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WIE VERFÜHRE ICH DEN BOSS? von SARAH M. ANDERSON Niemand hat bisher gewagt, Zeb Richards, den neuen Besitzer der Beaumont-Brauerei, zur Rede zu stellen – bis auf Casey Johnson. Diese verführerische Schönheit ist seine Braumeisterin, und seine neuen Vorschriften scheinen für sie eine einzige Provokation zu sein … PRICKELNDES SPIEL MIT DEM CEO von ZURI DAY Schon bei der ersten Begegnung funkt es gewaltig zwischen Christian Breedlove und der süßen Lauren. Obwohl er Geschäft und Privatleben eigentlich strikt trennt, beginnt der Millionär eine sinnliche Romanze mit seiner neuen Angestellten. Doch dann kommen ihm Zweifel … MEIN SEXY CHEF von LEANNE BANKS "Ich schaffe das." Das sagt Emma Weatherfield sich immer wieder. Nur hatte sie noch nie den Auftrag, ihrem neuen Chef hinterherzuspionieren! Und Damien Medici macht es ihr sehr schwer. Da sind seine intensiven Blicke, bei denen sie jedes Mal eine Welle der Sehnsucht erfasst…
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Seitenzahl: 600
Sarah M. Anderson, Zuri Day, Leanne Banks
ONLY YOU BAND 5
IMPRESSUM
ONLY YOU erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
Neuauflage 2024 in der Reihe ONLY YOU, Band 5
© 2016 by Sarah M. Anderson Originaltitel: „His Illegitimate Heir“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Maria Fuks Deutsche Erstausgabe 2017 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg,in der Reihe BACCARA, Band 1998
© 2019 by Zuri Day Originaltitel: „Sin City Vows“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Simone Fischer Deutsche Erstausgabe 2020 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg,in der Reihe BACCARA, Band 2141
© 2009 by Leanne Banks Originaltitel: „Billionaire Extraordinaire“ erschienen bei: Silhoutte Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Sarah Heidelberger Deutsche Erstausgabe 2010 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe BACCARA, Band 1603
Abbildungen: Getty Images / Milatoo, Ivanova Nataliia, alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 10/2024 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751529716
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. Jegliche nicht autorisierte Verwendung dieser Publikation zum Training generativer Technologien der künstlichen Intelligenz (KI) ist ausdrücklich verboten. Die Rechte des Autors und des Verlags bleiben davon unberührt. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Sarah M. Anderson
„Bist du bereit?“, fragte Jamal vom Fahrersitz der Limousine aus.
Zebadiah Richards musste unwillkürlich lächeln. „Ich war in dem Moment bereit, als ich geboren wurde.“
Das war keine Übertreibung. Auch wenn es Jahre gedauert hatte, bis Zeb endlich beanspruchen konnte, was ihm von Rechts wegen zustand: die Beaumont-Brauerei. Bis vor Kurzem hatte sie sich im Besitz der Beaumonts befunden – hundertfünfundzwanzig Jahre lang. Eine beeindruckende Familiengeschichte, von der Zeb aber ausgeschlossen worden war, obwohl Hardwick sein Vater war.
Zeb war unehelich geboren worden. Sein Vater und auch sonst niemand aus der Familie Beaumont hatte Zeb je anerkannt. Seine Mutter hatte kurz nach seiner Geburt ein Schweigegeld bekommen.
Zeb war es leid, ignoriert zu werden. Er war es leid, auf den ihm zustehenden Platz im Leben verzichten zu müssen.
Deshalb nahm er sich nun, was man ihm nicht hätte vorenthalten dürfen. Nach Jahren sorgfältiger Planung, aber auch infolge eines glücklichen Zufalls gehörte die Beaumont-Brauerei nun endlich ihm.
Jamal Hitchens war Zebs rechte Hand, sein Chauffeur, sein Leibwächter und sein Koch. Er arbeitete für Zeb, seit er wegen einer Knieverletzung nicht mehr im Football-Team der University of Georgia spielen konnte. Ihre Freundschaft allerdings ging noch viel weiter zurück. „Ich wette, du bist ziemlich aufgeregt“, sagte Jamal. „Ist es nicht doch besser, wenn ich dich begleite?“
„Du würdest alle einschüchtern“, stellte Zeb fest. „Und ich möchte keine verängstigten Angestellten. Es reicht, wenn sie mir Respekt entgegenbringen.“
Im Rückspiegel trafen sich ihre Blicke. Sie verstanden einander. Respekt konnte Zeb sich wahrhaftig allein verschaffen.
Jamal parkte den Wagen vor dem Hauptgebäude der Brauerei, sprang hinaus und öffnete Zeb die Tür.
Der stieg aus und streckte sich. Dann zupfte er die Ärmel seines Maßanzugs zurecht. Er war nicht nervös. Er fühlte sich gut. Er wusste, dass er das Richtige tat.
„Dir ist klar, dass man dich nicht wie einen Helden begrüßen wird? Wie du in den Besitz der Brauerei gelangt bist, halten die meisten für unmoralisch“, warnte Jamal ihn.
Zeb hob die Augenbrauen. „Ich verstehe, dass du dir Sorgen machst“, sagte er. „Wenn ich Unterstützung brauche, schreibe ich dir eine SMS. Vorerst jedoch solltest du die Zeit nutzen und dich nach einem Haus für uns umschauen.“
Zeb war als Sohn einer Friseurin zum alleinigen Besitzer der Firma ZOLA aufgestiegen. ZOLA war darauf spezialisiert, andere Firmen aufzukaufen, und hatte Zeb zum Millionär gemacht. Jeden Cent, den er besaß, hatte er selbst verdient. Die Beaumonts hatten ihm nie ihre Unterstützung angeboten. Und nun hatte er ihnen bewiesen, dass er der bessere Geschäftsmann war. Er hatte sie ausgetrickst und ihnen zuletzt ihre kostbare Brauerei abgenommen. Jetzt endlich würde er das traditionsreiche Familienunternehmen selbst leiten. Deshalb beabsichtigte er, sich dauerhaft in Denver niederzulassen. Also brauchte er eine angemessene Unterkunft. Nach New York, wo sich der Firmensitz von ZOLA befand, wollte Zeb nur zurückkehren, wenn ihm keine andere Wahl blieb – womit er nicht rechnete.
Jamal begriff, dass Zeb die Brauerei allein betreten wollte. „Okay, Boss. Ich suche also nach dem besten Haus, das für Geld zu haben ist?“
„Natürlich.“ Im Grunde war es ihm gleichgültig, wo er wohnte. Hauptsache, sein Anwesen war größer, teurer und prunkvoller als das der Beaumonts. „Achte darauf, dass es eine schöne Küche hat.“
Jamal, der ein begeisterter Koch war, grinste. „Okay. Viel Glück, Zeb.“
„Glück muss man sich erarbeiten.“ Dessen war er sich sicher, weil er sein Leben lang nach diesem Motto geschuftet hatte.
Entschlossen betrat er das Hauptgebäude. Niemand wusste, dass er die Brauerei bereits heute besichtigen wollte. Überraschende Besuche waren die besten, wenn es darum ging, sich ein unverfälschtes Bild vom Zustand einer Firma und der Arbeitsmoral der Angestellten zu machen.
Die meisten Beschäftigten, auf die er traf, wunderten sich über den Mann, der mit energischen Schritten durch die verschiedenen Abteilungen der Brauerei ging und sich aufmerksam umschaute. Zwar wussten die Angestellten, dass Zebadiah Richards ihr neuer Chef war. Aber zunächst erkannte ihn niemand.
Dann bemerkte Zeb, wie eine Frau nach ihrem Handy griff. Wahrscheinlich wollte sie den Sicherheitsdienst rufen. Als ihr aber jemand etwas ins Ohr flüsterte, riss sie die Augen auf und steckte es wieder ein. Zeb nickte ihr zu, und sie senkte errötend den Blick.
Niemand sprach ihn an, während er mit vielen Umwegen auf die Räume der Geschäftsführung zusteuerte. Er musste sich beherrschen, um nicht siegessicher zu lächeln. Sie wussten also, wer er war. Gut! Angestellte sollten immer wissen, wer ihr Boss war, selbst wenn es sich um den dritten innerhalb kurzer Zeit handelte. Soweit er wusste, trauerten die meisten noch immer Chadwick Beaumont nach, der die Brauerei an AllBev verkauft hatte, einen Verbund mehrerer Getränkehersteller.
Zeb hatte keinen Anteil an dieser Entwicklung gehabt. Aber er hatte es sich zunutze gemacht, dass Ethan Logan, den AllBev als Geschäftsführer einsetzte, der Aufgabe nicht gewachsen war. In zähen Verhandlungen hatte Zeb schließlich AllBev die Beaumont-Brauerei abgekauft. Was letztlich bedeutete, dass er nun der Besitzer einer Firma war, deren Angestellte in der Angst lebten, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Einige hatten schon vor Monaten gekündigt, um in Chadwick Beaumonts neuer Brauerei Percheron Drafts zu arbeiten. Andere waren sogenannten Rationalisierungsmaßnahmen zum Opfer gefallen oder hatten sich in den vorzeitigen Ruhestand versetzen lassen.
Wer jetzt noch hier war, hatte vermutlich nichts zu verlieren. Zeb kannte diese Situation aus anderen Firmen, die kurz vor der endgültigen Zerschlagung standen. Die Angestellten waren erschöpft, ausgelaugt, verzweifelt. Und das machte sie gefährlich. Sie wollten keine weiteren Veränderungen. Doch wenn sie sich zu sehr gegen alle Neuerungen stemmten, konnte das zum Untergang der Firma führen. Als Besitzer von ZOLA war ihm das egal gewesen, weil er immer einen Weg gefunden hatte, Gewinne für sich zu erwirtschaften. Doch sein Verhältnis zur Beaumont-Brauerei war anders. Er war hier, um zu bleiben. Deshalb wollte er auf keinen Fall, dass die Brauerei zerschlagen wurde. Im Gegenteil, er wollte Profit machen. Das gehörte zu Zebs Rache an den Beaumonts.
Inzwischen hatte er das Verwaltungsgebäude erreicht und öffnete die Tür zum Vorzimmer der Geschäftsleitung.
Anscheinend hatte jemand die Sekretärin, eine nicht mehr junge Frau, vorgewarnt. Jedenfalls sprang sie bei seinem Eintreten auf und begrüßte ihn nervös. „Guten Tag, Mr. Richards. Wir haben Sie heute noch nicht erwartet.“
Er erklärte sein unangekündigtes Auftauchen nicht, sondern nickte nur und fragte: „Wer sind Sie?“
„Delores Hahn, die Assistentin der Geschäftslei… Ihre persönliche Assistentin, Sir. Willkommen in der Beaumont-Brauerei.“
Zeb empfand Mitgefühl für sie. Ihre Position war nicht einfach, doch sie schien der schwierigen Situation gewachsen zu sein. „Danke, Mrs. Hahn.“
Sie räusperte sich. „Möchten Sie, dass ich Sie durch den Betrieb führe?“ Ihre Stimme zitterte kaum merklich.
Er schüttelte den Kopf, während er sich gleichzeitig eingestand, dass er Delores mochte. Was nicht hieß, dass er sich mit ihr anfreunden wollte. Er war hier, um die Brauerei wieder zu einem gewinnbringenden Unternehmen zu machen. Sonst nichts.
„Zuerst“, erklärte er, „möchte ich mich in meinem Büro einrichten.“ Er durchquerte Delores’ Vorzimmer und trat in einen großen hellen Raum. Aufatmend zog er die Tür hinter sich zu. Er hatte es geschafft! Endlich war er dort, wo er aufgrund seiner Geburt hingehörte.
Am liebsten hätte er laut gelacht. Doch da Delores nebenan vermutlich die Ohren spitzte, beherrschte er sich. Er war der Boss und wollte ernst genommen werden. Hysterisches Lachen würde keinen guten Eindruck machen.
Also holte er noch einmal tief Luft und schaute sich um. Er hatte Fotos von diesem Raum studiert. Sein Großvater John Beaumont hatte das Verwaltungsgebäude erbauen und das Büro einrichten lassen. Außer dem schweren Eichenschreibtisch, den Stühlen und Sesseln gab es hier eine Bar, an der man frisches Bier zapfen konnte. Auch der kleine Tisch musste sich hier befinden, der aus einem der hölzernen Räder des Planwagens gemacht worden war, mit dem Phillip Beaumont, der Gründer der Brauerei, um 1880 aus dem Osten nach Denver gekommen war.
Die Gefühle drohten Zeb zu übermannen. Alles wirkte so … vertraut und fremd zugleich. Die Geschichte der Beaumonts – seiner Familie! – umgab ihn.
Nach einer Weile setzte er sich an den Schreibtisch. Ja, dies war sein Platz. Hier hätte er auf den Knien seines Vaters sitzen und die Grundlagen des Brauereigeschäfts erlernen sollen. Stattdessen war er in Atlanta aufgewachsen. Im Schönheitssalon seiner Mutter, die ihn ständig daran erinnert hatte, dass sein Vater Hardwick Beaumont war und dass er um sein Geburtsrecht kämpfen musste.
Hardwick hatte mit vielen Frauen Kinder gezeugt. Einige seiner Geliebten hatte er geheiratet. Emily Richards gehörte nicht dazu. Deshalb existierte auch ihr Sohn für die Beaumonts nicht.
Aber jetzt saß Zeb im Chefsessel der Brauerei. Es war sein Sieg! Die Beaumonts würden noch ihr blaues Wunder erleben.
Er drückte den Knopf der Gegensprechanlage.
„Ja, Sir?“
„Delores, ich möchte, dass Sie für Freitag eine Pressekonferenz arrangieren. Ich werde dann meine Pläne für die Zukunft der Brauerei bekanntgeben.“
„Die Pressekonferenz soll hier stattfinden?“
„Ja. Auf der breiten Treppe vor dem Hauptgebäude. Und da ist noch etwas, Delores.“
Sie wartete schweigend.
„Setzen Sie ein Rundschreiben auf. Ich möchte, dass alle Angestellten mir bis morgen Abend einen Lebenslauf vorlegen.“
Schweigen. Dann: „Ja, Sir, selbstverständlich. Ich verstehe nur den Grund nicht.“
„Glauben Sie mir, es gibt immer einen Grund für das, was ich tue. Ich möchte, dass alle Angestellten, die ihren Job behalten wollen, mir ihre Qualifikation nachweisen. Das gilt auch für Sie.“
„Boss?“
Casey Johnson hob den Kopf – und stieß dabei gegen den Boden des kupfernen Braukessels Nummer fünfzehn. „Au, verflucht!“ Es dauerte einen Moment, bis sie so weit nach vorn gerutscht war, dass sie Larry Kaczynski sehen konnte. „Was ist los?“
Larry war nicht mehr jung und hatte einen Bierbauch – was eigentlich recht gut zu seinem Beruf passte. Er hielt ein Blatt Papier in der Hand und guckte besorgt. „Der neue Besitzer … er ist hier.“
„Gut für ihn“, gab Casey zurück. Der Neue interessierte sie nicht besonders. Wahrscheinlich würde er genau wie sein Vorgänger in ein paar Monaten wieder verschwunden sein. Sie selbst allerdings würde dann noch immer hier sein und Bier brauen, was sich aber als zunehmend schwieriger gestaltete. Wegen all der Sparmaßnahmen in den letzten Monaten war Caseys Leben nicht einfacher geworden. Um gutes Bier herzustellen, brauchte sie eine gute Ausrüstung. Und den Braukessel Nummer fünfzehn konnte man gewiss nicht dazuzählen.
„Du verstehst nicht, was ich meine. Der Kerl ist erst seit einer Stunde hier und hat schon ein Rundschreiben an uns alle verfasst.“
„Bitte, komm zum Punkt, Larry!“ Sie hatte wirklich Wichtigeres zu tun.
„Wir müssen uns neu um unsere Jobs bewerben“, stieß Larry hervor. „Und deshalb sollen wir einen aktuellen Lebenslauf vorlegen. Das ist doch Unsinn! Ich arbeite hier seit dreißig Jahren.“
Casey schob sich ganz unter dem Kessel hervor und stand auf. Wenn Larry in Panik geriet, würden auch viele der anderen Angestellten nervös werden. Einige würden womöglich aus Angst irgendwelche Dummheiten machen. Das durfte nicht passieren.
„Lies selbst! Der Neue will bis morgen Abend von jedem, der hier beschäftigt ist, einen Lebenslauf sehen“, sagte Larry ziemlich erregt. „Dann will er entscheiden, wer bleiben kann und wer gehen muss.“
„Was?“
Er gab ihr das Rundschreiben, doch ehe sie die Zeilen auch nur überfliegen konnte, klagte Larry: „Was soll ich bloß tun?“
Sie las, runzelte die Stirn. Tatsächlich, der Neue wollte einen Lebenslauf von ausnahmslos jedem. Auch von ihr.
Himmel, für einen solchen Unsinn hatte sie keine Zeit! Sie war dafür verantwortlich, dass täglich siebentausend Gallonen Bier gebraut wurden. Und das mit einem drastisch geschrumpften Mitarbeiterstab. Was bildete dieser Zebadiah Richards sich ein? Dass sie sich erneut um den Job bewarb, für den sie gekämpft hatte? Zornig leuchteten ihre Augen auf. Sie hatte es verdient, Braumeisterin zu sein. Über den neuen Chef wusste sie nicht viel. Aber sie hatte ihm einiges zu sagen, was die Beaumont-Brauerei betraf. Hier wurde Bier gebraut. Ohne Bier keine Brauerei. Ohne Braumeisterin kein Bier. Punkt.
Sie wandte sich Larry zu, der erschreckend blass aussah. Er hatte Angst, und sie verstand ihn. Wäre er selbstbewusster gewesen, hätte er sich eine andere Stelle gesucht, als Chadwick die Brauerei an AllBev verkaufte. Da niemand gern unter Chadwicks Nachfolger arbeiten wollte, waren viele gute Leute damals fortgegangen. Nur deshalb war Casey zur Braumeisterin ernannt worden, obwohl sie erstens noch sehr jung und zweitens eine Frau war. Sie liebte ihren Job. Also war sie bereit gewesen, eine Menge zu tun, um ihn zu bekommen und zu behalten. Sie hatte sich entschieden, unbezahlte Überstunden zu machen, Verantwortung zu übernehmen und sich mit einem so unfähigen Chef wie Ethan Logan zu arrangieren.
„Ich werde mich um diesen Unsinn mit den Lebensläufen kümmern“, erklärte Casey.
„Was hast du vor?“ Larry wirkte plötzlich noch ängstlicher. Anscheinend fehlte ihm das Vertrauen in ihre Fähigkeit zu verhandeln. Nun ja, er hatte einige Mal erlebt, wie ihr Temperament mit ihr durchging. Nun befürchtete er wohl, man würde sie hinauswerfen und ihn zum kommissarischen Braumeister machen. Schließlich war er der Einzige, der auf mehr als zwanzig Jahre Erfahrung als Brauer zurückblicken konnte.
„Ich werde mich mit diesem Richards unterhalten“, sagte Casey.
„Bist du sicher, dass das klug ist?“
„Nein, sicher bin ich mir nicht. Aber was soll er schon tun? Gleich an seinem ersten Tag die Braumeisterin feuern? Ich glaube nicht, dass er das möchte.“ Sie klopfte Larry kameradschaftlich auf die Schulter. „Mach dir keine unnötigen Sorgen.“
Ihr entschlossener Gesichtsausdruck verriet, dass jeder Widerspruch sinnlos war. Casey zog sich das Haarnetz vom Kopf und setzte ihre mit dem Logo der Brauerei versehene Kappe auf. Sie wusste, dass sie nicht gerade attraktiv aussah, trotzdem hielt sie es für besser, den Boss nicht durch den Anblick einer Braumeisterin mit Haarnetz zu schockieren. Ihr Pferdeschwanz wippte, als sie davoneilte.
„Der Abfluss des Tanks muss gesäubert werden“, rief sie Larry noch zu. „Ich komme so schnell wie möglich zurück.“
Innerlich fluchend, machte sie sich auf den Weg zum Verwaltungsgebäude. Sie hatte keine Zeit für solchen Unsinn wie Lebensläufe. Sie arbeitete täglich zwölf Stunden, und das nicht nur von Montag bis Freitag. Oft musste sie auch am Wochenende einspringen.
Ihr Leben würde sich dramatisch ändern, falls Richards beschloss, sie zu feuern. Aber sie hatte Larry versprochen, dass es nicht so weit kommen würde. Was natürlich auch in ihrem eigenen Interesse war. Zwar hatte sie einen aktuellen Lebenslauf vorbereitet, damit sie sich – wenn nötig – in einer anderen Brauerei bewerben konnte. Doch sie liebte die Beaumont-Biere, und es würde ihr schwerfallen, ihren Job aufzugeben.
Manchmal dachte sie wehmütig an die Zeit zurück, als die Brauerei sich noch in den Händen der Familie Beaumont befunden hatte. Damals hatten die Besitzer sich für das Wohlergehen ihrer Angestellten interessiert. Sie hatten Casey eine Chance gegeben, als sie gerade das College abgeschlossen hatte, obwohl es sehr ungewöhnlich war, dass eine Frau sich fürs Bierbrauen interessierte.
Ein Blick auf das Rundschreiben, das sie in der Hand hielt, bewies, wie viel sich seit damals verändert hatte. Seit die Beaumonts fort waren, ging es nicht mehr in erster Linie um Menschen und Bier, sondern um Profit. Casey konnte sich kaum erinnern, wann sie zum letzten Mal mehr als vierundzwanzig Stunden am Stück freigehabt hatte. Sie erledigte die Arbeit von drei Leuten, seit Logan in seiner Funktion als Geschäftsführer einen Einstellungsstopp durchgesetzt hatte. Und jetzt das! Dieser Richards wollte bestimmt alle feuern, die keinen Lebenslauf vorlegen konnten oder wollten. Dabei konnte die Brauerei auf keinen einzigen Mitarbeiter verzichten.
Sie war zweiunddreißig Jahre alt und wollte nichts weiter, als in Ruhe gutes Bier zu brauen!
Mit diesem Gedanken stürmte sie in das Vorzimmer des Geschäftsführers.
„Casey!“, rief Delores und sprang auf. „Sie können nicht …!“
„O doch, ich kann!“ Schon war sie an Delores vorbei und riss die Tür zum Büro des Chefs auf.
Casey blieb so abrupt stehen, dass sie beinahe das Gleichgewicht verloren hätte. Wo war der neue Boss? Der Stuhl am Schreibtisch und alle Ledersessel waren leer.
Aus den Augenwinkeln nahm sie eine Bewegung wahr. Sie fuhr herum – und starrte erstaunt den Mann an, der ihr den Rücken zuwandte und aus dem Fenster schaute. Er hatte breite Schultern und trug einen Maßanzug, der seine athletische Figur betonte. Seine Haltung ließ keinen Zweifel daran, dass er wusste, wie viel Macht er besaß.
Ein Schauer überlief Casey. Dabei gehörte sie ganz und gar nicht zu den Frauen, die auf Männer flogen, die Maßanzüge trugen und mit ihrem Reichtum und ihrer Macht prahlten. Doch irgendetwas an dem neuen Chef ließ ihr Herz schneller schlagen. Er war beeindruckend. Vielleicht lag es an seinem muskulösen Körper. Vielleicht auch an seiner ungewöhnlich starken Ausstrahlung.
Jetzt drehte er sich um, sodass sie seine Augen sehen konnte. Grüne Augen! Lieber Gott, grüne Augen! Sie konnte den Blick nicht abwenden, und einen Moment lang stockte ihr der Atem.
Er war – widerstrebend gestand sie es sich ein – der attraktivste Mann, den sie je getroffen hatte. Alles an ihm zog sie geradezu magisch an: seine Haltung, seine breiten Schultern, sein kurz geschnittenes Haar und besonders seine Augen. Dieser unwiderstehliche Mann sollte ihr neuer Boss sein? Derjenige, der das absurde Rundschreiben verfasst hatte?
Er musterte Casey aufmerksam. Plötzlich fühlte sie sich unwohl. Denn sie wusste genau, was er sah. Sie trug ihre Arbeitskleidung, Jeans und einen Arbeitskittel. Von der Hitze im Sudhaus musste ihr Gesicht gerötet sein. Und infolge der körperlichen Anstrengung war sie verschwitzt.
Vermutlich hielt er sie für eine Verrückte.
Ja, genau so war es wohl. Denn jetzt hoben sich seine Mundwinkel ganz leicht. Aber es war kein freundliches Lächeln. Wahrscheinlich machte er sich innerlich über sie lustig.
Nun, er würde schon merken, dass dies kein Witz war.
„Glückwunsch“, sagte er kühl, „Sie sind die Erste.“ Er hob den Arm, um auf seine Uhr zu schauen, die – wie Casey problemlos erkennen konnte – von einem sehr teuren Hersteller stammte. „Fünfunddreißig Minuten. Ich bin beeindruckt.“
Seine herablassende Art ließ Casey vergessen, wie attraktiv sie ihn eben noch gefunden hatte. Schließlich war sie hier, um ihm die Leviten zu lesen und nicht um ihn zu bewundern. „Sind Sie Mr. Richards?“
„Zebadiah Richards, ja. Ihr neuer Chef.“ Sein Ton klang jetzt drohend.
Dachte er etwa, er könnte sie einschüchtern? Wusste er denn nicht, dass sie, ebenso wie die meisten seiner Angestellten, nichts mehr zu verlieren hatte?
„Und wer sind Sie?“, fragte er.
Casey arbeitete seit zwölf Jahren in einer von Männern dominierten Branche und hatte es sich längst abgewöhnt, Furcht zu zeigen. „Ich bin Ihre Braumeisterin, Casey Johnson.“ Ein ganz gewöhnlicher Name, im Gegensatz zu Zebadiah. Sie hielt Richards das Rundschreiben hin. „Was soll das bedeuten?“
Seine Augen verrieten, dass er ehrlich erstaunt war. „Verzeihen Sie“, murmelte er, „den Braumeister hatte ich mir anders vorgestellt.“
Casey zuckte die Schultern. Sie war daran gewöhnt, dass die Leute sich über ihre Berufswahl wunderten. Anscheinend konnte kaum jemand sich vorstellen, dass eine Frau Bier liebte, und erst recht nicht, dass eine Frau Bier braute. Die meisten glaubten, ein Braumeister müsse wie Larry sein: über vierzig und mit einem ordentlichen Bierbauch. „Es ist nicht meine Schuld, dass Sie sich falsche Vorstellungen gemacht haben.“
Noch während sie sprach, wurde ihr klar, dass auch sie sich falsche Vorstellungen gemacht hatte. Nie und nimmer hätte sie geglaubt, dass der neue Brauerei-Eigentümer wie Richards aussehen würde. Sicher, ein maßgeschneiderter Anzug gehörte zu seiner Position. Aber sein muskulöser Körper und die grünen Augen … sexy!
Jetzt lächelte er. Und das war – verflixt noch mal – nicht gut! Es war deshalb nicht gut, weil er plötzlich nicht mehr hart und überheblich wirkte, sondern freundlich und humorvoll. Casey wurde wieder heiß.
„Da Sie die erste Person sind, die mich danach fragt, will ich Ihnen erklären, was es mit dem Rundschreiben auf sich hat. Obwohl ich hoffe …“, sein Ton wurde spöttisch, „… dass meine anderen Angestellten auch ohne Erklärung verstehen, was gemeint ist. Jeder hier muss sich bis morgen Abend um seinen Job bewerben.“
Sie war froh, dass er sich wieder in den arroganten Chef verwandelt hatte. Das half ihr, nicht in seinen Augen zu versinken, sondern sich auf ihr Anliegen zu konzentrieren. „Ach, ist das so?“, gab sie ebenso spöttisch zurück. „Wo haben Sie die Technik gelernt? In einem Online-Kurs für Manager?“
Seine Augen blitzten amüsiert auf.
Und schon wieder geriet Casey in Versuchung, ihn sympathisch zu finden. Aus Erfahrung wusste sie, dass nicht jeder ihre burschikose Art und ihre offenen Worte zu schätzen wusste. Im Allgemeinen mochten Männer es nicht, wenn Frauen es wagten, die männliche Autorität infrage zu stellen.
War dieser Richard anders? Verstand er ihren Humor? Teilte er ihn womöglich? Dann würden sie doch miteinander auskommen.
Aber Richards schaute bereits wieder kalt und abweisend. „Mit diesem Rundschreiben verfolge ich zwei Ziele. Erstens möchte ich erfahren, welche beruflichen Fertigkeiten meine Angestellten besitzen. Und zweitens möchte ich herausfinden, ob sie einfache Anordnungen befolgen können.“
So viel zu seinem Sinn für Humor … Männer, die so attraktiv waren wie er, brauchten wahrscheinlich keinen Humor. Bedauerlich, aber auch irgendwie beruhigend. Denn wenn er lächelte, sah er so umwerfend aus. So sexy, so faszinierend, dass sie sich heftig zu ihm hingezogen fühlte. Und das, obwohl sie wusste, wie schrecklich es wäre, sich nach dem Boss zu verzehren.
„Diese Brauerei kann auf eine lange Tradition zurückblicken, Mr. Richards“, stellte Casey fest. „Auch ohne Sie und Ihre zweifelhaften neuen Ideen sind wir seit vielen Jahren in der Lage, gutes Bier zu brauen.“
„Seit über hundert Jahren“, gab er zurück. „Aber Sie arbeiten erst seit einem knappen Jahr als Braumeisterin, wenn ich mich nicht täusche.“
Wäre sie nicht so wütend gewesen, hätten seine Worte ihr vielleicht Angst gemacht. Er konnte sie ja jederzeit hinauswerfen. Doch sie hatte weder Zeit noch Lust, darüber nachzudenken, ob sie bald arbeitslos sein würde.
„Ich habe mir meine Position ehrlich verdient. Und ehe Sie mich jetzt fragen, wie es kommt, dass ich die Vorgesetzte so vieler fleißiger Männer bin, sage ich Ihnen lieber gleich, was passiert ist. Der alte Braumeister und alle erfahrenen Brauer haben die Beaumont-Brauerei schon vor Monaten verlassen. Wenn Sie die Qualität unserer Biere erhalten wollen, dann müssen Sie sich damit abfinden, dass ich die Braumeisterin bleibe.“ Sie wedelte mit dem Rundschreiben. „Und ich habe keine Zeit für solchen Quatsch.“
Kein Vorgesetzter ließ sich gern von einer Angestellten zurechtweisen, doch Richards reagierte sehr besonnen. Gelassen musterte er Casey. „Warum nicht?“
„Warum was nicht?“
„Warum haben Sie nicht mal ein paar Minuten Zeit, um einen Lebenslauf zu schreiben?“
Schweißtropfen standen Casey auf der Stirn. Und als ihr ein Tropfen ins Auge fiel, dachte sie erschrocken, dass das womöglich so wirkte, als weinte sie. „Ich habe keine Zeit, weil ich mit viel zu wenig Personal arbeite. Und zwar seit mehr als neun Monaten. Ich erledige die Arbeit von drei Leuten. Und den anderen geht es ebenso. Wir alle sind überarbeitet und …“
„Und deshalb haben Sie keine Zeit, meine Anweisungen zu befolgen“, unterbrach er sie.
„Genau!“ Sie kannte ihn nicht gut genug, um zu erkennen, ob er Verständnis zeigte oder sich über sie lustig machte. „Wenn Sie wollen, dass wir genug Bier brauen, um alle Bestellungen rechtzeitig auszuliefern, hat keiner von uns Zeit, überflüssigen Schreibkram zu erledigen.“
„Dann stellen Sie ein paar Leute ein.“
„Was?“ Casey riss die Augen auf.
Er zuckte die Schultern. Es war eine geschmeidige Bewegung. Sexy.
Warum, zum Teufel, war er so umwerfend männlich?
„Stellen Sie so viele Leute ein, wie Sie brauchen. Aber ich will auch deren Lebensläufe und Bewerbungsschreiben sehen.“
Verflucht, ich werde Larry helfen müssen, einen Lebenslauf zu schreiben. Laut sagte sie: „Sie heben den Einstellungsstopp auf? Man hat uns gesagt, Neueinstellungen würde es erst geben, wenn die Brauerei aus den roten Zahlen ist.“
Richards trat an den Konferenztisch und fuhr mit der Fingerspitze über die glänzende hölzerne Oberfläche. Es war eine seltsam zärtliche Geste.
Casey bekam eine Gänsehaut.
„War es Chadwick Beaumont, der den Einstellungsstopp verordnet hat?“
Auch Richards Stimme klang jetzt anders. Weich und beinahe liebevoll. Casey staunte. Der Mann schien sich vollkommen verändert zu haben und kam ihr jetzt irgendwie bekannt vor. An wen erinnerte er sie bloß?
„Es war Logan“, erklärte sie.
„Ah“, murmelte er. Dann machte er einen weiteren Schritt in den Raum.
Nun fiel das Licht durch das große Fenster auf sein Gesicht. Es war gebräunt. Nein, nicht gebräunt, sondern von Natur aus etwas dunkler als ihres. Vielleicht hatte er afroamerikanische Wurzeln, trotz der grünen Augen.
„Das heißt“, vergewisserte er sich, „dass der einzige Nicht-Beaumont in seiner Funktion als Geschäftsführer Vorgaben gemacht hat, die die Existenz der Brauerei gefährden?“
Etwas an der Art, wie er „der einzige Nicht-Beaumont“ sagte, bewirkte, dass Casey ihn noch einmal aufmerksam musterte. Seine Haltung, der Schnitt seines Gesichts, die grünen Augen… Und dann begriff sie, warum er ihr so vertraut vorkam. Dieser Mann erinnerte sie an Chadwick.
Gütiger Himmel! Er war ein Beaumont!
Ihre Knie drohten nachzugeben, und sie stolperte einen Schritt nach vorn, um sich am Konferenztisch abzustützen. Noch immer starrte sie den neuen Boss an. „Um Gottes willen!“, stieß sie hervor. „Sie sind einer von ihnen, nicht wahr?“
Er steckte beide Hände in die Taschen, erwiderte kurz Caseys Blick und ging dann zum Schreibtisch. „Wie bitte? Was meinen Sie?“ Seine Stimme klang abweisend.
Casey ließ sich nicht einschüchtern. Inzwischen hatte sie sich so weit gefasst, dass sie ihm zum Schreibtisch folgte. Da stand sie nun und betrachtete Richards, der im Chefsessel Platz genommen hatte. Er saß aufrecht. Genau wie Chadwick und Hardwick Beaumont vor ihm. Die Ähnlichkeit zwischen den drei Männern war jetzt offensichtlich.
„Um Gottes willen“, wiederholte Casey, „Sie sind einer seiner unehelichen Söhne.“
Er lehnte sich zurück, und sein Gesicht wirkte verschlossen. Da gab es keine Spur von Humor oder menschlicher Wärme. „Dazu werde ich mich nicht äußern. Zumindest nicht vor der geplanten Pressekonferenz am Freitag.“
„Es gab immer Gerüchte, dass Hardwick mehrere uneheliche Kinder hatte. Die sogenannten Beaumont-Bastarde.“ Ja, er muss einer von ihnen sein. Alle Beaumonts sehen außergewöhnlich gut aus. Und er … er ist einfach umwerfend. Neben ihm könnte man sogar so beeindruckende Männer wie Chadwick oder dessen Bruder Matthew übersehen. „Hardwick Beaumont ist Ihr Vater, nicht wahr?“
Er schwieg.
Überlegte er, ob er sie trotz allem feuern sollte? Casey verdrängte ihre Zukunftssorgen und erinnerte sich stattdessen an all das, was sie in den letzten Wochen über Zeb Richards gehört hatte. Dass er irgendwie einen Weg gefunden hatte, AllBev dazu zu bringen, die Beaumont-Brauerei an ihn zu verkaufen, und dass er dabei extrem zielstrebig und rücksichtslos vorgegangen war. Jetzt ergab sein Verhalten einen Sinn. Er wollte sich an den Beaumonts rächen.
Bis vor wenigen Sekunden kannte ich nur die Gerüchte über Hardwicks uneheliche Söhne. Und plötzlich steht einer von ihnen als neuer Eigentümer der Brauerei vor mir. Ist das nun eine gute oder eine schlechte Nachricht?
Richards beugte sich nach vorn und sagte ruhig: „Wir sind vom Thema abgekommen. Sie sind unangemeldet in mein Büro gestürmt, um mit mir über das Rundschreiben zu sprechen.“
Sie kam sich vor wie eine Flasche Bier, die man ausgiebig geschüttelt, aber nicht geöffnet hatte. Würde sie gleich explodieren? Sie holte tief Luft und ließ sich auf einen Stuhl vor dem Schreibtisch sinken. „Einige der Angestellten arbeiten seit mehr als zwanzig Jahren hier. In all dieser Zeit haben sie nie einen Lebenslauf oder gar eine Bewerbung schreiben müssen. Sie werden in Panik geraten, wenn sie sich nun bis morgen Abend schriftlich um ihren langjährigen Job bewerben sollen. Und das, obwohl sie gute Arbeit leisten und dazu beitragen, dass wir hervorragendes Bier brauen! Ist Ihnen eigentlich klar, was Sie von diesen Leuten verlangen?“ Casey straffte die Schultern. „Sind Sie mit unserer Angebotspalette vertraut, Mr. Richards?“
„Angebotspalette?“ Um seine Mundwinkel zuckte es. „Wir stellen Bier her und verkaufen es.“
Sie verdrehte die Augen. Was zu ihrem Erstaunen bewirkte, dass Richards nun offen grinste. Verflixt, es war nicht gut, ihn zum Lächeln zu bringen. Er wirkte dann noch attraktiver. Ein Schauer überlief Casey. Lag das daran, dass Richards so unglaublich männlich aussah? Oder war es nur eine Folge davon, dass sie aufgeregt und verschwitzt von ihrer Arbeit im Sudhaus in sein Büro gestürmt war?
„Ich bin Ihnen dankbar dafür, dass Sie mir gestatten, neue Mitarbeiter einzustellen. Doch die müssen erst einiges lernen, ehe sie so viel Verantwortung übernehmen können wie meine erfahrenen Leute. Es erfordert Konzentration und Hingabe, gutes Bier zu brauen. Wenn Sie jetzt darauf bestehen, dass die Angestellten ihre Zeit mit Papierkram verschwenden, riskieren Sie, dass die Qualität unserer Biere darunter leidet.“
Er schwieg.
„Das Bier ist Ihnen doch nicht gleichgültig, oder?“, drängte Casey.
Er starrte sie an, als müsste er ein Geheimnis ergründen.
Was sollte das? Sie hatte doch klar und verständlich gesagt, was sie meinte.
„Ich interessiere mich sehr für unser Bier“, erklärte er schließlich. „Auch weiß ich Ihre Bereitschaft, die Angestellten zu verteidigen, zu schätzen. Trotzdem ist es mir wichtig herauszufinden, ob diejenigen, die hier arbeiten, Anweisungen befolgen können und …“, er machte eine kurze Pause, „…und außerdem in der Lage sind, die Firma in eine neue Richtung weiterzuentwickeln.“
„Eine neue Richtung? Wir werden doch weiterhin Bier brauen. Wir wollen doch nicht plötzlich etwas ganz anderes tun. Uns mit Apps beschäftigen zum Beispiel.“
„Wir werden uns ganz bestimmt mit Apps beschäftigen. Deshalb muss ich wissen, wer von unserer Belegschaft fähig ist, an Neuerungen mitzuarbeiten. Die Beaumont-Biere haben Marktanteile verloren. Momentan brauen wir siebentausend Gallonen pro Tag. Deutlich weniger als vor ein paar Jahren. Das hängt sicher damit zusammen, dass zurzeit die Nachfrage nach Craft-Bieren so groß ist. Denken Sie nur an Percheron Drafts. Wir müssen mit dieser Entwicklung Schritt halten.“
Unwillkürlich stieß Casey einen erleichterten Seufzer aus. Richards interessierte sich wirklich für Bier. Für ihn war die Leitung der Brauerei mehr als ein Spiel.
„Ich kann nachvollziehen, warum Logan die Kosten drücken wollte. Aber meiner Meinung nach war es ein falscher Schritt. Wir müssen in die Entwicklung neuer Produkte investieren. Wir müssen auch unseren Kundenstamm vergrößern, Werbung machen. Zum Beispiel über die sozialen Medien.“
Und über Apps, setzte Casey im Stillen hinzu. Sie war verunsichert. Sie liebte ihren Job und wollte weder ihn noch die Freude an ihrer Arbeit verlieren. Aber dieser Zeb Richards verhielt sich anders als die Geschäftsführer, mit denen sie bisher zu tun gehabt hatte. Sie horchte in sich hinein. Und plötzlich erhellte ein Lächeln ihr Gesicht. Was Richards gesagt hatte, ergab Sinn. Es konnte funktionieren. Dann würde sie nicht mehr bis zur Erschöpfung arbeiten müssen, sondern wieder spüren, wie wunderbar es war, Bier zu brauen.
„Dass die Beaumont-Brauerei auf eine lange Tradition zurückblicken kann, macht einen Teil ihrer Erfolgsgeschichte aus“, stellte Richards fest. „Auch deshalb musste Logan scheitern. Die Angestellten haben Chadwick gemocht. Sie hatten auch Sympathie für seinen Bruder Phillip, der für die Vermarktung zuständig war. Nach ihrem Weggang geriet die Brauerei – bildlich gesprochen – ins Schlingern.“
Casey nickte. Damals verlor die Brauerei Kunden und Marktanteile, aber vor allem engagierte Mitarbeiter und ihre Kenntnisse. Sie hatte unter Logans Leitung ihre Tradition verloren.
Ich bin nichts weiter als eine Frau, die Bier mag und die ihr Möglichstes tut, gutes Bier zu brauen. Aber ich allein kann die Brauerei nicht retten.
Würde Richards es können? Er war erst seit zwei Stunden hier, aber er hatte Ideen und die Energie, sie in die Tat umzusetzen. Wenn er durchhielt, würde sich vielleicht alles zum Guten wenden. Und sofern er wirklich ein Beaumont war – gleichgültig ob ehelich oder unehelich geboren –, würde er durchhalten.
„Ihr Ziel ist es, die Brauerei in eine profitable Zukunft zu führen?“, fragte Casey, die wusste, dass man einen Beaumont nie unterschätzen durfte.
Er suchte ihren Blick, schaute ihr fest in die Augen.
Wieder wurde ihr heiß. Verflixt!
„Ich habe Pläne, Miss Johnson. Ich kümmere mich um das Geschäftliche. Und Sie kümmern sich um das Bier.“
„Hört sich gut an“, murmelte sie. Dann erhob sie sich, da sie das Gespräch für beendet hielt.
„Moment! Wie viele neue Mitarbeiter benötigen Sie?“, rief Richards.
„Mindestens zehn, und zwar in erster Linie Leute zur Wartung der Anlage. Ist Ihnen klar, dass Bierbrauen zum größten Teil automatisiert ist? Wir müssen hauptsächlich dafür sorgen, dass zum richtigen Zeitpunkt der richtige Knopf gedrückt wird. Aber das funktioniert nur, wenn unsere Ausrüstung vollkommen in Ordnung ist. Wenn man erst einmal ein Rezept für ein gutes Bier hat, muss man mehr über die Instandhaltung der Kessel, Rührwerke und sonstigen Geräte wissen als über den Brauprozess selbst.“
Richards zog zweifelnd die Augenbrauen hoch.
„Die Instandhaltung ist eine verantwortungsvolle und arbeitsintensive Aufgabe“, fuhr Casey unbeirrt fort. „Man macht sich schmutzig und kommt ins Schwitzen. Ich brauche mindestens acht Leute, um einen Braukessel innerhalb einer Stunde auseinanderzunehmen, zu reinigen und wieder zusammenzusetzen.“
„War das die Arbeit, die Sie ausgeführt haben, ehe Sie herkamen?“
„Woraus haben Sie das geschlossen?“, fragte sie ironisch.
Er lachte.
Und wieder spürte sie diese Faszination, die von ihm ausging. Sie versuchte, sich gegen seine Anziehungskraft zu wappnen. Attraktive Männer wie er gaben sich nicht mit Frauen wie ihr ab.
„Ich mache Ihnen einen Vorschlag, Miss Johnson. Sie und Ihre direkten Untergebenen brauchen keinen Lebenslauf abzugeben. Stattdessen werden Sie mir ein paar neue Biersorten vorstellen, aus denen ich diejenigen auswählen kann, die wir zukünftig auf den Markt bringen wollen.“
„Was?“
„Auf die Art können Sie Ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen, ohne sie schriftlich darzustellen.“
„Aber …“
„Sie sind doch Braumeisterin und wissen, wie man Bier braut.“
„Ja.“
„Dann verstehe ich nicht, wo das Problem liegt.“
„Ich kann keine neue Biersorte aus dem Hut zaubern. Ich muss neue Rezepte testen. Auch der Brauprozess selbst braucht seine Zeit. Im Übrigen kann ich erst anfangen, wenn ich neue Mitarbeiter habe.“
„Wie lange wird es dauern, bis Sie mir zwei oder drei neue Sorten vorstellen können?“
„Mindestens zwei Monate.“
„Gut. Ich gebe Ihnen drei.“
„Es wäre hilfreich, wenn ein Marketing-Fachmann uns sagen könnte, was gerade beliebt ist.“
Richards schüttelte den Kopf. „In meiner Brauerei werden die Biere gebraut, die mir schmecken.“
„Dann sollten Sie mich darüber aufklären, was Sie mögen.“ Sie errötete und setzte hinzu: „In Bezug auf Bier.“
Jetzt grinste er schon wieder. „Ich hätte nichts dagegen, Ihnen irgendwann nach der Arbeit zu zeigen, was ich mag.“
Was für ein aufdringlicher Kerl! Nun gut, das machte es einfacher, seiner Anziehungskraft zu widerstehen.
„Mr. Richards“, sagte sie, „wenn Sie wirklich ein Beaumont sind, müssen Sie sich entscheiden, zu welcher Sorte Sie gehören wollen. Wenn Sie wie Ihr Vater sind und nicht wie Ihr Bruder, dann werden Sie sich bald nach einem neuen Braumeister umschauen müssen.“ Damit wandte sie sich ab und verließ das Büro hoch erhobenen Hauptes.
Es fiel Zeb leicht, Caseys Drohung zu vergessen. Nicht an Casey zu denken erwies sich hingegen als äußerst schwierig.
Ihm war von Anfang an klar gewesen, dass sein Rundschreiben Protest hervorrufen würde. Er hatte den Protest sogar einkalkuliert. Denn er wollte nicht nur herausfinden, wer Anweisungen befolgen konnte, sondern auch, wer sich widersetzte und warum. Hinzu kam, dass diejenigen, die ihm innerhalb so kurzer Zeit aktuelle Lebensläufe vorlegen konnten, vermutlich nur auf eine Chance warteten, anderswo eine bessere Stelle zu finden.
Dass Casey Johnson ihn als Erste wegen des Rundschreibens aufgesucht hatte, erschien wenig überraschend, wenn man bedachte, dass sie offenbar klug und ehrgeizig war. Eine außergewöhnliche Frau eben. Sonst hätte sie weder eine so verantwortungsvolle Position in der Brauerei übernommen noch so schnell erkannt, dass er zu den unehelichen Söhnen Hardwick Beaumonts gehörte. Erstaunlich war nur, dass sie nicht versucht hatte, mit ihm zu flirten.
Im Übrigen hatte er noch nie eine junge Frau getroffen, die sich so furchtlos mit ihrem Chef anlegte. Es war wahrhaftig nicht leicht, sie zu vergessen.
Aber er hatte eine Menge zu tun. Und so griff er schließlich nach seinem Handy und wählte Daniel Lees Nummer.
„Hallo?“
„Daniel? Ich bin’s, Zeb. Kann ich auf dich zählen?“
Bis vor Kurzem hatte Daniel verschiedene hochrangige Politiker beraten und dafür gesorgt, dass sie gute Wahlergebnisse erhielten. Er kannte sich mit Medien aus und war geübt darin, die öffentliche Wahrnehmung zu steuern. Außerdem war er, genau wie Zeb, ein Beaumont-Bastard.
„Wo bist du?“, erkundigte Daniel sich, ohne auf Zebs Frage einzugehen.
„In der Beaumont-Brauerei. Ich möchte die Pressekonferenz am Freitag abhalten. Es wäre schön, wenn du dabei sein könntest. Gemeinsam werden wir der ganzen Welt zeigen, dass die anderen Beaumonts uns nicht länger ignorieren können.“
Daniel antwortete nicht sofort. Vermutlich stellte er strategische Überlegungen an. Zeb schätzte seine strukturierte Art. Alles, was Daniel tat, war die Folge genauer Analysen. Alles war gut durchdacht.
Allerdings wollte Zeb nicht, dass die Beziehung zu seinem Halbbruder rein geschäftlicher Natur war. Die beiden kannten sich noch nicht sehr lange, mochten sich aber sehr. Vor zwei Monaten hatten sie sich zum ersten Mal getroffen. Zeb hatte mehrere Hunderttausend Dollar für die Suche nach seinen unehelich geborenen Halbgeschwistern ausgegeben. Seitdem wünschte er sich, Daniel an seiner Seite zu haben, wenn er die Bombe platzen ließ.
„Was ist mit CJ?“, fragte Daniel.
„Er will nicht mitmachen.“
CJ war auch einer von Hardwicks unehelichen Söhnen. Doch anders als Zeb und Daniel schien er das geschäftliche Geschick und den Ehrgeiz seines Vaters nicht geerbt zu haben.
Als die drei Halbbrüder sich vor zwei Monaten zum Dinner trafen, hatte Zeb berichtet, dass er kurz davor stand, die Beaumont-Brauerei zu übernehmen und sein rechtmäßiges Erbe anzutreten. Daniel hatte sich nach kurzem Überlegen bereit erklärt, Zeb zu unterstützen. CJ hingegen hatte kein Interesse gezeigt. Seine Mutter hatte schon bald nach der Trennung von Hardwick geheiratet, und CJ war von seinem Stiefvater adoptiert worden. Die Beaumonts waren ihm ebenso gleichgültig wie die Brauerei. Nicht einmal den Kontakt zu seinen Halbbrüdern wollte er aufrechterhalten.
„Schade“, sagte Daniel, „ich hatte gehofft, CJ würde sich uns anschließen.“
„Ja, schade. Aber letztlich brauchen wir ihn nicht. Du allerdings solltest bei der Pressekonferenz dabei sein. Unsere Zeit ist gekommen. Wir sind Beaumonts, und wir lassen uns nicht länger verleugnen. Außerdem möchte ich allen beweisen, dass wir die Brauerei erfolgreicher führen können als Hardwick und seine ehelichen Söhne.“
„Du kannst auf mich zählen. Vorausgesetzt, dass ich Chef der Marketing-Abteilung werde.“
„Das ist genau das, was ich mir wünsche.“
„Okay. Ich hoffe nur, dass du dich nicht täuschst, was die glorreiche Zukunft der Brauerei angeht.“
„Natürlich nicht.“ Zeb lachte.
Am späten Nachmittag fand Zeb Zeit, sich von Delores durch die verschiedenen Bereiche der Brauerei führen zu lassen. Diese Tour unterschied sich sehr von der am Morgen. Jetzt kam Zeb nur langsam voran, weil er allen Abteilungsleitern mitteilte, dass die Einstellungssperre aufgehoben war. Zudem ließ er sich von einzelnen Angestellten ihre Aufgaben erklären.
Es gefiel ihm, dass mehrere der Führungskräfte ihn um Termine für Gespräche unter vier Augen baten. Einige schlugen vor, einen Bericht über die Situation in ihren Arbeitsbereichen vorzulegen, statt jeden einzelnen Angestellten zu verpflichten, einen Lebenslauf vorzulegen. Offenbar waren sie bereit, den eigenen Kopf zu riskieren, um ihre Untergebenen zu schützen.
Da Zeb sich weder den Ruf eines Weichlings noch den eines Sklavenschinders einhandeln wollte, erklärte er sich bereit, sich vorerst mit den schriftlichen Berichten zufriedenzugeben. Doch innerhalb der folgenden Woche wollte er auch die Lebensläufe sehen.
Das Sudhaus war die letzte Station, die Zeb und Delores aufsuchten. Er war sich nicht sicher, ob diese Reihenfolge sinnvoll war oder ob seine Assistentin lediglich versuchte, eine weitere Auseinandersetzung zwischen ihm und Casey Johnson so weit wie möglich hinauszuzögern.
Es war heiß im Sudhaus, und es arbeiteten – wie Casey gesagt hatte – nur wenige Menschen dort. Sie trugen Arbeitskittel, Haarnetze sowie Schutzbrillen, und sie benutzten Tablets. Was bewies, dass der Brauprozess tatsächlich weitgehend automatisiert war.
„Wie viele Leute waren vor zwei Jahren hier beschäftigt?“, wollte Zeb von Delores wissen.
Auch sie hatte ein Tablet dabei. Bisher hatte sie darin alle Informationen gefunden, die der neue Chef verlangte.
Zwei Jahre zuvor hatte Chadwick Beaumont die Brauerei mit sicherer Hand geleitet und stetig Gewinne erwirtschaftet. Leider hatte das einigen Aufsichtsratsmitgliedern nicht genügt. Sie hatten auf Leon Harper gehört, der auf einen Verkauf der Brauerei drängte. Harper hatte mit dem Deal Millionen verdient. Und Chadwick hatte seinen Chefsessel räumen müssen.
Während Zeb darauf wartete, dass Delores ihm die Zahl der damals im Sudhaus Beschäftigten nannte, hörte er nur das leise Summen der Geräte. Bis plötzlich jemand laut zu hämmern begann.
„Zweiundvierzig“, brüllte Delores, um den Lärm zu übertönen. Dann zeigte sie nach unten. Und Zeb sah vier in Jeans gehüllte Beine, die unter einem Braukessel hervorschauten.
Delores warf ihm einen kurzen Blick zu, ehe sie zögernd „Casey?“ rief.
Zeb hatte sich gefragt, ob Delores wohl wusste, warum Miss Johnson am Vormittag in sein Büro gestürmt war. Er war sich noch immer nicht darüber im Klaren, was er von der temperamentvollen Braumeisterin halten sollte. Sie war eigentlich zu jung für ihren verantwortungsvollen Job. Andererseits war sie so engagiert und furchtlos, dass man ihr Respekt zollen musste.
Vermutlich ahnte sie nicht einmal, wie wenig Menschen es auf der Welt gab, die den Mut aufbrachten, unangemeldet in seinem Büro aufzutauchen und ihm Vorhaltungen zu machen. Und die wenigen, die es wagten, ließen sich meistens rasch von ihm einschüchtern.
Sie nicht! Sie hatte ihm sogar mit Kündigung gedroht, falls er sich schlecht benahm. Hatte sie damit gemeint, dass er ihr nicht zu nahe kommen dürfte? Unwillkürlich musste er grinsen. Im Allgemeinen waren die Frauen ganz scharf auf ihn. Er war reich, attraktiv und Single. Das machte ihn begehrenswert. Frauen wollten ihn, weil sie sich an seiner Seite eine goldene Zukunft erhofften.
Casey Johnson träumte offensichtlich nicht davon, ihn zu erobern. Sie war verschwitzt und wütend in sein Büro gestürmt und hatte nicht gezögert, sich auf eine Auseinandersetzung mit ihm einzulassen. Und sie war praktisch als Siegerin aus dem Streit hervorgegangen.
Das genügte, um ihn neugierig zu machen auf diese ungewöhnliche Frau.
„Keine Zeit“, ertönte jetzt ihre Stimme seltsam verzerrt, weil sie unter dem Kessel lag. Dann setzte das Hämmern wieder ein.
Zeb hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten. Und Delores sah aus, als hätte sie Kopfschmerzen. Trotzdem stieß sie leicht mit der Fußspitze gegen einen der kleineren Schuhe.
Das Hämmern hörte auf.
„Casey, Mr. Richards ist hier.“
„Verflixt!“ Es gab ein dumpfes Geräusch, die Beine bewegten sich, und schließlich tauchte Casey auf. Genau wie alle anderen trug sie einen Arbeitskittel, ein Haarnetz und eine Schutzbrille.
„Hallo, Miss Johnson.“ Dass sie keine Schönheit war, hatte er schon in seinem Büro bemerkt. Und das Haarnetz machte sie nicht hübscher. Dennoch faszinierte sie ihn. Da war zum Beispiel diese kleine Narbe auf ihrer Wange, die ihn an ein Spinnennetz erinnerte.
„Sie schon wieder“, stellte Casey verärgert fest.
Beinahe hätte er laut gelacht. Aber da er der Chef war, beherrschte er sich. Trotzdem fand er es erfrischend, jemandem zu begegnen, der nicht vor ihm buckelte. Ähnelte er darin seinem Vater oder eher seinem Bruder Chadwick? Was genau mochte Casey gemeint haben, als sie erklärte, er müsse sich entscheiden, ob er wie sein Bruder oder wie sein Vater sein wollte? Viel wusste er nicht über die beiden. Eigentlich nur das, was man im Internet über sie finden konnte. Zum Beispiel, dass beide die Brauerei sehr erfolgreich geführt hatten.
Die Leute, die jetzt hier arbeiteten, hatten vermutlich beide gekannt und hätten genau gewusst, worauf die Braumeisterin anspielte.
Zeb bemerkte Delores’ erschrockenes Gesicht und wunderte sich nicht, dass ihre Stimme streng klang, als sie sagte: „Casey, Mr. Richards möchte die einzelnen Abteilungen der Brauerei kennenlernen. Wollen Sie ihm nicht ein wenig über die Arbeit im Sudhaus erzählen?“
Einen Moment lang sah Casey zerknirscht aus. Und Zeb hatte das Gefühl, dass Delores so etwas wie die heimliche Chefin der Brauerei war.
Dann war der Augenblick vorbei. Casey schüttelte den Kopf. „Keine Zeit. Irgendetwas stimmt mit dem Kessel nicht. Ich muss mich um das Problem kümmern. Kommen Sie morgen wieder, Mr. Richards.“ Damit verschwand sie unter dem kupfernen Ungetüm.
„Ich möchte mich für Miss Johnsons Verhalten entschuldigen“, murmelte Delores. „Sie …“
Er hob abwehrend die Hand und stieß nun selbst mit der Fußspitze erst gegen einen Schuh der Braumeisterin und dann gegen einen der anderen Person.
Gleich darauf tauchte nicht nur Casey auf, sondern auch ein übergewichtiger, etwa fünfzigjähriger Mann. Er sah aus, als stünde er kurz vor einer Panikattacke.
„Was?“, verlangte Casey zu wissen.
„Wir müssen uns treffen, um über die Produktpalette der Brauerei zu sprechen.“
Casey verdrehte die Augen.
Dolores schluckte – und versuchte zu retten, was zu retten war. „Wollen Sie nicht lieber mit jemandem reden, der über unsere Umsätze Bescheid weiß?“
„Nein.“ Er maß Casey mit einem harten Blick. Dass sie ihn in seinem Büro respektlos behandelt hatte, war eine Sache. Hier, wo es Zeugen gab, konnte er sich ein solches Benehmen nicht bieten lassen. „Ich möchte neue Biersorten auf den Markt bringen. Sorten, die meinem Geschmack entsprechen. Deshalb müssen Sie, Miss Johnson, zumindest wissen, welche Biere mir schmecken.“ Jetzt musterte er den Kessel. „Wann können Sie ihn wieder nutzen?“
Sie zuckte die Schultern. „Schwer zu sagen. Wenn ich ständig bei der Arbeit unterbrochen werde …“ Doch plötzlich huschte ein Lächeln über ihr Gesicht.
Zeb erwiderte ihr Lächeln nicht, sondern rief sich seinen Terminkalender in Erinnerung. „Sie essen am Dienstag mit mir zu Mittag“, befahl er. „Dann besprechen wir alles.“
Zu seinem Erstaunen nickte sie. „Okay. Und jetzt muss ich weitermachen.“
„Sie ist jung und leicht erregbar“, meinte Delores entschuldigend, als sie mit Zeb das Sudhaus verließ. „Aber sie ist auch sehr gut.“
„Hm …“, brummte Zeb. „Sorgen Sie dafür, dass so bald wie möglich all die Leute eingestellt werden, die sie für ihr Team braucht“
„Ich danke Ihnen, dass Sie gekommen sind“, sagte Zeb und ließ den Blick über die besorgten Gesichter der Menschen wandern, die sich um den Konferenztisch in seinem Büro versammelt hatten. In zwanzig Minuten würde die Pressekonferenz beginnen, und Zeb hatte alle Führungskräfte der Brauerei zu sich bestellt, um sie auf das Kommende vorzubereiten.
Er verstand sehr gut, warum sie so ängstlich waren. In den letzten Monaten waren sie immer zusammengerufen gerufen worden, um schlechte Nachrichten zu erfahren. Zusätzlich verunsichert waren sie, weil Zeb darauf bestanden hatte, dass alle ihre Handys, Smartphones und Tablets in Delores’ Büro zurückließen. So wollte er verhindern, dass die große Neuigkeit vorzeitig bekannt gemacht wurde.
Nur eine Person im Raum schaute ihn so an, als wisse sie, worum es ging. Es war Casey Johnson, die heute ganz anders aussah als bei ihren früheren Begegnungen. Sie war sorgfältig frisiert und trug eine lila Bluse und eine elegante Hose. Ohne die spinnwebartige Narbe auf ihrer Wange hätte Zeb sie womöglich gar nicht erkannt.
„Wir müssen den Medien vermitteln, dass wir zusammenstehen und dasselbe Ziel verfolgen“, begann Zeb. „Die Beaumont- Brauerei wird Marktanteile zurückerobern und besseres Bier brauen als je zuvor. Und ich erwarte, dass Sie alle mich dabei unterstützen …“, er atmete einmal tief durch, „… insbesondere weil die Brauerei jetzt wieder im Besitz der Familie ist. Hardwick Beaumont war mein Vater.“
Ein allgemeines Gemurmel setzte ein, erstaunte Ausrufe waren zu hören. Nur Casey sah so aus, als könnte sie nicht glauben, dass bisher niemand außer ihr die Wahrheit erkannt hatte. Wahrscheinlich, dachte Zeb, ahnt sie nicht einmal, wie außergewöhnlich sie ist. Doch vor ihr hatte niemand in ihm etwas anderes gesehen als einen Geschäftsmann aus Atlanta.
„Einige von Ihnen“, fuhr Zeb fort, „haben Daniel Lee, den neuen Chef unserer Marketing-Abteilung, bereits kennengelernt. Auch Daniel ist Hardwicks Sohn. Deshalb werde ich den Presseleuten gleich mitteilen, dass die Brauerei wieder fest in den Händen der Familie Beaumont ist.“
Erneutes Gemurmel.
Es verstummte, als Zeb weitersprach. „Ich weiß, dass mein Halbbruder Chadwick über einen ausgeprägten Sinn für Familientradition und Familienehre verfügt. Das hat er bewiesen, als er die Brauerei leitete. Ich verspreche Ihnen hier und jetzt, dass ich es ihm gleichtun werde, auch wenn mein Name nicht Beaumont lautet. Kann ich dabei auf Ihre Unterstützung zählen?“
Er bemerkte, dass Casey sowohl ihn als auch Daniel eingehend musterte, während andere die Köpfe zusammensteckten und miteinander flüsterten.
„Weiß Chadwick, was Sie tun?“, rief jemand.
„Noch nicht. Als Eigentümer von Percheron Drafts zählt Chadwick zur Konkurrenz. Ich wünsche ihm viel Erfolg, so wie Sie das sicher auch tun. Aber er wird nicht hierher zurückkehren. Die Beaumont-Brauerei gehört jetzt mir. Wir alle wollen nach vorn schauen. Ich habe Pläne, die ich auch der Presse vorstellen werde. Zum Beispiel werden wir mit neuen Biersorten auf den Markt gehen. Auch die Art, wie wir für unsere Produkte werben, wird sich ändern. Dafür ist Daniel Lee verantwortlich.“
Ein älterer Mann erhob sich. „Der letzte Geschäftsführer wollte die Brauerei in den Ruin treiben.“
„Der letzte Geschäftsführer war kein Beaumont!“
Die Feststellung schien keineswegs alle Anwesenden zu beruhigen.
Da meldete Casey sich zu Wort. „Ich kann natürlich nur für mich sprechen“, erklärte sie. „Ich jedenfalls möchte gutes Bier brauen. Und wenn Sie, Mr. Richards, sagen, dass das unser Ziel ist, dann bin ich dabei.“
Zeb nickte ihr zu und musterte dann die anderen Anwesenden. Er war sich sicher, dass er am kommenden Montag ein paar Kündigungen auf seinem Schreibtisch vorfinden würde. Aber die meisten schienen bereit, ihn zu unterstützen.
Der ältere Mann, der offensichtlich große Achtung unter den Angestellten genoss, schaute Zeb fest an und fragte: „Was genau erwarten Sie von uns?“
„Sie sollen an der Pressekonferenz teilnehmen, sich dabei jedoch im Hintergrund halten. Ich werde der Einzige sein, der redet. Von Ihnen erwarte ich, dass Sie durch Mimik und Gestik deutlich zeigen, mit wie viel Optimismus Sie in die Zukunft sehen, und dass Sie bereit sind, Ihr Bestes zu geben.“
„Lächeln Sie“, sagte Daniel.
Alle Blicke waren jetzt auf ihn gerichtet.
„Ich möchte, dass Sie sich in einer Reihe aufstellen und Zeb und mir nach draußen folgen. Versammeln Sie sich auf der großen Treppe vor dem Hauptgebäude. Dort wird die Pressekonferenz stattfinden. Jeder von Ihnen ist wichtig. Gemeinsam sind wir das Gesicht der Beaumont-Brauerei. Lächeln Sie also in die Kameras.“
Erneutes Murmeln. Dann öffnete Delores die Tür „Mr. Richards, es ist so weit.“
Daniel stellte sich neben Delores und gab Anweisungen, in welcher Reihenfolge die Anwesenden Zebs Büro verlassen sollten. Zeb verschwand noch einmal kurz im Bad, um sich frisch zu machen.
Er empfand eine ungewohnte Nervosität. Konnte er wirklich auf die Unterstützung seiner Angestellten hoffen? Ihr Vertrauen war so wichtig! Würde es ihre Einstellung beeinflussen, dass er ein Beaumont war? Viele Jahre lang hatten nur drei Menschen davon gewusst: seine Eltern und er selbst. Doch jetzt würde er es öffentlich machen. Hardwick war vor einiger Zeit gestorben, und niemand konnte Zeb zwingen, das Geheimnis seines Vaters noch länger zu wahren. Aber wie würde die Welt die Neuigkeit aufnehmen?
Zeb straffte die Schultern und ging zurück in sein Büro. Dort hielt sich nur noch eine Person auf. Casey. Aus irgendeinem Grund fühlte Zeb sich plötzlich viel besser.
„Konnte ich die Leute überzeugen?“, fragte er sie. Ihre Meinung war ihm überraschend wichtig.
Casey antwortete nicht sofort, sondern überlegte einen Moment lang. „Ich denke, die meisten sind auf Ihrer Seite. Doch möglicherweise verlieren Sie alle Mitarbeiter der Marketing-Abteilung.“
„Glauben Sie? Hat das damit zu tun, dass ich einen Außenseiter wie Daniel zum Chef der Abteilung gemacht habe?“
„Ja.“ Sie seufzte. „Sind Sie sicher, das Richtige zu tun?“
„Können Sie ein Geheimnis bewahren?“
„Wenn ich jetzt Ja sage, entgegnen Sie, dass Sie das auch können. Stimmt’s?“
Seine Nervosität war jetzt beinahe ganz verschwunden. Offenbar war ein Gespräch mit Miss Johnson genau das Richtige, um ihn von seinen Sorgen abzulenken. „Ich schließe aus Ihren Worten, dass Sie nicht in der Lage sind, ein Geheimnis zu bewahren“, neckte er sie. Und als sie widersprechen wollte, fuhr er fort: „Es ist Ihnen doch klar, dass ich die Zukunft der Brauerei in die Hände einer jungen Braumeisterin gelegt habe, der es einerseits an Erfahrung mangelt und die andererseits ein Problem damit hat, dem Boss gegenüber höflich zu sein. Trotzdem vertraue ich Ihnen, Miss Johnson. Sie sollten versuchen, mir auch ein wenig Vertrauen entgegenzubringen.“
In ihrem Gesicht konnte Zeb lesen wie in einem Buch. Beim Pokern hätte sie vermutlich jede Runde verloren. Ihre Miene spiegelte Entrüstung über den Vorwurf, dann Freude über das Kompliment und schließlich so etwas wie Verlegenheit wider. Und dann errötete sie.
Sie sieht bezaubernd aus!
„Sie vertrauen mir?“, fragte sie ungläubig.
„Ich habe gestern Abend ein Glas Bier getrunken. Da Sie seit etwa einem Jahr die Stellung der Braumeisterin innehaben, gehe ich davon aus, dass Sie für den Geschmack verantwortlich waren. Es war ein sehr leckeres Bier. Und deshalb vertraue ich Ihnen.“
Ihre Lippen öffneten sich ein wenig. Und Zeb spürte unerwartet den Wunsch, diese Lippen zu küssen.
Verflixt! Er schob den Gedanken weit von sich. Was war nur los mit ihm? Gleich musste er einer Horde neugieriger Reporter entgegentreten. Und er dachte daran, wie es wäre, seine Braumeisterin zu küssen. Was für eine absurde Idee!
Ihm fiel ein, dass Casey ihm mit Kündigung gedroht hatte. „Wenn Sie wie Ihr Vater sind und nicht wie Ihr Bruder, dann werden Sie sich nach einem neuen Braumeister umschauen müssen“, hatte sie gesagt. Und er wusste noch immer nicht, worin die beiden sich unterschieden hatten.
Was er wusste, war, dass er Casey küssen wollte. Er konnte der Versuchung, sich zu ihr hinabzubeugen, kaum widerstehen.
Caseys Augen weiteten sich.
„Lassen Sie mich nicht im Stich“, murmelte er.
Ehe sie etwas darauf antworten konnte, wurde die Tür aufgerissen, und Daniel rief: „Miss Johnson, Sie sind noch hier? Wir warten auf Sie!“ Dann tauschte er einen Blick mit Zeb. „Noch zwei Minuten!“
Casey wandte sich zum Gehen. „Lassen Sie die Brauerei nicht im Stich!“
Er hoffte sehr, dass er das nicht tun würde.
Zeb sprach nun schon seit einer ganzen Weile. Und Casey wusste, dass sie konzentrierter zuhören sollte. Doch tatsächlich drangen nur Schlagworte wie „hochwertige Biere“ oder „Familienbetrieb“ in ihr Bewusstsein. Ihre Gedanken waren mit anderem beschäftigt. Zum Beispiel damit, dass Zeb behauptet hatte, er würde ihr vertrauen. Das war so verwirrend, dass sie es kaum glauben konnte. Schließlich hatte sie sich ihm gegenüber sowohl bei ihrem ersten Treffen in seinem Büro als auch bei seinem Besuch im Sudhaus aufbrausend und ablehnend verhalten. Was an ihrem Benehmen hätte ihn dazu bringen sollen, ihr zu vertrauen?
Sicher, alle, die im Sudhaus arbeiteten, respektierten sie und vertrauten ihr. Aber diese Leute kannten sie seit zwölf Jahren. Sie hatte sich deren Achtung verdient. Anfangs hatte sie die unangenehmen Arbeiten erledigen müssen. Sie hatte es mit dem gleichen Eifer und dem gleichen Erfolg getan, mit dem sie nun Bier braute. Das wussten alle dort. Zeb Richards allerdings konnte es nicht wissen, denn er war gerade erst Eigentümer der Brauerei geworden und hatte nur zwei Mal mit ihr geredet.
Vielleicht hatte er gelogen, als er sagte, er würde ihr vertrauen. Ein erfolgreicher Geschäftsmann wie er war vermutlich geübt darin, stets die richtigen Worte zu finden – selbst wenn sie nicht der Wahrheit entsprachen. Gute Menschenkenntnis und Geschicklichkeit im Umgang mit Verhandlungspartnern und Untergebenen waren wahrscheinlich Voraussetzungen dafür, reich und mächtig zu werden.
Plötzlich wurde Casey sich der wachsenden Spannung um sie her bewusst. Instinktiv wusste sie, dass Zeb im Begriff war, die Bombe platzen zu lassen.
Und richtig! „Hardwick Beaumont war mein Vater“, verkündete er.
Einen Moment lang wurde es mucksmäuschenstill. Die Journalisten schienen schockiert zu sein. Und dann begannen alle gleichzeitig, Zeb mit Fragen zu überschütten.
„Können Sie beweisen, dass Sie Hardwick Beaumonts Sohn sind?“
„Wissen Sie, ob er noch weitere uneheliche Kinder hat?“
„Seit wann haben Sie geplant, die Brauerei zu übernehmen?“
Casey hörte nur mit einem Ohr hin, so sehr konzentrierte sie sich darauf, Zebs Miene zu studieren.
Die Reporter drängten sich um ihn und wetteiferten, wessen Frage er als erste beantworten würde. Die meisten Männer wären wohl zurückgewichen, wenn sie an Zeb Richards Stelle gewesen wären.
Er allerdings ließ sich nicht die leichteste Unsicherheit anmerken. Er stand an dem Rednerpult, das zu nutzen Daniel ihm geraten hatte, und schaute die Journalisten an, als handelte es sich bei ihnen um nichts Aufregenderes als einen Mückenschwarm. Schweigend wartete er, bis es wieder ruhig geworden war. Und auch dann ging er auf keine der vielen Fragen ein, sondern fuhr einfach mit seiner Rede fort.
Es war beeindruckend.
Sein Selbstbewusstsein war beeindruckend.
Seine Rede war beeindruckend.
Sein Aussehen war beeindruckend.
Jetzt erst fiel Casey auf, dass Daniel Lee an seiner Seite stand. Auch er wirkte beeindruckend. Und obwohl die Halbbrüder so verschieden aussahen, gab es unübersehbare Ähnlichkeiten. Ihre Haltung erinnerte Casey an Chadwick. Und tatsächlich hatten alle drei das typische Beaumont-Kinn.
Gerade verkündete Zeb, dass er das Familienunternehmen zurück zum Erfolg führen und die Familienehre wiederherstellen würde.
Und ich, dachte Casey, welche Rolle spiele ich dabei?
Nach dem College hatte sie nur ein Ziel gekannt: Sie wollte in der Brauerei arbeiten. Damals war Hardwick Beaumont bereits ein älterer Mann gewesen. Ein Mann, der den Frauen das Gefühl gab, er könnte sie mit seinen Blicken ausziehen. Ein Mann, der seine Hände nicht bei sich behalten konnte. Deshalb hatte Wally Winking, der alte Braumeister, Casey an ihrem ersten Arbeitstag um ein Gespräch unter vier Augen gebeten. Er hatte ihr gesagt, sie erinnere ihn an seine Enkelin, und deshalb wolle er ihr einen Rat geben. Sie sollte darauf achten, niemals allein mit Hardwick zu sein.
Sie hatte nicht nachfragen müssen, warum.
Vorhin – dessen war sie sich sicher – hätte Zeb sie beinahe geküsst. Das war ein Verhalten, das sie an seinen Vater erinnerte. Aber dann hatte er sich beherrscht und ihr stattdessen gesagt, dass er Vertrauen in ihre Fähigkeiten habe. Diese Art von Respekt hatte Chadwick seinen Angestellten entgegengebracht.
Sollte sie mit ihrem Vater darüber sprechen? Er lebte in der ständigen Furcht, sie könnte ihren Job verlieren. Und er bemühte sich so sehr, sie vor allen Enttäuschungen zu bewahren – was zugleich rührend und schwierig war.
Sie überlegte. Was genau sollte sie ihm erzählen? Vermutlich würde er sie in den Nachrichten sehen. Sie war eine der Personen hinter Zeb Richards, der gerade alles, was man über die Beaumonts zu wissen glaubte, ad absurdum geführt hatte.
Casey beschloss, ihrem Vater eine SMS zu schicken, sobald sie ihr Handy zurückbekommen hatte.
In diesem Moment begannen die Reporter wieder, Fragen zu rufen. Doch Zeb wandte sich ungerührt ab und schritt die Stufen hinauf zum Hauptgebäude. Daniel Lee gab den versammelten Führungskräften der Brauerei zu verstehen, dass sie dem Boss folgen sollten.
Zeb hatte die Eingangstür beinahe erreicht, als eine hübsche junge Journalistin sich ihm in den Weg stellte. „Gibt es noch mehr von Ihrer Sorte?“, fragte sie und bot ihm einen tiefen Einblick in ihr Dekolleté.
Vermutlich waren es ihre Brüste, die Zeb dazu brachten, von seinem Vorsatz abzuweichen, nichts weiter zu sagen. „Ich weiß von einem weiteren Halbbruder.“
Nun schrien alle durcheinander.