Penthesilea - Heinrich Von Kleist - E-Book

Penthesilea E-Book

Heinrich Von Kleist

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Beschreibung

Penthesilea ist ein viel diskutiertes Drama von Heinrich von Kleist aus dem Jahre 1808. In ihm thematisiert er den Konflikt zwischen einem stark fühlenden Individuum und einer gesellschaftlichen Ordnung, die dem natürlichen Empfinden desselben in unnatürlicher Weise entgegensteht.

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Heinrich von Kleist

Penthesilea

Ein Trauerspiel

Tübingen 1808

Ausgabe im SoTo Verlag, 2016

Bielatalstraße 14, 01824 Königstein

Vollständig und neu gesetzt durch Sandra Oelschläger

Herausgeber der Klassik-Reihe: Sandra Oelschläger

Umschlaggestaltung unter Verwendung von Bildern, 

die der Creative Commons CC0 unterliegen.

ISBN Print 978-1534735422

ISBN EPUB 978-3-96077-057-2

www.buch-klassiker.de

Personen:

Penthesilea, Königinn der Amazonen.

Prothoe, Meroe und Asteria, Fürstinnen der Amazonen.

Die Ober-Priesterinnen der Diana

Achilles, Odysseus, Diomedes und Antilochus,

Könige des Griechenvolks.

Griechen und Amazonen

Scene: Schlachtfeld bei Troja.

Erster Auftritt.

Odysseus und Diomedes (von der einen Seite) Antilochus (von der andern) Gefolge (treten auf)

Antilochus.Seyd mir gegrüßt, ihr Könige! Wie geht’s,Seit wir zuletzt bei Troja uns gesehn?

Odysseus.Schlecht, Antiloch. Du siehst auf diesen Feldern,Der Griechen und der Amazonen Heer,Wie zwei erboste Wölfe sich umkämpfen:Beim Jupiter! sie wissen nicht warum?Wenn Mars entrüstet, oder Delius,Den Stecken nicht ergreift, der WolkenrüttlerMit Donnerkeilen nicht dazwischen wettert:Todt sinken die Verbißnen heut noch nieder,Des einen Zahn im Schlund des anderen.Schafft einen Helm mit Wasser!

Antilochus.

Element!Was wollen diese Amazonen uns?

Odysseus.Wir zogen aus, auf des Atriden Rath,Mit der gesammten Schaar der Myrmidonen,Achill und ich; Penthesilea, hieß es,Sei in den scyth’schen Wäldern aufgestanden,Und führ’ ein Heer, bedeckt mit Schlangenhäuten.Von Amazonen, heißer Kampflust voll,Durch der Gebirge Windungen heran,Den Priamus in Troja zu entsetzen.Am Ufer des Skamandros hören wir,Deiphobus auch, der Priamide, seiAus Ilium mit einer Schaar gezogen;Die Königinn, die ihm mit Hülfe naht,Nach Freundesart zu grüßen. Wir verschlingenDie Straße jetzt, uns zwischen dieser GegnerHeillosem Bündniß wehrend aufzupflanzen;Die ganze Nacht durch windet sich der Zug.Doch, bei des Morgens erster Dämmerröthe,Welch ein Erstaunen faßt’ uns, Antiloch,Da wir, in einem weiten Thal vor uns,Mit des Deiphobus Iliern im KampfDie Amazonen sehn! Penthesilea,Wie Sturmwind ein zerrissenes Gewölk,Weht der Trojaner Reihen vor sich her,Als gält es über’n Hellespont hinaus,Hinweg vom Rund der Erde sie zu blasen.

Antilochus.Seltsam, bei unserm Gott!

Odysseus.

Wir sammeln uns,Der Trojer Flucht, die wetternd auf uns ein,Gleich einem Anfall keilt, zu widerstehen,Und dicht zur Mauer drängen wir die Spieße.Auf diesen Anblick stutzt der Priamide;Und wir, im kurzen Rath beschließen, gleich,Die Amazonenfürstinn zu begrüßen:Sie auch hat ihren Siegeslauf gehemmt.War je ein Rath einfältiger und besser?Hätt’ ihn Athenä, wenn ich sie befragt,In’s Ohr verständiger mir flüstern können?Sie muß, beim Hades! diese Jungfrau, doch,Die wie vom Himmel plötzlich, kampfgerüstet,In unsern Streit fällt, sich darin zu mischen,Sie muß zu Einer der Parthein sich schlagen;Und uns die Freundinn müssen wir sie glauben,Da sie sich Teukrischen die Feindinn zeigt.

Antilochus.Was sonst, beim Styx! Nichts anders giebt’s.

Odysseus.

Nun gut.Wir finden sie, die Heldinn Scythiens,Achill und ich – in kriegerischer FeierAn ihrer Jungfraun Spitze aufgepflanzt,Geschürzt, der Helmbusch wallt ihr von der Scheitel,Und seine Gold- und Purpurtroddeln regend,Zerstampft ihr Zelter unter ihr den Grund.Gedankenvoll, auf einen Augenblick,Sieht sie in unsre Schaar, von Ausdruck leer,Als ob in Stein gehau’n wir vor ihr stünden;Hier diese flache Hand, versichr’ ich dich,Ist ausdrucksvoller als ihr Angesicht:Bis jetzt ihr Aug auf den Peliden trifft:Und Glut ihr plötzlich, bis zum Hals hinab,Das Antlitz färbt, als schlüge rings um ihrDie Welt in helle Flammenlohe auf.Sie schwingt, mit einer zuckenden Bewegung,– Und einen finstern Blick wirft sie auf ihn –Vom Rücken sich des Pferds herab, und fragt,Die Zügel einer Dien’rinn überliefernd,Was uns, in solchem Prachtzug, zu ihr führe.Ich jetzt, wie wir Argiver hoch erfreut,Auf eine Feindinn des Dardanervolks zu stoßen;Was für ein Haß den Priamiden längstEntbrannt sei in der Griechen Brust, wie nützlich,So ihr, wie uns, ein Bündniß würde sein;Und was der Augenblick noch sonst mir beut:Doch mit Erstaunen, in dem Fluß der Rede,Bemerk’ ich, daß sie mich nicht hört. Sie wendet,Mit einem Ausdruck der Verwunderung,Gleich einem sechzehnjähr’gen Mädchen plötzlich,Das von olymp’schen Spielen wiederkehrt,Zu einer Freundinn, ihr zur Seite sich,Und ruft: solch einem Mann, o Prothoe, istOtrere, meine Mutter, nie begegnet!Die Freundinn, auf dies Wort betreten, schweigt,Achill und ich, wir sehn uns lächelnd an,Sie ruht, sie selbst, mit trunk’nem Blick schon wiederAuf des Äginers schimmernde Gestalt:Bis jen’ ihr schüchtern naht, und sie erinnert,Daß sie mir noch die Antwort schuldig sei.Drauf mit der Wangen Roth, war’s Wuth, war’s Schaam,Die Rüstung wieder bis zum Gurt sich färbend,Verwirrt und stolz und wild zugleich: sie seiPenthesilea, kehrt sie sich zu mir,Der Amazonen Königinn, und werdeAus Köchern mir die Antwort übersenden!

Antilochus.So, Wort für Wort, der Bote, den du sandtest;Doch keiner in dem ganzen Griechenlager,Der ihn begriff.

Odysseus.

Hierauf unwissend jetzt,Was wir von diesem Auftritt denken sollen,In grimmiger Beschämung gehn wir heim,Und sehn die Teukrischen, die unsre SchmachVon fern her, die hohnlächelnden, errathen,Wie im Triumph sich sammeln. Sie beschließenIm Wahn, sie seien die Begünstigten,Und nur ein Irrthum, der sich lösen müsse,Sei an dem Zorn der Amazone Schuld,Schnell ihr, durch einen Herold, Herz und Hand,Die sie verschmäht, von neuem anzutragen.Doch eh’ der Bote, den sie senden wollen,Den Staub noch von der Rüstung abgeschüttelt,Stürzt die Kenthaurinn, mit verhängtem Zügel,Auf sie und uns schon, Griech’ und Trojer, ein,Mit eines Waldstroms wüthendem ErgußDie Einen, wie die Andern, niederbrausend.

Antilochus.Ganz unerhört, ihr Danaer!

Odysseus.

Jetzt hebtEin Kampf an, wie er, seit die Furien walten,Noch nicht gekämpft ward auf der Erde RückenSo viel ich weiß, giebt es in der NaturKraft blos und ihren Widerstand, nichts Drittes.Was Glut des Feuers löscht, lös’t Wasser siedendZu Dampf nicht auf und umgekehrt. Doch hierZeigt ein ergrimmter Feind von beiden sich,Bei dessen Eintritt nicht das Feuer weiß,Ob’s mit dem Wasser rieseln soll, das WasserOb’s mit dem Feuer himmelan soll lecken.Der Trojer wirft, gedrängt von Amazonen,Sich hinter eines Griechen Schild, der GriecheBefreit ihn von der Jungfrau, die ihn drängte,Und Griech’ und Trojer müssen jetzt sich fast,Dem Raub der Helena zu Trotz, vereinen,Um dem gemeinen Feinde zu begegnen.(Ein Grieche bringt ihm Wasser.)Dank! Meine Zunge lechzt.

Diomedes.

Seit jenem TageGrollt über dieser Ebne unverrücktDie Schlacht, mit immer reger Wuth, wie einGewitter, zwischen waldgekrönter Felsen GipfelnGeklemmt. Als ich mit den Ätoliern gesternErschien, der unsern Reihen zu verstärken,Schlug sie mit Donnerkrachen eben ein,Als wollte sie den ganzen GriechenstammBis auf den Grund, die Wüthende, zerspalten.Der Krone ganze Blüthe liegt, Ariston,Astyanax, von Sturm herabgerüttelt,Menandros, auf dem Schlachtfeld da, den Lorbeer,Mit ihren jungen, schönen Leibern groß,Für diese kühne Tochter Ares, düngend.Mehr der Gefangnen siegreich nahm sie schon,Als sie uns Augen, sie zu missen, Arme,Sie wieder zu befrein, uns übrig ließ.

Antilochus.Und Niemand kann, was sie uns will ergründen?

Diomedes.Kein Mensch, das eben ist’s: wohin wir spähendAuch des Gedankens Senkblei fallen lassen.– oft, aus der sonderbaren Wuth zu schließen,Mit welcher sie, im Kampfgewühl, den SohnDer Thetis sucht, scheint’s uns, als ob ein HaßPersönlich wider ihn die Brust ihr füllte.So folgt, so hungerheiß, die Wölfinn nicht,Durch Wälder, die der Schnee bedeckt, der Beute,Die sich ihr Auge grimmig auserkohr,Als sie, durch unsre Schlachtreihn, dem Achill.Doch jüngst, in einem Augenblick, da schonSein Leben war in ihre Macht gegeben,Gab sie es lächelnd, ein Geschenk, ihm wieder:Er stieg zum Orkus, wenn sie ihn nicht hielt.

Antilochus.Wie? Wenn ihn wer? Die Königinn?

Diomedes.

Sie selbst!Denn als sie, um die Abenddämmrung gestern,Im Kampf, Penthesilea und Achill,Einander trafen, stürmt Deiphobus her,Und auf der Jungfrau Seite hingestellt,Der Teukrische, trifft er dem PeleïdenMit einem tück’schen Schlag die Rüstung prasselnd,Daß rings der Ormen Wipfel wiederhallten.Die Königinn, entfärbt, läßt zwei MinutenDie Arme sinken: und die Locken dannEntrüstet um entflammte Wangen schüttelnd,Hebt sie vom Pferdes-Rücken hoch sich auf,Und senkt, wie aus dem Firmament geholt,Das Schwerdt ihm wetterstrahlend in den Hals,Daß er zu Füssen hin, der Unberufne,Dem Sohn, dem göttlichen, der Thetis rollt.Er jetzt, zum Dank, will ihr, der Peleïde,Ein Gleiches thun; doch sie bis auf den HalsGebückt, den mähnumflossenen, des Schecken,Der, in dem Goldzaum beißend, sich herumwirft,Weicht seinem Mordhieb aus, und schießt die Zügel,Und sieht sich um, und lächelt, und ist fort.

Antilochus.Ganz wunderbar!

Odysseus.

Was bringst du uns von Troja?

Antilochus.Mich sendet Agamemnon her, und fragt dich,Ob Klugheit nicht, bei so gewandeltenVerhältnissen, den Rückzug dir gebiete.Uns gelt’ es Iliums Mauern einzustürzen,Nicht einer freien Fürstinn Heereszug,Nach einem uns gleichgült’gen Ziel, zu stören.Falls du daher Gewißheit dir verschafft,Daß nicht mit Hülfe der DardanerburgPenthesilea naht, woll’ er, daß ihrSogleich, um welchen Preis gleichviel, euch wiederIn die argivische Verschanzung werft.Verfolgt sie euch, so werd’ er, der Atride,Dann an des Heeres Spitze selber sehn,Wozu sich diese räthselhafte SphinxIm Angesicht von Troja wird entscheiden.

Odysseus.Beim Jupiter! Der Meinung bin ich auch.Meint ihr, daß der Laertiade sichIn diesem sinnentblößten Kampf gefällt?Schafft den Peliden weg von diesem Platze!Denn wie die Dogg’ entkoppelt, mit GeheulIn das Geweih des Hirsches fällt: der Jäger,Erfüllt von Sorge, lockt und ruft sie ab;Jedoch verbissen in des Prachtthiers Nacken,Tanzt sie durch Berge neben ihm, und Ströme,Fern in des Waldes Nacht hinein: so er,Der Rasende, seit in der Forst des KriegesDieß Wild sich von so seltner Art, ihm zeigte.Durchbort mit einem Pfeilschuß, ihn zu fesseln,Die Schenkel ihm: er weicht, so schwört er, eherVon dieser Amazone Ferse nicht,Bis er bei ihren seidnen Haaren sieVon dem gefleckten Tiegerpferd gerissen.Versuch’s, o Antiloch, wenn’s dir beliebtUnd sieh’, was deine rednerische Kunst,Wenn seine Lippe schäumt, bei ihm vermag.

Diomedes.Laßt uns vereint, ihr Könige, noch einmalVernunft keilförmig, mit Gelassenheit,Auf seine rasende Entschließung setzen.Du wirst, erfindungsreicher Larissäer,Den Riß schon, den er beut, zu finden wissen.Weicht er dir nicht, wohlan, so will ich ihnMit zwei Ätoliern auf den Rücken nehmen,Und einem Klotz gleich, weil der Sinn ihm fehlt,In dem Argiverlager niederwerfen.

Ulysses.Folgt mir!

Antilochus.Nun? Wer auch eilt uns dort heran?

Diomedes.Es ist Adrast. So bleich und so verstöhrt.

Zweiter Auftritt.

Die Vorigen. Ein Hauptmann. (tritt auf)

Odysseus.Was bringst du?

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