kerl, den sie erst für die Thekenaushilfe und das perfekte Klischee eines Instagrammodels hält, entpuppt sich als Drummer der aufstrebenden Band »Treehouse Promises«. Beide fühlen sich sofort zueinander hingezogen, doch Winstons Band steht kurz vor einer großen Tour. Deswegen scheut Theo sich davor, mehr als unverbindlichen Spaß mit dem sympathischen Schönling zuzulassen.

Nur folgen Gefühle logischen Regeln nicht, und Theo lässt Winston viel näher an sich heran, als sie es vorhatte. Bis das große Auftaktkonzert seiner Europatour ansteht ... und noch ahnt niemand, dass dieser Abend anders enden wird als erwartet.

Über die Autorin

Anne Goldberg wurde 1986 in einer beschaulichen Kleinstadt geboren. Nach dem Abitur trieb es sie nach Berlin, wo sie seither unter dem Regime ihrer vierbeinigen Mitbewohner lebt und arbeitet. Schon im Vorschulalter dachte sie sich dramatische Geschichten von Marienkäfern aus, die große Hürden zu überwinden hatten, um auf Blumen zu klettern. Ihre kleinen Protagonisten kämpften mit Regen, Wind und neugierigen Hunden. Damals wurde ihre Großmutter zur wortgetreuen Mitschrift abkommandiert. Mittlerweile schreibt Anne ihre Geschichten selbst, und ihre Charaktere trotzen größeren Herausforderungen als dem Wetter. Neben dem Schreiben hat Anne eine große Vorliebe für Konzerte, die britischen Inseln und für Schnee.

Anne Goldberg

ONLYONESONG

Originalausgabe

»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG

Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Stephanie Röder

Lektorat/Projektmanagement: Anna-Lena Meyhöfer

Covergestaltung: Guter Punkt, München

Unter Verwendung von Motiven von © 4 PM production / Shutterstock und © letoosen / Getty Images

Vignette im Innenteil: © Maksym Drozd / Shutterstock

eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 978-3-7325-9848-9

be-ebooks.de

lesejury.de

Für Ruth.

Nichts von dir ist verschwunden,es steht alles hier drin.

08.09.2018

21:12:37

An: Mum

Es tut mir leid, Mum. Alles tut mir einfach nur unsagbar leid.

45 Tage

25. Juli 2018

Als mich Tonys Nachricht erreichte, war es fast siebzehn Uhr. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits zwei Leben beendet, war auf dem Weg ins Poolhouse und der Londoner Regen prasselte so kalt in diesen Sommertag hinab, dass ich überzeugt war, er wäre lieber Schnee geworden.

»Ich kann heute nicht. Migräne. Der Boss weiß schon Bescheid und hat Ersatz bestellt. Sorry.«

»Ersatz« bedeutete eine Zeitarbeitskraft, die nie und unter gar keinen Umständen jemand war, der schon einmal an unserer Bar gestanden hatte. Das schien eine interne Regel von »Staffsolutions« zu sein. Damit bedeutete »Ersatz« also ebenfalls, dass ich sämtliche Vorbereitungen für den Abend allein treffen musste. Kurz vor Einlass stieß dann eine abgehetzte und ahnungslose Aushilfe dazu, die höchstwahrscheinlich eine größere Behinderung als Hilfe war. Da er oder sie nicht einmal Schuld an diesem Dilemma hatte, war ich obendrein dazu gezwungen, einigermaßen nett zu sein. Oder höflich. Oder wenigstens nicht allzu gemein.

Die einzig korrekte Antwort auf Tonys Nachricht war also: »Ich hasse dich.«

Über die Glaubwürdigkeit ihrer hochfrequentierten Migräneanfälle sollten ihr Arzt und unser Chef sich den Kopf zerbrechen. Ich hatte für diesen Tag bereits fünf Arbeitsstunden hinter mir und wer weiß wie viele warteten hinter der unscheinbaren Seitentür auf mich, durch die ich ins Trockene flüchtete.

Der obligatorische Regenmantel landete in der Garderobe, wo ihm bald diverse Jacken, Taschen und Schals von etwa sechshundert Musikbegeisterten Gesellschaft leisten würden. Das Konzert an diesem Abend war ausverkauft, was nicht selten vorkam, für einen Mittwochabend jedoch unüblich war. Die Band kannte ich bisher nicht, und die Vorfreude darauf, sie vielleicht für mich zu entdecken, hatte sich die letzten Stunden in meinem Kopf festgesetzt. Mit Tonys Nachricht war sie zersprungen wie eine Seifenblase.

Viel würde ich von der Musik nicht mitbekommen. Dieses Schicksal akzeptierend marschierte ich in das Büro von Big Boss. »Büro« war nicht ganz der richtige Begriff für die Kammer, in der er seine Schlüssel und Aktenordner aufbewahrte. Und rauchte. Gemessen am Füllstand seiner Aschenbecher konnte er unmöglich viel mehr in diesem Raum veranstalten, als sein zeitnahes Ableben heraufzubeschwören.

Der Vollständigkeit halber muss ich erwähnen, dass Big Boss durchaus auch einen richtigen Namen hatte, der mir auch bekannt war. Mein Arbeitsplatz hinter der Bar des Poolhouse war vielleicht kein Vollzeitjob, aber durchaus seriös – inklusive regelmäßiger Bezahlung, Pausenzeiten und einem Vorgesetzten mit einem Vor- und Nachnamen. Nur hasste er den ersten und wollte nicht, dass wir ihn beim zweiten nannten.

Big Boss war das Paradebeispiel eines Nerds am Anfang seiner Vierziger. Den ersten grauen Haaren und dem Ansatz eines Bauches versuchte er entgegenzuwirken, indem er weiterhin das Hemd über den Hosenbund hängen ließ und sich für zu jung hielt, um mit »Mr Grant« angesprochen zu werden. Mir sollte es recht sein – zumal mein Chef denselben Vornamen trug wie mein Großvater, und ich gern die Gelegenheit nutzte, Irritationen aus dem Weg zu gehen. Und sei es nur denen in meinem Kopf.

»Theo«, begrüßte er mich – ein Grund mehr, ihm diese Albernheit mit seiner Benennung zu gönnen. Er verzichtete auf das bürokratische »Theodora« und ebenso auf das kindliche »Teddy«. Meine Großeltern waren die Einzigen, denen ich das ohne ein Augenrollen durchgehen ließ – und hin und wieder auch meiner Mum. Das hing allerdings von ihrer und auch meiner Tagesform ab.

»Ich weiß«, kam ich dem Chef zuvor. »Tonys Kopf explodiert und sie kommt heute nicht.«

Das kurze Zucken seiner Augenbrauen war Bestätigung genug dafür, dass er mir genau das hatte sagen wollen. »Ich habe dir Unterstützung geordert. Wurde mir auch zugesagt. In einer Stunde soll jemand da sein. Packst du die Vorbereitungen allein?«

Wie immer bot er zwischen den Zeilen an, mich zu unterstützen. Und wie immer wusste er eigentlich ganz genau, dass ich mir nicht die Blöße geben und diese indirekt angebotene Hilfe annehmen würde. »Ich brauche nur den Schlüssel«, sagte ich und gönnte mir lediglich ein leichtes, unterschwelliges Seufzen.

Den Schlüsselbund bekam ich prompt und mit ihm ein erleichtertes Lächeln vom Boss, der definitiv mehr Freude daran fand, den Bands im Backstagebereich ihren Aufenthalt annehmlich zu machen, wie er es bezeichnete. »Arschkriecher« war meine bevorzugte Umschreibung. Allerdings war er gut darin und hielt selbst zu mittlerweile großen Bands Kontakt, die ihre ersten Schritte unter anderem in diesem Club getan hatten. Mir war es ein Rätsel, wie ihm das gelang. Nein, ich wunderte mich nicht, wieso Menschen ihn und seine authentisch lebensfrohe Art mochten. Umgekehrt fragte ich mich nur manchmal, woher er die Energie nahm, so zu sein.

Mein Talent lag vielmehr in den Abläufen, denen ich mich mithilfe dieses kleinen Schlüsselbundes widmete – Kühlschubladen an der Bar aufschließen, aufziehen, kontrollieren, ob die Schicht des Vorabends auch wirklich jede von ihnen wieder aufgefüllt hatte. Ich war ausgezeichnet darin, mich über das Entdecken fehlender Colaflaschen aufzuregen und wurde noch besser, wenn es darum ging, eine nicht ausgeräumte Spülmaschine zu enttarnen.

In Begleitung meines eigenen unwirschen Gemurmels zog ich also den kleinen Block aus dem Fach neben der Kasse, griff nach dem Kugelschreiber daneben und begann damit, eine Schublade nach der nächsten durchzugehen und auf ihr Inventar zu prüfen. Zwischen Rum und Gin riss mich das Vibrieren meines Handys aus dieser Akkordzählung. Ich zögerte kurz, zog das Telefon hervor und warf einen Blick auf das Display.

Sagen wir, es ist nie eine allzu gute Idee, auf sein Handy zu schauen, wenn man eigentlich keine Zeit dafür hat, abgelenkt zu werden. Motivation hat sich nur selten auf einem Display finden lassen, so viel kann ich sagen.

»Code Green in Stratford. Kommst du? Schicke dir den Standort.«

Die Nachricht war von Adam, was es noch schwerer machte, nicht einfach die Schlüssel wieder abzugeben, den Zettel mit meinen Notizen zu zerreißen und mich auf den Weg zu machen. Code Green war verführerisch genug: Irgendwo in Stratford hatte jemand einen streunenden Hund entdeckt, ihn dem Verein gemeldet anstatt der Polizei, und nun hatte dieser Hund die Chance auf ärztliche Behandlung und ein Zuhause – sofern er sich einfangen ließ. Ein paarmal hatte ich bei einer solchen Rettungsaktion bereits mitwirken dürfen. Die mögliche Ergänzung, danach zu Adam oder mit ihm zu mir zu fahren und ohne lange Umwege den Abend abzurunden, machte den Vorschlag fast unwiderstehlich.

»Muss arbeiten. Wenn ihr ihn nach Feierabend noch nicht habt, komme ich nach.«

Der Kompromiss war eine grenzenlos dumme Idee. Ich hatte eine Schicht in der Tierklinik für den nächsten Tag zugesagt. Diese Nacht war also ohnehin schon knapp bemessen und eine Rettungsaktion nach der Konzertveranstaltung würde meine Schlafenszeit auf ein Minimum reduzieren. Aber das Problem würde ich morgen haben, nicht heute. Heute brauchte ich eine kleine Bestechung für mich selbst, um diese Schicht hinter mich zu bringen und mich für danach vielleicht auf mehr freuen zu dürfen als nur mein Bett.

»Es ist ein Welpe«, war Adams Antwort, und ehrlich, ich war drauf und dran, ihm genau dieselbe Antwort zu schicken wie Tony kurz zuvor. Allerdings hatte ich das eine oder andere Mal feststellen müssen, dass Männer solche Äußerungen etwas zu wörtlich nahmen. Jedenfalls traf das auf diesen Mann zu. Also zensierte ich mich selbst auf ein »Ich mag dich gerade nicht« und packte das Handy wieder weg in die Kassenschublade, wo ich es nicht stets und ständig in Reichweite hatte.

Dennoch umtanzte mich die Vorstellung davon, wie Adam und irgendeine Begleitperson – vielleicht Erin? Oder Harriett? – durch die Gassen in Stratford zogen, um diesen Welpen zu finden. Ich fühlte mich wie ein Kind, das mit Hausarrest in seinem Zimmer saß und den Freunden dabei zusah, wie sie auf der Auffahrt das coolste Spiel spielten, das sie sich je ausgedacht hatten.

Mich interessierte brennend, wo Adam gerade herumkroch, um diesen Welpen zu finden. Meist waren es Baustellen, verlassene Häuser oder irgendwelche Gärten, in denen die Tiere sich versteckten. Meine Fantasie konnte sich also ein sehr breites Spektrum an Möglichkeiten bunt ausmalen.

Meine eigene Realität jedoch war ein silberner Wagen, den ich zu einem kleinen Fahrstuhl zog, um mit ihm gemeinsam ins Untergeschoss zu fahren, wo Kisten voller Bier und Softdrinks sowie Regale mit Spirituosen uns erwarteten. Im Nebenraum war – so wusste ich – die herausragende Sammlung an Leergut, die bereits ihren heimeligen Duft nach Gärung verströmte. Bis Freitag würde sie dort auf ihre Abholung warten, und dann konnten meine Kollegen und ich mit der Sammlung von vorn beginnen. Ein wöchentliches Spektakel, das regelmäßig zu der Diskussion führte, wer in der Lage war, Leergut richtig zu sortieren und wer nicht.

Man kann also sicher nachvollziehen, dass die Vorstellung, einen verwahrlosten kleinen Hundewelpen von der Straße zu retten und ihn aufzupäppeln, ansprechender war als Bierreste und ihre Ausdünstungen. Allerdings bezahlte mir das zweite zuverlässig meinen Mietanteil, daher war es purer Eigennutz, den Wagen in das Lager zu schieben und nicht weiter an Adams Einladung zu denken.

Ich beeilte mich damit, ein paar Getränkekisten mit all dem zu füllen, was ich für diesen Abend noch brauchen würde. Zur Sicherheit nahm ich noch ein paar Servietten mit, einen Ersatzflaschenöffner und eine Handvoll der schokolierten Mandeln, die Big Boss mal als Werbegeschenk eines Kaffeemaschinenverkäufers bekommen hatte. Eine Kaffeemaschine hatten wir nach wie vor nicht, dafür einen lebenslangen Vorrat an Nervennahrung für das Team.

Mit dem voll beladenen Wagen machte ich mich wieder zurück auf den Weg zur Bar. Mir blieb nur noch eine gute halbe Stunde, ehe der Einlass beginnen würde. Auf der Bühne wurden die letzten Vorbereitungen und Checks der Techniker absolviert, und Big Boss beobachtete etwas abseits das Unterfangen gemeinsam mit einem Mann in etwa seinem Alter. Ein Manager, nahm ich an. Männer um die vierzig, die an so einem Ort ernsthaft ein zugeknöpftes Hemd zu ihrer Jeans trugen, waren in der Regel Manager.

Ich selbst machte mich daran, die Kisten vom Wagen zu wuchten und scheppernd auf dem Boden hinter dem Tresen abzustellen. Bier nach links, Softs nach rechts, so wie auch die Schubfächer sortiert waren.

Das erste von ihnen zog ich gerade auf und sortierte mehrere Flaschen Becks ein, als ich am Rande meines Blickfeldes eine Gestalt wahrnahm, die sich entgegen dem Treiben in diesem Raum nicht rührte. Ich stieß das Fach zu, richtete mich zu meiner vollen Größe von 1,62 m auf und brauchte lediglich einen kurzen ersten Eindruck, um diesen Kerl als vollkommen unbrauchbare Aushilfe einzuschätzen.

Ich seufzte und gab mich einem Anflug von Selbstmitleid hin. Natürlich konnte ich nach einem kurzen Blick nichts darüber aussagen, ob der Typ sich schnell in ein Kassensystem einfand oder in die Ordnung einer Bar. Wie zügig er Bestellungen umsetzte und wie wenig Bruch er produzierte. Nach meinen bescheidenen Erfahrungen war es allerdings ein eher schlechtes Zeichen, wenn jemand noch nie eine Bar während eines laufenden Konzertes bedient hatte. Und dass dem unzweifelhaft so sein musste, war leicht daran zu erkennen, wie er einfach nur herumstand und die Bühne bestaunte, die weder besonders groß noch auffallend dekoriert war. Über seine Aufmerksamkeitsspanne während eines laufenden Auftrittes wollte ich nicht nachdenken.

Einen Moment lang liebäugelte ich mit der Idee, ihn einfach dort stehen zu lassen. Binnen Sekunden spielte ich das Szenario gedanklich durch: Ich würde mich frei hinter dem Tresen bewegen können. Niemand stünde mir im Weg. Ganz im Gegenteil. Der Kerl war die fleischgewordene Werbung für die Zusammenarbeit von Photoshop und Social Media. Er war groß, trug Jeans, ein weißes Shirt und ein Flanellhemd, dessen Ärmel nach oben gekrempelt waren und zwei tätowierte Unterarme freigaben. Die Hautmalereien darauf ließen erahnen, dass die Tinte unter dem Stoff nicht Halt machte. Das Bild wurde abgerundet von einem Paar Converse und selbstverständlich einem Bart sowie den dazugehörigen langen, hellbraunen Haaren, die – auch selbstverständlich – zu einem Knoten zusammengebunden waren.

Spätestens mit diesem Gesicht, das einen Bart nicht nötig hatte, war er eindeutig zu gut aussehend, um ihn auch nur annähernd ernst zu nehmen. Die Idee, ihn einfach dort zu lassen, wo er war, um den weiblichen Part der eintreffenden Gäste magnetisch anzuziehen und damit von mir fernzuhalten, war also nicht weit hergeholt. Gut möglich sogar, dass einige Männer dem Sirenengeheul seines Manbuns erliegen würden. Das wollte ich keinesfalls ausschließen.

Ausschließen konnte ich allerdings, dass der Chef die Rechnung für Arbeitsstunden eines Leiharbeiters begleichen würde, der mit seiner Präsenz dafür sorgte, dass ich weniger Arbeit, der Boss dafür aber auch weniger Umsatz haben würde. Big Boss war zwar mit dem ominösen Manager längst verschwunden – vermutlich, um staatstragende Details zu besprechen – nur konnte ich nicht davon ausgehen, dass das den gesamten Abend über so blieb.

Als der Typ nun sogar sein Handy zückte und sich erst einmal gemütlich die Zeit nahm, die Bühnentechniker bei der Arbeit abzulichten, wurde mein Beschluss, ihn für sein Geld auch arbeiten zu lassen, zu einer Angelegenheit von Prinzipien.

»Das wird der Chef nicht gern sehen«, rief ich ihm zu.Keine Reaktion. Nur ein weiteres Foto, wie das Blitzlicht seines Handys verriet.

Ich schnaufte und erhob meine Stimme. »Hey, Instagram!« Es ging doch. Er ließ das Handy sinken und sah mich irritiert an. »Beweg deinen Arsch hierher und pack mit an! Du wirst nicht dafür bezahlt, dumm rumzustehen und hübsch auszusehen.«

Immerhin fühlte er sich angesprochen. Das hieß allerdings noch lange nicht, dass er sich augenblicklich in Bewegung setzte. Es war wirklich nötig, dass ich meine Hände in die Hüften stemmte wie eine Hausfrau der Sechziger – oder um es zu spezifizieren: Wie meine Großmutter, als sie noch da gewesen war. Mittlerweile hielten ihre Gedanken sich in einem unbestimmten Irgendwo auf und fanden nur selten zu mir, Mum oder Grandpa. In den seltenen Momenten, in denen sie sich ihrer so typischen Geste bediente, war es reiner Zufall und weit entfernt davon, irgendwem Respekt einzuflößen. Wehmut, ja, und vielleicht so etwas wie Heimweh, aber keinen Respekt.

Ich hoffte, dass ich selbst mehr Erfolg mit meiner Imitation hatte, und tatsächlich zuckte Instagram mit den Schultern und wischte sich seinen verblüfften Blick aus dem Gesicht. An seine Stelle rückte ein absurd perfektes Lächeln, das jedes annähernd unsichere weibliche Wesen umgehend dazu veranlasst hätte, die eigene Erscheinung in einer spiegelnden Oberfläche zu prüfen. Welchen Sinn das verfolgen sollte, war mir allerdings ein Rätsel. Ich kannte mein rundes Gesicht, wusste um die Sommersprossen, die mittlerweile sicher längst über das Make-up gesiegt hatten. Die dunkelbraunen Haare reichten mir nicht einmal bis zur Schulter. Gegen die Rapunzelmähne, die ich in Instagrams fragwürdiger Frisur erahnte, war das ein Witz. Und da seine Augen, wenn mich das Licht nicht trog, auch noch ein karibisches Meeresblau für sich gepachtet hatten, ließ ich mich mit meinem höchst individuellen Schlammbraungrün gar nicht erst auf einen Vergleich ein.

»In Ordnung«, sagte Instagram, als er einen Schritt weit hinter den Tresen getreten war. »Was kann ich tun?«

Ich war nie ein Freund von Fragen gewesen, deren Antwort offensichtlich war. Aber mir fehlte die Zeit, mich darüber zu echauffieren, daher deutete ich nur auf die Getränkekisten, die noch immer darauf warteten, um einige Flaschen erleichtert zu werden. »Die kannst du wegsortieren, und ich prüfe in der Zeit, ob die Kasse den richtigen Stand hat. Danach erkläre ich dir, wo du alles findest. Wir machen dir eine Liste, in die du alles einträgst, was du verkaufst, ich buche nach. Wäre zu umfangreich, dir jetzt das Programm zu erklären, oder hast du schon mit Orderbird gearbeitet?« Mir genügte der musternde und unverkennbar ratlose Blick, mit dem Instagram mich ansah, um meine Antwort herzuleiten. »Das ist wohl ein Nein«, schloss ich. »Also die Liste. Kein Problem. Fang am besten mit den Flaschen an und wenn das erledigt ist, erkläre ich dir den Rest. Becherpfand und das alles.« Diese minimalistische Einweisung beendete ich mit einem Lächeln, um wenigstens ein Mindestmaß der Freundlichkeit zu wahren.

»Verrätst du mir auch noch, wo genau die Flaschen hin sollen?«

Und mein Lächeln verpuffte. Ich würgte die Frage herunter, wann er das letzte Mal einen Tresen von dieser Seite gesehen hatte und deutete auf die silbernen Schubladen. Es ist nicht seine Schuld, erinnerte ich mich. Vermutlich war er aus seinem freien Tag spontan angerufen und hierhergeschickt worden. Also war es sehr wahrscheinlich, dass dieser Abend ihn mindestens genauso nervte wie mich. »Die Kisten stehen schon vor den richtigen Fächern. Wenn du sie aufziehst, siehst du oben an der Kante einen Aufkleber, auf dem steht, was in die Schublade gehört. Idiotensicher.«

Instagram lachte kurz und schien eine Antwort zu erwägen. Gott sei Dank kam er zu dem Schluss, sich diese zu verkneifen und seine Arbeit nicht noch länger zu verzögern. In Anbetracht des aufkeimenden Zeitdrucks wurde er mir damit direkt ein bisschen sympathischer. Tatsächlich schritt er nicht annähernd so träge zur Tat, wie ich es befürchtet hatte, nachdem er so viel Zeit für dämliche Fotos vertrödelt hatte.

Binnen fünf Minuten waren sämtliche Flaschen an ihrem Bestimmungsort, ich hatte die Kasse gegengezählt und den Geschirrspüler ausgeräumt. Vielleicht würde ich mein anfängliches Urteil also überdenken und erwägen müssen, dass man mit Instagram doch gut zusammenarbeiten konnte. Ich erklärte ihm, wohin er die Kisten stapeln sollte und stellte zwei Reihen der Plastikbecher bereit, in denen wir unsere Getränke ausschenkten. Es hatte sich als hilfreich erwiesen, einen gewissen Vorrat direkt griffbereit zu haben.

»Pfandsysteme mit Chip sind dir bekannt?«, hakte ich nach, als Instagram wieder an meine Seite trat und mich erwartungsvoll ansah. Erwartungsvoll und amüsiert, wenn mich nicht alles täuschte. Mir war ein Rätsel, was genau an den Vorbereitungen so witzig war, doch solange er seine Gedanken für sich behielt, sollten sie mir auch egal sein. Vielleicht war das auch einfach nur sein entspannter Gesichtsausdruck.

»Das Getränk kommt in den Becher und im Becher zum Gast. Dazu gibt es den Chip, Pfand wird kassiert und gibt es nur gegen das komplette Duo zurück. Ausschank also niemals ohne Chip und niemals ohne Becher.«

Er war also ein Witzbold, aber immerhin kannte er die Grundregeln. »Okay, dann pass auf. Pfand ein Pfund, du nimmst die linke Seite. Softdrinks und Bier. Softs liegen alle bei drei Pfund, Bier bei fünf. Preisliste lege ich dir noch mal hin. Falls du Hilfe brauchst, rufst du mich einfach. Ich übernehme ...« Ich stockte, als er mir seine Hand entgegenhielt und sah ihn stirnrunzelnd an.

»Dann solltest du mir vielleicht verraten, wen ich eigentlich um Hilfe rufe – für den Fall der Fälle.« Er grinste breit, als ich etwas zögerlich seine Hand nahm. »Winston. Damit du weißt, wen du anschnauzen musst, wenn etwas zu Bruch geht.«

Ich nickte langsam und behielt mein Stirnrunzeln bei. »Theo«, gab ich zur Antwort, erwiderte seinen Händedruck kurz und ließ seine Finger dann wieder los. »Nur ... Ich will dir nicht zu nahe treten, aber deinen Namen habe ich wahrscheinlich vergessen, sobald du diesem Tresen den Rücken zukehrst. Ich kann mir Namen einfach nicht merken, dafür seid ihr zu viele. Falls wir je wieder zusammenarbeiten, habe ich mir gemerkt, dass Instagram schnell Getränke einräumen kann und das Pfandsystem verstanden hat. Das kann ich dir versichern.« Seine Augenbrauen zogen sich zusammen wie Gewitterwolken, die einen Schauer an Kritik erahnen ließen, also setzte ich etwas warmherziger nach: »Dir steht natürlich frei, dir einen beliebigen, einprägsamen Namen für mich auszusuchen, falls es dir da ähnlich geht. Ich verspreche, ich werde nicht beleidigt sein.«

Instagram – Winston – nickte und verzog die Lippen zu einem schiefen Lächeln, das seinem Spitznamen alle Ehre machte. »Wie du meinst. Also dann ...« Er stockte nur kurz. Mehr Zeit ließ er seiner Grübelei nicht. »Dings. Was übernimmst du?«

Seine fachlich vollkommen vernünftige Frage war auf der Stelle zweitrangig. »Dings? Im Ernst? Mehr Vorlagen habe ich dir nicht gegeben?«

Er zuckte mit den Schultern. »Ich bin unhöflich genug, das wollte ich nicht überreizen. Deshalb berufe ich mich auf meine Vorliebe für das Schlichte. Also ...« Er deutete auf mich. »Du übernimmst ... was genau?«

»Diese Seite«, entschied ich mich zu antworten und deutete auf den Bereich unseres Arbeitsplatzes, den ich hiermit als mein Revier absteckte. Und mit dieser Definition unserer Territorien setzte ich die weitere Einarbeitung meines temporären Kollegen fort. Ich zeigte ihm die Eiswürfelmaschine, Trinkhalme, Servietten, Zitronen, Schneidebrett und Messer. Ein Kellnerbesteck hatte er nicht dabei, also legte ich ihm den mitgebrachten Flaschenöffner auf seine Seite der Arbeitsfläche. Natürlich wies ich ihn noch einmal darauf hin, die Bierflaschen auch dann nicht mitzugeben, wenn die Gäste bettelten. »Keine Ahnung, ob die Band gut ist«, erklärte ich. »Selbst wenn nicht, hat mein Boss wirklich keine Lust auf Klagen, weil an seiner Bar Wurfgeschosse zur Verfügung gestellt werden. Becher und Chip sind das oberste Gebot.«

Ich wollte gerade dazu ansetzen, ihm zu erklären, dass das Trinkgeld, das er selbst einspielte, auch ihm zustand und er es nicht an eine Teamkasse abtreten musste, wie andere Bars es wohl handhabten – selbst bei Leiharbeitern. Ich kam nur bis zur Einleitung »Ich gehe davon aus, dass du ...«, als ein kurzes Räuspern mich unterbrach.

Als ich das fremde Gesicht der jungen Frau sah, stellte sich die alarmierende Erkenntnis ein, dass der Einlass begonnen haben musste. Allerdings war sie die Einzige, die vor der Bar stand, und ansonsten war der Saal leer. Sogar die Bühnentechniker hatten sich verzogen. Ein klares Zeichen, dass der Ansturm kurz bevorstand.

»Sorry, mein Chef hat mich vorhin erst erreicht. Eigentlich geht meine Bereitschaft nur bis fünf ... egal. Ich war vor drei Wochen schon einmal hier bei deinem Kollegen. Wir können also direkt starten.« Während sie das sagte, schaute sie etwas unsicher zwischen Instagram und mir hin und her. »Oder hat sich der Personalbedarf erledigt? Dann brauche ich eine Unterschrift, dass ich ...«

Ich war noch zu perplex von der Vielfalt eigentlich unmöglicher Umstände: »Staffsolutions« hatte zwei statt nur einen Mitarbeiter geschickt. Der erste schien einigermaßen patent, wie ich ihm mittlerweile zugestehen musste, und die zweite war nun sogar oberflächlich eingearbeitet. Das war jenseits meiner Vorstellungskraft – und jenseits der Realität. Dass ich das erst nach ein paar Momenten in meiner Paralyse bemerkte, sprach nicht unbedingt für mich, ich weiß.

»Nein, du bist völlig richtig. Ich habe nur etwas unter die Arme gegriffen, bis Unterstützung da ist.« Instagram war derjenige, der die Neue unterbrach und ihr antwortete – mit diesem fürchterlich perfekten Posterboygrinsen. Dann klopfte er mir auf die Schulter. »Dings, es war mir eine Ehre. Man sieht sich.«

Gott, ich war sicher, hätte er sie nicht zu einem albernen Knoten gebunden, wäre er wehenden Haares von dannen geschwebt, so viel Selbstgefälligkeit strahlte er aus. Mir blieb nicht viel mehr übrig, als ihm verwirrt hinterherzuschauen, während ich noch versuchte, dieses Intermezzo irgendwie einzuordnen.

Ein klügerer Mensch als ich wäre wohl schneller auf die Idee gekommen, dass ich einem Scherz, einem Flirtversuch oder einer netten Geste zum Opfer gefallen war, und hätte sich nicht lange damit aufgehalten, nach Fehlern im System zu suchen. Nur war ich kein klügerer Mensch und blieb noch einige Minuten lang etwas neben meiner üblichen Spur. Allerdings nur so lange, bis der Einlass diesmal wirklich begann und Clara und ich in derselben Aufteilung zur Tat schritten, die ich zuerst für Instagram und mich vorgesehen hatte.

Ja, Clara behielt ihren Namen – wenigstens offiziell. Mein Kollege hatte offenbar ein Auge auf sie geworfen und mit unserer Tradition der Spitznamen gebrochen. Und eine nachträgliche Taufe war nicht dasselbe. So blieb mir also nichts anderes übrig, als mir für diesen Abend ihren Namen zu merken und sie insgeheim als »Dylans Mädchen« zu betiteln.

Schließlich musste ich sogar ehrlich zugeben, dass ich froh war, sie bei mir zu haben. Das Konzert war ausverkauft und was auch immer Menschen an einem Mittwochabend vor ihren Fernsehern hervorlockte, es gelang diesem Phänomen schon zeitig. Bereits bei dem Auftritt der Vorband war der Veranstaltungsraum brechend voll und Clara und ich hatten alle Hände voll zu tun. Ehrlich gesagt wäre vermutlich sogar Instagram eine Hilfe gewesen – selbst wenn er nur mit liebreizendem Lächeln und fotogenem Augenaufschlag die Bestellungen angenommen und an uns weitergeleitet hätte. Es war einfach einer dieser Abende, an denen den Gästen ein simples Bier oder eine Cola nicht gut genug war. Es mussten Longdrinks sein – idealerweise mit hochgradig fachkundigen Extrawünschen, um die Begleitung zu beeindrucken. Vor allem der Gin Tonic gab die Grundlage für unzählige verschiedene Anweisungen. Und jede einzelne wurde vorgetragen, als wäre sie mit Schöpfkellen aus einem Bottich voll Weisheit geholt worden.

Irgendwann während des Umbaus zwischen Support und Hauptband war meine Geduld für diesen Unsinn schließlich doch überreizt. Zugegeben, ein geduldiger Mensch war ich auch so nie und an diesem Abend ohnehin nicht. Abgesehen davon mag niemand Lackaffen im Polohemd mit einer Föhnfrisur, für die eindeutig ein Stylist verantwortlich war. Bräune, die nicht aus einem Solarium und ganz sicher nicht von der englischen Sonne stammte, gebleichte Zähne und – Scheiße noch mal! – Strähnchen!

Es mag sein, dass die Kurzlebigkeit von Begegnungen in der Welt der Dienstleistung mich vielleicht zu sehr geprägt hatte und ich Menschen sehr schnell nach ihrem Erscheinungsbild beurteilte. Aber Strähnchen standen auf meiner Rangfolge der Intoleranz noch weit über diesem Manbun von Instagram. Dazu passte der schmalzige Ton in seiner Stimme und vor allem das süffisante Zucken um seine Mundwinkel, als er mit mir so langsam sprach, als wäre ich des Englischen nicht ganz mächtig.

»Gin Tonic. Mit dem besten Gin, den ihr hier bietet.«

»Wir haben genau zwei«, erklärte ich und deutete hinter mich an die Tafel, die unbeirrt die Getränkeauswahl präsentierte.

Strähnchen nickte mit krausgezogener Nase und erkundigte sich nun auch nach der Auswahl der Tonics. Mir stand genau einer zur Verfügung und das war eine so klassische Marke, dass mir von vornherein klar war, dass mein Gegenüber reagieren würde, wie er reagierte. Nur hatte ich das Ausmaß seiner Theatralik etwas unterschätzt. Er machte sich sogar die Mühe, sich mit einem Kopfschütteln an das vermeintliche Model an seiner Seite zu wenden.

»Dann sei wenigstens so lieb und mach Gurke in die Drinks.« Und an die junge Frau neben ihm gewandt: »Damit es wenigstens ein bisschen Stil hat.«

»Stil, aber keinen Geschmack«, murmelte ich und setzte die Bestellung dennoch so um, wie dieser Gast es gern haben wollte. Nur hatte der meinen Kommentar nicht überhört.

»Wie bitte?«, hakte er nach.

Ich seufzte genauso theatralisch wie er zuvor und wünschte mir ein Model herbei, dem ich einen ähnlich enervierten Blick zuwerfen konnte. »Wenn du Gurke in den Gin tust, kannst du dir die zwei Pfund mehr für den teureren eigentlich schenken. Aber da Geschmack nicht die Priorität ist ...« Ich zuckte mit den Schultern, ließ demonstrativ Gurkenscheiben in die Becher fallen und füllte beide genau nach Maß auf.

»Hör mal zu, Kleine ...« Er brach ab, als sich die Hand seiner Begleitung auf seinen Arm legte. Ich konnte mir denken, worauf sie ihn aufmerksam machen wollte. Die Musik vom Band, die eingespielt worden war, war verstummt, nur eine oder zwei Sekunden später erlosch das Licht im Raum und unter lautem Gejubel betrat die Band die Bühne.

»Wir sehen uns noch«, raunte Strähnchen mir zu und klatschte das Geld für die Drinks auf den Tresen. Den Tausch gegen die beiden Getränke vollzog ich nur noch automatisch, denn als er am Schlagzeug die ersten Takte anstimmte, musste ich feststellen, dass Instagram mir an diesem Abend nun schon zum zweiten Mal zur Hilfe geeilt war. Jedenfalls, wenn man es so pathetisch ausdrücken wollte.

Meine erste Assoziation in diesem Augenblick war jedoch nicht unbedingt besagter Pathos.

»So ein Spinner«, schnaubte ich und starrte mit vor der Brust verschränkten Armen zur Bühne. Instagram hatte sich also einen Spaß daraus gemacht, die Barkeeperin an der Nase herumzuführen und sonnte sich nun vermutlich in dem Bewusstsein, dass mir genau das gerade klar wurde.

»Ach, du kennst die Band?«, riss mich Claras Stimme aus dem Sumpf meines Grolls.

»Was?«

Sie deutete nach vorn. »Der Drummer war doch eben hier.«

Ich schüttelte den Kopf. »Zufall«, antwortete ich. »Ich kenn den nicht.«

»Schade eigentlich.« Sie grinste und zuckte mit den Schultern, ehe sie ein paar leere Flaschen in eine Getränkekiste sortierte. »Die sind gut und der Sänger ist heiß. Dein Drummerboy ist mir ein bisschen zu schön.«

Es gab also doch noch andere Menschen, die einen Unterschied zwischen Schönheit und Attraktivität sahen. Ich wollte mir vor Rührung an die Brust greifen und verstand allmählich, weshalb Dylan ihr ihren Namen gelassen hatte. »Ja«, meinte ich. »Vermutlich ist es seine Lebensaufgabe, anderen Menschen zu Komplexen zu verhelfen.«

Clara gluckste, setzte zu einer Antwort an, kam jedoch nicht mehr dazu, diese zu äußern, weil einer der Gäste ihr seine Bestellung entgegenbrüllte.

Ich selbst sortierte die ersten zurückgebrachten Becher in die Spülmaschine und fand dabei ein wenig Zeit, um wenigstens einen flüchtigen Blick zur Bühne zu werfen. Und zu lauschen.

Bisher hatte ich von Treehouse Promises noch nie gehört und musste über diesen sentimentalen Namen auch ein wenig schmunzeln. Aber die Musik war gut. Authentisch, wie es Kritiker gern ausdrückten und laut, aber eben nicht nur laut.

Die Stimme des Sängers, auf den Clara es abgesehen hatte, war rauchig und er wusste definitiv damit umzugehen. Damit und mit den Geräten eines Fitnessstudios, wie das eng sitzende, schwarze Shirt ungeniert preisgab. Und doch hielt seine Erscheinung meinen Blick nicht lange fest.

Meine Aufmerksamkeit wandte sich schnell der Person zu, deren Gesicht halb hinter einem der großen Becken verschwand. Seiner Bühnenpräsenz tat das keinen Abbruch.

Instagram hatte sich seines Hemdes entledigt, und ich hatte Recht behalten – die Zeichnungen auf seinen Armen zogen sich noch mindestens bis zu den nach oben gekrempelten Ärmeln seines Shirts. Selbst aus der Ferne konnte ich erkennen, dass diese Arme nicht nur von einer Nadel, sondern auch vom Spielen gezeichnet und gut definiert waren. Kein Wunder also, dass er sie nicht unter Stoff verstecken wollte.

»Angeber«, murmelte ich – nicht sicher, ob ich belustigt oder vielleicht doch ein kleines bisschen beeindruckt war.

Als hätte er mich gehört, fing Instagram meinen Blick auf – wenigstens glaubte ich, dass es so war. Auf jeden Fall sah er in die Richtung der Bar und ein auffallend breites Grinsen erhellte seine Züge. Ich verschränkte die Arme vor der Brust, neigte meinen Kopf ein bisschen zur Seite und zog eine Augenbraue in die Höhe. Erst als er kurz lachte, war ich mir sicher, dass dieses Triumphgrinsen mir gegolten hatte. Ich beantwortete es mit einem Kopfschütteln – einem, das von einem Lächeln begleitet wurde – und widmete mich dann wieder meiner Arbeit.

Instagram hatte seinen Spaß gehabt und sich den durch seine kurze Mithilfe auch verdient. Trotzdem sollte er nicht glauben, dass er damit automatisch meine volle Aufmerksamkeit beanspruchen konnte. Die gebührte stattdessen der nicht halb so unterhaltsamen Kassenführung, den mal mehr, mal weniger sympathischen Gästen, die es zu versorgen galt oder deren vorbildliche Rückgabe von Becher und Chip mit einem Pfund zu entlohnen war. Zwischendurch wagte ich es sogar ein Mal, Clara für ein paar Minuten allein zu lassen, um die erste Fuhre Leergut wegzubringen und mit einigen vollen Flaschen wieder zurückzukehren.

Als ich hinter den Tresen trat, kündigte der Sänger die letzten beiden Lieder an – die nie wirklich die letzten beiden waren. Jeder kannte die Regeln. Er schmeichelte dem Publikum für die gute Stimmung, wie es wohl ebenfalls in diesen Regeln stand, und deutete einen baldigen weiteren Auftritt in London in sechs Wochen an – in der größten Location, die diese Stadt zu bieten hatte. Ich stutzte darüber und tat das als Wunschdenken ab, während ich mich um die nächsten Gäste kümmerte und im Hintergrund das erste der beiden nicht-wirklich-letzten Lieder begann.

Und wie immer ging in der tosenden Pause zwischen dem letzten Lied und der Zugabe der Ansturm auf die Bar los. Becher und Chips fanden ihren Weg zurück, Pfundstücke wurden ausgezahlt und die Spülmaschine gefüllt. Jubel brach aus, als die Band wieder auf die Bühne zurückkehrte. Immerhin gehörten sie nicht zu den Wichtigtuern, die sich ewig vom Publikum bitten ließen oder so taten, als hätten sie nicht damit gerechnet, noch mal an ihre Instrumente beziehungsweise das Mikro zurückzukehren. Es wurden nicht einmal Worte verloren. Instagram gab den Takt an und es wurde ein Song angestimmt, der prompte Begeisterung im Publikum auslöste. Ich selbst hatte ihn nie gehört. Und kam auch diesmal nicht dazu, bewusst zu lauschen.

Als der traditionelle Ansturm in diesem Pausenintervall vorüber war, trat Clara an mich heran. »Ich hatte mit meinem Chef besprochen, dass ich etwas früher gehen kann, damit ich noch eine U-Bahn bekomme. Ich wohne nicht gerade um die Ecke ...«

Ich nickte. Wer auch immer dieser ominöse Chef unserer Aushilfen war, dieses Zugeständnis an seine Schützlinge hatte ich schon oft gehört. Und da ich nicht fand, dass es in meiner Kompetenz lag, das abzuschlagen, schickte ich Clara in die Katakomben meines Bosses, um sich ihre Unterschrift auf ihrem Stundenzettel oder der App abzuholen und gleichzeitig seinen Segen für den Feierabend.

Grundsätzlich hatte ich nie ein Problem damit, den Abschluss des Abends allein zu bewältigen. Es war selten mehr zu tun, als letzte Pfandbecher entgegenzunehmen und die Aufräumarbeiten zu bewältigen. Einen Großteil des Leergutes hatte ich schon weggebracht und der Kassenabschluss würde auch schnell gemacht sein. Meine Stimmung schrammte sogar so nah am Optimismus, dass ich mein Handy aus der Kasse nehmen wollte, um Adam kurz zu schreiben, es könne sich lohnen, wach zu bleiben – falls er nicht ohnehin noch irgendwo durch Stratford kroch und diesen Welpen suchte.

Ich kam nicht einmal dazu, mein Handy unauffällig zu entsperren, als ich eine Stimme hörte, die ich nicht gleich wiedererkannte. »Ich sagte doch, wir sehen uns noch mal.«

Ehrlich, meine Assoziationen stellten sich erst wieder her, als ich Polohemd und Strähnchen erblickte. Doch dann übermannten sie mich vollumfänglich, sodass ich mir ein genervtes Seufzen nicht verkneifen konnte. »Ich nehme an, du willst Becher und Chip zurückgeben?« Vorausschauend griff ich schon einmal nach der Geldmünze, die er dafür zurückerhalten würde.

»Und deinen Chef möchte ich sprechen.«

Ich blinzelte irritiert. War das sein Ernst? »Ich fürchte, der steckt gerade mitten in den Auswertungen mit dem Manager der Band.« Was redete ich da? Die Anzahl der tatsächlich teilgenommenen Gäste war vermutlich längst kommuniziert worden. Nur fiel mir nichts anderes Gewichtiges ein, um Strähnchen abzuwimmeln. Sollte ich ihm sagen, dass der Big Boss vermutlich lieber mit Band und Manager abhing, um Kontakte zu knüpfen, die vielleicht – aber auch nur vielleicht – einmal von Wert sein würden? Weil er stolz auf die Galerie mit all jenen Künstlern war, die hier vor ihrem großen Durchbruch gespielt hatten?

»Wie lange wird das dauern?«

»Ich habe keine Ahnung. Vielleicht kann ich dir ja erst einmal weiterhelfen.«

»Bei einer Beschwerde über deinen Service wirst du wohl kaum hilfreich sein, meinst du nicht?«

Ich atmete tief durch und angesichts meines enormen Drangs, die Augen zu verdrehen, musste ich seiner Annahme sogar recht geben. Es gab doch sicher Ratgeber für solche Situationen. Was schlugen die vor? Angriff? Verteidigung? Kapitulation? »Falls ich etwas gesagt haben sollte, das ...«

»Was du sagst, solltest du dir im Vorfeld überlegen. Die Bloßstellung deiner Gäste steht ganz sicher nicht in deiner Stellenbeschreibung. Daher ... Gleich, Baby.«

Meine Irritation überschlug sich bei dieser Anrede regelrecht. Strähnchen hatte seinen Blick nicht von mir gewendet, während er diesen Kosenamen ausstieß. Dass der ganz klar nicht mir gehören konnte, war nur logisch. Die Hand an seinem Oberarm fiel mir dennoch erst jetzt auf und löste das Rätsel um diese kurze Unterbrechung.

Leider fand er umgehend wieder seinen Anschluss. »Daher würde ich über die Erfüllung dieses Aufgabengebietes gern mit jemandem sprechen, den es mehr interessiert als dich.« Zur Untermalung seiner Worte hatte dieser Typ sich ein Stück weit über den Tresen gebeugt und sogar seine Augenbrauen nach oben gezogen.

Meine Güte, es ging doch nur um ein Stück Gurke und meine Aufklärungsarbeit zu deren Wirkung in Zusammenarbeit mit Gin und Tonic. Warum nahm er den Hinweis nicht einfach an und profilierte sich zu einer anderen Gelegenheit in einem anderen Umfeld damit? Ich hatte diese Erkenntnis schließlich nicht gepachtet.

Ich atmete gerade ein, um zu einer Antwort auszuholen, für die mir noch nicht ein einziges Wort eingefallen war, als ein Räuspern mich von diesem kläglichen Versuch erlöste.

»Wenn es nichts ausmacht, würde ich gern noch kurz eine Bestellung aufgeben, ehe hier neue Aufgaben verteilt werden.«

Etwas gequält wandte ich mich nach links. Instagram hatte mir gerade noch gefehlt. Da er aber nichts dafür konnte, dass Strähnchen irgendetwas zu kompensieren hatte, zwang ich ein Lächeln auf mein Gesicht. »Wie kann ich helfen?«

Instagram erwiderte mein Lächeln viel wärmer, als es für seine Bitte nötig gewesen wäre. Er war also nicht eben erst hereingeplatzt, sondern hatte dieses herzergreifende Gespräch mitbekommen. Wenigstens mischte er sich nicht ein, sondern beschränkte sich auf die schlichte Beantwortung meiner Frage. »Vier Bier. Egal, welches – nur kein Becks«, sagte er und neigte seinen Kopf zu einem Blick, der mit einem Welpen hätte konkurrieren können. »Und Becher sind wirklich unnötig. Ich verliere diese Chips ständig, und ehe wir weg sind, ist deine Spülmaschine schon durch.«

»Für die Band?«, hakte ich nach und zog die Schublade mit den Bierflaschen auf, die mich fröhlich klirrend begrüßten.

»Für die Band«, bestätigte Instagram.

»Also kann ich davon ausgehen, dass du deine Kollegen damit nicht tötest?«

Er grinste und zog eine Augenbraue nach oben. »Muss ich einen Eid schwören oder genügt meine natürliche Glaubwürdigkeit?«

Ich schüttelte den Kopf und murmelte ein »Schon gut«. Unter anderen Umständen hätte ich mich spaßeshalber wohl auf eine Diskussion über Prinzipien eingelassen. Allerdings wartete Strähnchen noch immer und ich fürchtete, dass er damit nicht von selbst aufhören würde.

Was sollte ich sagen? Es war rekordverdächtig, zu wie vielen Fehleinschätzungen ich binnen eines Abends imstande war.

Ich öffnete gerade die Bierflaschen, als Strähnchens Model hinter ihrem Freund hervortrat und Instagram ansprach. »Entschuldigung, Winston?«

Es war ein bemerkenswertes Schauspiel, diesem perfekten Gesicht dabei zuzusehen, wie es sich von einer abwartenden Miene in ein strahlendes Zauberglanzlächeln verwandelte.

»Würde es dir was ausmachen ... Also, ein Foto?«

»Ganz und gar nicht.« Damit streckte Instagram ihr seine Hand einladend entgegen.

Sofort drückte das Model ihrer Begleitung das Handy in die Hand und positionierte sich neben dem Drummer, der einen Arm um sie legte, als wäre sie eine alte Freundin, die er bei einer Party wiedersah.

Nach ein paar Schnappschüssen bedankte sie sich bei ihm und platzte förmlich vor Begeisterung, als er ihr den Tipp gab, einfach beim Merchandisestand vorbeizuschauen. Die anderen wären dort für Fotos und Autogramme und gern auch für ein bisschen Small Talk.

»Dafür das Bier«, gestand er grinsend. »Dan ist schüchtern, und wenn nur er trinkt, würde das ein merkwürdiges Bild auf ihn werfen.«

Was darauf folgte, war der bittende Blick, wie ihn nur eine Freundin an ihren Freund richten kann. Sie nahm sogar Strähnchens Hand in ihre. Mit der anderen deutete sie vage auf mich. »Vergiss die«, war ihr einziger Kommentar für sein Zögern. Und da der Typ für diesen Abend wohl doch noch aufregendere Dinge geplant hatte, als eine Kellnerin zusammenzufalten, ließ er sich nach einem finalen vernichtenden Blick von ihr mitziehen.

Seufzend sackte ich ein kleines Stück in mich zusammen. Dann besah ich Instagram mit einem dankbaren Lächeln. »Du bist ein Magier.«

Er lachte. »Erst bin ich irgendeine Internetplattform und jetzt Houdini. Du meintest das ernst, als du sagtest, du vergisst meinen Namen direkt wieder, kann das sein?«

Dem war sogar wirklich so – beziehungsweise wäre es gewesen, wenn nicht ... »Dein Fan hat mir auf die Sprünge geholfen.«

Er nickte verstehend und schaute über seine Schulter in die Richtung, in die das Paar verschwunden war. »Und sie hat deinen Fan direkt mitgenommen. Ist hier eine Entschuldigung fällig?«

Ihm musste klar sein, wie froh ich war, dass die Macht seiner Schönheit die beiden hatte von dannen ziehen lassen. Dennoch lag ungefilterte Neugier in seinem Blick.

Ich ging davon aus, dass seine eigentliche Frage eine andere war und beschloss, auf diese zu antworten. »Er wollte sich mit Gin Tonic aufspielen. Als ob unsere Gins das mit sich machen ließen. Und er war der Meinung, wenn er Gurkenscheiben in den Drink bestellt, wird seine Modelfreundin ... Oh Gott, nein! Ich will mir gar nicht vorstellen, was er sich für eine Reaktion versprochen hat.«

Instagram grinste und nickte verständnisvoll. »Und du hast ihn gefragt, ob es noch etwas Pfeffer dazu sein darf?«

Ich starrte ihn mit ungehemmtem Entzücken an. »Das hätte ich tun sollen!«, stieß ich aus – erstaunt von so viel Kompetenz auf der falschen Seite des Tresens. »Wieso warst du nicht mehr hier? Das da«, ich deutete zu der Bühne, »kann dir unmöglich wichtiger sein.«

Tatsächlich schlich sich ein Ausdruck von Schuld auf Instagrams Gesicht. »Da bist du nicht die Erste, die das sagt, fürchte ich.«

Ja, ich konnte mir vorstellen, dass er das eine oder andere Herz gebrochen oder wenigstens angeknackst zurückgelassen hatte, weil es ihn nicht hatte halten können.

Musiker verlor man immer an die Musik. Ich mochte das. Es machte diese Menschen zu treuen Seelen – nur war es eben kein anderer Mensch, an den sie sich banden.

Ich ersparte meinem Gegenüber diese Ausführungen und stellte stattdessen die vier Bier vor ihn auf den Tresen. »Aufs Haus«, sagte ich. »Für deine tatkräftige Unterstützung vorhin.«

Er grinste und nahm die Flaschen an sich. »Als Magier oder als Instagram?«

Ich zog scharf die Luft ein und konnte eine gewisse Qual auf meinem Gesicht einfach nicht vermeiden. »Also wegen der zweiten Sache ... Ich fürchte, ich muss mich entschuldigen. Ich dachte, du wärst die Aushilfe und dann stehst du da nur rum und machst Fotos.« Ich ließ es bleiben, schon wieder auf sein Erscheinungsbild anzuspielen. Diese Reduzierung erfuhr er wahrscheinlich oft genug. »Also war ich genervt, weil ich niemanden gebrauchen konnte, der sich von einer leeren Bühne ablenken lässt, noch ehe das Konzert anfängt.«

Er nickte und schaute zur Bühne. Dabei sah er fast nachdenklich aus, als würde er sich diesen berührenden Moment noch einmal vor Augen halten, den wir vor ein paar Stunden geteilt hatten. »Ist dir eigentlich klar, wer schon alles auf dieser Bühne gestanden hat?«, hakte er nach und überraschte mich damit dann doch.

»Was?«, war meine unbeeindruckende Nachfrage.

Instagram deutete nach vorn. »Da haben schon einige Bands gespielt, die mittlerweile viel zu groß sind für solche kleinen Bühnen. Wenn man dann selbst da oben steht ...« Er stockte kurz und hatte seine Stirn krausgezogen, als er mich wieder ansah. »Dann endet man eine halbe Stunde später an der Bar und klingt wie ein sentimentaler Säufer, tut mir leid.«

Ich lachte und winkte ab. »Du solltest mit dem Boss sprechen. Der kann dir jeden namenhaften Künstler aufzählen, der hier in den letzten fünfzehn Jahren aufgetreten ist. Mit Datum und teilweise mit Setlist. Es ist unheimlich.« Das war es in der Tat, denn ich übertrieb hier keineswegs. »Mit einigen hat er wohl nach wie vor Kontakt, meint er. Aber wenn du mich fragst, zählt das alles nicht, solange er Martha’s Sons nicht dazu bewegen kann, noch einmal hier aufzutreten.«

Instagrams Augenbrauen hoben sich und er stellte drei der Bierflaschen vor sich auf den Tresen. Die vierte behielt er in der Hand und trank einen Schluck. »Martha’s Sons, ja?«

Hörte ich da etwa Skepsis? Dabei war das die einzige Band, deren Setlist sogar ich kannte. »November 2009«, bestätigte ich. »Das hier war ihr erster Auftritt außerhalb Schottlands.«

Meine Güte, ich klang wie eine Kreuzung, die Wikipedia mit einem Fangirl hervorbringen würde.

Instagram lachte mich nicht aus, was ich ihm definitiv zugutehielt. Stattdessen überraschte er mich mit einem schiefen Lächeln. »Beim dritten Song fiel auf einmal die gesamte Technik aus, weil im Backstagebereich ein Feueralarm losging. Jemand hatte ein Stück Papier in den Aschenbecher geworfen und die Rauchmelder sind ausgerastet. Nach ein paar Minuten war die Sache erledigt und die Band stand wieder auf der Bühne. Und sie haben das Set noch einmal komplett von vorn angefangen.«

Ich hätte beinahe gelacht vor Begeisterung und hielt mich nur zurück, weil man nie wissen konnte, wie falsch ein Lachen verstanden werden mochte. Instagram war also ein Fan – und zwar einer, dem kein Big Boss diese Geschichten erzählt hatte.

»A Writer’s Curse«, murmelte ich den Titel des Songs, der eine Hommage an schottischen Whisky war, und den der Alarm damals unterbrochen hatte. »Das war der dritte Song.«

Instagram zog seine Mundwinkel zu einer anerkennenden Miene nach unten. »Dings, ich bin beeindruckt. Und mir will man immer weismachen, ich wäre der einzige Verrückte, der solche Sachen weiß.«

Ich schnaufte und zitierte kurzerhand meinen Großvater. »Allein in dieser Stadt leben über acht Millionen Menschen. Man ist nie der Einzige.« Ich öffnete die Spülmaschine und begann damit, die gereinigten Becher und Barutensilien herauszuholen. »Also ist Ryan dein großes Vorbild?« Ryan Tickner war der Drummer der Martha’s Sons und seit der Gründung ein Mitglied der Band.

»Oh, Ryan ist der Wahnsinn, wenn du mich fragst. Oder irgendwen sonst, der mal hinter Drums gesessen hat«, leitete Instagram ein, schwenkte dann allerdings doch in eine andere Richtung. »Aber wenn es um Vorbilder geht, gehe ich da eher mit Luke Hunt.«

»Dem Gitarristen?«, hakte ich verwundert nach. »Du spielst auch Gitarre?«

»Nur ein paar Akkorde. Reicht nicht mal, um am Lagerfeuer damit anzugeben. Es geht auch gar nicht darum, welches Instrument er spielt, sondern wie.«

Ich nickte, auch wenn ich annahm, dass ich bestenfalls in Ansätzen verstand, was Instagram da meinte. Erst, als ich den Schlüssel für die Kassenschublade aus meiner Tasche kramte, fiel es mir wie Schuppen von den Augen. »Luke schreibt die Lyrics!«, stieß ich aus. Das mochte nicht für jede einzelne Zeile sämtlicher Lieder dieser Band gelten, aber für den Mammutteil allemal.

»Ich weiß«, antwortete er – definitiv viel zu nüchtern, um ihm das abzukaufen. Nicht, nachdem ich gesehen hatte, mit welcher Begeisterung er über diese Band sprechen konnte.

Ich übersprang den Punkt, an dem ich meinen Verdacht bestätigen ließ, und ging gleich zu einer direkten Reaktion über. Wozu Zeit verschwenden? »Nein!«, stieß ich mit mehr Unglauben aus, als mein Gegenüber es vermutlich verdient hatte.

Instagram stellte sich dumm und sah mich nur mit seinen großen, blauen Augen an, als hätte er keine verdammte Ahnung, welchen Schluss ich gerade gezogen hatte.

Strahlendes Ozeanblau hin oder her – ich ignorierte seinen Blick und steigerte mich stattdessen lieber in meine Verwunderung hinein. »Seit wann schreibt ausgerechnet der Drummer die Texte und ... Scheiße! Ich weiß nicht mal, ob du gut bist, weil mich die ganze Zeit solche Vollpfosten wie Strähnchen abgelenkt haben.«

Er grinste. »Strähnchen? Dann habe ich ja richtig Glück gehabt!«

»Er ist glimpflich davongekommen«, schnaufte ich. »Ich war uninspiriert und eine Referenz zu der Gurkensache könnte man am Schluss noch als Kompliment verstehen.«

Instagram verschluckte sich an seinem Bier und kämpfte danach mit einem Hustenanfall, der mit seinem schallenden Gelächter rang. Ich war drauf und dran, um den Tresen herumzugehen und ihm auf den Rücken zu klopfen. Als er wieder Luft bekam, standen ihm Tränen in den Augen, und er grinste breit.

»He, Churchill!«, schallte es auf einmal vom Eingang zu uns herüber. Der Bassist stand auf der Schwelle zum Konzertraum und sah zur Bar herüber. Vielleicht war es auch der Gitarrist. Ich war zwar durchaus in der Lage, Bassisten und Gitarristen auseinanderzuhalten, nur bei Instagrams Band hatte ich diesbezüglich keine Chance. Die beiden mussten Brüder sein, wenn nicht gar Zwillinge. »Wir verdursten!«

»Gleich«, gab Instagram zurück, es folgte ein kurzer Blickaustausch zwischen den beiden und schon war dieser knappe Männerdialog auch abgeschlossen. Wer wusste schon, auf welcher Ebene die beiden vielleicht ein ausgiebiges Gespräch über den Weltfrieden abgehalten hatten?

»Churchill?«, gluckste ich. »Nicht einmal deine Band kann sich deinen Namen merken?«

Instagram zog amüsiert erst einen Mundwinkel und dann seine Augenbrauen in die Höhe. »Meine Band würde sich noch ganz andere Namen einfallen lassen, wenn sie wüsste, dass du sie als meine Band bezeichnest. Also behalten wir das lieber für uns.«

»Meinetwegen.« Dieses kleine Geheimnis konnte ich ihm wohl zugestehen. »Willst du neue Flaschen?« Ich deutete auf das Bier für die Bandkollegen. »Gut möglich, dass das nicht mehr kühl ist.«

Instagram zuckte gleichmütig mit den Schultern und kramte in seinen Hosentaschen herum, bis er einen Kassenzettel hervorzog. »Bei Bier sind wir recht anspruchslos, solange es ernstzunehmendes Bier ist.« Dann griff er über den Tresen und angelte nach einem herumliegenden Kugelschreiber, mit dem er etwas auf den Zettel notierte. »Du kannst ja bei Youtube oder Spotify noch mal reinhören, wenn kein Typ mit Gurkenkomplexen dich ablenkt. Und dann ...« Er legte den Kassenzettel zusammen mit dem Stift auf die Arbeitsfläche der Bar und nahm die vier Flaschen an sich. »Lass mich wissen, ob ich gut bin. Ich habe nämlich ehrlich keine Ahnung und glaube manchmal, die anderen lassen mich nur schreiben, damit sie das nicht machen müssen.« Was folgte, war noch ein obszön perfektes Lächeln, mit dem er sich abwandte und mich und die zu zählende Kasse allein ließ.

Stirnrunzelnd griff ich nach dem Kassenzettel, den man an diesem Mittag in einem Burgerladen nicht weit von hier ausgestellt hatte. »Instagram«, hatte er fast unleserlich draufgekritzelt. Besser zu entziffern waren die Zahlen der Telefonnummer, die danebenstand.

08.09.2018

21:14:12

An: Mum

Ich würde dich gern anrufen und mit dir sprechen und dir sagen, wie dumm ich unseren Streit finde. Wir hätten noch einmal miteinander reden sollen. Mum, du fehlst mir.

42 Tage

28. Juli 2018

Mein Keuchen verlor sich in den Daunen des Kissens, in das ich mein Gesicht drückte. Adams Hände krallten sich in meine Hüften und dirigierten mich in den Takt seiner Stöße, die härter und schneller geworden waren, seit er sich nicht mehr damit aufhielt, meinen Rücken zu streicheln oder nach vorn zu meinen Brüsten zu greifen.

Ich hörte, wie sein Atem hinter mir bereits nur noch stoßweise ging und hoffte, dass er noch ein bisschen durchhalten würde. In meinem Schoß hatte sich längst diese süße Spannung aufgebaut, die nur noch ein bisschen mehr brauchte, um sich zu entladen. Nur ein bisschen mehr seiner Berührung tief in meinem Schoß. Nicht die seiner Hände auf meiner Haut. Die und auch sonst alles um mich herum nahm ich schon kaum mehr wahr. Wie eine Seifenblase, die platzte, als Adam sich noch zwei Mal kraftvoll in mich drängte, verharrte und sich dann mit einem Klaps auf meinen Hintern von mir zurückzog.

Er stand auf, während ich mich zur Seite fallen ließ und ihm dabei zusah, wie er wieder in seine Shorts und die Jeans stieg. Sein T-Shirt fand er zwei Meter weiter auf dem Boden. Dort hatte er es sich vor etwa einer Viertelstunde selbst ausgezogen, ehe er mich an sich gezogen und geküsst hatte.

Und eine halbe Stunde vor diesem Kuss hatte ich seine Nachricht bekommen: »Bist du schon wach? Kann ich vorbeikommen?«

Er hatte den Junggesellenabschied eines alten Klassenkameraden gefeiert und um fünf Uhr morgens noch zu viel Energie gehabt, um einfach nach Hause zu fahren. Ich war wach gewesen, hatte seine Zeilen gelesen und da sie prompt einen lustvollen Funken Vorfreude in mir ausgelöst hatten, war meine Antwort positiv ausgefallen: »Aber nur, wenn du nüchtern genug bist, um leise zu sein und Erin nicht zu wecken.«

Niemand, der in einer WG lebte, wurde gern noch vor sechs Uhr morgens von einem Quickie geweckt, den die Mitbewohnerin hatte und nicht man selbst. Dass dieses Kunststück nicht gelungen war, zeigte sich, als die Wohnungstür hinter Adam ins Schloss fiel. Ich wollte mich gerade umdrehen, um Bad und Dusche aufzusuchen, als sich ein krauser Lockenkopf in den Flur streckte.