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Penthesilea thematisiert den Konflikt zwischen einem stark fühlenden Individuum und einer gesellschaftlichen Ordnung, die dem natürlichen Empfinden desselben in unnatürlicher Weise entgegensteht. Penthesilea ist die Königin der Amazonen. Dieses Volk, das aufgrund seiner grausamen Vorgeschichte keine Männer unter sich duldet, erhält sich durch einen ungewöhnlichen Brauch am Leben: Der Gott Mars wählt für die Amazonen ein Volk, aus dem diese sich im Kampf Männer erobern sollen, die sie zur Zeugung neuer Kriegerinnen mit sich nehmen. Nach vollzogenem Zeugungsakt werden die Männer wieder in die Freiheit entlassen. Der aus dieser Verbindung entstehende männliche Nachwuchs wird getötet. Heinrich von Kleist (1777-1811) war ein deutscher Dramatiker, Erzähler, Lyriker und Publizist.
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Seitenzahl: 233
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Odysseus und Diomedes (von der einen Seite) Antilochus (von der andern) Gefolge (treten auf)
ANTILOCHUS: Seyd mir gegrüßt, ihr Könige! Wie geht's, Seit wir zuletzt bei Troja uns gesehn?
ODYSSEUS: Schlecht, Antiloch. Du siehst auf diesen Feldern, Der Griechen und der Amazonen Heer, Wie zwei erboste Wölfe sich umkämpfen: Beim Jupiter! sie wissen nicht warum? Wenn Mars entrüstet, oder Delius, Den Stecken nicht ergreift, der Wolkenrüttler Mit Donnerkeilen nicht dazwischen wettert: Todt sinken die Verbißnen heut noch nieder, Des einen Zahn im Schlund des anderen. Schafft einen Helm mit Wasser!
ANTILOCHUS: Element! Was wollen diese Amazonen uns?
ODYSSEUS: Wir zogen aus, auf des Atriden Rath, Mit der gesammten Schaar der Myrmidonen, Achill und ich; Penthesilea, hieß es, Sei in den scyth'schen Wäldern aufgestanden, Und führ' ein Heer, bedeckt mit Schlangenhäuten. Von Amazonen, heißer Kampflust voll, Durch der Gebirge Windungen heran, Den Priamus in Troja zu entsetzen. Am Ufer des Skamandros hören wir, Deiphobus auch, der Priamide, sei Aus Ilium mit einer Schaar gezogen; Die Königinn, die ihm mit Hülfe naht, Nach Freundesart zu grüßen. Wir verschlingen Die Straße jetzt, uns zwischen dieser Gegner Heillosem Bündniß wehrend aufzupflanzen; Die ganze Nacht durch windet sich der Zug. Doch, bei des Morgens erster Dämmerröthe, Welch ein Erstaunen faßt' uns, Antiloch, Da wir, in einem weiten Thal vor uns, Mit des Deiphobus Iliern im Kampf Die Amazonen sehn! Penthesilea, Wie Sturmwind ein zerrissenes Gewölk, Weht der Trojaner Reihen vor sich her, Als gält es über'n Hellespont hinaus, Hinweg vom Rund der Erde sie zu blasen.
ANTILOCHUS: Seltsam, bei unserm Gott!
ODYSSEUS: Wir sammeln uns, Der Trojer Flucht, die wetternd auf uns ein, Gleich einem Anfall keilt, zu widerstehen, Und dicht zur Mauer drängen wir die Spieße. Auf diesen Anblick stutzt der Priamide; Und wir, im kurzen Rath beschließen, gleich, Die Amazonenfürstinn zu begrüßen: Sie auch hat ihren Siegeslauf gehemmt. War je ein Rath einfältiger und besser? Hätt' ihn Athenä, wenn ich sie befragt, In's Ohr verständiger mir flüstern können? Sie muß, beim Hades! diese Jungfrau, doch, Die wie vom Himmel plötzlich, kampfgerüstet, In unsern Streit fällt, sich darin zu mischen, Sie muß zu Einer der Parthein sich schlagen; Und uns die Freundinn müssen wir sie glauben, Da sie sich Teukrischen die Feindinn zeigt.
ANTILOCHUS: Was sonst, beim Styx! Nichts anders giebt's.
ODYSSEUS: Nun gut. Wir finden sie, die Heldinn Scythiens, Achill und ich—in kriegerischer Feier An ihrer Jungfraun Spitze aufgepflanzt, Geschürzt, der Helmbusch wallt ihr von der Scheitel, Und seine Gold- und Purpurtroddeln regend, Zerstampft ihr Zelter unter ihr den Grund. Gedankenvoll, auf einen Augenblick, Sieht sie in unsre Schaar, von Ausdruck leer, Als ob in Stein gehau'n wir vor ihr stünden; Hier diese flache Hand, versichr' ich dich, Ist ausdrucksvoller als ihr Angesicht: Bis jetzt ihr Aug auf den Peliden trifft: Und Glut ihr plötzlich, bis zum Hals hinab, Das Antlitz färbt, als schlüge rings um ihr Die Welt in helle Flammenlohe auf. Sie schwingt, mit einer zuckenden Bewegung, —Und einen finstern Blick wirft sie auf ihn— Vom Rücken sich des Pferds herab, und fragt, Die Zügel einer Dien'rinn überliefernd, Was uns, in solchem Prachtzug, zu ihr führe. Ich jetzt, wie wir Argiver hoch erfreut, Auf eine Feindinn des Dardanervolks zu stoßen; Was für ein Haß den Priamiden längst Entbrannt sei in der Griechen Brust, wie nützlich, So ihr, wie uns, ein Bündniß würde sein; Und was der Augenblick noch sonst mir beut: Doch mit Erstaunen, in dem Fluß der Rede, Bemerk' ich, daß sie mich nicht hört. Sie wendet, Mit einem Ausdruck der Verwunderung, Gleich einem sechzehnjähr'gen Mädchen plötzlich, Das von olymp'schen Spielen wiederkehrt, Zu einer Freundinn, ihr zur Seite sich, Und ruft: solch einem Mann, o Prothoe, ist Otrere, meine Mutter, nie begegnet! Die Freundinn, auf dies Wort betreten, schweigt, Achill und ich, wir sehn uns lächelnd an, Sie ruht, sie selbst, mit trunk'nem Blick schon wieder Auf des Äginers schimmernde Gestalt: Bis jen' ihr schüchtern naht, und sie erinnert, Daß sie mir noch die Antwort schuldig sei. Drauf mit der Wangen Roth, war's Wuth, war's Schaam, Die Rüstung wieder bis zum Gurt sich färbend, Verwirrt und stolz und wild zugleich: sie sei Penthesilea, kehrt sie sich zu mir, Der Amazonen Königinn, und werde Aus Köchern mir die Antwort übersenden!
ANTILOCHUS: So, Wort für Wort, der Bote, den du sandtest; Doch keiner in dem ganzen Griechenlager, Der ihn begriff.
ODYSSEUS: Hierauf unwissend jetzt, Was wir von diesem Auftritt denken sollen, In grimmiger Beschämung gehn wir heim, Und sehn die Teukrischen, die unsre Schmach Von fern her, die hohnlächelnden, errathen, Wie im Triumph sich sammeln. Sie beschließen Im Wahn, sie seien die Begünstigten, Und nur ein Irrthum, der sich lösen müsse, Sei an dem Zorn der Amazone Schuld, Schnell ihr, durch einen Herold, Herz und Hand, Die sie verschmäht, von neuem anzutragen. Doch eh' der Bote, den sie senden wollen, Den Staub noch von der Rüstung abgeschüttelt, Stürzt die Kenthaurinn, mit verhängtem Zügel, Auf sie und uns schon, Griech' und Trojer, ein, Mit eines Waldstroms wüthendem Erguß Die Einen, wie die Andern, niederbrausend.
ANTILOCHUS: Ganz unerhört, ihr Danaer!
ODYSSEUS: Jetzt hebt Ein Kampf an, wie er, seit die Furien walten, Noch nicht gekämpft ward auf der Erde Rücken So viel ich weiß, giebt es in der Natur Kraft blos und ihren Widerstand, nichts Drittes. Was Glut des Feuers löscht, lös't Wasser siedend Zu Dampf nicht auf und umgekehrt. Doch hier Zeigt ein ergrimmter Feind von beiden sich, Bei dessen Eintritt nicht das Feuer weiß, Ob's mit dem Wasser rieseln soll, das Wasser Ob's mit dem Feuer himmelan soll lecken. Der Trojer wirft, gedrängt von Amazonen, Sich hinter eines Griechen Schild, der Grieche Befreit ihn von der Jungfrau, die ihn drängte, Und Griech' und Trojer müssen jetzt sich fast, Dem Raub der Helena zu Trotz, vereinen, Um dem gemeinen Feinde zu begegnen.(Ein Grieche bringt ihm Wasser.) Dank! Meine Zunge lechzt.
DIOMEDES: Seit jenem Tage Grollt über dieser Ebne unverrückt Die Schlacht, mit immer reger Wuth, wie ein Gewitter, zwischen waldgekrönter Felsen Gipfeln Geklemmt. Als ich mit den Ätoliern gestern Erschien, der unsern Reihen zu verstärken, Schlug sie mit Donnerkrachen eben ein, Als wollte sie den ganzen Griechenstamm Bis auf den Grund, die Wüthende, zerspalten. Der Krone ganze Blüthe liegt, Ariston, Astyanax, von Sturm herabgerüttelt, Menandros, auf dem Schlachtfeld da, den Lorbeer, Mit ihren jungen, schönen Leibern groß, Für diese kühne Tochter Ares, düngend. Mehr der Gefangnen siegreich nahm sie schon, Als sie uns Augen, sie zu missen, Arme, Sie wieder zu befrein, uns übrig ließ.
ANTILOCHUS: Und Niemand kann, was sie uns will ergründen?
DIOMEDES: Kein Mensch, das eben ist's: wohin wir spähend Auch des Gedankens Senkblei fallen lassen. —oft, aus der sonderbaren Wuth zu schließen, Mit welcher sie, im Kampfgewühl, den Sohn Der Thetis sucht, scheint's uns, als ob ein Haß Persönlich wider ihn die Brust ihr füllte. So folgt, so hungerheiß, die Wölfinn nicht, Durch Wälder, die der Schnee bedeckt, der Beute, Die sich ihr Auge grimmig auserkohr, Als sie, durch unsre Schlachtreihn, dem Achill. Doch jüngst, in einem Augenblick, da schon Sein Leben war in ihre Macht gegeben, Gab sie es lächelnd, ein Geschenk, ihm wieder: Er stieg zum Orkus, wenn sie ihn nicht hielt.
ANTILOCHUS: Wie? Wenn ihn wer? Die Königinn?
DIOMEDES: Sie selbst! Denn als sie, um die Abenddämmrung gestern, Im Kampf, Penthesilea und Achill, Einander trafen, stürmt Deiphobus her, Und auf der Jungfrau Seite hingestellt, Der Teukrische, trifft er dem Peleïden Mit einem tück'schen Schlag die Rüstung prasselnd, Daß rings der Ormen Wipfel wiederhallten. Die Königinn, entfärbt, läßt zwei Minuten Die Arme sinken: und die Locken dann Entrüstet um entflammte Wangen schüttelnd, Hebt sie vom Pferdes-Rücken hoch sich auf, Und senkt, wie aus dem Firmament geholt, Das Schwerdt ihm wetterstrahlend in den Hals, Daß er zu Füssen hin, der Unberufne, Dem Sohn, dem göttlichen, der Thetis rollt. Er jetzt, zum Dank, will ihr, der Peleïde, Ein Gleiches thun; doch sie bis auf den Hals Gebückt, den mähnumflossenen, des Schecken, Der, in dem Goldzaum beißend, sich herumwirft, Weicht seinem Mordhieb aus, und schießt die Zügel, Und sieht sich um, und lächelt, und ist fort.
ANTILOCHUS: Ganz wunderbar!
ODYSSEUS: Was bringst du uns von Troja?
ANTILOCHUS: Mich sendet Agamemnon her, und fragt dich, Ob Klugheit nicht, bei so gewandelten Verhältnissen, den Rückzug dir gebiete. Uns gelt' es Iliums Mauern einzustürzen, Nicht einer freien Fürstinn Heereszug, Nach einem uns gleichgült'gen Ziel, zu stören. Falls du daher Gewißheit dir verschafft, Daß nicht mit Hülfe der Dardanerburg Penthesilea naht, woll' er, daß ihr Sogleich, um welchen Preis gleichviel, euch wieder In die argivische Verschanzung werft. Verfolgt sie euch, so werd' er, der Atride, Dann an des Heeres Spitze selber sehn, Wozu sich diese räthselhafte Sphinx Im Angesicht von Troja wird entscheiden.
ODYSSEUS: Beim Jupiter! Der Meinung bin ich auch. Meint ihr, daß der Laertiade sich
Die Vorigen. Ein Hauptmann. (tritt auf)
ODYSSEUS: Was bringst du?
DIOMEDES: Botschaft?
DER HAUPTMANN: Euch die ödeste, Die euer Ohr noch je vernahm.
DIOMEDES: Wie?
ODYSSEUS: Rede!
DER HAUPTMANN: Achill—ist in der Amazonen Händen, Und Pergams Mauern fallen jezt nicht um.
DIOMEDES: Ihr Götter. ihr olympischen!
ODYSSEUS: Unglücksbote!
ANTILOCHUS: Wann trug, wo, das Entsetzliche sich zu?
DER HAUPTMANN: Ein neuer Anfall, heiß, wie Wetterstrahl, Schmolz, dieser wutherfüllten Mavorstöchter, Rings der Ätolier wackre Reihen hin, Auf uns, wie Wassersturz, hernieder sie, Die unbesiegten Myrmidonier, gießend. Vergebens drängen wir dem Fluchtgewog Entgegen uns: in wilder Überschwemmung Reißt's uns vom Kampfplatz strudelnd mit sich fort: Und eher nicht vermögen wir den Fuß, Als fern von dem Peliden fest zu setzen. Erst jetzo wickelt er, umstarrt von Spießen, Sich aus der Nacht des Kampfes los, er rollt Von eines Hügels Spitze scheu herab, Auf uns kehrt glücklich sich sein Lauf, wir senden Aufjauchzend ihm den Rettungsgruß schon zu: Doch es erstirbt der Laut im Busen uns, Da plötzlich jetzt sein Viergespann zurück Vor einem Abgrund stutzt, und hoch aus Wolken In grause Tiefe bäumend niederschaut. Vergebens jetzt, in der er Meister ist, Des Isthmus ganze vielgeübte Kunst: Das Roßgeschwader wendet, das erschrockne, Die Häupter rückwärts in die Geißelhiebe, Und im verworrenen Geschirre fallend, Zum Chaos, Pferd' und Wagen, eingestürzt, Liegt unser Göttersohn, mit seinem Fuhrwerk, Wie in der Schlinge eingefangen da.
ANTILOCHUS: Der Rasende! Wohin treibt ihn—?
DER HAUPTMANN: Es stürzt Automedon, des Fahrzeugs rüst'ger Lenker, In die Verwirrung hurtig sich der Rosse: Er hilft dem Viergekoppel wieder auf. Doch eh' er noch aus allen Knoten rings Die Schenkel, die verwickelten, gelös't, Sprengt schon die Königinn, mit einem Schwarm Siegreicher Amazonen, ins Geklüft, Jedweden Weg zur Rettung ihm versperrend.
ANTILOCHUS: Ihr Himmlischen!
DER HAUPTMANN: Sie hemmt, Staub rings umqualmt sie, Des Zelters flücht'gen Lauf, und hoch zum Gipfel Das Angesicht, das funkelnde, gekehrt, Mißt sie, auf einen Augenblick, die Wand: Der Helmbusch selbst, als ob er sich entsetzte, Reißt bei der Scheitel sie von hinten nieder. Drauf plötzlich jetzt legt sie die Zügel weg: Man sieht, gleich einer Schwindelnden, sie hastig Die Stirn, von einer Lockenfluth umwallt, In ihre beiden kleinen Hände drücken. Bestürzt, bei diesem sonderbaren Anblick, Umwimmeln alle Jungfraun sie, mit heiß Eindringlicher Gebährde sie beschwörend; Die Eine, die zunächst verwandt ihr scheint, Schlingt ihren Arm um sie, indeß die Andre Entschloßner noch, des Pferdes Zügel greift: Man will den Fortschritt mit Gewalt ihr wehren, Doch sie—
DIOMEDES: Wie? wagt sie es?
ANTILOCHUS: Nein, sprich!
DER HAUPTMANN: Ihr hörts. Umsonst sind die Versuche, sie zu halten, Sie drängt mit sanfter Macht von beiden Seiten Die Fraun hinweg, und im unruhigen Trabe An dem Geklüfte auf und nieder streifend, Sucht sie, ob nicht ein schmaler Pfad sich biete Für einen Wunsch, der keine Flügel hat; Drauf jetzt, gleich einer Rasenden, sieht man Empor sie an des Felsens Wände klimmen, Jetzt hier, in glühender Begier, jetzt dort, Unsinn'ger Hoffnung voll, auf diesem Wege Die Beute, die im Garn liegt, zu erhaschen. Jetzt hat sie jeden sanftern Riß versucht, Den sich im Fels der Regen ausgewaschen; Der Absturz ist, sie sieht es, unersteiglich; Doch, wie beraubt des Urtheils, kehrt sie um, Und fängt, als wär's von vorn, zu klettern an. Und schwingt, die Unverdrossene, sich wirklich Auf Pfaden, die des Wandrers Fußtritt scheut, Schwingt sich des Gipfels höchstem Rande näher Um einer Orme Höh; und da sie jetzt auf einem Granitblock steht, von nicht mehr Flächenraum Als eine Gemse sich zu halten braucht; Von ragendem Geklüfte rings geschreckt, Den Schritt nicht vorwärts mehr, nicht rückwärts wagt; Der Weiber Angstgeschrei durchkreischt die Luft: Stürzt sie urplötzlich, Roß und Reuterinn, Von los sich lösendem Gestein umprasselt, Als ob sie in den Orkus führe, schmetternd Bis an des Felsens tiefsten Fuß zurück, Und bricht den Hals sich nicht und lernt auch nichts: Sie rafft sich bloß zu neuem Klimmen auf.
ANTILOCHUS: Seht die Hyäne, die blind-wüthende!
ODYSSEUS: Nun? Und Automedon?
DER HAUPTMANN: Er endlich schwingt, Das Fahrzeug steht, die Rosse auch, geordnet— Hephästos hätt' in so viel Zeit fast neu Den ganzen erznen Wagen schmieden können— Er schwingt dem Sitz sich zu, und greift die Zügel: Ein Stein fällt uns Argivern von der Brust. Doch eben jezt, da er die Pferde wendet, Erspähn die Amazonen einen Pfad, Dem Gipfel sanfthin zugeführt, und rufen, Das Thal rings mit Geschrei des Jubels füllend, Die Königinn dahin, die sinnberaubte, Die immer noch des Felsens Sturz versucht.
Der Hauptmann. Eine Schaar von Griechen. (welche während dessen einen Hügel bestiegen haben).
EIN MYRMIDONIER: (in die Gegend schauend.) Seht! Steigt dort über jenes Berges Rücken, Ein Haupt nicht, ein bewaffnetes, empor? Ein Helm, von Federbüschen überschattet? Der Nacken schon, der mächt'ge, der es trägt? Die Schultern auch, die Arme, stahlumglänzt? Das ganze Brustgebild, O seht doch, Freunde, Bis wo den Leib der gold'ne Gurt umschließt?
DER HAUPTMANN: Ha! Wessen!
DER MYRMIDONIER: Wessen! Träum' ich, ihr Argiver? Die Häupter sieht man schon, geschmückt mit Blessen, Des Roßgespanns! Nur noch die Schenkel sind, Die Hufen, von der Höhe Rand bedeckt! Jetzt, auf dem Horizonte, steht das ganze Kriegsfahrzeug da! So geht die Sonne prachtvoll An einem heitern Frühlingstage auf!
DIE GRIECHEN: Triumph! Achilleus ist's! Der Göttersohn! Selbst die Quadriga führet er heran! Er ist gerettet!
DER HAUPTMANN: Ihr Olympischen! So sei euch ew'ger Ruhm gegönnt!—Odysseus! —Flieg Einer den argol'schen Fürsten nach!(Ein Grieche schnell ab.) Naht er sich uns, ihr Danaer?
DER MYRMIDONIER: O sieh!
DER HAUPTMANN: Was giebt's?
DER MYRMIDONIER: O mir vergeht der Athem, Hauptmann!
DER HAUPTMANN: So rede, sprich!
DER MYRMIDONIER: O, wie er mit der Linken Vor über seiner Rosse Rücken geht! Wie er die Geißel umschwingt über sie! Wie sie von ihrem bloßen Klang erregt, Der Erde Grund, die göttlichen, zerstampfen! Am Zügel zieh'n sie, beim Lebendigen, Mit ihrer Schlünde Dampf, das Fahrzeug fort! Gehetzter Hirsche Flug ist schneller nicht! Der Blick drängt unzerknickt sich durch die Räder, Zur Scheibe fliegend eingedreht, nicht hin!
EIN ÄTOLIER: Doch hinter ihm—
DER HAUPTMANN: Was?
DER MYRMIDONIER: An des Berges Saum—
DER ÄTOLIER: Staub—
DER MYRMIDONIER: Staub aufqualmend, wie Gewitterwolken: Und, wie der Blitz vorzuckt—
DER ÄTOLIER: Ihr ew'gen Götter!
DER MYRMIDONIER: Penthesilea.
DER HAUPTMANN: Wer?
DER ÄTOLIER: Die Königinn!— Ihm auf dem Fuß, dem Peleïden, schon Mit ihrem ganzen Troß von Weibern folgend.
DER HAUPTMANN: Die rasende Megär'!
DIE GRIECHEN: (rufend) Hieher den Lauf! Hieher den Lauf, du göttlicher gerichtet! Auf uns den Lauf!
DER ÄTOLIER: Seht! wie sie mit den Schenkeln Des Tiegers Leib inbrünstiglich umarmt! Wie sie, bis auf die Mähn' herabgebeugt, Hinweg die Luft trinkt lechzend, die sie hemmt! Sie fliegt, wie von der Senne abgeschossen: Numidsche Pfeile sind nicht hurtiger! Das Heer bleibt keuchend, hinter ihr, wie Köter, Wenn sich ganz aus die Dogge streckt, zurück! Kaum daß ihr Federbusch ihr folgen kann!
DER HAUPTMANN: So naht sie ihm?
EIN DOLOPER: Naht ihm!
DER MYRMIDONIER: Naht ihm noch nicht!
DER DOLOPER: Naht ihm, ihr Danaer! Mit jedem Hufschlag, Schlingt sie, wie hungerheiß, ein Stück des Weges, Der sie von dem Peliden trennt, hinunter!
DER MYRMIDONIER: Bei allen hohen Göttern, die uns schützen! Sie wächst zu seiner Größe schon heran! Sie athmet schon, zurückgeführt vom Winde, Den Staub, den säumend seine Fahrt erregt! Der rasche Zelter wirft, auf dem sie reitet, Erdschollen, aufgewühlt von seiner Flucht, Schon in die Muschel seines Wagens hin!
DER ÄTOLIER: Und jetzt—der Übermüth'ge! Rasende! Er lenkt im Bogen spielend noch! Gieb Acht: Die Amazone wird die Sehne nehmen. Siehst du? Sie schneidet ihm den Lauf—
DER MYRMIDONIER: Hilf! Zevs! An seiner Seite fliegt sie schon! Ihr Schatten, Groß, wie ein Riese, in der Morgensonne, Erschlägt ihn schon!
DER ÄTOLIER: Doch jetzt urplötzlich reißt er—
DER DOLOPER: Das ganze Roßgeschwader reißt er plötzlich Zur Seit' herum!
DER ÄTOLIER: Zu uns her fliegt er wieder!
DER MYRMIDONIER: Ha! Der Verschlagne! Er betrog sie—
DER DOLOPER: Hui! Wie sie, die Unaufhaltsame, vorbei Schießt an dem Fuhrwerk—
DER MYRMIDONIER: Prellt, im Sattel fliegt, Und stolpert—
DER DOLOPER: Stürzt!
DER HAUPTMANN: Was?
DER MYRMIDONIER: Stürzt, die Königinn! Und eine Jungfrau blindhin über sie—
DER DOLOPER: Und Eine noch—
DER MYRMIDONIER: Und wieder—
DER DOLOPER: Und noch Eine—
DER HAUPTMANN: Ha! Stürzen, Freunde?
DER DOLOPER: Stürzen—
DER MYRMIDONIER: Stürzen, Hauptmann, Wie in der Feueresse eingeschmelzt, Zum Haufen, Roß und Reut'rinnen, zusammen!
DER HAUPTMANN: Daß sie zu Asche würden!
DER DOLOPER: Staub ringsum, Vom Glanz der Rüstungen durchzuckt und Waffen: Das Aug' erkennt nichts mehr, wie scharf es sieht. Ein Knäuel, ein verworrener, von Jungfraun Durchwebt von Rossen bunt: das Chaos war, Das erst', aus dem die Welt sprang, deutlicher.
DER ÄTOLIER: Doch jetzt—ein Wind erhebt sich; Tag wird es, Und eine der Gestürzten rafft sich auf.
DER DOLOPER: Ha! Wie sich das Gewimmel lustig regt! Wie sie die Spieße sich, die Helme, suchen, Die weithin auf das Feld geschleuderten!
DER MYRMIDONIER: Drei Rosse noch, und eine Reuterinn, liegen Gestreckt wie todt—
DER HAUPTMANN: Ist das die Königinn?
DER ÄTOLIER: Penthesilea, fragst du?
DER MYRMIDONIER: Ob's die Königinn? —Daß mir den Dienst die Augen weigerten! Dort steht sie!
DER DOLOPER: Wo?
DER HAUPTMANN: Nein, sprich!
DER MYRMIDONIER: Dort, beim Kroniden, Wo sie gestürzt: in jener Eiche Schatten! An ihres Pferdes Nacken hält sie sich, Das Haupt entblößt—seht ihr den Helm am Boden? Die Locken schwachhin mit der Rechten greifend, Wischt sie, ist's Staub, ist's Blut, sich von der Stirn.
DER DOLOPER: Bei Gott, sie ist's!
DER HAUPTMANN: Die Unverwüstliche!
DER ÄTOLIER: Die Katze, die so stürzt, verreckt; nicht sie!
DER HAUPTMANN: Und der Pelid'?
DER DOLOPER: Ihn schützen alle Götter! Um drei Pfeilschüsse flog er fort und drüber! Kaum mehr mit Blicken kann sie ihn erreichen, Und der Gedanke selbst, der strebende, Macht ihr im athemlosen Busen: halt!
DER MYRMIDONIER: Triumph! Dort trit Odysseus jetzt hervor! Das ganze Griechenheer, im Strahl der Sonne, Trit plötzlich aus des Waldes Nacht hervor!
DER HAUPTMANN: Odyß? Und Diomed auch? O ihr Götter! —Wie weit noch in dem Feld ist er zurück?
DER DOLOPER: Kaum einen Steinwurf, Hauptmann! Sein Gespann Fliegt auf die Höhen am Skamandros schon, Wo sich das Heer raschhin am Rande ordnet. Die Reih'n schon wettert er entlang—
STIMMEN: (aus der Ferne) Heil dir!
DER DOLOPER: Sie rufen, die Argiver, ihm—
STIMMEN: Heil dir! Achill! Heil dir, Pelide! Göttersohn! Heil dir! Heil dir! Heil dir!
DER DOLOPER: Er hemmt den Lauf!
Achilles (ihm folgen) Odysseus, Diomedes, Antilochus, Automedon (mit der Quadriga ihm zur Seite) das Heer der Griechen.
ODYSSEUS: Sei mir, Äginerheld, aus heißer Brust Gegrüßt! Du Sieger auch noch in der Flucht! Beim Jupiter! Wenn hinter deinem Rücken, Durch deines Geistes Obmacht über ihren, In Staub die Feindinn stürzt, was wird gescheh'n, Wenn's dir gelingt, du Göttlicher, sie einst Von Angesicht zu Angesicht zu fassen.
ACHILLES: (er hält den Helm in der Hand und wischt sich den Schweiß von der Stirn, Zwei Griechen ergreifen, ihm unbewußt, Einen seiner Arme, der verwundet ist, und verbinden ihn) Was ist? Was giebt's?
ANTILOCHUS: Du hast in einem Kampf Wetteifernder Geschwindigkeit bestanden, Neridensohn, wie losgelassene Gewitterstürm', am Himmelsplane brausend, Noch der erstaunten Welt ihn nicht gezeigt. Bei den Erynnien! Meiner Reue würd' ich Mit deinem flüchtigen Gespann entflieh'n, Hätt' ich, des Lebens Gleise schwer durchknarrend, Die Sünden von der ganzen Trojerburg Der Muschel meiner Brust auch aufgeladen.
ACHILLES: (zu den zwei Griechen, welche ihn mit ihrem Geschäfft zu belästigen scheinen) Die Narren.
EIN GRIECHENFÜRST: Wer?
ACHILLES: Was neckt ihr
DER ERSTE GRIECHE: (der ihm den Arm verbindet) Halt! Du blutest!
ACHILLES: Nun ja.
DER ZWEITE GRIECHE: So steh!
DER ERSTE: So laß dich auch verbinden.
DER ZWEITE: Gleich ist's geschehn.
DIOMEDES: —Es hieß zu Anfang hier, Der Rückzug meiner Völker habe dich In diese Flucht gestürzt; beschäftiget Mit dem Ulyß, den Antiloch zu hören, Der Bothschaft uns von den Atriden brachte, War ich selbst auf dem Platz nicht gegenwärtig. Doch Alles, was ich sehe, überzeugt mich, Daß dieser meisterhaften Fahrt ein freier Entwurf zum Grunde lag. Man könnte fragen, Ob du bei Tagesanbruch, da wir zum Gefecht noch allererst uns rüsteten, Den Feldstein schon gedacht dir, über welchen Die Königinn zusammenstürzen sollte: So sichern Schrittes, bei den ewigen Göttern, Hast du zu diesem Stein sie hingeführt.
ODYSSEUS: Doch jetzt, Doloperheld, wirst du gefällig, Wenn dich ein Anderes nicht besser dünkt, Mit uns dich ins Argiverlager werfen. Die Söhne Atreus rufen uns zurück. Wir werden mit verstelltem Rückzug sie In das Skamandrosthal zu locken suchen, Wo Agamemnon aus dem Hinterhalt In einer Hauptschlacht sie empfangen wird. Beim Gott des Donners! Nirgends, oder dort Kühlst du die Brunst dir ab, die, rastlos drängend, Gleich einem jungen Spießer, dich verfolgt: Und meinen beßten Segen schenk' ich dir. Denn mir ein Gräul auch, in den Tod verhaßt, Schweift die Megäre, unsre Thaten störend, Auf diesem Feld herum, und gern möcht' ich, Gesteh' ich dir, die Spur von deinem Fußtritt Auf ihrer rosenblüthnen Wange sehn.
ACHILLES: (sein Blick fällt auf die Pferde.) Sie schwitzen.
ANTILOCHUS: Wer?
AUTOMEDON: (indem er ihre Hälse mit der Hand prüft) Wie Blei.
ACHILLES: Gut. Führe sie. Und wenn die Luft sie abgekühlt, so wasche Brüst' ihnen und der Schenkel Paar mit Wein.
AUTOMEDON: Man bringt die Schläuche schon.
DIOMEDES: —Hier siehst du wohl, Vortrefflicher, daß wir im Nachtheil kämpfen. Bedeckt, so weit das schärfste Auge reicht, Sind alle Hügel von der Weiber Haufen; Heuschrecken lassen dichtgeschloßner nicht Auf eine reife Saatenflur sich nieder. Wem noch gelang ein Sieg, wie er ihn wünschte? Ist Einer, außer dir, der sagen kann, Er hab' auch die Kenthaurinn nur gesehn? Umsonst, daß wir, in goldnen Rüstungen, Hervor uns drängen, unsern Fürstenstand Lautschmetternd durch Trompeten ihr verkünden: Sie rückt nicht aus dem Hintergrund hervor; Und wer auch fern, vom Windzug hergeführt, Nur ihre Silberstimme hören wollte, Müßt' eine Schlacht, unrühmlich, zweifelhaft, Vorher mit losem Kriegsgesindel kämpfen, Das sie, den Höllenhunden gleich, bewacht.
ACHILLES: (in die Ferne hinaus schauend) Steht sie noch da?
DIOMEDES: Du fragst?—
ANTILOCHUS: Die Königinn?
DER HAUPTMANN: Man sieht nichts—Platz! Die Federbüsch' hinweg!
DER GRIECHE: (der ihm den Arm verbindet) Halt'! Einen Augenblick.
EIN GRIECHENFÜRST: Dort, allerdings!
DIOMEDES: Wo?
DER GRIECHENFÜRST: Bei der Eiche, unter der sie fiel. Der Helmbusch wallt schon wieder ihr vom Haupte, Und ihr Misschicksal scheint verschmerzt.—
DER ERSTE GRIECHE: Nun endlich!
DER ZWEITE: Den Arm jetzt magst du, wie du willst, gebrauchen.
DER ERSTE: Jetzt kannst du gehn.
(Die Griechen verknüpfen noch einen Knoten und lassen seinen Arm fahren.)
ODYSSEUS: Hast du gehört, Pelide, Was wir dir vorgestellt?
ACHILLES: Mir vorgestellt? Nein, nichts. Was war's? Was wollt ihr?
ODYSSEUS: Was wir wollen? Seltsam.—Wir unterrichteten von den Befehlen Dich der Atriden! Agamemnon will, Daß wir sogleich ins Griechenlager kehren; Den Antiloch sandt' er, wenn du ihn siehst, Mit diesem Schluß des Feldherrnraths uns ab. Der Kriegsplan ist, die Amazonen-Königinn Herab nach der Dardanerburg zu locken, Wo sie in beider Heere Mitte nun Von treibenden Verhältnissen gedrängt, Sich muß, wem sie die Freundinn sei, erklären; Und wir dann, sie erwähle, was sie wolle, Wir werden wissen mindstens, was zu thun. Ich traue deiner Klugheit zu, Pelide, Du folgst der Weisheit dieser Anordnung. Denn Wahnsinn wär's, bei den Olympischen, Da dringend uns der Krieg nach Troja ruft, Mit diesen Jungfrau'n hier uns einzulassen, Bevor wir wissen, was sie von uns wollen, Noch überhaupt nur, ob sie uns was wollen?
ACHILLES: (indem er sich den Helm wieder aufsetzt) Kämpft ihr, wie die Verschnittnen, wenn ihr wollt; Mich einen Mann fühl ich, und diesen Weibern, Wenn keiner sonst im Heere, will ich stehn! Ob ihr hier länger, unter kühlen Fichten,