Penthesilea. Ein Trauerspiel. Textausgabe mit Anmerkungen/Worterklärungen und Nachbemerkung - Heinrich von Kleist - E-Book + Hörbuch

Penthesilea. Ein Trauerspiel. Textausgabe mit Anmerkungen/Worterklärungen und Nachbemerkung E-Book

Heinrich Von Kleist

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Beschreibung

Heinrich von Kleists 1808 erschienenes Trauerspiel "Penthesilea" bearbeitet einen Stoff aus der griechischen Mythologie: das tödliche Zusammentreffen zwischen dem Griechenhelden Achilles und der Amazonenkönigin Penthesilea auf dem Schlachtfeld vor Troja. Kleists grausames Drama bildet ein Gegengewicht zu den idealisierenden Antikevorstellungen seiner Zeit und wurde nach seinem Erscheinen heftig kritisiert und abgelehnt. Mit seinen 24 Auftritten von unterschiedlicher Länge und ohne Akteinteilung folgt Kleists Trauerspiel weder antiken noch zeitgenössischen Vorbildern; zudem nimmt die "verdeckte Handlung"? die über Boten oder Beobachter mitgeteilt wird, einen wesentlich größeren Raum ein als die direkte Handlung. Bis heute bezieht Kleists "Penthesilea" seine Wirkung aus der Anlage als psychologisches Seelendrama, in der Liebe und Hass, Erotik und Aggression aufs Engste verflochten sind. Text in neuer Rechtschreibung.

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Seitenzahl: 128

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Heinrich von Kleist

Penthesilea

Ein Trauerspiel

Reclam

1983, 2001 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

Durchgesehene Ausgabe 2001

auf der Grundlage der gültigen amtlichen Rechtschreibregeln

Gesamtherstellung: Reclam, Ditzingen

Made in Germany 2017

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN 978-3-15-961040-5

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-001305-2

www.reclam.de

Inhalt

PersonenErster AuftrittZweiter AuftrittDritter AuftrittVierter AuftrittFünfter AuftrittSechster AuftrittSiebenter AuftrittAchter AuftrittNeunter AuftrittZehnter AuftrittEilfter AuftrittZwölfter AuftrittDreizehnter AuftrittVierzehnter AuftrittFünfzehnter AuftrittSechzehnter AuftrittSiebenzehnter AuftrittAchtzehnter AuftrittNeunzehnter AuftrittZwanzigster AuftrittEinundzwanzigster AuftrittZweiundzwanzigster AuftrittDreiundzwanzigster AuftrittVierundzwanzigster AuftrittZu dieser Ausgabe

Personen

PENTHESILEA, Königin der Amazonen

Fürstinnen der Amazonen

PROTHOE

MEROE

ASTERIA

DIE OBERPRIESTERIN DER DIANA

Könige des Griechenvolks

ACHILLES

ODYSSEUS

DIOMEDES

ANTILOCHUS

GRIECHEN UND AMAZONEN

 

Szene: Schlachtfeld bei Troja

Erster Auftritt

Odysseus und Diomedes von der einen Seite, Antilochus von der andern, Gefolge treten auf.

ANTILOCHUS.

Seid mir gegrüßt, ihr Könige! Wie geht’s,

Seit wir zuletzt bei Troja uns gesehn?

ODYSSEUS.

Schlecht, Antiloch. Du siehst auf diesen Feldern,

Der Griechen und der Amazonen Heer,

Wie zwei erboste Wölfe sich umkämpfen:

Beim Jupiter! sie wissen nicht warum?

Wenn Mars entrüstet, oder Delius,

Den Stecken nicht ergreift, der Wolkenrüttler

Mit Donnerkeilen nicht dazwischen wettert:

Tot sinken die Verbissnen heut noch nieder,10

Des einen Zahn im Schlund des anderen. –

Schafft einen Helm mit Wasser!

ANTILOCHUS.

    Element!

Was wollen diese Amazonen uns?

ODYSSEUS.

Wir zogen aus, auf des Atriden Rat,

Mit der gesamten Schar der Myrmidonen,

Achill und ich; Penthesilea, hieß es,

Sei in den skyth’schen Wäldern aufgestanden,

Und führ ein Heer, bedeckt mit Schlangenhäuten,

Von Amazonen, heißer Kampflust voll,

Durch der Gebirge Windungen heran,20

Den Priamus in Troja zu entsetzen.

Am Ufer des Skamandros hören wir,

Deiphobus auch, der Priamide, sei

Aus Ilium mit einer Schar gezogen,

Die Königin, die ihm mit Hülfe naht,

Nach Freundesart zu grüßen. Wir verschlingen

Die Straße jetzt, uns zwischen dieser Gegner

Heillosem Bündnis wehrend aufzupflanzen;

Die ganze Nacht durch windet sich der Zug.

Doch, bei des Morgens erster Dämmerröte,30

Welch ein Erstaunen fasst’ uns, Antiloch,

Da wir, in einem weiten Tal vor uns,

Mit des Deiphobus Iliern im Kampf

Die Amazonen sehn! Penthesilea,

Wie Sturmwind ein zerrissenes Gewölk,

Weht der Trojaner Reihen vor sich her,

Als gält es übern Hellespont hinaus,

Hinweg vom Rund der Erde sie zu blasen.

ANTILOCHUS.

Seltsam, bei unserm Gott!

ODYSSEUS.

    Wir sammeln uns,

Der Trojer Flucht, die wetternd auf uns ein,40

Gleich einem Anfall keilt, zu widerstehen,

Und dicht zur Mauer drängen wir die Spieße.

Auf diesen Anblick stutzt der Priamide;

Und wir, im kurzen Rat beschließen, gleich,

Die Amazonenfürstin zu begrüßen:

Sie auch hat ihren Siegeslauf gehemmt.

War je ein Rat einfältiger und besser?

Hätt ihn Athene, wenn ich sie befragt,

Ins Ohr verständiger mir flüstern können?

Sie muss, beim Hades! diese Jungfrau, doch,50

Die wie vom Himmel plötzlich, kampfgerüstet,

In unsern Streit fällt, sich darin zu mischen,

Sie muss zu einer der Partein sich schlagen;

Und uns die Freundin müssen wir sie glauben,

Da sie sich Teukrischen die Feindin zeigt.

ANTILOCHUS.

Was sonst, beim Styx! Nichts anders gibt’s.

ODYSSEUS.

    Nun gut.

Wir finden sie, die Heldin Skythiens,

Achill und ich – in kriegerischer Feier

An ihrer Jungfraun Spitze aufgepflanzt,

Geschürzt, der Helmbusch wallt ihr von der Scheitel,60

Und seine Gold- und Purpurtroddeln regend,

Zerstampft ihr Zelter unter ihr den Grund.

Gedankenvoll, auf einen Augenblick,

Sieht sie in unsre Schar, von Ausdruck leer,

Als ob in Stein gehaun wir vor ihr stünden;

Hier diese flache Hand, versichr’ ich dich,

Ist ausdrucksvoller als ihr Angesicht:

Bis jetzt ihr Aug auf den Peliden trifft:

Und Glut ihr plötzlich, bis zum Hals hinab,

Das Antlitz färbt, als schlüge rings um ihr70

Die Welt in helle Flammenlohe auf.

Sie schwingt, mit einer zuckenden Bewegung,

– Und einen finstern Blick wirft sie auf ihn –

Vom Rücken sich des Pferds herab, und fragt,

Die Zügel einer Dienrin überliefernd,

Was uns, in solchem Prachtzug, zu ihr führe.

Ich jetzt, wie wir Argiver hoch erfreut,

Auf eine Feindin des Dardanervolks zu stoßen;

Was für ein Hass den Priamiden längst

Entbrannt sei in der Griechen Brust, wie nützlich,80

So ihr, wie uns, ein Bündnis würde sein;

Und was der Augenblick noch sonst mir beut:

Doch mit Erstaunen, in dem Fluss der Rede,

Bemerk ich, dass sie mich nicht hört. Sie wendet,

Mit einem Ausdruck der Verwunderung,

Gleich einem sechzehnjähr’gen Mädchen plötzlich,

Das von olymp’schen Spielen wiederkehrt,

Zu einer Freundin, ihr zur Seite sich,

Und ruft: solch einem Mann, o Prothoe, ist

Otrere, meine Mutter, nie begegnet!90

Die Freundin, auf dies Wort betreten, schweigt,

Achill und ich, wir sehn uns lächelnd an,

Sie ruht, sie selbst, mit trunknem Blick schon wieder

Auf des Äginers schimmernde Gestalt:

Bis jen’ ihr schüchtern naht, und sie erinnert,

Dass sie mir noch die Antwort schuldig sei.

Drauf mit der Wangen Rot, war’s Wut, war’s Scham,

Die Rüstung wieder bis zum Gurt sich färbend,

Verwirrt und stolz und wild zugleich: sie sei

Penthesilea, kehrt sie sich zu mir,100

Der Amazonen Königin, und werde

Aus Köchern mir die Antwort übersenden!

ANTILOCHUS.

So, Wort für Wort, der Bote, den du sandtest;

Doch keiner in dem ganzen Griechenlager,

Der ihn begriff.

ODYSSEUS.

    Hierauf unwissend jetzt,

Was wir von diesem Auftritt denken sollen,

In grimmiger Beschämung gehn wir heim,

Und sehn die Teukrischen, die unsre Schmach

Von fern her, die hohnlächelnden, erraten,

Wie im Triumph sich sammeln. Sie beschließen110

Im Wahn, sie seien die Begünstigten,

Und nur ein Irrtum, der sich lösen müsse,

Sei an dem Zorn der Amazone schuld,

Schnell ihr, durch einen Herold, Herz und Hand,

Die sie verschmäht, von neuem anzutragen.

Doch eh der Bote, den sie senden wollen,

Den Staub noch von der Rüstung abgeschüttelt,

Stürzt die Kentaurin, mit verhängtem Zügel,

Auf sie und uns schon, Griech’ und Trojer, ein,

Mit eines Waldstroms wütendem Erguss120

Die einen, wie die andern, niederbrausend.

ANTILOCHUS.

Ganz unerhört, ihr Danaer!

ODYSSEUS.

    Jetzt hebt

Ein Kampf an, wie er, seit die Furien walten,

Noch nicht gekämpft ward auf der Erde Rücken.

So viel ich weiß, gibt es in der Natur

Kraft bloß und ihren Widerstand, nichts Drittes.

Was Glut des Feuers löscht, löst Wasser siedend

Zu Dampf nicht auf und umgekehrt. Doch hier

Zeigt ein ergrimmter Feind von beiden sich,

Bei dessen Eintritt nicht das Feuer weiß,130

Ob’s mit dem Wasser rieseln soll, das Wasser,

Ob’s mit dem Feuer himmelan soll lecken.

Der Trojer wirft, gedrängt von Amazonen,

Sich hinter eines Griechen Schild, der Grieche

Befreit ihn von der Jungfrau, die ihn drängte,

Und Griech’ und Trojer müssen jetzt sich fast,

Dem Raub der Helena zu Trotz, vereinen,

Um dem gemeinen Feinde zu begegnen.

(Ein Grieche bringt ihm Wasser.)

Dank! Meine Zunge lechzt.

DIOMEDES.

    Seit jenem Tage

Grollt über dieser Ebne unverrückt140

Die Schlacht, mit immer reger Wut, wie ein

Gewitter, zwischen waldgekrönter Felsen Gipfeln

Geklemmt. Als ich mit den Ätoliern gestern

Erschien, der Unsern Reihen zu verstärken,

Schlug sie mit Donnerkrachen eben ein,

Als wollte sie den ganzen Griechenstamm

Bis auf den Grund, die Wütende, zerspalten.

Der Krone ganze Blüte liegt, Ariston,

Astyanax, von Sturm herabgerüttelt,

Menandros, auf dem Schlachtfeld da, den Lorbeer,150

Mit ihren jungen, schönen Leibern groß,

Für diese kühne Tochter Ares’, düngend.

Mehr der Gefangnen siegreich nahm sie schon,

Als sie uns Augen, sie zu missen, Arme,

Sie wieder zu befrein, uns übrig ließ.

ANTILOCHUS.

Und niemand kann, was sie uns will, ergründen?

DIOMEDES.

Kein Mensch, das eben ist’s: wohin wir spähend

Auch des Gedankens Senkblei fallen lassen.

– Oft, aus der sonderbaren Wut zu schließen,

Mit welcher sie, im Kampfgewühl, den Sohn160

Der Thetis sucht, scheint’s uns, als ob ein Hass

Persönlich wider ihn die Brust ihr füllte.

So folgt, so hungerheiß, die Wölfin nicht,

Durch Wälder, die der Schnee bedeckt, der Beute,

Die sich ihr Auge grimmig auserkor,

Als sie, durch unsre Schlachtreihn, dem Achill.

Doch jüngst, in einem Augenblick, da schon

Sein Leben war in ihre Macht gegeben,

Gab sie es lächelnd, ein Geschenk, ihm wieder:

Er stieg zum Orkus, wenn sie ihn nicht hielt.170

ANTILOCHUS.

Wie? Wenn ihn wer? Die Königin?

DIOMEDES.

    Sie selbst!

Denn als sie, um die Abenddämmrung gestern,

Im Kampf, Penthesilea und Achill,

Einander trafen, stürmt Deiphobus her,

Und auf der Jungfrau Seite hingestellt,

Der Teukrische, trifft er dem Peleïden

Mit einem tück’schen Schlag die Rüstung prasselnd,

Dass rings der Ormen Wipfel widerhallten.

Die Königin, entfärbt, lässt zwei Minuten

Die Arme sinken: und die Locken dann180

Entrüstet um entflammte Wangen schüttelnd,

Hebt sie vom Pferdesrücken hoch sich auf,

Und senkt, wie aus dem Firmament geholt,

Das Schwert ihm wetterstrahlend in den Hals,

Dass er zu Füßen hin, der Unberufne,

Dem Sohn, dem göttlichen, der Thetis rollt.

Er jetzt, zum Dank, will ihr, der Peleïde,

Ein Gleiches tun; doch sie bis auf den Hals

Gebückt, den mähnumflossenen, des Schecken,

Der, in den Goldzaum beißend, sich herumwirft,190

Weicht seinem Mordhieb aus, und schießt die Zügel,

Und sieht sich um, und lächelt, und ist fort.

ANTILOCHUS.

Ganz wunderbar!

ODYSSEUS.

    Was bringst du uns von Troja?

ANTILOCHUS.

Mich sendet Agamemnon her, und fragt dich,

Ob Klugheit nicht, bei so gewandelten

Verhältnissen, den Rückzug dir gebiete.

Uns gelt es Iliums Mauern einzustürzen,

Nicht einer freien Fürstin Heereszug,

Nach einem uns gleichgült’gen Ziel, zu stören.

Falls du daher Gewissheit dir verschafft,200

Dass nicht mit Hülfe der Dardanerburg

Penthesilea naht, woll er, dass ihr

Sogleich, um welchen Preis gleichviel, euch wieder

In die argivische Verschanzung werft.

Verfolgt sie euch, so werd er, der Atride,

Dann an des Heeres Spitze selber sehn,

Wozu sich diese rätselhafte Sphinx

Im Angesicht von Troja wird entscheiden.

ODYSSEUS.

Beim Jupiter! Der Meinung bin ich auch.

Meint ihr, dass der Laertiade sich210

In diesem sinnentblößten Kampf gefällt?

Schafft den Peliden weg von diesem Platze!

Denn wie die Dogg entkoppelt, mit Geheul

In das Geweih des Hirsches fällt: der Jäger,

Erfüllt von Sorge, lockt und ruft sie ab;

Jedoch verbissen in des Prachttiers Nacken,

Tanzt sie durch Berge neben ihm, und Ströme,

Fern in des Waldes Nacht hinein: so er,

Der Rasende, seit in der Forst des Krieges

Dies Wild sich von so seltner Art, ihm zeigte.220

Durchbohrt mit einem Pfeilschuss, ihn zu fesseln,

Die Schenkel ihm: er weicht, so schwört er, eher

Von dieser Amazone Ferse nicht,

Bis er bei ihren seidnen Haaren sie

Von dem gefleckten Tigerpferd gerissen.

Versuch’s, o Antiloch, wenn’s dir beliebt,

Und sieh, was deine rednerische Kunst,

Wenn seine Lippe schäumt, bei ihm vermag.

DIOMEDES.

Lasst uns vereint, ihr Könige, noch einmal

Vernunft keilförmig, mit Gelassenheit,230

Auf seine rasende Entschließung setzen.

Du wirst, erfindungsreicher Larissäer,

Den Riss schon, den er beut, zu finden wissen.

Weicht er dir nicht, wohlan, so will ich ihn

Mit zwei Ätoliern auf den Rücken nehmen,

Und einem Klotz gleich, weil der Sinn ihm fehlt,

In dem Argiverlager niederwerfen.

ODYSSEUS.

Folgt mir!

ANTILOCHUS.

    Nun? Wer auch eilt uns dort heran?

DIOMEDES.

Es ist Adrast. So bleich und so verstört.

Zweiter Auftritt

Die Vorigen. Ein Hauptmann tritt auf.

ODYSSEUS.

Was bringst du?

DIOMEDES.

    Botschaft?

DER HAUPTMANN.

    Euch die ödeste,240

Die euer Ohr noch je vernahm.

DIOMEDES.

    Wie?

ODYSSEUS.

    Rede!

DER HAUPTMANN.

Achill – ist in der Amazonen Händen,

Und Pergams Mauern fallen jetzt nicht um.

DIOMEDES.

Ihr Götter, ihr olympischen!

ODYSSEUS.

    Unglücksbote!

ANTILOCHUS.

Wann trug, wo, das Entsetzliche sich zu?

DER HAUPTMANN.

Ein neuer Anfall, heiß, wie Wetterstrahl,

Schmolz, dieser wuterfüllten Mavorstöchter,

Rings der Ätolier wackre Reihen hin,

Auf uns, wie Wassersturz, hernieder sie,

Die unbesiegten Myrmidonier, gießend.250

Vergebens drängen wir dem Fluchtgewog

Entgegen uns: in wilder Überschwemmung

Reißt’s uns vom Kampfplatz strudelnd mit sich fort:

Und eher nicht vermögen wir den Fuß,

Als fern von dem Peliden fest zu setzen.

Erst jetzo wickelt er, umstarrt von Spießen,

Sich aus der Nacht des Kampfes los, er rollt

Von eines Hügels Spitze scheu herab,

Auf uns kehrt glücklich sich sein Lauf, wir senden

Aufjauchzend ihm den Rettungsgruß schon zu:260

Doch es erstirbt der Laut im Busen uns,

Da plötzlich jetzt sein Viergespann zurück

Vor einem Abgrund stutzt, und hoch aus Wolken

In grause Tiefe bäumend niederschaut.

Vergebens jetzt, in der er Meister ist,

Des Isthmus ganze vielgeübte Kunst:

Das Rossgeschwader wendet, das erschrockne,

Die Häupter rückwärts in die Geißelhiebe,

Und im verworrenen Geschirre fallend,

Zum Chaos, Pferd’ und Wagen, eingestürzt,270

Liegt unser Göttersohn, mit seinem Fuhrwerk,

Wie in der Schlinge eingefangen da.

ANTILOCHUS.

Der Rasende! Wohin treibt ihn –?

DER HAUPTMANN.

    Es stürzt

Automedon, des Fahrzeugs rüst’ger Lenker,

In die Verwirrung hurtig sich der Rosse:

Er hilft dem Viergekoppel wieder auf.

Doch eh er noch aus allen Knoten rings

Die Schenkel, die verwickelten, gelöst,

Sprengt schon die Königin, mit einem Schwarm

Siegreicher Amazonen, ins Geklüft,280

Jedweden Weg zur Rettung ihm versperrend.

ANTILOCHUS.

Ihr Himmlischen!

DER HAUPTMANN.

    Sie hemmt, Staub rings umqualmt sie,

Des Zelters flücht’gen Lauf, und hoch zum Gipfel

Das Angesicht, das funkelnde, gekehrt,

Misst sie, auf einen Augenblick, die Wand:

Der Helmbusch selbst, als ob er sich entsetzte,

Reißt bei der Scheitel sie von hinten nieder.

Drauf plötzlich jetzt legt sie die Zügel weg:

Man sieht, gleich einer Schwindelnden, sie hastig

Die Stirn, von einer Lockenflut umwallt,290

In ihre beiden kleinen Hände drücken.

Bestürzt, bei diesem sonderbaren Anblick,

Umwimmeln alle Jungfraun sie, mit heiß

Eindringlicher Gebärde sie beschwörend;

Die eine, die zunächst verwandt ihr scheint,

Schlingt ihren Arm um sie, indes die andre

Entschlossner noch, des Pferdes Zügel greift:

Man will den Fortschritt mit Gewalt ihr wehren,

Doch sie –

DIOMEDES.

    Wie? wagt sie es?

ANTILOCHUS.

    Nein, sprich!

DER HAUPTMANN.

    Ihr hört’s.

Umsonst sind die Versuche, sie zu halten,300

Sie drängt mit sanfter Macht von beiden Seiten

Die Fraun hinweg, und im unruh’gen Trabe

An dem Geklüfte auf und nieder streifend,

Sucht sie, ob nicht ein schmaler Pfad sich biete

Für einen Wunsch, der keine Flügel hat;

Drauf jetzt, gleich einer Rasenden, sieht man

Empor sie an des Felsens Wände klimmen,

Jetzt hier, in glühender Begier, jetzt dort,

Unsinn’ger Hoffnung voll, auf diesem Wege

Die Beute, die im Garn liegt, zu erhaschen.310

Jetzt hat sie jeden sanftern Riss versucht,

Den sich im Fels der Regen ausgewaschen;

Der Absturz ist, sie sieht es, unersteiglich;

Doch, wie beraubt des Urteils, kehrt sie um,

Und fängt, als wär’s von vorn, zu klettern an.

Und schwingt, die Unverdrossene, sich wirklich

Auf Pfaden, die des Wandrers Fußtritt scheut,

Schwingt sich des Gipfels höchstem Rande näher

Um einer Orme Höh; und da sie jetzt auf einem

Granitblock steht, von nicht mehr Flächenraum320

Als eine Gemse sich zu halten braucht;

Von ragendem Geklüfte rings geschreckt,

Den Schritt nicht vorwärts mehr, nicht rückwärts wagt;

Der Weiber Angstgeschrei durchkreischt die Luft:

Stürzt sie urplötzlich, Ross und Reuterin,

Von los sich lösendem Gestein umprasselt,

Als ob sie in den Orkus führe, schmetternd

Bis an des Felsens tiefsten Fuß zurück,

Und bricht den Hals sich nicht und lernt auch nichts:

Sie rafft sich bloß zu neuem Klimmen auf.330

ANTILOCHUS.

Seht die Hyäne, die blind-wütende!

ODYSSEUS.

Nun? Und Automedon?

DER HAUPTMANN.

    Er endlich schwingt,

Das Fahrzeug steht, die Rosse auch, geordnet –

– Hephästos hätt in so viel Zeit fast neu

Den ganzen erznen Wagen schmieden können –