Ost West RaskaSagen-Kurzgeschichten für Kinder und Senioren - Hermann Reimer - E-Book

Ost West RaskaSagen-Kurzgeschichten für Kinder und Senioren E-Book

Hermann Reimer

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Beschreibung

Der Begriff - RaskaSagen besteht aus dem russischen Wort rasskas (Geschichte) und dem deutschen Wort - Sage (laut Wikipedia - eine besondere Literaturgattung). Naturbezogene Kurzgeschichten aus dem Süd Ural, Orenburg und Deutschland. Sprachtraining - zum sinnieren

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Kinderstreiche der 50 - 70

Mein Großvater

Seltsame beeindruckende Ereignisse

Jagd und Fischereigeschichten

Paintball Sport

Die Kirschenpflücker

Der Ziesel fang

Die Fischerei und Jagt Geschichten am Süd Ural

RaskaSagen - zweisprachige Kurzgeschichten

Ost-West Hundegeschichten

Die Hundemaile

Inhaltsverzeichnis – содержание на русском.

Die Atombombe

Der Erlensee - Deutsch

Anhang.

Kurze Lebensgeschichte der Familie Ewert aus Bogomasowo

Der Begriff - RaskaSagen besteht aus dem russischen Wort расказ (Geschichte) und dem deutschen Wort - Sage (laut Wikipedia - eine besondere Literaturgattung).

Vorwort:

Der Begriff Raskasagen ist von mir - Hermann Reimer erfunden worden.

Mein erstes Kurzgeschichtenbuch für Kinder – die Ost-West „Raskasagen“ widme ich meinem Großvater Hermann Gerzen und Oma Lena, die beide haben meine frühe Kindheit bedeutend geprägt, und tun es bis in die Gegenwart.

Kinderstreiche der 50er – 70 Jahren.

Im frühen alter, als wir Kinder noch nicht allzu viel Verantwortung im Alltag tragen mussten und viel Freie Zeit hatten, war das Leben für uns trotzdem hektisch und anstrengend. Immer wieder fiel uns was ein, auch viel Unsinn, wenn der Tag lang war. Und er war damals für uns lang. So machten wir mitunter unabsichtlich den Eltern viel Ärger. Man sagte uns einfach, wenn ihr viel Brotkruste esset, dann werdet ihr schneller Groß, so folgten wir fleißig diesem Rat und sammelten mühsam unsere Lebenserfahrungen.

Kleine Kinderstreiche - Potpourri aus den 50 - 70 Jahren, in Prosa.

Streich 1. Der Held.

Es war die Mittagszeit. Im Zimmer war es dunkel, nur ein paar Lichtstrahlen drangen durch den Spalt der Fensterläden ins Zimmer und flackerten an der Wand. Das gleichmäßige Ticken einer alten Wanduhr und das zackige Surren einer Hausgrille, die angeblich Glück ins Haus bringen sollte, machten das alles langweilig und entspannend. Es war angenehm kühl in diesem alten, robusten Siedlerhaus, weil die Wände aus Lehmziegeln gebaut waren und eine Stärke von 50 Zentimetern hatten. Der Junge konnte nicht einschlafen und überlegte sich, die Mittagspause einfach zu unterbrechen. In der Regel mussten alle Kinder auf dem Land jeden Tag nach dem Mittagessen eine Ruhepause einlegen. Er stand auf, schlich langsam durch das kleine Zimmer und die Küche zur Tür und ging nach draußen. Hier war es glühende heiß und im ersten Moment wurden seine Augen von der strahlenden Sonne geblendet, so dass er fast nichts sehen konnte. Dann ging er langsam zur Straße, setzte sich auf den Bürgersteig, mit den Füßen im Graben, und schaute gähnend das ganze Dorf entlang. Niemand aus seiner Clique war da, nach einer kurzen Überlegung ging er dann schräg über die Straße zu den Unger-Jungs, sie waren weitläufige Verwandten und spielten oft zusammen. Auf dem Hofe war es stillstill, die Fensterläden waren alle verriegelt, die Eingangstür war von innen verriegelt und das deutete an, dass im Haus noch alle schliefen. Dann kam ihm plötzlich ein guter Gedanken. Der Junge sammelte alle Fensterladen-Riegel zusammen, die die Läden festhielten damit der Wind nicht mit ihnen Klappern und versteckte sie im tiefen Gras bei der großen Pappel, die bestimmt seit Beginn der Umsiedlung im Vorgarten wuchs. Dann ging er wieder nach Hause, um abzuwarten bis alle im Dorf wieder wach werden. Das komische Gefühl das er irgendetwas falsch gemacht hatte, ließ ihn aber nicht los. Nach vielleicht einer oder zwei Stunden ging er hinüber zu den Ungers. Alle waren wach. Tante Maria, die Mutter der Jungen ging herum und war unzufrieden. Sie sprachen immer brummend vor sich hin. Man hatte ihr im Dorf einen Spitznahmen gegeben: das Brummeisen. Der Junge Frage nach, was los sei. Irgendjemand hat uns alle Riegel von den Fenstern geklaut. Was das überhaupt bedeuten soll, kann ich nicht verstehen. Dabei blieb es dann. Die Kinder gingen spielen, aber das gewiesen plagte den Jungen und er führte das Spiel so, dass die Kinder während des Spiels auf das Versteck stießen. Jetzt waren alle wieder glücklich, die Riegel fanden wieder ihren Platz an den Fensterläden und der Junge wurde als Held des Tags gefeiert.

Streich 2. Die Wassermelonen.

In diesem Sommer waren die Wassermelonen der Kolchose neben der Badestelle bei der Insel angepflanzt. Anfang August, als die Melonen anfingen zu reifen, wurde dort ein Wächter eingestellt. In diesem Jahr war das der alte Hermann Gerzen. Das Feld war von drei Seiten mit Windschutzhecken umgeben. Äußerlich sah es so aus, als ob hier nicht viel los sei, aber in den Hecken herrschte reges Leben, da versuchte manch einer sein Glück. Unsere Clique und wir waren die Kleinsten, wartete auch stundenlang auf ihre Chance, auf den Moment, wenn der Wächter ein Schläfchen hielt. Schnell liefen wir dann Aufs Feld, packten ein paar Melonen und verschwinden in den Hecken. Meistens waren die Früchte noch Grün oder rosa. Sie schmeckten auch nicht besonders, aber es war heiß und es machte Spaß, sich auf solche Art den Durst zu löschen. Nach stundenlangem Kampf waren die Bäuche dann so voll, dass wir uns kaum bewegen konnten. trotzdem versuchten wir es wieder und wieder und nahmen einen Anlauf nach dem anderen, bis der Wächter sich blicken ließ. Jetzt nahm jeder noch ein paar Melonen mit zum Fluss, dort wurde dann eine Wette gemacht, wer die Melonen am weitesten kullern lassen konnte, ohne dass sie zerplatze. Danach wurde wieder gebadet. Zum Abend, auf dem Rückweg nach Hause, wurde All das noch einmal wiederholt, dann herrschte Ruhe. Das Kuriose an dieser Sache war, dass der Wächter mein Großvater war und wir zu jeder Zeit so viel Essen konnten, wie wir wollten.

Streich 3. Die Raucher. Wie alle Balgen im Leben machten auch wir mit unserer Clique immer wieder unzählige Versuchstests. So begannen wir richtig früh genug zu testen, wie das so mit dem Rauchen ist. Angefangen haben wir dann irgendwann mal mit trockneten Blättern, danach versuchten wir getrockneten Pferdemist. Daran hatte man aber keinen besonderen Spaß und Genuss. Die Hauptsache an diesen Rauchergeschichten war aber, dass man etwas Verbotenes tat und mit Streichhölzern in der Hosenasche durch die Gegend lief. Jahre später entdeckten wir dann eine Quelle. Großvater hatte auf dem Dachboden eine Menge selbst angebauten Tabak zum Trocknen aufgehängt. Wir gingen durch das Schuppenloch hinauf, stopften uns die Hosentaschen voll Tabak und hauten ab. Nachdem das passende Versteck gefunden war, das war meistens bei den Weiden hinter dem Ort, wurde so lange gequantelt bis uns übel wurde. Als Mutter dann eines Tages die Hose in die Wäsche nahm, entdeckte sie den strengen Tabakgeruch und merkte, dass die Taschen alle von Tabak verdreckt waren. Ich bekam eine gute Tracht Prügel, was dann die ersten Testversuche mit dem Rauchen vorerst beendete.

Mennoniten Pferdekutsche mit Federung.

Streich 4. Die Pferdewagenschmiere. In unserer Clique hatten die meisten ein Kreuz Rad. Das war für uns so gut wie ein Motorrad für die Erwachsenen, ein Fortbewegungsmittel. Wir verbrachten mit diesem Kreuz Rad viel Zeit unterwegs und waren ständig am Basteln und Reparieren. Es waren zwei gekreuzt zusammengenagelte Weidenstöcke. Unten wurde eine Achse aus demselben Material angebracht. Auf die Achse wurde in der Mitte ein kleines Rad aufgesetzt und von beiden Seiten ein Nagel reingehauen, damit das Rad in der Mitte lief. Dazu gab es Oben noch einen Querstock, damit hatte man einen Lenker in den Händen. Tagelang waren wir mit diesem Gerät unterwegs. Wir liefen einfach barfuß durch die Gegend, fuhren mit unseren Motorrädern um die Wette und hatten unseren Spaß. Aber ob und zu mussten die auch gewartet werden. So fuhren wir dann in der Mittagspause zum Pferdestall.

Da musste das Rad seine Schmiere abbekommen. Im Stall stand immer ein Eimer mit Wagenschmiere. Dort wurde dann die Achse geschmiert und wir fuhren wieder. Auf Dauer wurde es uns dann aber lästig und wir überlegten uns, den Eimer zu entwenden und in einer Johannisbeeren-Hecke zu verstecken. Somit war die ungestörte Wartung gesichert. Später, irgendwann mal im Herbst, als das Laub weg war und die Hecke durchsichtig wurde, fand man den Eimer und brachte ihn zurück. Man rätselte noch lange nachher und konnte sich nicht erklären, weshalb dieser Eimer mit Schmiere in solche Entfernung vom Pferdestall gekommen war. Ich bin mir sicher, dass bis heute noch keiner der Männer weiß, welche Kräfte diesen Eimer damals dahin getragen haben.

Erzählung 5. Unsere Clique. Seit dem ersten Schuljahr bestand unsere Clique aus fünf Personen. Die anführende Position hatten immer die aus den älteren Klassen, das waren Jakob Unger und Wolodja Barg, sie gingen auf die dritte Klasse, die Untergeordneten waren Viktor Epp erste Klasse, ich zweite Klasse und Johan Unger, der einzige ohne Subordination rechte, er ging noch nicht zur Schule. Eines Tages verkündete Wolodja, dass sein Onkel Johan Barg morgen zur Fuhrt (Durchfahrt) fahren wolle, um Waschsand für den Wohnungsausbau zu holen. Er sagte, dass wir alle mitfahren dürften. Am nächsten Tag warteten wir alle sehnsüchtig nach der Mittagsruhe beim Pferdestall auf den Onkel. Endlich kam er und wir halfen eifrig mit beim Anspannen der Pferde, und waren voller Hoffnung, dass es gleich losgehe. Als wir alle im Wagen saßen, fragte er: „Was wollt ihr denn? Mit so vielen habe ich nicht gerechnet. Wolodja und Jakob dürfen mit, die anderen bleiben zu Hause.“ So entschieden wir uns, alle zusammen zurück zu bleiben. Der Wagen klapperte langsam um die Ecke und wir waren im überlegen, wie es weiter gehe. Dann sagte Wolodja, um die Sache gut zu machen ,,Hört mal, wir waren voriges Mal mit Onkel Wanj (Johan) bei den Lehmkuhlen beim Teich und haben da gebadet. Es ist da sehr gut, gehen wir da hin.“ Es war auch nicht besonders weit dahin und die Sonne stand hoch, und es war sehr heiß. Als wir endlich bei dem Teich waren, zeigte Wolodja uns die Stelle, wo sie mit dem Onkel gebadet hatten. Tatsächlich war die Badestelle gut, es wurde allmählich tiefer, und wir hatten großen Spaß und planschten herum wie verrückt. Dann sagte Wolodja mit einem Mal: „Wir haben hier mit Onkel Johan geschwommen, und ich kann schon schwimmen. Es war für uns eine Neuigkeit, von uns konnte damals noch niemand so recht schwimmen, und das wussten wir genau. Plötzlich planschte er los und rief ,,Ich schwimme, ich schwimme.“ Wir meinten, dass er Witze mache und uns mit seiner Planscherei veralbern wolle. Niemand nahm das ernst. Plötzlich wurde er langsam ruhiger und rief ,,Ich gehe unter“ und verschwand unter der Wasseroberfläche. Wir starrten erschrocken und verängstigt auf das Wasser. Niemand war da und wir wussten noch nicht, was uns passiert war, dass unser Freund Wolodja einfach ertrunken war. Nach einer kurzen Zeit, es waren vielleicht fünf bis sieben Minuten, kam er noch einmal hoch auf die Wasseroberfläche, aber zu sehen war nur noch sein Rücken. Jetzt wurde uns erst richtig bewusst, was passiert war und dass wir Hilfe brauchten. Wir bekamen höllische Angst und liefen zum Bauwagen, der nicht weit vom Teich stand. Dort sollten Weißrussen sein, Vertragsarbeiter, die für die Kolchose im Sommer Lehmziegeln machten und daraus Viehstallungen bauten. Der Bauwagen, eine alte Traktor Bude, war aber von innen verriegelt, so dass wir nicht hereinkommen konnten. Alles rundum war still. Da wir vor diesen fremden Männern Angst hatten, flüsterten wir leise, klopften ein paar Mal an die Tür und beschlossen für uns, dass niemand da sei. Zerstreut und verunsichert gingen wir langsam zurück zum Teich. Wolodja war nicht da, seine Kleider lagen am Ufer und wir mussten eine Entscheidung treffen. So entschieden wir uns, seine Kleider zu nehmen und nach Hause zu laufen. Zuerst liefen wir, bis alle ganz aus der Puste waren, danach gingen wir noch ein Stück und endlich waren wir dann im Dorf. Alle hatten furchtbare Angst. Wir Kleineren gingen nach Hause und Jakob der mit Wolodja auf eine Klasse ging musste zu Tante Lena Barg gehen und den Verlust ihres Sohnes melden. Ich war noch nicht mal ganz im Hause, als ich hörte und sah, wie Tante Lena die Straße entlang in Richtung Teich lief und weinend schrie ,,Wolodja, Wolodja, mein Wolodja, er ist ertrunken, hilft mir.“ Wir mussten jetzt alle schleunigst zum Teich, um die Stelle anzuzeigen, wo er ertrunken war. Nach ein paar Stunden hatte man ihn dann endlich gefunden. Weiter kann ich mich nur noch erinnern, wie die Dorfkrankenschwester Tamara Solopowa, immer wieder ohne Erfolg die Wiederbelebungsmaßnahmen durchführte, aber es war zu spät. Wolodja war tot. Nach zwei Tagen war dann eine große Beerdigung im hinter Garten ihres Hauses, im Wald der Familie Epp. So hatten wir durch Übermut und Feigheit einen guten Freund verloren.

Streich 6. Das süße Leben. Um unseren Bedarf an Süßem ein wenig zu reduzieren, mussten wir uns immer wieder etwas einfallen lassen. Durch Zufall erfuhren wir, dass es im Speicher der Kolchose eine Tür gab, die mit einem blinden oder ausgeleierten Schloss abgeschlossen war. Weshalb so etwas passieren konnte, wussten wir nicht, aber es kam uns gelegen und wir nutzten es. Das war der hintere Teil des alten Clubgebäudes, der vorübergehend als Speicher genutzt wurde. Da entdeckten wir auch eine große Milchkanne voller Honig. Nach einer kurzen Zeit waren wir alle satt. Diese Stelle im Ort konnten wir aber nicht so von heute auf morgen aufgeben. Immer wieder liefen wir dahin, kosteten mit Genuss von dem Honig und ließen es uns gut schmecken. Später kamen auch die anderen Dorfcliquen dahinter und machten fleißig mit. Im Herbst, zum Schulanfang, war die Milchkanne dann leer. Die Kolchose musste diesen enormen Verlust einfach so hinnehmen, und wir sammelten

Erfahrungen für die Zukunft unseres Lebens.

Streich 7. Die Möhren. In der Nachbarschaft bei Unger lebte zu der Zeit der predsedatel selsoweta (Bürgermeister) Johann Kreker. Irgendwie hatten wir mit ihm Zoff, weil wir seinen Sohn Peter verhauen hatten. Er hatte geklagt und wir bekamen Ärger. So beschlossen wir, es ihm heimzuzahlen und überlegten uns, was wir anrichten könnten. Dann ging es an die Möhren. Dicht an der Johannesburger-Hecke waren bei den Kreker mehrere Möhren-reihen angepflanzt. Die Reihen waren um die 15 Meter lang, die Hecke bot gutes Versteck und der Tag war lang. Wir zogen einer nach dem anderen ein Bündel Möhren, schleppten sie in die Hecke und machten uns an die Arbeit. Am Anfang wurden sie abgerubbelt und gegessen, bis man nicht mehr konnte. Danach wurden sie einfach auf einen Haufen geschmissen. Um die Möhren aus dem harten Boden zu ziehen, brauchte es viele Versuche, und das Kraut riss immer wieder ab. So wurden die Reihen langsam kürzer und kürzer, sie wurden kahl. Nach Tagen fleißiger Arbeit war die Aktion beendet und die Rache süß. Natürlich gab es später Ärger, aber wir gestanden die Tat nicht und kamen ungeschoren davon.

Streich 8. Der Chauffeur. Jeden Sommer zur Erntezeit kamen Helfer aus den Städten zu uns aufs Land, und das waren eine Menge LKW für den Korntransport zum Elevator (Staatlicher Sammelpunkt) nach Sorochinsk. In diesem Jahr waren es Autos aus Petersburg, vier der Fahrer waren bei uns einquartiert und Mutter kochte für sie Essen. Es waren verschiedene Autos, unter denen gab einen SIS 5, zwei moderne GAS 51, und einen großen SIS 355, und das war auch noch ein Kipper, was zu der Zeit selten war. Wir Kinder hatten uns schnell mit den Schafeuro angefreundet und durften öfters mal mitfahren. Auf Dauer reichte es mir aber nicht aus, obwohl die Fahrten lange dauerten. Bis nach Sorochinsk dauerte eine Fahrt manchmal mit Wartezeiten zum Abladen einen ganzen Tag lang. Da ich in die Fahrkunst schon eingeweiht war und öfters mal auf dem Schoß des Fahrers sitzend lenken durfte, fühlte ich mich in der Sache ganz sicher und kannte mich mit den Autos gut aus. An Tagen, an denen alle außer Haus waren und ruhig im Kino saßen, nutzte ich die Gelegenheit aus, um zu fahren. Die Türen der Autos waren meistens nicht abgeschlossen, nur die Zündschlüssel gezogen, das war’s. Der Anlasser lief bei den alten Modellen ohne Zündschlüssel. Ich drückte einfach auf das Anlasser-Pedal und das Auto bewegte sich, wenn der Gang eingelegt war. So fuhr ich dann mehrere Meter nach vorne und dann wieder zurück. Nach einiger Zeit wollte das Auto dann nicht mehr, dann ließ ich einfach alles stehen und ging davon. Am nächsten Tag wurde dann immer geschimpft, wieso das Auto wieder mal nicht anspringe und dass irgendwie der Akkumulator nichts tauge. Ich und niemand anderer wusste, dass es nur an mir lag, und nur ich alleine kannte das Geheimnis, wie man ohne Hilfe der Erwachsenen fahren konnte. So fuhr ich dann regelmäßig, den ganzen Sommer hindurch.

Streich 9. Die Telefonisten. Langsam wurden wir älter. Mein Klassenkamerad, mit dem wir gemeinsam die Schulbank drückten, war Alexander Tatarcuk. Sein Vater war Radiomechaniker und war zuständig für das Dorfradio. Tatarcuks hatten eine Menge Ersatzteile im Hause, da der Vater die meisten Radios aus der ganzen Gegend reparierte. Wir wurden auch langsam schlauer und überlegten, selber ein Radio zu bauen. Tagelang tüftelten wir herum und brachten es auch tatsächlich so weit, dass unser Detektor Radio Empfang hatte. Unser Programm wurde immer umfangreicher. So hatten wir die Vision, ein Telefonnetz zwischen unseren Häusern aufzubauen. Im ganzen Dorf gab es zu der Zeit nicht allzu Viele Telefone. Einen Anschluss gab es in der Kolchose -verwaltung, den zweiten beim predsedatel selsoweta (Bürgermeister), das dritte Telefon war in der Post und noch eins bei der Molkerei. Dieses funktionierte aber irgendwie nicht, oder es waren da die Batterien leer. So entschieden wir uns, einen Teil dieser Telefone zu konfiszieren. Für unser Netz brauchten wir nur zwei Telefone, und aus unserer Sicht war es auch nur gerecht, wenn zwei in der Kolchose und in der Post blieben und zwei an uns gingen. Zuerst wurde das Telefon aus der Molkerei entwendet. Das merkte auch niemand, weil es einfach nicht im Gebrauch war und weil es in einem Abstellraum war, wo die Veterinäre (Tierärzte) ihre Medikamente aufbewahrten. Mit dem zweiten wurde es schwieriger, es klappte immer wieder nicht. Da wir uns aus unserer Sicht schon gut mit den Telefonen auskannten, beschlossen wir, einfach das Mikrofon aus dem Hörer herauszunehmen, den Apparat würden wir schon irgendwie nachbauen. So holten wir eines Tages das Mikro aus dem Hörer des Bürgermeisters. Die Mutter von Alexander war da Putzfrau, so nahmen wir eines Abends, als alle im Kino waren, einfach die Schlüssel, gingen hin und machten unsere Sache. Gebracht hat es uns damals überhaupt nichts. Wir hatten vielmehr großen Kummer damit, diese Telefone los zu werden. Nach ein paar Monaten gingen wir wieder zur Molkerei und stellten das Telefon einfach zurück. Niemand hatte sein Fehlen bemerkt. Damit war das Kapitel Kommunikationselektronik für uns beendet.

Streich 10. Die Scharfschützen. Manchmal, wenn uns die Langeweile quälte, gingen wir in fremdes Revier, dieses Mal war das der Viehstall der Kolchose. Im Sommer war hier nichts los, die Kühe waren im Sommerlager in Anenskoj auf der Weide. Im Stall war es angenehm kühl und niemand konnte uns hier stören. Hier gab es viele Ratten und wir erprobten öfters, wer am besten traf und der beste Schütze war. Die Ratten waren aber so schnell und schlau, dass man sie nur äußerst selten mit einem Stein treffen konnte. So machten wir dann einfach eine Wette: Wer am besten in eine ausgefallene Fensterscheibe träfe, der könne beim Äpfel klauen Schmiere stehen. Plötzlich traf jemand daneben und zerschlug ein heiles Fenster. Der Klang der zerplatzten Fensterscheibe machte Spaß und alle zielten plötzlich auf heile Fenster. So schlugen wir damals viele Fensterscheiben kaputt. Nach einiger Zeit hörten wir beim Pferdestall, dass die Männer darüber lachend lästerten, dass der Johan Stob seinen Sohn Jakob mit den Jungs dahin geschickt habe, um alle Fensterscheiben zu zertrümmern, um so Geld zu verdienen. Natürlich war es Unsinn, aber eins war richtig: Er war Glaser und verdiente durch unsere Frechheit Geld.

Streich 11. Ludja – oder der Geizhals. Die Schule hatte in diesem Jahr zwei Hektar Mais angepflanzt. Damit beschäftigte sich unser Botanik Lehrer David Klassen. Er war ein tüchtiger Mann mit Köpfchen. So half er der Kolchose, Maisaatgut von einer alten bewährten Sorte Kickaskaja, die mal von Siedlern ins Land gebracht wurde, zu erwirtschaften. Andererseits verdiente die Schule Geld und Ansehen und wurde von der Kolchose mit Ausflügen in verschiedene Städte in den Sommerferien belohnt. Die Maiskolben die auf dem Feld von uns Schülern gesammelt wurden, brachte man zur Diele in eine Scheune, dort wurden sie von den Mädchen geschält und in Bündeln zum Trocknen auf den Dachboden der Schule gebracht. Wir Jungs hatten wie immer die leichtere Aufgabe und durften diese Bündel bis zur Schule tragen. Der rund 300 Meter weite Weg führte über den Hof von Ludja. Wer ihm wann diesen Spitznahmen gegeben hatte, weiß ich nicht, aber er bedeutete so viel wie „Geizhals“. Beim Tragen fielen immer wieder ein Paar Maiskolben ab, die dann zum Feierabend eingesammelt wurden. Die ganze Arbeit dauerte wochenlang und wir, Viktor Kreker, der bis zur fünften Klasse mein Freund war (später zu Silvester zogen sie weg nach Podolsk) und ich, beobachteten es immer wieder, dass der Alte da herumschlich und die Kolben heimlich, wenn gerade niemand da war, einsammelte und auf dem Pferdewagen, der auf dem Hof stand, unter dem Heu versteckte. Wir motzten ihn dann im Vorbeigehen manchmal an, aber er ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und ging seiner Sache geduldig nach. Ludja war ein riesiger langsamer Mann, der niemandem schadete. Im Dorf war er beliebt als Geldverleiher und half öfters jemandem aus der Not. Dieses Versteckspiel mit dem Alten bereitete uns richtig Spaß, und immer, wenn wir gegen ihn waren, fielen uns ein Paar Bündel herunter. Dann ging er schnell die fünf bis acht Schritte, nahm die Bündel, ging schnell zurück zum Wagen und die Sache war im Kasten. Tage nachdem die Aktion mit dem Mais gelaufen war und wir wieder in der Schule am Untereicht waren, stand er plötzlich in der Pause beim Plumpsklo, das an seinen Hof grenzte, und winkte uns freundlich zu. Als wir zu ihm kamen, sagte er kurz ,,Na ihr beiden, kommt mal mit, ich will euch was geben.“ Wir gingen ihm nach, dann holte er von hinter dem Brunnen im Stall eine Flasche heraus. Die Flasche war groß und war mit einem Maiesstrunk zugesteckt, es war eine 750-Gramm-Flasche und sie war halb voll. Wir konnten uns nicht vorstellen, was das für ein Getränk war, aber wir waren von dieser Geschichte fasziniert. Er guckte uns so verdächtig an und sagte: „Das ist Honig Met und es schmeckt lecker. Aber trinkt ihn nicht auf einmal.“ Wir bedankten uns und liefen weg. Zur Schule konnten wir jetzt aber mit dieser Flasche nicht und wir beschlossen, diese Flasche bei ihm hinten in der Scheune zu verstecken. Als wir in der Scheune waren, kam uns der Gedanke, dass jemand unsere Flasche finden könnte. Dann wären wir sie los. Wir kosteten paar Schlucke von diesem Getränk und es schmeckte wirklich köstlich. Schluck für Schluck war die Flasche schließlich leer. Die große Pause in der Schule war auch gleich zu Ende und wir bewegten uns zum Unterricht. Schnell liefen wir zur Schule, gingen in die Klasse und setzten uns. Damals wussten wir nicht, was Alkohol ist. Natürlich wussten wir, dass man von Schnaps betrunken wird, aber von Honig Met hatten wir noch niemals gehört. Als der Unterricht dann zu Ende war, waren wir vom Alkohol ganz angeschlagen. Die Klassenkameraden waren ganz verwirrt von unserer Schwäche, die Lehrer konnten sich auch nicht vorstellen, was mit uns passiert war, und wir wurden schleunigst nach Hause gebracht. So blieb diese Geschichte mit den Maiskolben unser Geheimnis, das Geheimnis von drei Männern, vom alten Ludja (David Stob) und uns.

Streich 12. Der Gaul. Nicht weit vom Dorf, etwa einen Kilometer entfernt, gab es einen kleinen Espen Wald (osinnik), der wurde einfach „die Bäume“ genannt. Bei diesen Bäumen gab es zur damaligen Zeit ein Sommerlager für die Kälber. Die Gatter für die Kälber waren im Schatten aufgebaut, im Wald daneben gab es einen Brunnen und das war’s. Die Kälber haben sich hier bestimmt wohl gefühlt, weil sie im Freien waren, konnten einen Teil des Tages auf der Wiese herumlaufen und zartes Gras fressen. Zwei Mal am Tag wurden sie noch mit Rahm getränkt, was aus der Molkerei in Milchkannen angefahren wurde. Die Milch wurde in diesem Sommer von einem Jungen, Johan Dick (Dite Wanj), gefahren, er war drei Jahre älter als wir und machte seine Arbeit ordentlich. Er musste die Milchkannen bei der Molkerei im Dorf selber aufladen, zu den Bäumen bringen und da abladen. Das war eine schwere Arbeit und er hatte uns für diese Sache mobilisiert. Dafür dürften wir mit ihm dann den Rest des Tages mit dem Eierwagen herumfahren. Natürlich mussten wir dafür eine Erlaubnis haben, aber mit der Erlaubnis klappte es meistens. Nach der geleisteten Arbeit machten wir uns dann auf den Weg zum Fluss Tok, um uns und den Gaul zu baden. Eines Tages, als wir unterwegs waren, sagte Johan lässig, dass dieser Gaul, er hieß Udaleij (der Glückpilz), eine Gangschaltung habe wie ein Motorrad. Das war uns irgendwie unverständlich und wir glaubten es ihm nicht. Er betonte es noch einmal, nahm den Knüppel, den er im Wagen hatte, und sagte ,,Jetzt haltet euch, ihr Halunken!“ Das war ein roher, ausgeschälter Eschen-knüppel. Johan visierte sein Ziel an und steckte dem Gaul den Knüppel langsam, mit Gefühl in den Hintern. Dem alten Gaul schien das zu gefallen und er ging immer langsamer und langsamer, bis er dann zu unserem allgemeinen Staunen ganz stehen blieb. Auf einen Zug riss Johan den Knüppel aus dem Hintern und der Gaul „sprang an“. Im Galopp ging es los, so dass wir erschraken und uns kaum im Wagen halten konnten. Diese Erfindung von Johan Dick wurde dann in dieser Fahrt öfters mal wiederholt. Auf solch brutale Art machten wir uns lustig, und dem Gaul schien es auch noch zu gefallen, obwohl er keine andere Wahl hatte.

Streich 13. Der alte Ziegenbock. In den 50er Jahren gab es im Dorf viele Ziegen, und da wo es Ziegen gibt, gehört auch ein Bock dazu.

Die Ziegen waren sehr wirtschaftlich, gaben Milch, aus ihrer feinen Wolle wurden warme Winter - Kopftücher angefertigt und ihr Fleisch bereicherte den Speisezettel. Das waren freche Biester, aber man musste sich damit abfinden und sie dulden so wie sie sind. Der Bock wurde auch geduldet, obwohl er ein wenig aggressiv und launisch war. Als es mit den Ziegen in der Dorfherde weniger wurde, wurde der Bock einfach als führende Kraft in der Herde