PEGGY MARCH – I WILL FOLLOW ME - Peggy March - E-Book

PEGGY MARCH – I WILL FOLLOW ME E-Book

Peggy March

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Beschreibung

Kinderstar. Miss Minirock. Internationale Künstlerin. Schlagerlegende. Ihre Karriere beginnt mit einem Rekord, der bis heute ungebrochen ist: Im Alter von 15 Jahren landet Peggy March mit ihrem Song "I will follow him" als jüngste Künstlerin der Musik-geschichte auf Platz 1 der US-Billboard-Charts. Ihr Titel verkauft sich weltweit millionenfach. Der Aufstieg in den deutschen Schlager-Olymp gelingt ihr zwei Jahre später mit "Mit 17 hat man noch Träume". "Ein Hit ist keine Kunst, die Kunst ist, zu bleiben", weiß Peggy March. Und das tut sie. Sie bleibt. In ihrer Autobiografie blickt die Ausnahme-Künstlerin nicht nur auf 70 Jahre Showbusiness zurück. Vielmehr nimmt sie uns mit in das Leben hinter der Musik und dem Glamour. "I will follow me" ist eine Ode an das Bauchgefühl, ein Buch, das Mut macht, weil die Künstlerin selbst ihn auch nie verloren hat. Und es erzählt auf berührende, inspirierende und humorvolle Weise aus dem Leben einer Frau, die sich in einer von Männern geprägten Welt ihren eigenen Willen erkämpft hat und über sich hinausgewachsen ist.

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Informationen zum Verlag und zu seinem Programm unter:www.marie-von-mallwitz-verlag.de

Bibliografische Information der Deutschen BibliothekDie Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in derDeutschen Nationalbibliografie: detaillierte bibliografische Datensind im Internet über https://www.dnb.de/DE/Home/home_node.html abrufbar.

Originalausgabe März 2023Marie von Mallwitz Verlag© 2023 Peggy March, Nina Faecke und Depro Verlag GmbH & Co. KGin exklusiver Lizenz für Marie von Mallwitz VerlagBildrechte Cover: Depro Verlag / Sandra Ludewig undpicture alliance / United Archives / Helmut ReissCovergestaltung, Satz und Layout: ReisserdesignLektorat: Heidi KellerISBN 978-3-946297-27-7; E-Book-ISBN: 978-3-946297-28-4Printed in EuropeGedruckt auf FSC®-zertifizierten Papieren.

Für Arnie

Inhalt

Vorwort von Michael Kunze

Mit 75 hat man noch Träume

April 1963, Lansdale, USA

Alles, was ich jemals wollte

I will follow him

New York, ich komme!

Germany, wir kommen!

Mein kleines 8 x 1

Wem gehört dieses Leben eigentlich?

Die Freiheit, Frau zu sein

In guten wie in schlechten Zeiten

Peggys Traum

Don’t worry, my Love – Arnie und ich

I will follow me

Dank

Quellennachweise

Songregister

Bildnachweise

Vorwort

Zu den Mythen der Gegenwart gehört der kometenhafte Aufstieg aus dem Alltag zum Leben als Superstar. Millionen junger Menschen hoffen darauf, dass der Zauberstab des Schicksals sie über Nacht vom Nobody zum Pop-Idol macht. Dieses Buch beginnt mit einem Blick hinter die Kulissen eines solchen Aufstiegs, und es erzählt die nicht weniger interessante Geschichte, wie es danach weitergeht. Aus einem Schulmädchen in einer amerikanischen Kleinstadt wurde ein weltweit gefeierter Star, der sechs Jahrzehnte lang die Popgeschichte mitprägen sollte, vor allem – das ist das Besondere – in Deutschland. Es fing damit an, dass im Jahr 1963 die 15-jährige „Little Peggy March“ mit „I will follow him“ Platz 1 der US-Hitparade eroberte. Nie zuvor war das einem unbekannten Girl in ihrem Alter gelungen.

Wer dieses Buch liest, wird die Verwandlung von Margaret Battavio in Peggy March miterleben. Ihr außergewöhnliches Talent ist der Grund, dass sie aus einer biederen Familie in einer amerikanischen Bilderbuch-Kleinstadt herausgerissen wird. Von der Schulbank ins Tonstudio, von da nach New York und Los Angeles, in Fernsehsendungen und Konzerthallen. Es ist ein Wirbel von erschreckenden Glücksmomenten, neuen Eindrücken, Überforderung. Vor allem aber ist es der viel zu frühe Abschied von der unbeendeten Kindheit in einem geliebten Zuhause. Was Peggy dabei empfunden hat und wie sie es bis heute prägt, erzählt sie auf den folgenden Seiten. Und sie nimmt uns mit auf die damit beginnende Reise. Sie führt von den USA über Südamerika, Australien, Japan, England schließlich nach Deutschland. Auftritte, Scheinwerfer, Applaus, Interviews, Fototermine. Es ist nicht alles gut. Ihr Entdecker und erster Manager entpuppt sich als Betrüger. Sie hat Heimweh. Allein und müde im Hotelzimmer weint sie sich in den Schlaf. Aber wenn sie auf einer Bühne steht und singt, ist sie glücklich. Mit ihr treffen wir interessante Menschen und nehmen teil an lustigen Ereignissen. Nie geht es ihr um Namedropping. Ihr Bericht ist frei von Eitelkeiten. Sie schildert schlicht alles, was ihr erzählenswert erscheint.

Anerkennung, Ruhm und Goldene Schallplatten erhält sie reichlich auf dieser Lebensreise. Doch diese Reise führt zu einem Erfolg anderer Art, der Peggy weit wichtiger ist. Betrug, Widrigkeiten und Niederlagen lehren sie im Laufe ihres Lebens, auf ihre innere Stimme zu hören. Je mehr sie ihrem „Bauchgefühl“ vertraut, desto häufiger gelingt es ihr, sich von Bevormundung zu befreien. Sie erwacht, nimmt sich selbst und ihre eigentlichen Bedürfnisse wahr. Das geschieht nicht über Nacht wie der Aufstieg zum Weltruhm. Es dauert Jahrzehnte, bis sie aufhört, es allen recht machen zu wollen. Heute weiß sie, den Dominanten, Mächtigen, Älteren in ihrem Leben zu viel Einfluss eingeräumt zu haben. Aus dem ins Show-geschäft katapultierten Schlagermädchen ist eine starke, selbstbewusste Frau geworden. Auch davon erzählen diese unterhaltsamen Erinnerungen. Vor allem aber lassen sie uns hinter die Kulissen der bunten, aufregenden Welt der Popmusik blicken. Von besonderem Reiz ist Peggys Bericht ihrer Erfahrungen im Deutschland der 70er Jahre. Zu deren Soundtrack gehören ihre deutschsprachigen Hits. „Mit 17 hat man noch Träume“, „Memories of Heidelberg“, „In der Carnaby Street“ und „Einmal verliebt, immer verliebt“ sind Teil des kollektiven Unterbewusstseins der Deutschen wie die „ZDF-Hitparade“, der Minirock und die autofreien Sonntage. Wer Peggy March damals nicht erlebt hat, kann kaum erahnen, wie sehr die bildhübsche Amerikanerin die Deutschen bezauberte. Ihr erfrischendes Anderssein passte zum verbreiteten Frühlingsgefühl der 70er. Alles sollte heller, freier, offener werden, und dieser Wunsch nach einem Neuanfang im Land spiegelte sich auch in der breiten Zuneigung, die Peggy March hier erfuhr.

In dieser Autobiografie zeigt sie sich so, wie sie ist, ungeschminkt und ohne Rücksichtnahme auf Image oder Erwartung. Ich kenne Peggy seit 50 Jahren. Als Showstar und bewunderte Interpretin, aber auch als Ehefrau meines Freundes Arnie Harris. Wer dieses Buch liest, wird womöglich seine Meinung über Schlagersängerinnen und Schlagersänger revidieren müssen. Jedenfalls wird er bis zur letzten Seite dranbleiben und nach der Lektüre das Gefühl haben, einem liebenswerten Menschen begegnet zu sein.

Michael Kunze

im Januar 2023

„Das Leben besteht aus Höhen und Tiefen,genau wie eine gute vocal range.“PEGGY MARCH

MIT 75 HAT MANNOCH TRÄUME

Hätte ich auf meinen Kopf gehört, gäbe es dieses Buch nicht. Hätte ich auf meinen Kopf gehört, hätte ich vielleicht nie „Mit 17 hat man noch Träume“ gesungen. Hätte ich auf meinen Kopf gehört, wäre meine Antwort auf ein ganz bestimmtes Angebot, das mir 1968 in einem China-Restaurant in New York unterbreitet wurde, womöglich anders ausgefallen.

„I will follow me“ ist eine Ode an das Bauchgefühl. Weil ich heute weiß, dass mein Bauchgefühl, meine innere Stimme, das Wertvollste ist, was ich in mir trage. Sie kennt mich, weist mir den Weg, lässt mich sein, wer ich wirklich bin. Aber holy shit, musste ich mein Bauchgefühl lange suchen! Es lag unter vielen Schichten der Verunsicherung vergraben, so tief, dass ich zuerst nicht einmal wusste, dass es mir überhaupt abhandengekommen war. Doch irgendwann, lange nach „I will follow him“, „Romeo und Julia“ oder „Fly Away, Pretty Flamingo“, spürte ich, dass irgendetwas nicht rundlief, nicht mehr passte.

Apropos holy shit: Ich spreche zwar Deutsch, seit ich 21 bin, und habe mein halbes Leben in den schönsten Städten Deutschlands verbracht. Doch beim Schreiben und Sprechen – wer mich schon auf der Bühne erlebt hat, weiß es –, kommt auch mal der ein oder andere amerikanische Ausdruck raus. So ist das eben, wenn man seit Jahrzehnten pendelt zwischen New York und Baden-Baden, Kalifornien und München und Florida und Marburg. It is, what it is, das bin ich.

Ich bin, vor allem als Künstlerin – egal, ob als Sängerin oder Songwriterin –, Perfektionistin. Aber entscheidend für das, was ich tue und lasse, ist mein Bauchgefühl, heute mehr denn je. Meinem Bauch verdanke ich so vieles. Auch der Klang meiner Stimme zum Beispiel ist zu großen Teilen sein Verdienst, weil richtiges Atmen ausschlaggebend ist fürs Singen.

Mein Leben lang war ich umgeben von starken Frauen, ohne dabei zu ahnen, dass ich selbst eine bin. Ich musste erfahren, wie schrecklich es sein kann, seine innere Stimme zu überhören und von der falschen Person an die Hand genommen zu werden. Und ich durfte erleben, wie wundervoll es sein kann, wenn einen der richtige Mensch an die Hand nimmt. Bis ich mich eines Tages fragte: Was passiert eigentlich, wenn ich diese Hand kurz loslasse? Was, wenn ich einmal nicht folge, sondern selbst die Richtung vorgebe? Werde ich fallen? Oder über mich hinauswachsen?

Hätte ich auf meinen Kopf gehört, gäbe es dieses Buch nicht – aber zum Glück hat mein Bauch entschieden. Das hier ist meine Geschichte. Sie beginnt in einer amerikanischen Kleinstadt namens Lansdale. Und ich bin gespannt, wohin sie mich noch führen wird.

Ich bin vielleicht 75, aber ich bin noch lange nicht fertig.

P. M.

APRIL 1963,LANSDALE, USA

Mom und ich haben eine sehr gut funktionierende Arbeitsteilung in der Küche: Nach dem Abendessen spült sie, ich trockne ab. Davor lasse ich Teller und Tassen einige Minuten auf der Spüle stehen, sonst ist das Geschirrtuch so schnell nass, und das mag ich nicht. Mom geht, wenn sie fertig mit dem Abwasch ist, immer nach oben und schminkt sich die Lippen nach. Seit ich denken kann, gehört schön aufgetragener Lippenstift zu Mom wie meatballs zu Spaghetti. Heute hat sie mir ein rotes Geschirrtuch in die Hand gedrückt und gesagt, dass sie gleich wieder da sei. Ich stehe vor der Spüle und schaue immer wieder zu dem kleinen blauen Radio, das auf dem Fenstersims über unserem Esstisch steht. Dad sitzt in seinem Fernsehsessel nebenan, Linda macht oben in unserem Kinderzimmer Hausaufgaben. Ein ganz normaler Freitagabend im April in Lansdale, einer Kleinstadt im US-Bundestaat Pennsylvania, in der sich meine Eltern vor Jahren beim Tanztee kennengelernt haben und in der wir schon immer leben.

Unser Haus ist klein, aber es gibt zwei Stockwerke. Es hat eine Fassade aus dunkelroten Backsteinen, eine schmale Veranda und vor jedem Fenster rotweiße Jalousien. Lansdale liegt etwa eine Autostunde von Philadelphia entfernt, im Nordosten der USA. Die Wintermonate sind hier ziemlich kalt, aber drinnen bei uns ist es immer schön gemütlich: Dad sorgt dafür, dass der Ofen feuert, und Mom verbreitet mit ihrer Art eine herzenswarme Atmosphäre in allen Räumen.

Sobald die Temperaturen draußen wieder über 20 Grad klettern, steht unsere Wohnungstür, die gleichzeitig auch die Tür zur Veranda ist, meistens offen. Dad sitzt dann gerne in der Abendsonne, wir Kinder spielen vor dem Haus.

Heute ist es dafür noch ein bisschen zu kühl. Es dämmert, und aus dem Küchenradio ertönt jetzt die Stimme des Moderators von WABC, einem New Yorker Sender. Die Songs, die hier laufen, sind Trend. Brenda Lees „I’m sorry“ verklingt im Hintergrund, während der Sprecher irgendeine Meldung vorliest. Im Wohnzimmer dudelt leise Dads Big-Band-Musik auf dem Plattenspieler vor sich hin, einen Abend ohne Musik gibt es im Hause Battavio nicht.

Ich lasse das Geschirrtuch durch meine Finger gleiten und warte darauf, dass ich meine Aufgabe erledigen kann. Von den Tellern läuft eine Mischung aus Spülmittel und Wasser. Vielleicht fange ich schon mal mit den Tassen an? Warten und nichts tun, das mag ich überhaupt nicht. Mit einem Ohr bin ich bei dem Radiomoderator, mit dem anderen versuche ich auszumachen, ob ich Moms Schritte höre, weil sie im Bad fertig ist und wieder die Treppe hinunterkommt. Meine Gedanken kreisen um die Mathearbeit in Geometrie, die ich verpasst habe und nächste Woche nachschreiben muss. Und um meine kleine Schwester Linda, der ich versprochen habe, am Samstag mit ihr zu Woolworth zu gehen, unserem Lieblingssupermarkt. Vielleicht könnte ich ihr dort ein Kleid für ihre Puppe kaufen? Bei Woolworth gibt es immer die besten Sonderangebote, womöglich haben wir ja wieder Glück. Ich werde früh aufstehen müssen, wenn ich alles schaffen will: die Geometrieaufgaben, Frühstück mit Mom und Dad, Woolworth mit Linda, dann zu einem kleinen Auftritt in einer Highschool, abends singen in unserem Kirchenchor. Mit Linda möchte ich immer so viel Zeit wie möglich verbringen. Als sie 1952 auf die Welt kam, viereinhalb Jahre nach mir, weinte ich vor Freude, weil ich so glücklich war, eine kleine Schwester zu haben, die ich von nun an beschützen könnte. Mom und Dad ließen mich sogar ihren Namen aussuchen. Linda, das ist Spanisch und bedeutet „hübsch“.

Der Radiomoderator erzählt jetzt etwas von einem neuen Shootingstar. So nennt man bislang unbekannte Sängerinnen und Sänger, die mit ihrem ersten Lied so wahnsinnig erfolgreich sind, dass sie über Nacht jeder kennt. Und dann höre ich diesen unverkennbaren ersten Ton: ein kurzes Trommeln. Darauffolgend das von einem Mann sehr tief eingesungene „Doodoo-doot, doo-doo-doot, doo-doo-doot, doo-da-da-da-da-doo-doot, doo-doo-doot, doo-doo-doot“.

Und dann die erste Song-Zeile: „I will follow him, follow him, wherever he may go.”

Es ist meine Stimme, die da aus dem Radio kommt.

Ich stehe ganz still, das Geschirrtuch noch immer fest in den Händen, und lausche jeder einzelnen Note. Wo bleibt Mom? Soll ich sie rufen? Aber dann würde ich den Anfang des Songs verpassen. Den Anfang meines Songs.

There isn’t an ocean too deep,a mountain so high it can keep,me away.

Das Klingeln des Telefons reißt mich aus meinen Gedanken. Es wird an diesem Abend im April 1963 bis tief in die Nacht hinein immer wieder klingeln. Und ab morgen wird mein Leben ein anderes sein.

ALLES, WAS ICHJEMALS WOLLTE

Höllisch kalt war‘s in dieser Nacht“ – mit diesen Worten begann Mom immer, wenn sie die Geschichte von meiner Geburt erzählte. Für sie hatte der 8. März 1948, der Tag, an dem ihre erste Tochter zur Welt kam, etwas Überraschendes. Nicht wegen des Wetters, sondern weil meine Eltern fest damit gerechnet hatten, dass ich ein Junge werde. Einen Namen für ein Mädchen hatten sie nicht parat, deshalb entschied sich Mom, mir einfach ihren Vornamen zu geben: Margaret. Margaret?! Ich finde noch heute, dass nur böse Tanten in Geschichten Margaret heißen.

Als kleines Mädchen fragte ich Mom regelmäßig: „‚Margaret‘ klingt doch schrecklich, warum hast du mich bloß so genannt?“ Sie schaute mich mit ihren blauen Augen dann immer ein wenig erschrocken an und sagte: „Aber das ist doch auch mein Name, wie kannst du sagen, dass er schrecklich ist?“

Das Lustige: Die meisten Menschen nannten meine Mom auch nicht Margaret, sondern Peggy – damit nehme ich das Geheimnis um meinen Vornamen schon einmal vorweg. Wirklich übel nahm Mom mir die Empörung über „Margaret“ nie – sie war ohnehin die Gutmütigkeit in Person –, es war eher wie eine Art Spiel zwischen uns. Ich sagte ihr dann, dass der Name zu ihr ja auch passe, zu mir aber eben nicht. Dabei war ich kein freches Kind, sondern eher zurückhaltend und leise. Und ich sang, lange bevor ich sprechen konnte. Am liebsten den ganzen Tag. Ich sang die Melodien von Fernsehwerbungen und Jingles nach, oder Dads Big-Band-Musik: Miles Davis, Dizzy Gillespie, Doris Day. Ich liebte diesen Rhythmus und das Zusammenspiel von Kontrabässen, Klavier und Schlagzeug, auch wenn ich die Klänge den jeweiligen Instrumenten als kleines Mädchen natürlich noch nicht zuordnen konnte. Mom erzählte mir oft, wie erstaunt sie war, dass ich jeden Ton traf. Schließlich war ich gerade einmal zwei Jahre alt.

Mom war eine bescheidene Person. Dass ich eine besondere Stimme hätte, gab sie allerdings gerne zu. Im Loben war Mom, im Gegensatz zu meinem Dad, großzügig. Sie hatte selbst eine wunderschöne Singstimme. Meistens hörte ich Mom in der Kirche singen, oder sie sang für Linda und mich Gutenachtlieder. Genau wie mein Dad hatte sie italienische Wurzeln. Die Eltern meines Vaters stammten aus einem Dorf in den Abruzzen, die meiner Mutter aus Sizilien. Beide Familien waren als Einwanderer um die Jahrhundertwende nach Ellis Island gekommen, um in Amerika Fuß zu fassen. Trotz ihrer Herkunft hatte Mom blondes Haar und blaue Augen. Sie arbeitete als Näherin in verschiedenen Textilfabriken. Ich kann mich nicht erinnern, dass sie jemals aufhörte zu nähen. Selbst als sie im Ruhestand war, saß sie täglich an ihrer Nähmaschine.

Dad hatte ein exzellentes Gehör, spielte aber kein Instrument. Ich glaube, er war der Grund, weshalb der Plattenspieler bei uns eigentlich immer lief, er liebte Musik über alles. Mein Vater war der älteste Sohn einer Großfamilie mit sieben Kindern, und er war nicht gern unterwegs. Er blieb, abgesehen von seiner Arbeit als Werkzeugmacher, die ihn täglich in die Werkstatt trieb, am liebsten zu Hause. Mein Vater hieß Carmen, was im Spanischen als weiblicher Vorname bekannt ist, im Englischen aber auch als männlicher. Mich nannte er seit meiner Geburt Peachie. Auf Deutsch heißt das „kleiner Pfirsich“. „Weil du, als du auf die Welt kamst, so rosa und schön warst“, erklärte er mir. Ich hörte mir diese kleine Geschichte immer sehr gerne an, denn Gefühlsausbrüche waren bei Dad selten. Er hielt zwar nach außen immer schützend seine Hand über seine beiden Töchter, doch er konnte auch unglaublich stur sein.

Wenn es um meine frühe Leidenschaft für Singen ging, hielt sich Dad zurück, und auch Mom war keine dieser Eislauf-Mütter, die wollte, dass ihr Kind berühmt wird. Im Gegenteil, nicht Mom drängte mich, sondern ich drängte sie. Bis ich etwa vier Jahre alt war, hatte ich nur sonntags in der Kirche oder mit anderen Kindern zum Spaß gesungen. Statt Kaufladen zu spielen, spielte ich Shows nach, die ich zusammen mit Dad im Fernsehen gesehen hatte. Dafür baute ich aus Pappe einen kleinen Stand vor unserem Haus auf und animierte die Nachbarskinder, mitzumachen. Sie waren das Publikum, ich die Sängerin. Ich sang, weil ich mich dabei glücklich fühlte, über mehr dachte ich als Kind nicht nach. Doch etwas fiel mir immer wieder auf: Die Menschen reagierten auf besondere Weise auf meine Stimme. Wenn ich sang, richteten sich plötzlich die Blicke auf mich oder es wurde still.

Meine Heimatstadt Lansdale war klein – und sie ist es noch –, aber nicht so klein, dass man jeden, dem man auf der Straße begegnete, kannte. Das gefiel mir. Ein Blumengeschäft, ein Café, ein Damenausstatter und neben ein paar weiteren Läden ein Elektrofachgeschäft, wo es auch Schallplatten gab. Viel mehr hatte die Innenstadt von Lansdale in den 1960er Jahren nicht zu bieten. Sie war nur einen Katzensprung von meinem Elternhaus in der 3rd Street entfernt. Mom und Dad hatten unser Backsteinhaus drei Jahre nach meiner Geburt gekauft. Linda und ich teilten uns ein Zimmer. Wir beide liebten es, so nah beieinander zu sein. Wir schliefen sogar freiwillig in einem Bett, obwohl es für jeden eins gegeben hätte.

Von der 3rd Street gelangte ich zu Fuß an alle für mich damals wichtigen Orte: das Haus meiner Großeltern, ab meinem sechsten Lebensjahr die Schule – und Woolworth. Dieser riesige Supermarkt faszinierte mich. Pasta, Puppenkleider, Zahnbürsten – war das etwa das Paradies? Als kleines amerikanisches Mädchen fand ich: Oh Lord, yes! Es gab sogar einen ganzen Gang für Sonderangebote, dort stöberte ich am liebsten. Five and dime, so lautet der Ausdruck für Geschäfte, in denen man für wenig Geld, für fünf oder zehn Cent, viele Kleinigkeiten kaufen konnte. Noch heute hüpft mein Herz, wenn ich irgendwo auf der Welt an einer Filiale von Woolworth vorbeikomme. Am liebsten würde ich dann sofort Lindas Nummer wählen, um ins Handy zu rufen: „Rate mal, was ich gerade vor mir sehe?“ Meistens muss ich mir meine Freude etwas aufsparen, denn ich befinde mich selten in derselben Zeitzone wie Linda.

Dass ich mein Zuhause und meine kleine Schwester viel früher verlassen würde, als es für ein Kind üblich ist, ahnte ich damals, als Woolworth mein place to be wurde, nicht. Ich genoss meine Kindheit in meiner kleinen Welt sehr.

Eines Nachmittags sorgte Moms Frauengruppe, in die sie regelmäßig ging, für Aufruhr. Wobei der Aufruhr nicht in Lansdale aufkam, sondern vielmehr in der Familie Battavio: Bei einem Nachmittagskaffee der Gruppe im Gemeindehaus sollte ich meinen ersten richtigen Auftritt haben. Und mit ‚richtig‘ meine ich, vor einem Publikum zu singen, das nicht meine Familie oder eins der Nachbarskinder war. Ein paar von Moms Bekannten hatten mich wohl singen hören, daraufhin hatten sie Mom gefragt, ob ihre kleine Margaret nicht an einem der Nachmittage auftreten könnte. Dad hielt sich aus der Entscheidungsfindung raus, und Mom überlegte. Sie wusste, wie sehr ich das Singen liebte, weil ich es den ganzen Tag lang tat. Wahrscheinlich war dies auch der Grund, der ihr Herz weich werden ließ, nachdem ich sie mehrere Stunden angefleht hatte, auftreten zu dürfen. Na gut, es sei ja keine so furchtbar große Sache, fand Mom schließlich, und ich sah das genauso. Sie nahm mich an diesem Nachmittag also mit ins Gemeindehaus. Ich sang auf der kleinen Bühne zu Klavierbegleitung, als hätte ich mit meinen gerade einmal fünf Jahren noch nie etwas anderes getan.

Tja, und dann folgte auf einen Auftritt der nächste. Mal in einem Altenheim im Ort, mal in einer Schule in der Nachbarschaft. Mom fuhr mich überallhin, und ich hatte die Zeit meines jungen Lebens. Mein Publikum bestand meistens aus einer kleinen privaten Gruppe, für eine Fünfjährige aber groß genug, um es fantastisch zu finden. Geld bekamen wir dafür selbstverständlich keines, es war ja alles nur zum Spaß. Doch mein Gesang zog immer größere Kreise, und so kam es, dass ich, kurz bevor ich eingeschult wurde, in einer Country- und Western-Band sang. Nicht wie The Platters oder die Everly Brothers natürlich, aber es war eine Band. Das hatte sich ergeben, weil Dad jemanden kannte, der jemanden kannte. Ein Kollege von ihm spielte Steel Guitar, und dessen Kollegen wiederum spielten Akkordeon, Slim Bass und Gitarre. Alles erwachsene Männer – und ich wurde ihre Sängerin. An den Wochenenden traten wir in Vergnügungsparks in der Nähe auf. Ich sang in einem orangefarbenen cowgirldress mit Fransen und weißen Cowboystiefeln. Auf dieses Outfit hätte ich bestanden, erzählte mir Mom später, ich erinnere mich daran nicht mehr.

Als ich mit fünfeinhalb Jahren in die Saint Stanislaus Elementary School in Lansdale eingeschult wurde, wussten die anderen Kinder, deren Eltern und die Lehrerinnen, wer ich war. Nicht in dem Sinne, dass ich berühmt war, sondern weil sie wussten, dass ich gerne sang und es noch dazu gut konnte. Sie fanden es völlig normal, dass ich mal hier und mal da auf einer kleinen Bühne stand. Zum Glück, denn das Letzte, was ich anstrebte, war ein Sonderstatus. Berühmt sein wollte ich nicht, singen wollte ich. Auf der Saint Stanislaus trugen alle Kinder die gleiche blaue Schuluniform mit weißem Hemd darunter, das gefiel mir. By the way: Saint heißt auf Deutsch „Heilige“ bzw. „Heiliger“, und in meinem Leben gab es ziemlich viele davon. Im übertragenen Sinne: Ich komme aus einer katholischen Familie mit italienischen Wurzeln, wurde als Baby katholisch getauft, die spaghetti and meatballs meiner sizilianischen Großmutter waren meine Leibspeise, und selbstverständlich war auch meine Schullaufbahn katholisch geprägt. Allerdings nicht, weil Mom und Dad wollten, dass wir streng gläubig aufwachsen, sondern weil die Saint Stanislaus und die Lansdale Catholic Highschool, auf die ich im Anschluss kam, einen guten Ruf genossen.

In der Grundschule merkte ich schnell, was ich gut kann und was nicht: Englisch wurde mein Lieblingsfach, weil ich das Schreiben mochte und mir gerne Geschichten ausdachte. Mathe wurde mein Hass-Fach. Gibt es dieses Wort überhaupt? Naja, jedenfalls war Mathe nicht mein Ding. Ansonsten fiel mir das Lernen leicht, deshalb fand ich Schule ziemlich okay.

An den Wochenenden fuhr mich Mom jetzt immer öfter zu kleinen Auftritten. Und auch wenn wir dafür kein Geld bekamen, erinnere ich mich daran, wie ich in dieser Zeit meine ersten eigenen Schallplatten im Elektrofachgeschäft im Ort kaufte. Vielleicht von meinem Taschengeld? Ich weiß es nicht mehr. Ich weiß aber noch genau, welche es waren: Pjotr Tschaikowskis „Der Nussknacker“, Sergei Prokofjews „Peter und der Wolf“ und „Ungarische Rhapsodie“ von Franz Liszt. Ich fand es faszinierend, wenn einem die Musik eine Geschichte erzählte, das spürte ich schon als kleines Mädchen. Diese drei Schallplatten habe ich nie weggeworfen, bis heute, fast 70 Jahre später, lege ich sie manchmal auf meinen Plattenspieler. Anyway.

Mom und Dad freundeten sich nach und nach mit dem Gedanken an, dass ihre Peachie und der Gesang kaum mehr zu trennen waren. Besonders viel Geld hatten wir nicht, trotzdem fanden sie für mich eine Gesangslehrerin, die eine dreiviertel Stunde von uns entfernt Richtung Norden wohnte. Sie hieß Verna und lebte in einem Haus, das einem Palast glich. Sie ließ mich Tonleitern auf und ab singen, Harmonien üben, und, oh, ich konnte beides nicht leiden. Aber Verna mochte ich. Sie war klein, rund und früher einmal Opernsängerin gewesen. Durch meine ersten Gesangsstunden lernte ich den Unterschied zwischen Üben und Proben kennen. Was wir in den Stunden taten, war üben. Das hasste ich. Was wir taten, wenn ich zu einem Auftritt fuhr, nämlich kurz davor alles durchzusingen, war proben. Das liebte ich. Verna schien die halbe Welt zu kennen und organisierte fast jedes Wochenende kleinere Shows in der Gegend um Philadelphia, von uns aus mit dem Auto gut zu erreichen. Manchmal waren es auch Gesangswettbewerbe, sogenannte contests. Nachdem ich den ersten gewonnen hatte, meldeten mich Verna und Mom zum zweiten an. Und auch den gewann ich. Und dann den dritten und dann den vierten und dann – sagten die anderen jungen Sängerinnen und Sänger hinter den Kulissen, wenn sie mich sahen: „Oh, Peachie ist hier. Dann brauchen wir gar nicht erst aufzutreten.“ Ich selbst bekam das gar nicht mit, aber Mom. Verna und Mom sprachen viel miteinander, worüber, das weiß ich nicht. Es war mir auch egal, mich interessierte nur das Singen.

Als Nächstes schlug mir Verna vor, in einer Weihnachtsvorführung von „Hänsel und Gretel“ von Engelbert Humperdinck mitzumachen. Und zwar als Hänsel. „Weil deine Stimme so stark und erwachsen klingt“, sagte Verna. Ich war sofort begeistert von der Idee, auch weil ich für die Rolle eine Kurzhaarperücke und lumpige Hosen tragen durfte. Und Humperdincks Musik erst, ich fand sie so eingängig, so besonders. Als ich zum ersten Mal „Suzy, little Suzy“ aus Humperdincks Oper singen durfte, wusste ich, dass ich nichts anderes mehr tun wollte, als auf einer Bühne zu stehen. Es gibt im Englischen die Redewendung „One thing leads to another“, und so kam es, dass mich der Mitarbeiter einer Fernsehshow in dem Märchen singen hörte. Zuerst sprach er mit Verna, dann mit Mom. Und dieses Zusammentreffen sollte mein Einstieg ins amerikanische Fernsehen sein. Noch vor meinem neunten Geburtstag war ich in der Fernsehsendung „The Children’s Hour“ zu sehen und trat zwei Jahre am Stück in der Show „Stars of Tomorrow“ von Tony Grant in Atlantic City auf. Grant galt als star maker. Es war bekannt, dass ein Auftritt bei ihm die halbe Miete war. So nannten es die Erwachsenen zumindest, ich wusste damals nicht genau, was das bedeutet. Doch ich wusste, dass nur sehr gute Sängerinnen und Sänger bei „Stars of Tomorrow“ singen durften und dass sich wichtige Leute dort rumtrieben, die in der Musikbranche etwas zu sagen hatten. Trotzdem dachte niemand in der Familie Battavio auch nur im Traum daran, dass aus mir einmal eine professionelle Sängerin werden würde.

Mom und ich fuhren meistens zu zweit zu meinen Auftritten, ohne Dad und Linda. Ich konnte es jedes Mal kaum erwarten, wieder zu Hause bei meiner kleinen Schwester zu sein. Mit zehn Jahren ließ mich Mom samstagsmorgens, wenn ich keine Show hatte, manchmal ganz allein zu Woolworth spazieren, um dort bummeln gehen. Gott, war ich stolz. Jedes Mal kaufte ich ein kleines Geschenk für Linda. Sie war noch zu klein, um den ganzen Weg zu Fuß zu gehen, deshalb, fand ich, musste sie unbedingt ein Mitbringsel für ein paar Cent bekommen. Immer wenn ich nicht bei Linda sein konnte, dachte ich an sie. Und wenn ich bei ihr war, beschützte ich sie. Ich erinnere mich an viele Nächte, in denen es wie verrückt gewitterte oder der Feueralarm losging und ich Linda im Arm hielt und ihr sagte, sie brauche keine Angst zu haben. Als ich Linda während meiner Arbeit an diesem Buch fragte, welche ihre liebste Kindheitserinnerung sei, sagte sie etwas, womit ich nicht gerechnet hätte: „Die anderen älteren Geschwister wollten ihre kleinen Brüder und Schwestern immer loswerden, nur du nicht. Du hast mich überallhin mitgenommen. Das fand ich so toll.“ Für mich war das ganz normal, Linda störte mich nie, wir waren einfach immer zusammen. Als junge Mädchen gaben wir uns ein gegenseitiges Versprechen – wir gaben uns im Laufe unserer Kindheit viele, allerdings war dieses von besonderer Bedeutung:

„Du wirst meine Trauzeugin, wenn ich mal heirate“, sagte ich zu Linda.

„Und du wirst meine“, sagte sie zu mir.

Darauf gaben wir uns die Hand und grinsten verstohlen, weil wir vom Heiraten damals so weit weg waren wie von unserem Highschool-Abschluss oder der Führerscheinprüfung. Der Gedanke an unseren kleinen Pakt geht mir noch immer ans Herz, vor allem, weil ich mein Versprechen ein paar Jahre später nicht halten konnte.

Linda war – logischerweise – eine ganze Zeit lang kleiner als ich, doch irgendwann wurde sie größer und stärker. Als wir einmal mit einem Geschwisterpaar aus der Nachbarschaft auf der Straße spielten, ich glaube, das Mädchen hieß auch Margaret und der Junge wahrscheinlich Billy oder Bobby oder Thommy, lernte ich Linda von einer neuen Seite kennen. Billy oder Bobby oder Thommy holte beim Fangenspielen plötzlich aus und schlug mich völlig unvermittelt sehr heftig ins Gesicht. Ich wusste in diesem Moment nicht, wie mir geschah, der Schlag hatte wirklich wehgetan. Dann sah ich im Augenwinkel, wie sich meine etwa fünf Jahre alte Schwester einen langen Besenstiel griff, der an der Hauswand lehnte. Eine Sekunde später schlug sie Billy oder Bobby oder Thommy mit diesem Besen auf den Kopf, bis er wegrannte. „Siehst du, ich kann dich auch beschützen“, sagte sie stolz zu mir. Mom und Dad erzählten wir von dem Vorfall natürlich nichts. Wir zwei waren zwar meistens brave Mädchen, aber offensichtlich keine Heiligen.

Mom und Dad hatten dafür gesorgt, dass Linda und ich als Babys getauft wurden, Kommunion und Firmung feierten und dass wir sonntags in die Kirche gingen. Aber bei dem Glauben an Gott gestattete uns unsere Mom, seit ich denken kann, eine eigene Meinung. Als Kind glaubte ich zwar an Gott, aber nicht als etwas Gegenständliches. Vor allem störte es mich, dass man annahm, Gott sei männlich. Ich betete oft, aber nicht zu diesem gewissen Mister God. Wenn ich etwas zu erzählen hatte, dachte ich mir: Irgendjemand da oben wird dir schon zuhören, Peachie, also schieß los. Mit 14 kam ich auf die Lansdale Catholic Highschool, eine Schule, an der alle Lehrerinnen Nonnen waren. Die Frauen, deren Haarfarbe wir nur anhand der Farbe ihrer Augenbrauen rekonstruieren konnten, fand ich faszinierend. Sie wirkten so beherrscht und stark. Aber doch war es immer der Priester, der bei allen Entscheidungen das letzte Wort hatte. Ich fand das unfair. Die Worte Patriarchat und Feminismus kannte ich aber damals logischerweise noch nicht.

Als junges Mädchen fragte ich mich oft, warum Menschen Glaubenskriege führen. Warum der Gott der einen Religion besser oder richtiger sein sollte als der einer anderen. Bei den Nonnen in der Schule saß ich an der Quelle, und so beschloss ich, sie nach einer Erklärung zu fragen. Einmal meldete ich mich mit einem besonders dringlichen Anliegen. Sister Joseph, jede der Schwestern trug selbstverständlich einen kirchlichen Namen, sah mich an und nickte. Das bedeutete, dass ich aufstehen und meine Frage stellen durfte.

„Wenn es Gott gibt, warum gibt es dann Kriege?“

Der Blick der Schwester verdunkelte sich: „Margaret, setz dich hin.“

Wie, das war alles?!, fragte ich mich. Leider ja. Den Satz „Margaret, setz dich hin“ würde ich während meiner Schullaufbahn noch öfter hören. Doch auch wenn die Schwestern meine kritischen Fragen nicht mochten, waren sie immer gut zu mir. Ich glaube, dass ich ihre Herzen durch meinen Gesang erobert hatte. Wir Kinder sangen morgens vor Unterrichtsbeginn zusammen den Star-Spangled Banner, die amerikanische Nationalhymne. Und im Kirchenchor war ich natürlich auch weiterhin. Die Nonnen baten mich meistens, ein Stückchen nach vorne vor die anderen Kinder zu treten. Oje, war mir das unangenehm! Ich wollte wegen meines Gesangs auf gar keinen Fall aus der Gruppe hervorstechen. Sister Reperata – ja, sie hieß wirklich so – blieb allerdings beharrlich und brachte mich doch immer dazu, ihr zu gehorchen.

Zwar trugen die Nonnen alle einen Habit, weswegen wir von weitem nie erkennen konnten, welche denn jetzt gerade auf dem Schulhof auf uns zukam, um uns zu ermahnen. Dafür hätten sie in ihren Charaktereigenschaften kaum unterschiedlicher sein können: Die eine war lustig und versuchte immer, uns Kinder zum Lachen zu bringen. Die andere knurrte eher, statt zu sprechen, hatte aber trotzdem ein gutes Herz. Die nächste war schüchtern und sprach im Flüsterton – ein bisschen wie im Film „Sister Act“ mit Whoopi Goldberg, der Jahrzehnte später ins Kino kommen sollte. Doch zu „Sister Act“ kommen wir noch. Vielleicht ahnt die eine oder der andere ja bereits, warum.

Manchmal war es Mom nicht möglich, alle meine Auftritte aufs Wochenende oder in die Schulferien zu legen. Ich durfte dem Unterricht dann mit Sondergenehmigung fernbleiben. So kam es vor, dass ich den Schulstoff oder ganze Klassenarbeiten bei der jeweiligen Nonne zu Hause nachholte. Sister Joseph, die Mathematik unterrichtete, besuchte ich besonders oft. Wenn sie mit ihrem Privatunterricht fertig war, bat sie mich immer, noch zum Tee zu bleiben. Aus nicht ganz uneigennützigen Gründen, wie ich irgendwann verstand. Sie wollte dann alles über meine Auftritte und die Städte, in die ich fuhr, wissen. Als ich mit 15 als junge Künstlerin eine Audienz beim Papst hatte, stieg ich bei Sister Joseph und den anderen Nonnen vollends in den Kreis ihrer Liebsten auf. Aber: eins nach dem anderen. In dem Jahr, in dem ich 12 wurde, heiratete meine Cousine Sis. Wir beide hatten kein besonders enges Verhältnis, ihre Hochzeit sollte für mich trotzdem etwas Schicksalhaftes haben.

Ganz nach italienischer Familientradition sollte ihr Fest ein kleines Spektakel werden, zu dem geschätzt über 100 Gäste eingeladen waren. Meine Cousine und ihr Mann hatten extra die Aula meiner ehemaligen Grundschule gemietet. Beste Voraussetzungen, um mich einigermaßen zu Hause und wohlzufühlen – aber das tat ich nicht. Ich war trotz meiner vielen Auftritte noch immer kein Partygirl, sondern schüchtern und zurückhaltend. Doch es gab einen Satz, den ich nicht ausstehen konnte: „Peachie, los, sing mal was!“ Bis heute verstehe ich diesen Satz nicht als Kompliment für meine Stimme, sondern als respektlos. Du kannst mich vielleicht bitten, zu singen, aber du kannst mich doch nicht einfach auffordern! Eine Ärztin würde man doch auch nicht auf einer Party bitten, eine Arm-OP durchzuführen, oder? Heute würde ich einer solchen Aufforderung, auch wenn sie nett gemeint ist, gar nicht erst nachkommen. Damals, mit 12, war das anders: Meine Familie wollte also, dass ich für die Hochzeitsgesellschaft sang. Na gut, okay. Widerwillig trabte ich von meinem Platz im vorderen Drittel der Aula vor zur Bühne, wo die Band Songs von Frankie Avalon, Connie Francis und Elvis Presley spielte. Der Gitarrist reichte mir sein Mikro, und ich fing an zu singen. Ich kann es heute selbst kaum fassen, aber ich weiß nicht mehr, welchen Song ich gesungen habe – obwohl dieser Auftritt zum wichtigsten meines bisherigen Lebens werden sollte. Als ich also vorne stand und sang, sah ich, dass sich ein kleiner Mann mit Brille zu meinem Dad setzte. Die beiden steckten verschwörerisch die Köpfe zusammen, immer wieder schauten sie in meine Richtung. Mal nickte Dad, dann schüttelte er den Kopf. Den Mann hatte ich noch nie zuvor gesehen, besonders nett sah er aber nicht aus. Trotzdem machte mich dieses ganze Szenario unglaublich neugierig. Nach einer Weile verschwand der Mann wieder im hinteren Teil des Raumes. Ich wollte so schnell wie möglich zu Dad, doch nach der ersten Zugabe riefen die Gäste erneut nach mehr. Einen Song später lief ich unter großem Applaus zu meinen Eltern und platzte sofort mit der Frage heraus: „Was wollte der Mann denn von dir?“

Was mein Vater mir dann sagte, verschlug mir die Sprache. Der Mann wäre der Manager von Al Martino. Al Martino war der berühmte Sänger von „Spanish Eyes“, das wusste ich. Mir blieb die Spucke weg. Dad fuhr fort: Er würde mit vielen bekannten Künstlerinnen und Künstlern zusammenarbeiten, hätte gute Kontakte zur größten Plattenfirma des Landes. Und dann meinte Dad: „Er hat gesagt, dass du eine große Stimme hast. Er will dich als Manager unter Vertrag nehmen.“

Mein Herz pochte jetzt wie wild. „Und, was hast du gesagt?“

Dad runzelte die Stirn: „Nein! Natürlich habe ich nein gesagt. Du bist viel zu jung“, polterte er.

Ich konnte es nicht fassen. Meine Erinnerung an den restlichen Abend verschwimmt an dieser Stelle. In meinem Kopf waren nur noch die Worte: Manager, Plattenfirma, Vertrag. Ich musste meinen sturen Dad unbedingt überzeugen! Aber wie? Wenn er einmal eine Meinung zu etwas hatte, hörte er einem nicht einmal mehr zu. Die Hochzeit war für mich gelaufen, ich wollte nur noch nach Hause.

Ich wusste, dass ich professionell singen möchte und dass eine solche Chance vielleicht kein zweites Mal käme. Zurück in unserem Wohnzimmer flehte ich Dad an, es sich noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen. Dazu muss man wissen: Mir fiel es generell schwer zu sagen, was ich will und was ich nicht will. In diesem Fall redete ich aber, als ginge es um mein Leben. Ich erzählte Dad, dass ich davon träumte, eines Tages in der „Perry Como Show“ aufzutreten. Dass ich keine von Comos Varieté-Shows im Fernsehen verpasste, ihn für den größten Sänger überhaupt hielt. Dass ich immer üben und Mom und ihn ganz bestimmt stolz machen würde. Ich sprach ohne Punkt und Komma, ließ Dad an all meinen Träumen über das Singen teilhaben, und, oh Wunder, er hörte mir zu. Und ich glaube, er verstand mich. Er verstand, dass das meine Welt war, dass das Singen alles war, was ich jemals wollte. Mein sturer Dad nickte ein paar Mal, dann sagte er, es wäre nun Zeit für mich, schlafen zu gehen. Ich stieg mit bangem Herzen zu Linda, die schon lange selig schlief, ins Bett und machte die ganze Nacht lang kein Auge zu. Ob ich ihn überzeugt hatte?

Am darauffolgenden Tag musste ich nicht lange auf eine Antwort warten. Gegen Mittag stand der kleine Mann mit der Brille auf einmal auf unserer Veranda. Sein Name war Russell Smith und er wohnte, genau wie wir, in der 3rd Street hier in Lansdale. Unglaublich, dass wir uns noch nie begegnet sind, dachte ich. Das Reden überließ ich selbstverständlich Dad. Russell Smith meinte, er könnte mich zum Star machen. Was für ein unglaublich blöder Satz, fand ich. Ich glaube, wir mochten diesen Mann alle nicht besonders, doch seine Kontakte in die Musikbranche klangen vielversprechend. Irgendwann nickte Dad ein kleines Kopfnicken, und dann zog Russell Smith einen zerknautschten Vertrag aus der Innentasche seines Jacketts. Ich musste mich beherrschen, um nicht vor Freude zu schreien. Meine Eltern unterzeichneten. Ich traute mich nicht, meinen Dad anzusehen, ich hörte nur, wie der Stift über das Papier flog. Signed, sealed, delivered – ich habe wirklich einen Manager. Ich konnte es kaum fassen.

Ich glaube, meine Eltern willigten ein, weil sie das Gefühl hatten, Russell Smith sei ein Vertrauter, ein Nachbar, im weitesten Sinne ein Freund der Familie, der ihrer Tochter nur Gutes will. Wie falsch wir doch alle lagen.

I WILLFOLLOW HIM

Von nun an verbrachte ich meine Wochenenden nicht mehr mit Linda und meinen Eltern, sondern mit einem älteren Mann, der meiner Familie und mir in Aussicht gestellt hatte, dass ich das Singen eines Tages zu meinem Beruf machen könnte. Und nichts anderes wollte ich. Dass für mich jetzt die beste und zugleich schlimmste Phase meines Lebens anbrach, ahnte ich nicht. Als ich zum ersten Mal zu Russell Smith ins Auto stieg, sagte er, ich solle ihn Russ nennen. Russ rauchte auf der einstündigen Autofahrt zum Tonstudio in Philadelphia pausenlos, und das auch noch bei geschlossenen Fenstern. Ich machte mir Sorgen um meine Stimme und musste husten. Als ich ihn fragte, ob wir das Fenster aufmachen könnten, reagierte er nicht. Eigenartig, dachte ich. Ich riss mich zusammen und versuchte, für den Rest der Fahrt flach zu atmen. Ich konzentrierte mich auf meine Vorfreude auf die Demoaufnahmen, denn die war riesig. Richtig aufgeregt war ich. Vor Ort eröffnete mir Russ, welche Songs er für mich ausgesucht hatte. Einer davon war der Titel „Teasing“. Übersetzt heißt das „reizen“. Ich verstand nicht, warum ich mit 13 Jahren einen Song singen sollte, bei dem es um sexuelle Reize ging. Als wir die fertige Aufnahme anhörten – meine Stimme klang darauf hell und jung –, fragte ich Russ, ob er das wirklich passend fände. Er meinte daraufhin nur, dass ich still sein und ihn seinen Job machen lassen solle. Ich erschrak und traute mich nicht, Widerworte zu leisten.

Ein paar Tage später war die Demo-Platte fertig, mit der mich Russ bei den großen Plattenfirmen vorstellen wollte. Es war zwar nur ein Demo, aber ich hatte zum ersten Mal etwas in der Hand, etwas zum Anfassen, eine richtige Schallplatte. Ein wahnsinnig tolles Gefühl war das.

Zu Hause erzählte ich von meinen Ausflügen ins Tonstudio, aber nur von den guten Sachen. Mom und Dad freuten sich sehr mit mir, und ich wollte ihnen keine Sorgen bereiten. Russ sagte zwar regelmäßig, dass ich keine Ahnung davon hätte, was richtig und wichtig sei, dass ich einfach singen und ihn reden lassen solle. Aber er tat mir ja körperlich nichts an. Dass ein junges Mädchen auch auf andere Weise Schaden nehmen konnte, kam mir damals noch nicht in den Sinn. Was hätte ich auch anderes denken sollen? Als Kind empfindest du das, was dir widerfährt, als normal. Du kennst ja nichts anderes als deine eigene Welt. Seit Russ mich entdeckt hatte, veränderte sich meine Welt drastisch. Mom war, ganz anders als früher, nicht mehr an der Planung meiner Auftritte beteiligt, das machte ja jetzt alles Russ. Ich vermisste sie. Zwar war ich der Mittelpunkt von Russ‘ Arbeit, die Hauptperson sozusagen, doch ich durfte zu nichts meine Meinung sagen, nicht einmal Fragen stellen.

Als ich einmal für einen Auftritt ein grünes Kleid anziehen sollte, bat ich ihn darum, ein rotes anziehen zu dürfen, dass meine Mom für mich genäht hatte. Ich solle tun, was er befiehlt, meinte er. Ich sei hier nur fürs Singen zuständig, zu allem anderen hätte ich meinen Mund zu halten. So oder so ähnlich liefen die Gespräche zwischen Russ und mir meistens ab. Vielleicht hat er recht?, fing ich an, mich zu fragen. Ich hatte ja wirklich keine Ahnung vom Showbusiness. Immer öfter überlegte ich es mir zweimal, Vorschläge zu machen. Außerdem hatte Russ ja gesagt, er wüsste, wie man ein junges Talent wie mich groß rausbringt. Mir blieb also nichts anderes übrig, als ihm zu glauben und zu vertrauen. Auch die Gagen für meine Auftritte liefen über ihn, weil ich noch minderjährig war. Ich wusste nicht einmal, wie viel ich verdiente. Manchmal stellte ich mir vor, wie ich Mom und Dad irgendwann ein neues Haus kaufen würde. Anhand der großen TV-Studios und der Säle, in denen ich auftrat, konnte ich ahnen, dass da bestimmt ein bisschen Geld zusammenkam. Die Vollmacht über meine Finanzen lag nicht etwa aus dem Grund bei Russ, weil Mom und Dad das so gewollt hatten. Nein, damals galt in unserem Bundesstaat ein Gesetz, das es so vorgab, die Coogan Bill, das sogenannte Coogan-Gesetz. Seinen Ursprung hat es in den 1920ern, damals gab es einen sehr jungen Schauspieler namens Jackie Coogan, der als Kinder-Darsteller Millionen verdient hatte. Er war neben Charlie Chaplin in dessen Film „The Kid“ berühmt geworden. Coogans Eltern verwalteten die Gagen ihres Sohnes. Als er volljährig wurde, wartete er jedoch vergebens auf sein Geld, denn seine Mutter soll sich geweigert haben, ihm das Vermögen auszuzahlen. Jackie Coogan zog daraufhin vor Gericht und erwirkte einen Vergleich. Die Eltern hatten einen Großteil seines Geldes allerdings bereits ausgegeben, und als Konsequenz aus diesem Prozess entstand das Coogan-Gesetz. Es legt fest, dass das Einkommen von minderjährigen Künstlerinnen und Künstlern deren Eigentum ist und vor dem Zugriff der Eltern geschützt werden soll. Blöd nur, dass ich nicht vor meinen Eltern geschützt hätte werden müssen, sondern vor einer ganz anderen Person.

Mittlerweile waren einige Monate vergangen, in denen mich Russ von Auftritt zu Auftritt gefahren und mit großen Namen um sich geworfen hatte. Manchmal fragte ich mich: Kannte er all diese Menschen wirklich oder prahlte er? Doch manchmal, wie von Zauberhand, folgten auf Russ‘ Worte doch noch Taten. So hatte er für mich eines Tages eine Zusammenarbeit mit einem Komponisten namens Peter de Angelis organisiert. Er und sein Geschäftspartner hatten Hunderte von Songs, darunter auch „Venus“ von Frankie Avalon, geschrieben. Dank Dads Plattensammlung und der TV-Shows kannte ich diese Namen alle. Ich hatte sie immer aus der Ferne bewundert, auf einmal schienen sie näher an mich heranzurücken. Russ fuhr mit mir nach New York, um in De Angelis‘ Studio eine Demo-Platte aus vier Songs aufzunehmen. Ich finde es fast ein bisschen witzig, dass ich mich auch an die vier Titel nicht mehr erinnere. Obwohl sie mir das wichtigste Vorsingen meines jungen Lebens verschafften: eine Audition bei RCA Records, dem New Yorker Plattenlabel, das auch Elvis Presley und Harry Belafonte unter Vertrag hatte. Die Fahrt zum Big Apple kam mir surreal vor. Ich war noch nie zuvor in New York gewesen, obwohl die Stadt nur zwei Autostunden von Lansdale entfernt war. Russ meinte, dass ich nicht so viel reden solle und dass ich bei RCA auf Hugo Peretti und Luigi Creatore treffen würde, so hießen die beiden Produzenten. Sie arbeiteten auch mit meinem Idol Perry Como zusammen. Ein Pianist, der mich bei meinem Vorsingen begleiten sollte, war auch angekündigt. Ich war total aus dem Häuschen.

Als wir den Holland Tunnel durchquert hatten und immer näher an unser Ziel kamen, verstand ich, warum man die hohen Gebäude in New York Wolkenkratzer nannte. Aus dem Auto konnte ich teilweise kaum die obersten Stockwerke sehen. Ich war beeindruckt. Wir fanden lange keinen Parkplatz, trotzdem kamen wir noch pünktlich an. An der Art, wie Hugo und Luigi Russ in ihrem Büro begrüßten, merkte ich, dass sie sich gut kannten.

„Das ist also Peggy Battavio“, sagte einer der beiden. Sie begrüßten mich kurz und unterhielten sich dann untereinander. Irgendwann war klar, dass der Pianist doch nicht kommen würde. Ich sagte: „Kein Problem.“ Das war es auch nicht, denn a cappella zu singen gehörte schon damals zu meinen Stärken. Die Männer redeten nicht mit mir und sahen mich kaum an, doch als ich anfing zu singen, hatte ich auf einmal ihre volle Aufmerksamkeit. Hugo und Luigi ließen mich bis zum letzten Ton aussingen.

„Battavio, hm?“, sagte einer der beiden, als ich fertig war. „Der Name geht nicht, viel zu lang.“

Russ grinste.

„Hey, when’s your birthday?“, fragte mich der andere.

„March“, antwortete ich, was auf Deutsch März heißt.

„Okay, dann bist du ab sofort Peggy March. Oder noch besser: Little Peggy March, die kleine Sängerin.“

Ich war empört, wieso denn little, ich war 13 Jahre alt, und das Letzte, was ich sein wollte, war klein. Aber da war nichts zu machen, die drei Männer waren von der Idee überzeugt, und allein darum schien es zu gehen. Keine zwei Minuten später hielten sie mir einen Vertrag unter die Nase. Und ich unterschrieb. Ohne ihn zu lesen! Naja, was soll ich sagen, ich war jung und die Naivität in Person. Rechtskräftig ist die Unterschrift einer 13-Jährigen ja ohnehin nicht.

Auf der Fahrt zurück nach Hause sprach Russ kaum ein Wort mit mir, aber dieses Mal war es mir egal. Holy shit, ich schwebte auf Wolke 7. Nicht, dass ich dachte: „Peachie, jetzt hast du es geschafft.“ Aber in meinem Bauch flogen die Schmetterlinge nur so hin und her. So sehr, dass ich in dieser Nacht vor lauter Aufregung kaum in den Schlaf fand. Ein Glück hatte ich Linda, sie gab mir ein Gefühl von Geborgenheit.

Am nächsten Tag ging ich zur Schule, als wäre nichts gewesen. Mein Leben änderte sich ja auch nicht einfach über Nacht – zumindest noch nicht.

Der erste Song, den mir die Leute von RCA gaben, hieß „