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Der neue Roman der »Queenie«-Erfolgsautorin ist ein einzigartiges Familienporträt: gegenwärtig, rasant und unglaublich komisch
Cyril Pennington ist das, was man als »People Person« bezeichnet: gesellig, umtriebig, extrovertiert. Was er vor allem nicht ist: ein Vater. Und das obwohl er fünf Kinder von vier verschiedenen Frauen hat. Seine Kinder wachsen ohne ihren Dad auf und ohne einander wirklich zu kennen. Bis ein dramatisches Ereignis die Halbgeschwister zusammenbringt und sie stärker aneinanderbindet, als ihnen lieb ist.
»Eine mitreißende Erzählerin, eine grandiose Entdeckung.« Deutschlandfunk Kultur
»Ein Roman unserer Zeit, voller Witz, Weisheit und Dringlichkeit« SPIEGEL über »Queenie«
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Wenn man sich seine Familie aussuchen könnte ... würde man sich sicher nicht für die Penningtons entscheiden. Die Halbgeschwister wissen voneinander, kennen sich aber nicht wirklich. Fünf Menschen, die nichts gemeinsam haben außer einem Vater, der Wichtigeres zu tun hat, als sich um seine Kinder zu kümmern. Bis eines Tages ein dramatisches Ereignis Nikisha, Danny, Dimple, Lizzie und Prynce zusammenbringt. Und als Cyril, der Vater der fünf, wieder auf den Plan tritt, wird alles ganz schön kompliziert …
Nach ihrem sensationellen Debüt »Queenie« erzählt Candice Carty-Williams in ihrem neuen Roman davon, wie Familie uns prägt, selbst wenn wir sie gar nicht kennen.
»Dieses zarte, oft humorvolle Porträt von fünf Geschwistern hat mich sehr bewegt. Ich konnte das Buch nicht aus der Hand legen.« Caleb Azumah Nelson
Candice Carty-Williams ist Journalistin und Autorin. Ihre Texte erschienen u.a. im Guardian, in der Vogue und der Sunday Times. Ihr erster Roman »Queenie« war ein überragender Erfolg und wurde 2020 in England bei den »British Book Awards« als bester Roman des Jahres ausgezeichnet. Das gelang vor Carty-Williams keiner Schwarzen Autorin. »People Person« ist ihr zweiter Roman.
Auf Twitter and Instagram findet man sie als: @CandiceC_W
Henriette Zeltner-Shane, geboren 1968, lebt und arbeitet in München, Tirol und New York. Sie übersetzt Sachbücher sowie Romane für Erwachsene und Jugendliche aus dem Englischen, u. a. Angie Thomas' Romandebüt »The Hate U Give«, für das sie 2018 mit einem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet wurde.
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Candice Carty-Williams
People Person
Roman
Aus dem Englischen von Henriette Zeltner-Shane
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Inhaltsverzeichnis
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Kapitel 1
Kapitel 2
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Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Epilog
Dank
Impressum
People Person ist für all die Single Mums. Vor allem für diejenigen, die ihr Bestes geben, um ihre Kinder mit der Liebe von zwei Eltern großzuziehen.
»Hallo? Hi, ist da Nikisha? Hi, hier ist Dimple. Die Nummer drei in der Reihenfolge. Wenigstens als ich das letzte Mal gezählt habe. Yeah! Ist schon eine Zeit her, was? Geht’s dir gut? Ja, nein, ehrlich gesagt nicht so toll. Bin gerade in einer bisschen blöden Lage, und da fiel mir ein, dass du gesagt hast, dass wir dich anrufen sollen, wenn – okay. Mhm. Yep. Ja. Ich schreib dir gleich die Adresse. Okay. Yeah. Dann bis gleich.«
Ihr Vater, Cyril Pennington, machte keine Unterschiede. Er war Vater von fünf Kindern. Fünf Kindern, die er anerkannte. Von vier verschiedenen Frauen. Wobei anerkennen nicht gleichbedeutend war mit Unterhalt zahlen oder mit physischer, mentaler oder emotionaler Präsenz. Cyril Pennington verstand unter anerkennen, dass es ihm im Allgemeinen bewusst war, fünf Kinder zu haben (vielleicht auch mehr, aber er würde sich nicht auf die Suche machen), dass er sich ihre Namen und gelegentlich auch ihre Geburtstage merkte sowie sich Geld von ihnen pumpte, wenn es hart auf hart kam. Er arbeitete als Busfahrer und verbrachte die Tage damit, neben seinem Job nicht viel zu machen, außer mit Passagierinnen flirten, Frauen nachstellen, die viel zu jung für ihn waren, und mit seinen Bekannten beim Barber Shop in der Nähe des Busdepots Domino spielen. Obwohl er, ohne es zu wissen, ein Meister der Bindungslosigkeit war, betrachtete Cyril sich weniger als Vater, sondern mehr als geselligen Typ. Als People Person, wie man so schön sagte. Leider erstreckte sich seine Geselligkeit nicht zum allseitigen Nutzen auf seine fünf Kinder.
Nikisha Pennington war Cyrils Älteste. Temperamentvoll, ehrgeizig und klug hatte sie schon vor langer Zeit beschlossen, dass ein Mann in ihrem Leben nie unentbehrlich war, sondern eher etwas, das sie gerne mal aufgriff, wenn es ihr nötig erschien, aber auch wieder ablegte, wenn es nicht so war. Sie hatte sehr wenig Zeit für daddy issues. Eigentlich fand sie schon den Ausdruck kränkend. Die Unterstellung, dass sie ein Problem hätte, weil man sie im Stich gelassen hatte, fand sie unglaublich. Nikishas Mutter war Bernice. Bernices Mutter wiederum hatte in der Zahnarztpraxis gearbeitet, die Cyrils Mutter Delores mit ihrem Ehemann führte. Cyril kannte Bernice bereits eine Weile, bevor er sie ins Bett kriegte und schwängerte.
Bernice war eine schlanke und faszinierende, ausgesprochen kokette Jamaikanerin mit extrovertiertem, sonnigem Gemüt. Aber vor allem besaß sie eine scharfe Zunge, die einen tatsächlich vernichten konnte. Nikisha hatte sich das bei Bernice abgeschaut, als sie heranwuchs, und manchmal zunutze gemacht, allerdings nur, wenn es nötig war.
Als Nächstes kam Danny Smith-Pennington. Seine Mutter, Tracy Smith, war eine freundliche, mehr als hilfsbereite, zierliche weiße Frau mit dunkelblondem Bob, die in dem Häuserblock nahe dem Busdepot wohnte, wo Cyril arbeitete. Er half Tracy hin und wieder, ihre Einkäufe die düstere Steintreppe zur Wohnung hinaufzutragen, bis sie ihn eines Tages einlud, auf eine Tasse Tee mit reinzukommen. Als sie schwanger war, gab Cyril getreu seiner optimistischen Art sich selbst das Versprechen, im Leben dieses Kindes präsent zu sein. Und auch im Leben seiner damals bereits zweijährigen Tochter Nikisha. Es war das erste Mal, dass Cyril sich offensichtlich selbst belog.
Drei Jahre später wurde Cyril Vater von Dimple Pennington und Elizabeth Adesina. Die beiden waren keine Zwillinge, wurden aber im Abstand von nur drei Wochen geboren. Dimple kam drei Wochen zu früh zur Welt und weinte dabei so zaghaft, wie ein Baby nur konnte. Elizabeth hingegen, die später von ihrem engsten Kreis Lizzie genannt würde, gab keinen Laut von sich bei ihrer Geburt, exakt zum errechneten Termin, und schien von der Welt, in die sie hineingeboren wurde, bereits unbeeindruckt.
Cyril hatte Dimples Mutter Janet in einem Nachtclub an der Old Kent Road kennengelernt, wo er auflegte. Sein DJ-Name war Fireshot. Das war zugleich der Name des Soundsystems, das er zu Hause in Jamaika gebaut hatte, bevor London ihn lockte. Janet gefiel Cyril, weil sie groß und kräftig war. Eigentlich stand er auf kleinere, schlankere Frauen, aber als er vom DJ-Pult aus Janets üppige Brüste und ihren großen, rundlichen Hintern erblickte, da war er so abgelenkt, dass er eine Flasche Red Stripe auf die Plattenteller fallen ließ. Ihr fülliger Körper reizte ihn dermaßen, dass er weder physisch noch mental davon loskam. Cyril hatte ihr die Welt versprochen und sie dann – passenderweise – mit einem Kind sitzengelassen. Janet, eine Frau indisch-jamaikanischer Herkunft, wollte Anwaltsgehilfin werden und wusste nichts von Cyrils anderen Kindern. Als sie von ihnen erfuhr, war sie gleichermaßen wütend und am Boden zerstört, doch sie verbarg ihre Enttäuschung. Sie wünschte sich ein Kind, das sie lieben konnte, ja, aber sie glaubte auch, dass sie in Cyril einen Mann gefunden hätte, der sie beide finanziell unterstützen würde. Nicht einen Kerl, dem aus dem Stand fünfundsiebzig Gründe einfielen, warum er diese Woche keinen Unterhalt zahlen konnte, der aber »vielleicht in ein paar Wochen imstande wäre, auszuhelfen«.
Lizzies Mutter war Kemi Adesina, eine junge Krankenschwester, die Cyril kennengelernt hatte, als er seine Mutter Delores im Krankenhaus besuchte. Kemi, der Inbegriff einer würdevollen Erscheinung, besaß eine sportliche Figur, einen langen, schlanken Hals und war eine stolze, entschlossene Yoruba, die sich ganz einer echten und funktionierenden Beziehung mit dem werdenden Vater ihres Kindes verschrieb. Als sie herausfand, dass daraus nichts würde, hakte sie die Begegnung mit Cyril als Aussetzer ihres Urteilsvermögens ab und sprach kein Wort mehr mit ihm bis zu dem Tag, als Lizzie fragte, wo eigentlich ihr Dad sei. Das war ungefähr neun Jahre nach ihrer Zeugung. Kemi rief Cyril kurzerhand an, tauschte ein paar Höflichkeitsfloskeln mit ihm aus und reichte dann das Telefon an ihre Tochter weiter.
Als Nikisha zehn war, besuchte Cyril seine älteste Tochter nach sechs Jahren das erste Mal wieder. Er hatte sich von all seinen falschen Ambitionen, ihr ein Vater zu sein, verabschiedet, aber da Nikisha ein paar Wochen zuvor Geburtstag gehabt hatte, hielt er es für eine gute Idee, ihr eine Karte vorbeizubringen. Nikisha sah erst ihren Vater, dann die Karte verächtlich an, bevor sie nach draußen ging, um weiter mit ihren Freundinnen zu spielen. Cyril blieb und machte sich erneut mit ihrer Mutter Bernice vertraut. Die sah in seinen Augen noch genauso gut aus wie damals, als Nikisha noch nicht einmal unterwegs war.
Ungefähr neun Monate später, an einem frostigen Dezembertag, wurde Prynce Pennington geboren. Nikisha, die sich wohl besser als Einzelkind geeignet hätte, nahm es eigentlich ganz gut auf, große Schwester zu sein. Hauptsächlich weil ihr klar wurde, dass es keinen Zweck hatte, dagegen aufzubegehren. Als Prynce ihr zum ersten Mal etwas zu essen aus dem Mund nahm, um es selbst zu futtern, wusste sie, dass es nicht bei diesem einen Bissen bleiben würde. Alles, was sie hatte, bekam irgendwann ihr kleiner Bruder. Sogar ihre Zeit. Prynce wuchs zu einem Pläneschmied und Träumer heran. Wahlweise vergesslich, aber gerissen, charmant und begeisterungsfähig, doch überwiegend halbherzig, bei welcher Sache auch immer.
Eines Tages, als all seine Kinder (bis auf Prynce, der erst neun war), wie er fand, das Alter für erste Dates erreicht hatten, beschloss Cyril, dass dieser Tag, ein Samstag, der Tag sein sollte, an dem sie sich alle treffen würden. Er sprang aus dem Bett in der Ecke seiner kleinen Einzimmerwohnung, tappte ans Fenster und schob das Laken beiseite, das ihm seit mindestens drei Jahren als Vorhang diente. Die Sonne schien und der Himmel war so blau wie das Meer, das er von zu Hause erinnerte. Er liebte solche Tage. Seine Laune hing ganz vom Wetter ab, obwohl er nicht wusste, warum. Wenn er seinen Gedanken je erlaubte, sich nach möglichen Gründen dafür umzusehen, dann schrieb er es der Tatsache zu, dass er die Sonne vermisste, die ihm während seiner Kindheit in Jamaika tagtäglich auf die Haut geschienen hatte. Cyril sah die Dinge immer ganz einfach. Und wenn man ihm mit Begriffen wie »affektive Störung« und »Winterdepression« gekommen wäre, dann hätte er Streit angefangen und einem unterstellt, man wolle ihn mit einem Fluch belegen.
Er ging ins Bad und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht, danach putzte er sich die Zähne. Er hatte bloß einen kompletten mittleren Schneidezahn, der mit Gold überzogen war. Von dem zweiten war nur noch die Hälfte übrig. Frauen erzählte er immer, die andere Hälfte hätte er bei einem Kampf verloren. Dabei war er in Wirklichkeit betrunken nach Hause gekommen, auf der Treppe zu seiner Wohnung gestürzt und mit dem Gesicht auf eine Stufe geknallt. Jetzt spülte er seinen Mund gründlich aus, spuckte ins Waschbecken und schenkte sich in dem gesprungenen Spiegel ein Lächeln. Heute würde ein guter Tag werden, beschloss er.
Aus dem Badezimmer schlenderte Cyril zu seiner Stereoanlage, die den Großteil des Wohnzimmers einnahm. Der Plattenspieler, den er beim Kartenspiel gewonnen hatte, war an drei ursprünglich kaputte Lautsprecher angeschlossen. Die wiederum hatte er mal vor einem Nachtclub gefunden und einen Freund dazu überredet, sie mit ihm nach Hause zu schleppen. Jetzt blätterte er durch seine wertvolle Plattensammlung und kam zu dem Schluss, dass er an diesem Morgen in Stimmung für Johnny Nash war.
Gemächlich und sorgsam nahm er die Platte erst aus der Hülle, dann aus dem schützenden Plastik. Er balancierte sie vorsichtig zwischen seinen dicken, ansonsten ungeschickten Fingern. Er musste lächeln, als er sie auf den Plattenteller legte, und empfand die gleiche Freude, die ihn immer überkam, wenn er den Abnehmer langsam von der Halterung nahm und die Nadel auf die sich drehende Scheibe senkte.
Das Knistern des Vinyls war Balsam auf seine Seele, und als die Musik einsetzte, spürte Cyril, wie sein ganzer Körper sich entspannte.
Die Dusche in seiner Wohnung war kaputt, und er hatte nicht daran gedacht, die Gasrechnung pünktlich zu bezahlen, also wusch Cyril sich behelfsmäßig mit ein bisschen heißem Wasser aus dem Wasserkocher. Die Stromrechnung beglich er immer rechtzeitig, weil er ohne Musik nicht leben konnte. Außerdem störte es ihn nicht besonders, kein Warmwasser zu haben. Es erinnerte ihn daran, wie man sich früher in der Heimat gewaschen hatte. Als er anfangs in London war, erschien ihm eine funktionierende Dusche derart luxuriös, dass er ihr beinah misstraute.
Nach der Katzenwäsche durchquerte er seine kleine Wohnung, nur mit einem Handtuch um die Taille. Sein Bauch, der einst straff gewesen war und seit einer Weile zur Kugel zu werden drohte, quoll oben über den Stoff.
Er cremte sich ausgiebig ein, bevor er sich anzog. Seine Wahl fiel auf eine schwarze Hose mit schwarzem Ledergürtel und ein lachsrotes kurzärmeliges Hemd. Er mochte dieses Hemd sehr. Zwar wusste er nicht mehr, welche Frau es ihm geschenkt hatte, aber selbst gekauft hatte er es definitiv nicht. Er vollendete den Look mit einer schmalen Goldkette, an der ein Kreuzanhänger seiner Mutter hing. Der baumelte jetzt an der Stelle, wo sich einst seine Brustmuskulatur abgezeichnet hatte.
Nachdem er fertig angezogen war, tanzte Cyril mit kleinen Schritten durch die Wohnung, bis die Nadel sich vom Vinyl hob und ihm so signalisierte, dass es an der Zeit war, in den Tag aufzubrechen. So ging Cyril die Dinge an. Er versuchte, sich weniger an der genauen Zeit zu orientieren, sondern eher an Gefühl, Instinkt und daran, wie die Welt sich um ihn drehte. Dass er in der Lage gewesen war, einen Job zu behalten, wunderte jeden, der ihn kannte. Allen voran seine Chefs.
Cyril verließ die Wohnung und sperrte die Tür sorgfältig hinter sich ab, damit bloß niemand einbrach und irgendwas klaute, das mit seiner Musik zu tun hatte. Er stolzierte die Treppe ins Erdgeschoss hinunter und verließ das Gebäude – ein altes Haus im Georgianischen Stil, das man in viel zu viele Wohnungen umgebaut hatte – und lächelte den Postboten an, der gerade den Weg heraufkam.
»Irgendwas für mich, Bill?«, fragte Cyril ihn. »Wenn’s bloß bills sind, die du mir bringst, Bill, kannst sie behalten.«
Der Postbote, ein weißer Mann namens William mit einem seltsamen Schnurrbart, lachte höflich, schüttelte den Kopf und zuckte gleichzeitig mit den Schultern. Auch wenn Cyrils jamaikanischer Akzent, den er sich seit seiner Ankunft in England vor Jahrzehnten weigerte, abzulegen, nicht besonders stark war, hatte William keine Ahnung, was er da redete. Und das, obwohl sie bereits seit einem Jahr fast täglich auf diese Art miteinander kommunizierten.
Cyril stieg in seinen Wagen, einen gold glänzenden Jeep. Der war sein ganzer Stolz. Ein Großteil von dem Geld, wenn nicht sogar alles, was er für Unterhalt oder auch nur für etwas bessere Wohnverhältnisse hätte ausgeben sollen, wurde in den goldenen Jeep gesteckt. Er liebte ihn tatsächlich mehr als alles andere in seinem Leben und sah darin kein Problem. Jetzt steckte er den Schlüssel ins Zündschloss, ließ die Fensterscheiben runter und schob eine CD mit Reggae-Musik, die er im Barber Shop erstanden hatte, in den Schlitz. Bevor er losfuhr und während »Inna di Bus« von Professor Nuts schon aus den Boxen dröhnte, klappte er die Sonnenblende runter und strahlte sein Spiegelbild an. Der Goldzahn blitzte ihm entgegen. »Du bist ein schöner Mann, Cyril!«, sagte er zu sich. Er war eindeutig kein Mensch, der Lektionen in Selbstliebe nötig hatte.
Zuerst fuhr er zu Bernice. Er hatte es zeitlich so eingerichtet, dass sie bereits zu ihrem Samstagseinkauf auf dem Markt in Brixton war. Er hatte keine Lust, mit ihr zu streiten, und wollte sich keinen Fragen dazu stellen müssen, wie er Zeit mit seinen Kindern verbrachte. Als Cyril den Wagen anhielt, war Prynce draußen auf der Straße und musterte den goldenen Jeep misstrauisch. Die dröhnende Reggae-Musik hatte ihn vom Rollerskaten abgelenkt.
»Mein Junge!« Cyril steckte lächelnd den Kopf aus dem Wagenfenster. »Wie kannst du immer noch so klein sein?«
Prynce wusste, dass man mit Fremden nicht reden sollte, also bewegte er sich, so schnell seine Rollerskates es zuließen, zurück zum Haus.
»Nikisha!«, rief er nach drinnen. »Stranger danger!«
Die inzwischen neunzehnjährige Nikisha kam, eine Bratpfanne über ihrem Kopf schwingend, rausgelaufen.
»Verschwinde!«, rief sie. »Oh.«
Sie rollte mit den Augen beim Anblick des goldenen Jeeps und des Mannes, der drinsaß, und ließ die Pfanne sinken.
»Das ist dein Dad.« Mit der freien Hand strich sie Prynce über den Kopf.
»Wer?«
»Dein Dad und meiner«, erklärte Nikisha ihrem Bruder. »Er heißt Cyril.«
»Oh«, machte daraufhin auch Prynce und blinzelte träge. Er schien den Mann mit neuen Augen zu sehen.
»Geht’s gut, Nikisha?«, rief Cyril aus dem Wagen. »Seit wann verstehst du denn was von Kochen?«
Nikisha sah Cyril ungerührt an. »Warum bist du hier, Dad?«
»Ich mach heute einen Ausflug mit euch.«
»Ach ja?« Nikisha lachte. »Aus was für einem Anlass?«
»Wie alt ist der da jetzt?«, fragte Cyril und zeigte auf Prynce. »Sechs? Sieben? Ganz schön klein, was?!«
»Er ist neun«, korrigierte Nikisha ihn. Sie überlegte, ihm doch eins mit der Bratpfanne überzuziehen.
»Neun!«, rief Cyril und betrachtete seine beiden Kinder. Nikisha sah bereits genauso aus wie ihre Mutter, als er sie kennengelernt hatte. Prynce sah aus wie Cyril mit neun. Nur viel dünner.
»Kein Anlass«, meinte er zu Nikisha und Prynce. »Heute ist ein schöner Tag, also dachte ich mir: warum nicht? Lass mich doch mal meine Kinder sehen und sie wohin bringen, wo’s schön ist.«
Nikisha machte den Mund auf, um ihren Dad zu fragen, warum er ausgerechnet heute aufkreuzte, nachdem er sie jahrelang nicht besucht hatte. Sie wollte ihn fragen, warum er glaubte, unangekündigt in dieser überdimensionalen, protzigen Karre vorfahren und ihnen den Tag durcheinanderbringen zu können. Wollte fragen, warum er nicht nett zu Prynce war, der ihn ungefähr seit seinem zweiten Lebensjahr nicht mehr gesehen hatte. Aber stattdessen wies sie nur Prynce an, die Rollerskates aus- und Turnschuhe anzuziehen und noch mal aufs Klo zu gehen. Vielleicht war es für Prynce ja besser, selbst zu sehen, wie ihr Dad war, als immer nur nach ihm zu fragen. Schließlich hatte Nikisha sowieso keine Antworten für ihn.
»Und wasch dir die Hände, Prynce!«
Nikisha stellte die Pfanne auf das Schränkchen neben der Haustür und stieg in den Jeep.
»Wie geht’s dir?«, fragte sie ihren Dad und drehte sofort die Musik leiser. Es war nicht so, dass sie keinen Reggae mochte, aber sie wollte lieber hören, was ihr Dad sagte, und nicht achtzig Prozent der Unterhaltung erraten müssen.
»Wie du siehst.« Lächelnd drehte Cyril die Musik wieder lauter und ließ die CD noch mal von vorne beginnen, so dass Professor Nuts erneut loslegte.
»Was weißt du über diesen Song?«, schrie Cyril über die Musik hinweg.
Nikisha sah ihn an und blinzelte nur.
Nachdem auch Prynce im Wagen saß und angeschnallt war, schüttelte Nikisha den Kopf darüber, wie schnell sich die Pläne für den heutigen Tag geändert hatten. Wobei das ihre Erfahrung mit Cyril als Vater ziemlich genau auf den Punkt brachte. Da denkt man, man würde einen normalen Tag erleben, und plötzlich wird man daran erinnert, dass man a) einen Dad hat, und b) dass dieser Dad nicht wirklich ein Elternteil ist. Cyril fuhr los. Er cruiste durch die Straßen von Südlondon, ohne sich ausreichend auf den Verkehr zu konzentrieren. Dafür ging er so ziemlich bei jeder Frau, an der sie vorbeikamen, vom Gas und starrte ihr nach.
»Dad, kannst du bitte nicht vergessen, dass wir hier sind?«, ermahnte ihn Nikisha, während sie ihren Sicherheitsgurt kontrollierte. »Wo fährst du uns überhaupt hin?«
»Wir gehen in den Park«, erklärte Cyril. »Aber vorher legen wir noch ein paar – nein – drei Zwischenstopps ein.«
Sie hielten vor einer Wohnanlage in West Norwood, in der Nikisha noch nie gewesen war, die sie aber wiedererkannte, weil sie sich in der Nähe des Busdepots befand, wo ihr Dad arbeitete.
Cyril löste seinen Sicherheitsgurt und sprang aus dem goldenen Jeep.
»Ihr zwei wartet hier«, sagte er und verschwand in der Wohnanlage. Als er wiederauftauchte, folgte ihm ein Teenager, mixed-race und vermutlich nicht viel jünger als Nikisha. Gut aussehend, größer als Cyril, aber viel schlanker und mit heftiger Akne auf Stirn und Wangen.
Cyril setzte sich wieder ans Steuer, während der Junge die hintere Tür öffnete und auf den Platz hinter Nikisha rutschte.
»Wer ist das? Wer bist du?«, fragte Nikisha und drehte sich erst zu ihrem Dad, dann zu dem Jungen nach hinten.
»Das ist dein Bruder.« Cyril zuckte dabei mit den Achseln, als hätte Nikisha eine unsinnige Frage gestellt.
»Ich bin Danny.« Lächelnd streckte der Junge Nikisha eine Hand hin.
Nikisha ignorierte sie.
»Ich bin Nikisha, das ist Prynce«, erklärte sie ihm.
Dann drehte sie sich wieder zu Cyril und durchbohrte ihn mit Blicken. Doch der merkte das gar nicht. Inzwischen fuhren sie schon weiter und die Musik lief wieder. Cyril machte sich über nichts in der Welt Gedanken.
»Nikisha, lass die CD für mich von vorne laufen. Noch mal Track eins«, bat er seine Älteste.
»Wo fahren wir hin?«, fragte Danny ihren Dad über die Musik hinweg.
»Zum Park«, antwortete Cyril ihm. »Aber wir haben vorher noch ein oder zwei Zwischenstopps.«
Sie fuhren nach Norbury, in eine seltsame kleine Gegend zwischen Streatham und Croydon, die nichts mit den beiden anderen gemein hatte, sich aber auch durch nichts Eigenes auszeichnete.
Der goldene Jeep hielt vor einem kleinen, alten Reihenhaus. Cyril parkte zügig und gekonnt in einer Lücke, in die der Jeep nach physikalischen Maßstäben eigentlich unmöglich reinpassen konnte.
»Ach, lasst mich doch ein Stück weiter vorne parken«, sagte Cyril, fuhr aus der Lücke raus und stellte den Wagen ein Stück weiter ab.
Wieder sprang er aus dem Jeep. Als er diesmal zurückkam, folgte ihm ein molliges Teenie-Mädchen mit üppigem wildem Haar, das größtenteils aus einem lockeren Bun oben auf ihrem Kopf gerutscht war.
Cyril stieg ein und das Mädchen öffnete die Tür hinter dem Fahrersitz. Sie sah erschrocken aus, als ein fremder älterer Teenager und ein fremder ziemlich kleiner Junge ihr entgegenblickten.
»Rutsch rüber, Prynce, lass deine Schwester einsteigen«, rief Cyril nach hinten. »Und Dimple, du musst nicht so ängstlich gucken!«
Nikisha rollte mit den Augen, als Prynce seinen Gurt öffnete und neben Danny rutschte.
Während Dimple Anlauf nahm, um in den goldenen Jeep zu springen, beugte Danny sich über Prynce und machte den mittleren Sicherheitsgurt zu.
»Danke«, sagte Nikisha, die ihn im Spiegel der Sonnenblende beobachtete, zu Danny.
Danny nickte.
»Dimple?« Cyril machte die Musik leiser.
»Ja?«, fragte Dimple leise zurück, ohne irgendwen anzusehen.
»Das ist deine Schwester Nikisha. Deine älteste Schwester.« Cyril deutete flüchtig auf Nikisha. »Das ist Danny, der größere von beiden. Und siehst du den kleineren? Der heißt Prynce. Das sind deine Brüder.«
Cyril drehte den Schlüssel im Zündschloss. »Jetzt haben wir noch einen Zwischenstopp.«
»Bist du sicher, dass es nur einer ist?«, fragte Nikisha.
Cyril lachte, auch wenn sonst niemand in dem goldenen Jeep irgendetwas daran lustig fand.
Nach knapp einer halben Stunde der schweigsamsten Fahrt aller Zeiten hielt Cyril erneut. Diesmal in Clapham, in der Nähe des Parks.
»Wird nicht lang dauern«, sagte er und löste seinen Gurt. »Unterhaltet euch mal.«
Ein paar Minuten später kehrte er in die Stille zurück. Keiner in dem goldenen Jeep sagte ein Wort. Eine Sekunde lang fragte er sich, ob sie überhaupt noch atmeten. Hinter ihm ging ein schlankes, hübsches Mädchen, das nach Nikishas Schätzung ungefähr genauso alt sein musste wie das Mädchen, das Cyril davor aufgesammelt hatte.
»Jemand muss auf dem Schoß sitzen«, sagte Cyril, nachdem er die hintere Tür geöffnet hatte und drei Augenpaare, die alle irgendwie wie seine aussahen, ihn anblickten.
»So ein großes Auto und trotzdem nicht genug Platz für alle deine Kinder?«, fragte Nikisha Cyril.
»So sieht’s aus!«, erwiderte Cyril fröhlich und schien die Spitze in der Frage gar nicht bemerkt zu haben.
»Ich geh nach hinten, Prynce kann auf meinem Schoß sitzen«, sagte Nikisha. »Warum kommst du nicht nach vorne? Wie heißt du noch mal?«
Sie zeigte auf Dimple, die verlegen dreinblickte.
»Warum sie?«, fragte Cyril. »Lass doch den Kleinen auf ihrem Schoß sitzen, ja?«
»Weil sie am dicksten ist«, sagte Nikisha und öffnete ihren Sicherheitsgurt. »Sie braucht hinten am meisten Platz.«
Nikishas Bemerkung traf Dimple tief in die Brust und rutschte von dort nach ganz unten in ihrem Bauch, wo sie lange liegenbleiben sollte. Dimples Gesicht wurde heiß, und sie gab sich Mühe, nicht zu weinen, während auch sie ihren Gurt öffnete und mit Nikisha den Platz tauschte. Unterdessen stand der Neuzugang zu Cyrils lustloser Bande mit verschränkten Armen neben dem Wagen.
Nikisha zog Prynce auf ihren Schoß, dann stieg das neue Mädchen mit seinen langen, schlanken Beinen in den Jeep.
»Ich bin Elizabeth«, sagte sie. »Und ich schätze, ihr seid meine Brüder und Schwestern.« Ihr Ton klang für jemand ihres Alters erstaunlich trocken.
»Kluges Kind. Nennt dich auch irgendwer Lizzie?«, fragte Nikisha.
»Nur Familie«, erwiderte Elizabeth kühl.
»Okay, Lizzie«, sagte Nikisha und ignorierte ihre Bemerkung. »Ich bin Nikisha. Die Älteste. Das ist Prynce, der Jüngste. Keine Ahnung, wie alt die beiden hier sind. Ihr könnt euch selbst vorstellen.«
»Ich bin Danny«, sagte Danny lächelnd aus der Mitte. »Siebzehn.«
»Und ich bin Dimple«, flüsterte Dimple vom Beifahrersitz. »Im Juli werde ich vierzehn.«
»Wie alt bist du?« Nikisha zeigte auf Elizabeth.
»Im August vierzehn«, meinte Elizabeth seufzend und schloss mit einer geschmeidigen Bewegung ihren Sicherheitsgurt.
»He, Lizzie, ich weiß, dass deine Mum dir zu Hause keinen Reggae vorspielt – hör dir das hier mal an!« Cyril lachte, ließ Professor Nuts noch mal von vorn beginnen und drehte den Ton lauter.
»Dad! Ich hab diesen Song jetzt schon hundertmal gehört«, beschwerte sich Nikisha.
Da machte Cyril noch ein bisschen lauter.
Als sie beim Clapham Common angekommen waren, liefen alle, mit deutlichem Abstand zueinander, hinter ihrem Dad her. Cyril wollte jedem seiner Kinder ein Eis kaufen. Mit der Begründung, er hätte zufällig nicht genug bei sich, lieh er sich das Geld dafür von Nikisha.
»Gut, dass ich meine Geldbörse mitgenommen habe«, meinte Nikisha seufzend zu ihm.
Bevor er zum Eiswagen ging, ließ Cyril alle sich im Kreis aufstellen.
»Gut«, sagte er zu ihnen. »Merkt euch die Namen und merkt euch die Gesichter von den anderen.« Er sah ihnen nickend dabei zu, wie sie sich jetzt, da sie einander gegenüberstanden, genauer in Augenschein nahmen.
Cyril lächelte, als sie die Ähnlichkeiten, die sie alle gemein hatten, feststellten. Und er fragte sich, warum er sie nicht schon früher an einem Ort zusammengebracht hatte, bevor ihm rasch einfiel, dass der Grund dafür ihre Mütter waren.
Nikisha, die ihrer Mum so ähnlich sah, hatte trotzdem die gleiche Nase wie Danny, während Dimple die gleichen Augen wie ihr Nicht-Zwilling Lizzie besaß und eigentlich auch wie Prynce, der die längsten Wimpern von allen hatte. Lizzie und Prynce hatten das gleiche Lächeln; sie hatten auch die großen Zähne von ihrem Dad geerbt, zumindest als seine Schneidezähne noch heil waren. Nur Dimple besaß zwei Grübchen, alle anderen nur eines, und zwar auf der rechten Wange.
Obwohl alle abcheckten, inwiefern sie einander ähnelten oder eben nicht, spürte keines der Kinder irgendeine Verbindung zu den anderen. Nikisha und Prynce verband noch die Tatsache, dass sie unter einem Dach lebten, doch im Allgemeinen haben eine Neunzehnjährige und ein Neunjähriger nicht viel gemein.
Dimple hob ängstlich den Blick vom Boden. Sie wusste nicht, was sie zu irgendwem von diesen Leuten sagen sollte. Dann sah sie zu Cyril rüber, in der Hoffnung, er würde bald zurückkommen, doch er war in ein lebhaftes Gespräch mit dem Eisverkäufer verwickelt. Ihr fiel auf, wie er dastand. Sein ganzes Gewicht ruhte auf dem linken Bein, während er das andere ausstreckte und den Boden nur leicht mit den rechten Zehenspitzen berührte. Sie machte es genauso, wenn sie Geschirr abwusch. Ihre Mum sagte dann immer, sie müsse in einem früheren Leben Ballerina gewesen sein.
Keines von Cyrils Kindern lächelte so wie ihr Dad, als er sich umdrehte und seine fünfköpfige gemischte Mannschaft betrachtete.
»Ist das das erste Mal, dass ihr euch alle trefft?«, fragte Cyril, während er mit fünf tropfenden Waffeln für je 99 Pence angeschlendert kam.
»Ja, Dad.« Nikisha traute ihren Ohren nicht. »Offensichtlich, oder?«
»Wow.« Cyril atmete geräuschvoll aus. »Wie schnell die Zeit vergeht, was?«
Nikisha hatte genug. Sie wollte zurück nach Hause. Ihr Freund würde sie später abholen, und sie musste sich noch die Beine rasieren. Danny amüsierte diese ganze Sache. Er ließ sich sowieso nie wirklich von irgendwas runterziehen. Wahrscheinlich war er grundsätzlich ein bisschen zu entspannt, was sich eines Tages noch rächen würde. Dimple nahm dieses ganze Treffen emotional mit, aber sie war entschlossen, sich nichts anmerken zu lassen. Vor allem nicht nach dem, was Nikisha über sie gesagt hatte. Sie wollte sie alle kennenlernen. Schließlich waren es ihre Geschwister! Halbgeschwister, um genau zu sein, aber egal. Ihre Brüder und Schwestern! Freundschaften zu schließen, fiel ihr sowieso nicht leicht. Lizzie waren alle scheißegal. Sie wollte nach Hause und ihrer Mum berichten, dass Cyril sie praktisch gekidnappt und gezwungen hatte, Zeit mit einem Haufen Jamaikaner zu verbringen.
Und was dachte Prynce? Prynce wollte ein zweites Eis, sonst nichts.
»Das hier ist nur, damit keiner von euch jemals auf der Straße was mit einem der anderen anfängt und sich verliebt oder Sex hat oder so was«, stellte Cyril klar. »Denn das, meine Kinder, wäre verboten.«
»Auch wenn du es geschafft hast, vier verschiedene Frauen in einem Umkreis von fünf Meilen zu schwängern«, sagte Nikisha, »bezweifle ich, dass das je passieren wird. Wir sehen alle genug aus wie du, um Bescheid zu wissen. Sogar Danny.«
Danny nickte und beugte sich pflichtschuldig den Tatsachen.
»Nicht böse gemeint«, fügte Nikisha hinzu. »Aber du bist eben mixed race.«
»Hab ich auch nicht so verstanden.« Danny zuckte mit den Achseln. »Bin ich eben.«
»Hör mal, Nikisha«, fing Cyril an. »Ich will einfach nur, dass das euch allen klar ist und ihr wisst, wer wer ist, damit ich am Ende keine Überraschungen erlebe.«
»Da redet der Richtige von Überraschungen«, sagte Lizzie. »Wie viele gibt’s denn noch?«
»Ich will nichts von Sex hören«, stöhnte Prynce. »Ich bin erst neun. Das ist eklig.«
»Eklig oder nicht, ich tu einfach meine Pflicht als euer Vater.«
»Deine Pflicht?« Lizzie, die von Cyril und seiner Art schon gelangweilt war, schnaubte verächtlich. »Als unser was?«
»Wie auch immer, hört mal«, Cyril klatschte in die Hände. »Jetzt, wo ihr euch alle kennt, liegt’s an euch, Freunde zu werden, wenn ihr Freunde werden wollt, oder was auch immer.«
»Ich glaube nicht, dass wir Freunde werden, Dad«, sagte Nikisha und wandte sich dann an ihre Halbgeschwister, von denen Danny und Dimple nichts dagegen einzuwenden gehabt hätten, Freunde zu werden. »Aber sollte jemals was auch immer passieren, ruft ihr mich an. Okay?«
Danny, Lizzie und Prynce nickten zustimmend und sahen einander blinzelnd an, während ihnen das Eis auf die Finger tropfte.
»Und ich meine, was auch immer«, fügte Nikisha hinzu.
Dimple, die ihr Eis nicht aß, weil sie noch immer das Gefühl hatte, die Bemerkung über ihr Gewicht vorhin würde sich in ihrem Bauch ausdehnen, nahm die Worte ihrer Halbschwester nicht aktiv zur Kenntnis. Stattdessen schwor sie sich insgeheim, sie niemals um irgendwas zu bitten.
»Jetzt unterhaltet euch mal ein bisschen, ja?«, drängte Cyril seine Kinder, während sein funkelnder Blick zu zwei gut zwanzigjährigen Schwarzen jungen Frauen wanderte, die in Shorts und Bikinioberteilen in der Sonne lagen.
»Dad!« Nikisha schnippte mit den Fingern. »Hier spielt die Musik!«
Cyril trat lachend einen Schritt zurück und verschränkte die Arme.
»Warum erzählt ihr euch nicht, was euer Lieblingsfach in der Schule ist?«, schlug er vor. Anscheinend hatte er so wenig Ahnung von seinen Kindern, dass ihm nicht mal klar war, dass zwei von ihnen längst mit der Schule fertig waren.
»Ich hab mit sechzehn die Schule abgeschlossen, Dad«, fing Nikisha an. »Dann wollte ich am College Projektmanagement studieren, aber der Kursplan passte nicht zu den Zeiten, wo ich auf Prynce aufpassen musste. Also, keine Ahnung. Ich werde weitersehen, wenn Prynce auf die Mittelschule geht.«
»Dann willst du also davon leben, anderen zu sagen, was sie zu tun haben?«, fragte Danny sie. »Weil du bossy bist, stimmt’s?«
»Genau.« Nikisha nickte. »Und du so?«
»Ähm. Ich schraube gerne an Sachen rum. Und ich arbeite gerne mit meinen Händen«, erzählte Danny seinen Halbgeschwistern. »Keine Ahnung, woran das lag, aber als ich noch zur Schule ging, bin ich im Unterricht einfach dau-ernd eingepennt.«
Darüber musste Prynce lachen. Er mochte diesen älteren Jungen, der da vor ihm stand. Er war lustig.
»Aber egal«, fuhr Danny fort. »Jetzt mache ich eine Lehre als Mechaniker. Also mit Autos und so. Das ist gut. Dreckig. Aber gut.«
»Was ist mit dir?« Nikisha sah Lizzie an, die ihr Eis sorgsam und konzentriert aß, damit ihr nichts davon auf die Finger lief.
»Ich werde mal Ärztin«, erwiderte Lizzie, ohne den Blick von ihrem Eis zu heben.
»Okay!«, rief Danny. »Selbstbewusst. Das gefällt mir!«
»Mhmm.« Lizzie nickte.
»Dann musst du ja schon Klassenbeste sein, oder?«, fragte Danny.
»Yep«, sagte Lizzie.
»Ich will mal BMX-Fahrer werden.« Prynce grinste.
»Echt jetzt?!« Danny zuckte übertrieben zurück. »Schwör? Das ist der beste Job, von dem ich je gehört hab! Vielleicht muss ich dir das sogar nachmachen, weißt du!«
Prynce strahlte und biss in sein Eis.
»Was ist mit dir?« Nikisha sah zu Dimple hin.
»Hä?« Dimple hatte so angestrengt darüber nachgedacht, was sie antworten sollte, dass sie ganz vergessen hatte, sich auch am Gespräch beteiligen zu müssen.
»Schule? Job?«, hakte Nikisha nach.
»Ähm …« Dimple schaute erst zu Nikisha hoch und senkte dann wieder den Blick zu Boden. »Ich weiß nicht.«
»Du weißt nicht, was für Fächer du hast?«, fragte Lizzie und runzelte ihre dichten, perfekt geformten Augenbrauen. »Oder du weißt nicht, was du werden willst?«
»… ich hab die üblichen Kurse.« Dimple nickte. »Ich … ich hab nur nichts, was ich am liebsten mache. Obwohl, vielleicht Theater. Aber ich weiß nicht, was ich werden will.«
»Du bist so schüchtern und magst Theater?« Nikisha lachte. »Ich glaube, da musst du dir noch ein neues Lieblingsfach suchen.«
»Das wird sie schon hinkriegen«, meinte Danny zu Nikisha und legte sanft eine Hand auf Dimples Schulter.
Cyril, der fand, dass er heute eine wirklich gute und lohnende Sache vollbracht hatte, holte tief Luft und schaute sich um, während Sonnenstrahlen auf sein Gesicht fielen. Sein Blick wanderte wieder zu den sich sonnenden Frauen, die aufgestanden waren und die Wiese überquerten. Er schaute ihnen nach, wie sie zum Teich gingen, und meinte, dort eine Person zu erkennen, mit der er sich heute lieber nicht unterhalten wollte.
»Na schön, jetzt ist’s an der Zeit, euch alle wieder nach Hause zu bringen.« Cyril stolzierte in die Mitte des Kreises, den seine Kinder gebildet hatten. »Hab noch was zu erledigen.«
Cyril brachte seine Kinder in der umgekehrten Reihenfolge, wie er sie abgeholt hatte, nach Hause. Lizzie war die Erste, weil er wusste, dass Kemi detailversessen war. Und weil er ihr die Details des heutigen Tags nicht mitgeteilt hatte, würde es Ärger geben. In der Sekunde, als Cyril anhielt, kam Kemi blitzartig auf den goldenen Jeep zugeschossen, riss die hintere Tür auf und starrte die genervten Kinder an, die alle noch zu jung waren, um die Tragweite dieses Tages zu begreifen.
»Elizabeth«, donnerte die Frau, ohne sich um Cyrils andere Kinder oder ihn zu kümmern. Dabei hatte Cyril schon das Fenster runtergelassen, um sie zu begrüßen. »Raus da. Sofort.«
Lizzie stieß die Tür an ihrer Seite weit auf und hüpfte hinaus. Sie machte die Tür hinter sich zu, ohne sie zuzuknallen, aber es fehlte nicht viel dazu. Dann trottete sie um den Wagen herum und blieb hinter ihrer Mum stehen.
»Kemi!«, rief Cyril. »Was machst du da?«
Kemi baute sich vor Cyrils offenem Fenster auf und hielt ihm den gereckten Zeigefinger vors Gesicht.
»Als ich rauskomme, um Lizzie einen Pullover zu bringen, und genauer hinschaue, wen sehe ich da wegfahren? Dich und all diese kleinen wippenden Köpfe in dieser lächerlich großen testosterongesteuerten Karre. Nie wieder. Meine Lizzie hat es nicht nötig, mit dem Rest von deinem Wurf zu verkehren.«
»Mit wem redet diese Frau?«, rief Nikisha von der Rückbank. »Wurf? Wurf?! Lass sie mal meiner Mum begegnen, die wird ihr was von einem Wurf erzählen.«
Cyril lachte leise.
»Kemi und deine Mum sind sich schon mal begegnet. Das war vielleicht eine Schau.«
»Komm jetzt«, sagte Kemi zu Lizzie und zog sie mit sich, obwohl Lizzie offensichtlich sowieso nicht dableiben wollte.
»Eins weniger«, seufzte Cyril, während er losfuhr.
Als Nächste wurde Dimple abgesetzt. Als Cyril vor dem Häuschen in Norbury hielt, wartete ihre Mutter Janet schon draußen. Cyril fragte sich, ob er je die Chance bekäme, sich noch mal an Janets Kurven zu schmiegen.
»Ist das denn die Möglichkeit, Cyril?«, legte sie los und riss die Fahrertür auf. »Du wirst in der Hölle schmoren.«
»Das ist jetzt ein bisschen hart, Jan«, meinte Cyril lachend, während Dimple aus dem goldenen Jeep purzelte, es aber schaffte, auf den Füßen zu landen.
»Nein, das ist nicht hart genug, Cyril«, fauchte Janet. »Ich dachte wirklich, ich fasse es nicht, dass du hier aufkreuzt und Dimp einfach mitnimmst, obwohl du seit Monaten nicht mit ihr geredet hast oder mir in all den Jahren auch nur einen Penny gegeben hast. Und als ich das verdaut habe, ruft Sharon mich an und erzählt, dass sie dich, Dimple und deine vier anderen Kinder gerade auf dem Clapham Commom sieht? Cyril, ich dachte, ich höre nicht recht.«
Cyril lachte wieder.
»Und du lachst!«, kreischte sie. »Wie immer. Tja, irgendwann wirst du in der Hölle lachen.«
Dann drehte Janet sich zu ihrer Tochter und legte die Hände an Dimples rundliche Wangen.
»Bist du okay, Dimp? Haben die irgendwas gemacht, was dich gekränkt hat? Mir kannst du es sagen!«
»Mir geht’s gut, Mum.« Dimple schob verlegen die Hände ihrer Mum weg.
Janet drehte sich wieder zu Cyril.
»In der Hölle«, versicherte sie ihm. »Das ist mein Ernst.«
Damit zog Janet Dimple, die noch versuchte, allen im goldenen Jeep zum Abschied zuzuwinken, mit sich ins Haus.
»Siehst du, wie verrückt Frauen sind?«, fragte Cyril an Nikisha gewandt.
»Tja …« Nikisha zuckte mit den Achseln. »Bist du nicht der gemeinsame Nenner?«
»Wo hast du denn solche schlauen Ausdrücke her?«, fragte Cyril und zog die Fahrertür zu.
Hätte Nikisha ihren Dad noch intensiver angestarrt, hätte sie vermutlich ein Loch in seinen Schädel gebrannt.
»Deine Mum wird mir keinen Ärger machen, Danny«, sagte Cyril und machte sich auf den Weg nach West Norwood. »Sie war schon immer ein braves Mädchen.«
Danny war sich nicht sicher, was er mit dieser Information anfangen sollte. Also nickte er nur und vergaß dann schnell, was sein Dad gesagt hatte, während er aus dem Fenster schaute und im wahrsten Sinne des Wortes von allem abgelenkt wurde, was er dort sah.
Danny abzusetzen war so problemlos, wie Cyril es vorhergesagt hatte. Fröhlich verabschiedete er sich von seinem Dad, Nikisha und einem schlafenden Prynce, sprang aus dem Jeep und verschwand in der Wohnanlage.
Sie fuhren weiter, und der immer optimistische Cyril verspürte im Stillen Erleichterung darüber, dass der Tag fast vorbei war. Dieser spontane Entschluss, all seine Kinder zusammenzubringen, hätte eigentlich Spaß machen sollen. Stattdessen hatte Cyril Verbalschläge von mehreren Frauen einstecken müssen, und die Kids hatten noch nicht mal richtig miteinander geredet.
Nikisha drehte sich zu Prynce, der immer noch schlief, dann wieder zu ihrem Dad.
»Warum hast du die Musik leiser gemacht, als Dimple eingestiegen ist?«, fragte sie ihn. »Und für niemand sonst von uns? Was ist an ihr so besonders?«
»Was?« Cyril hielt den Blick weiter auf die Straße gerichtet. Obwohl er seine Kinder nicht wirklich kannte, liebte er sie alle gleich. Jedes bekam zwanzig Prozent der Liebe, die er zu bieten hatte. Nicht mehr, nicht weniger.
»Liegt’s daran, dass ihre Mum eine von diesen indisch aussehenden Frauen ist?«, bohrte Nikisha verärgert nach. »Ich höre dich ständig von ›guten Haaren‹ reden.«
Cyril fuhr rechts ran und zog die Handbremse extra so geräuschvoll an, dass es vielleicht Respekt einflößend klang. Dann drehte er sich zu Nikisha.
»Also deshalb hast du diese kleine fiese Bemerkung über ihre Figur gemacht.«
Nikisha sagte nichts.
»Hast du gedacht, ich hätte das nicht gehört?«
»Aber es stimmt doch. Sie ist die dickste.«
Cyril schnalzte missbilligend mit der Zunge.
»Du bist schon zu alt für so was. Dimple ist sensibel«, fuhr Cyril fort. »War sie schon immer. Du, du hast Feuer. Lizzie, die war schon in jedem Alter, seit ich sie kenne, hinter meinem Geld her. Prynce ist zu jung, um irgendwas zu wissen, und Danny ist, wie nennt man das? Ein Luftikus. Aber Dimple, die ist feinfühlig. Das Mädchen nimmt sich alles zu Herzen. Wenn der Wind aus der falschen Richtung weht, weint sie. Du siehst sie auf eine Weise an, die sie nicht kapiert, und sie heult los. So we haffi treat her wid kindness. Wir müssen lieb zu ihr sein.«
»Seit wann kriegt irgendwer ’ne Extrawurst, weil er nicht tough genug ist?«, schnaubte Nikisha. »Ist doch ihr Problem, nicht meins.«
»Du bist ihre Schwester«, sagte Cyril. »Also ist es auch deins.«
»Halbschwester«, korrigierte Nikisha ihn.
Cyril fuhr Nikisha und Prynce zurück nach Battersea. Als der goldene Jeep in ihre Straße einbog, drehte Nikisha sich um und sah, dass Prynce auf der Rückbank immer noch schlief.
»Weck ihn besser mal«, sagte Cyril und hielt den Wagen an.
»Warum?«, fragte Nikisha. »Man kann ihn doch einfach reintragen.«
»Bist du so stark?« Cyril grinste. »Du musst ’ne echte Pennington sein.«
Nikisha sah ihren Dad an und fragte sich, ob ihm auch nur in den Sinn kam, dass er als Vater dieses kleinen Jungen derjenige sein könnte, der ihn ins Haus trug.
»Dann bis bald, ja?«, sagte Cyril und griff nach einer anderen CD, die er einlegen wollte. Er hatte das Interesse bereits komplett verloren.
Nikisha sprang aus dem Wagen und machte die Tür an Prynces Seite auf. Um ihn zu wecken, strich sie ihm sanft über die Wange und sagte leise seinen Namen.
»Was treibst du denn da?« Cyril fuhr herum, packte ein Knie von Prynce und rüttelte grob daran. »Aufwachen!«
Prynce riss erschrocken die Augen auf, während er wohl versuchte, sich daran zu erinnern, wo er war.
»Was machst du denn?«, regte Nikisha sich auf und öffnete den Sicherheitsgurt ihres kleinen Bruders. »Du hast ihm Angst eingejagt!«
»Mein Sohn wird nicht so ein Sof’bwoy!« Cyril lachte dreckig.
»Tja, wenn du ihn großziehst, dann kannst du ein Wort dabei mitreden, wie er wird.« Nikisha hielt Prynce an der Hand, während er verschlafen aus dem goldenen Jeep kletterte.
Dann führte sie ihren Bruder zum Haus, ohne sich zu verabschieden. Noch bevor sie reingingen, war Cyril schon davongefahren.
Nachdem er unterwegs bei einem Wettlokal angehalten und fast das ganze Geld, das er bei sich trug, verspielt hatte, und nach einem weiteren Stopp bei einem Takeaway mit karibischem Essen schloss Cyril seine Wohnung auf und nahm sich ein Bier aus dem Kühlschrank. Das Essen stellte er erst mal beiseite. Er war noch nicht so weit. Nach dem Tag, den er gerade erlebt hatte, war ihm klar, dass er auch für diese Art emotionaler Kriegsführung sehr, sehr lange nicht bereit sein würde.
Und so vergingen die Monate und dann die Jahre, in denen Cyril sich und den Müttern versprach, er würde die Kinder noch mal abholen. Einzeln diesmal. Aber immer wenn er genau das tun wollte, wurde ihm die Auseinandersetzung bewusst, der er sich stellen müsste, wenn er sie traf. Dabei dachte er keine Sekunde lang, dass ihn für irgendwas davon auch nur die geringste Schuld traf. Und so wurden aus den Versprechen, seine Kinder zu treffen, Vorschläge, dann Gerüchte, bis schließlich alle Seiten akzeptierten, dass es nicht dazu kommen würde.
Abgesehen von Nikisha und Prynce lief es so, wann immer der Rest von Cyril Penningtons Kindern sich in einem Laden oder auf der Straße begegnete: Man tauschte höflich Nummern aus und beteuerte, man würde sich mal treffen, dabei hatte keiner von ihnen wirklich das Bedürfnis, sich wieder miteinander zu unterhalten. Warum auch? Sie hatten doch kaum irgendwas gemein. Eigentlich hatten sie nicht mal Cyril Pennington gemein.
Dimple, Cyrils mittleres Kind, die inzwischen dreißig war, saß an ihrem Schminktisch. Sie war jetzt schlanker. Wenn auch nicht skinny nach irgendwelchen europäischen Maßstäben. Als Jugendliche hatte sie ihre kräftigen Arme und Beine als Problemzonen betrachtet, aber inzwischen, und nur wegen der Komplimente, die sie für ihre Oberschenkel und ihren Po bekam, akzeptierte sie die fülligen Körperteile, denen sie früher immer vorgeworfen hatte, ihren restlichen Körper im Stich zu lassen.
Sie war gut darin, Make-up aufzutragen, und das machte schon viel aus, um als attraktiv zu gelten. Manchmal bekam sie Kommentare zu ihren Selfies, in denen sie »hot« genannt wurde, und das machte sie schon irgendwie glücklich. Das Feuer-Emoji machte sie auch glücklich. Mit Mitte zwanzig etwa, als Social Media ihr Leben bestimmte, hatte sie diese gestufte Skala dafür, wie sehr die Leute sie mochten. Dabei ging es nicht nur darum, wie viele Likes sie für ein Selfie bekam, sondern auch um die Emojis, die die Leute hinterließen. Feuer war natürlich das Beste. Danach kamen Herzchenaugen, obwohl sie die nicht genauso gut fand. Am wenigsten gefiel ihr das weinende Emoji. Damit war süß gemeint, aber Dimple wollte eben nicht süß sein. Sie wollte sexy sein und hatte sich noch nicht damit abgefunden, dass manche Leute einfach sexy geboren wurden und dass sie nicht zu dieser Kategorie gehörte. Sie war süß! Und sie hatte was. Das war ja immerhin besser als nichts.
Der Boiler neben ihrem Zimmer rumpelte und schepperte, wie um sie daran zu erinnern, dass es draußen kalt war.
Sie schaltete das Ringlicht ein und überprüfte ihr Gesicht im Spiegel. Behutsam tippte sie mit dem Zeigefinger auf die Haut unter den Augen und fragte sich, ob ein anderes Paar Fake Lashes kaschieren würde, wie geschwollen sie war.
Dann befestigte sie ihr Handy in der Mitte des leuchtenden Ringlichts, öffnete die Kamera, holte tief Luft und lächelte dabei breit. Sie rollte die Schultern nach hinten und drückte auf »Record«.
»Hey, Leute! Ich bin’s, Dimple.« Sie stoppte die Aufnahme, räusperte sich und machte ein paar Übungen, um ihre Stimme und den Kiefer zu lockern. Dann drückte sie wieder auf »Record«. »Ich melde mich mit einer kurzen, aber echt traurigen Nachricht.«
Dimple senkte den Blick auf ihren Schoß, dann schaute sie wieder hoch.
»Wie ihr ja wisst, führen Kyron und ich schon seit einer Weile eine schwierige Beziehung. Eine mit vielen Ups and Downs. Und über einige der Downs wisst ihr gut Bescheid.«
Dimple verstummte und lehnte den Kopf nach hinten, um so zu tun, als würde sie Tränen zurückhalten.
»Wie auch immer. Tut mir leid, euch mitteilen zu müssen, dass wir beschlossen haben, uns zu trennen. Obwohl wir uns so, so lieben, ist uns klar geworden, dass wir das Ende unseres gemeinsamen Wegs erreicht haben. Wir haben uns gegenseitig so glücklich gemacht, aber Glück kann eben nicht alles sein, stimmt’s?« Sie legte eine Pause ein für den dramatischen Effekt. »Und natürlich werden wir weiterhin Freunde bleiben. Ich kann mir ein Leben ohne ihn nicht vorstellen. Bitte hinterlasst eurem Girl ein paar aufmunternde Worte in den Kommentaren unten! Love ya!«
Dimple stoppte die Aufnahme, löste ihr Handy aus der Befestigung und sah sich das Video noch mal an, bevor sie es schnell ein wenig überarbeitete. Zwar war sie nicht völlig zufrieden damit, aber sie dachte, es würde mehr Sympathie erzeugen, wenn es nicht zu perfekt aussah.
Nachdem sie das Video auf ihren Kanälen hochgeladen hatte, stellte sie das Handy auf Flugmodus, obwohl keine hundert Leute das Video sehen würden. Abgesehen von ihren Followern war Dimple insofern eine Influencerin, als sie selbst sich dafür hielt. Jeder Influencer hatte schließlich mal klein angefangen. Wobei sie mindestens schon seit drei Jahren den Weg einer Influencerin eingeschlagen und die Zahl ihrer Follower sich seither kaum geändert hatte.
Dimple biss sich fest auf die Unterlippe, als sie an all die Red Flags dachte, die Kyron ihr schon in der Anfangszeit signalisiert hatte. Die Widersprüchlichkeit, die Wutanfälle, die Eifersucht, und auch, dass er nicht an sein Telefon ging, aber aufkreuzte, wenn er Lust dazu hatte, und ihr vorwarf, eine Trickserin zu sein.
Eine Zeit lang hatte sie all das unter Leidenschaft verbucht und nicht als schlechte Charakterzüge, die er später als Waffen gegen sie einsetzen würde. Das konnte eben passieren, wenn der eigene Dad praktisch komplett abwesend war. Dann lag es nahe, dass man jegliche männliche Aufmerksamkeit für gute Aufmerksamkeit hält. Kyron war aber auch nett gewesen. Manchmal. Er hatte ihr immer Geschenke gekauft, nachdem er es verbockt hatte. Was ja immerhin etwas war, auch wenn er ihren Geburtstag jedes Mal vergaß. Sie war damit aufgewachsen, dass ihre Mum sie mit Geschenken verwöhnte. Als Ausgleich dafür, dass es von Cyril zu Weihnachten und zum Geburtstag nie etwas gab. Und so kam es, dass sie Geschenke von Männern wirklich wertschätzte, selbst wenn es nur Schrott war. Es gefiel ihr auch, einen Freund zu haben, allerdings machte das tatsächlich viel mehr Arbeit, als sie anfangs gedacht hatte. Außerdem stellte sie fest, dass die Videos mit ihm, die sie hochgeladen hatte, weniger Views bekamen als ihre üblichen Solos. Und der Unterschied zwischen 17 und 70 Views ist riesig, wenn die Zahl der Follower sowieso nicht so hoch ist, wie man sich das wünschen würde.
Dimple hatte schon ein paarmal versucht, mit Kyron Schluss zu machen. Aber immer war es ihm gelungen, sie zu überreden, es noch mal zu versuchen. Doch nachdem einige anonyme Accounts ihr Nachrichten dazu geschickt hatten, was er angestellt hatte, während sie zusammen oder getrennt gewesen waren, hatte Dimple die Sache beendet, und diesmal endgültig. Echt jetzt. Diesmal endgültig. Sie hat es sogar an ihre Wand geschrieben, um sich selbst daran zu erinnern (wenn auch nur mit Bleistift).
Was es zu diesem Zeitpunkt in ihrem Leben etwas schwieriger machte, war, dass sie absolut nicht in der Lage war, unabhängig zu sein. Emotional und auch sonst verließ sie sich massiv auf ihre Mum. (Vor der Trennung auch auf Kyron, obwohl der, wenn sie sich über Sachen beklagte, einfach nur erwiderte: »ist eben so«.) Das bezog sich auf alles, einschließlich Essen, Geld und vor allem Liebe und Aufmerksamkeit. Sie glaubte nicht, dass sie jemals von zu Hause ausziehen würde. Janet konnte zwar ein bisschen erdrückend und ungeschickt sein, trotzdem war sie Dimples Lieblingsmensch. Also warum sollte sie je irgendwo anders hin?
Gerade war ihre Mum mit ihrer besten Freundin Vanessa für ein paar Tage im Urlaub, so dass Dimple das ganze Haus für sich hatte und (erfolgreich) versuchte, die Anrufe und Nachrichten ihres Ex-Freunds zu ignorieren. Kyron hatte es auf allen Kanälen versucht. Als sie auf seine Textnachrichten nicht reagierte, rief er sie von einer unbekannten Nummer an. Als sie nicht an ihr Handy ging, hatte er auf dem Festnetz angerufen, wobei sie keine Ahnung hatte, wie er an die Nummer gekommen war, zumal sie es nur eingerichtet hatten, um das Internet zu nutzen. Sie wusste, dass er es war, weil die Anrufe dort exakt dann begonnen hatten, als er aufhörte, sie auf dem Handy anzurufen. Sie nutzte die Nummer 1471, nur um sicherzugehen, und es war jedes Mal er gewesen. Als er sie nicht ans Telefon kriegte, probierte er es bei Instagram. Er entfernte erst die Likes und likte dann dieselbe Auswahl ihrer Selfies wie immer. Schließlich schrieb er dort, sie solle ihn anrufen. Anschließend versuchte er es bei Facebook, obwohl sie das noch seltener nutzte als den Festnetzanschluss. So lief es jedes Mal, wenn sie sich getrennt hatten, und am Ende antwortete sie ihm, wenn er sie einen Tag lang bombardiert hatte. Doch dieses Mal war sie entschlossen, nicht zu reagieren.
Dimple schob das Handy in ihre Hosentasche und ging nach unten. Ihr Appetit litt unter dem Trennungsstress (weil sie wusste, dass es jetzt wirklich endgültig war), aber sie wusste, dass sie was essen musste, um nicht umzukippen.
Sie betrat die Küche und schaltete das Licht ein. Als das Festnetztelefon klingelte, fuhr sie zusammen. Sie starrte den Apparat an und biss sich auf die Lippe. Dass sie dabei die verletzte Haut immer wieder neu aufriss, kümmerte sie nicht. Als das Telefon endlich aufhörte zu klingeln, ging sie zum Kühlschrank, um zu sehen, was ihre Mum für sie hinterlassen hatte. Sie sagte sich, dass sie keinen Grund zur Sorge hätte. Schließlich konnte Kyron ja nicht durchs Telefon kommen, und falls er hier aufkreuzte, würde sie einfach die Tür nicht aufmachen. Sie schüttelte den Kopf beim Anblick der Suppe, die ihre Mum im obersten Fach deponiert hatte. Als sie die Kühlschranktür zuschlug, fiel die Plastikflasche mit dem Sonnenblumenöl, die obendrauf stand, auf den Boden und verfehlte nur knapp ihre Füße. Dimple biss die Zähne zusammen, als sie bemerkte, dass etwas von der gelben Flüssigkeit auf den Boden ausgelaufen und auf ihre Füße gespritzt war.
»Warum?«, schrie Dimple die Flasche an, als hätte die sie hintergangen. Sie hob sie auf und stellte sie auf die Küchentheke. Anschließend wischte sie das Öl notdürftig weg. Sie wusste, ihre Mum würde das ordentlich machen, wenn sie zurückkam. Dimple griff nach ihrem Handy, beendete den Flugmodus und swipte eine Million Nachrichten von Kyron weg, bevor sie sich was zu essen bestellte.
Sie warf das Handy aufs Sofa und schaltete den Fernseher ein. Gleichzeitig holte sie tief Luft und zwang ihre verspannten Schultern dahin zurück, wo sie hingehörten. Nämlich nicht auf Höhe ihrer Ohren. Sie begann, einen Film zu gucken, ohne sich die Mühe zu machen, den Titel herauszufinden. Schon nach ein paar Minuten döste sie ein. Die Erleichterung darüber, der Welt von ihrer Trennung erzählt zu haben, auch wenn diese Welt nach neuesten Erkenntnissen nur aus dreißig Leuten bestand, hatte es irgendwie einfacher gemacht, damit umzugehen. Selbst wenn sie tief in ihrem Inneren wusste, dass es diejenigen, die sich das Video ansahen und was von Zuneigung und Unterstützung schrieben, in Wirklichkeit nicht im Geringsten kümmerte. Ihr Selbstbewusstsein hielt sie definitiv nicht davon ab, zu machen, was sie eben machte. Sie hatte immer noch Ziele. Zwar wusste sie nicht genau, wie die aussahen. Aber sie hatte noch welche.
••••
Dimple wurde davon wach, dass es an der Haustür klingelte. Sie holte scharf Luft, um sich wachzukriegen, und schlurfte dann zur Tür. Vom Tischchen im Flur nahm sie ein paar Münzen fürs Trinkgeld und rief schläfrig »Komme schon!«, bevor sie die Klinke runterdrückte. Mit dem Rücken der Hand, in der sie die Münzen hielt, rieb sie sich über die Augen, während sie die andere ausstreckte, um den Pizzakarton in Empfang zu nehmen. Als sie ins Leere fasste, öffnete sie die Augen.
»Warum gehst du nicht an dein fucking Telefon, wenn ich anrufe?«, fauchte Kyron und stieß Dimple an den Schultern ins Haus zurück. »Du postest meine ganzen Angelegenheiten im beschissenen Internet und kannst nicht mal mit mir reden?«
Dimple erlebte einen Adrenalinschub. Sie war jetzt hellwach.
»Ich hab geschlafen, sorry!«, sagte sie und legte eine Hand an die Stelle, wo Kyron sie geschubst hatte.
»Was? Du hast zwei Tage lang geschlafen?«, höhnte Kyron und kam näher, während Dimple zurückwich. »Und dann schickt mein Boy mir ein Video, auf dem du diesen ganzen Scheiß laberst, von wegen, dass du mich immer lieben wirst und wir für immer gute Freunde bleiben? Ich bin nicht dein fucking guter Freund, Dimple. I’m your man.«
»Aber das bist du nicht mehr!«, protestierte Dimple. »Wir haben doch darüber geredet!«
Kyron musterte Dimple von oben bis unten und machte dann misstrauisch noch einen Schritt auf sie zu.
»Warum bist du komplett geschminkt? Wen hast du da?«
»Niemand!«, sagte Dimple. »Das war für das Video. Logisch, oder?«
Dimple drehte sich um und ging ins Wohnzimmer zurück. Kyron war noch nie so wütend einfach aufgetaucht. Also beschloss sie, die Freundliche zu spielen, um die Lage zu entspannen, und ihn nicht zum Gehen zu zwingen.
Kyron folgte Dimple.
»Wenn ich rausfinde, dass du mit irgendwem anders schreibst, dann schwör ich dir – «
»Kyron!«, rief Dimple. »Warum fängst du immer als Erstes damit an? Warum sollte ich mit irgendwem anders schreiben?«
»Keine Ahnung«, fauchte Kyron mit geblähten Nasenflügeln. »Aber was soll ich denn sonst denken, wenn du nicht an dein fucking Telefon gehst?«
Kyron beruhigte sich nicht.
»Wo ist deine Mum?«, fragte er. »Ist sie da?«
»Nein, aber sie kommt bald zurück«, log Dimple. Ihr Atem ging jetzt schneller, sie mochte Konflikte nicht. Sogar wenn sie mit ihrer Mum zankte, fing sie an zu weinen. Selbst wenn es nur um den Abwasch ging oder darum, dass sie das Fleisch nicht rechtzeitig aus dem Tiefkühler genommen hatte, bevor ihre Mum von der Arbeit nach Hause kam. Das war keine Art, mit dreißig so zu leben, in dieser emotionalen Abhängigkeit, aber Janet hatte das dermaßen gefördert, dass keine von ihnen darin ein Problem sah. Sie wünschte sich wirklich, ihre Mum wäre hier, als sie sich aufs Sofa sinken ließ, um ihren zitternden Knien ein bisschen Erholung zu gönnen.
»Gib mir dein Handy«, verlangte Kyron und streckte die Hand aus.
»Warum?«, fragte Dimple. »Nein. Du brauchst mein Handy nicht. Da gibt’s nichts zu sehen.«
»Tja, wenn es da nichts zu sehen gibt, was für ein Problem hast du dann damit, es mir zu zeigen? Gib mir das Handy«, sagte er, nun schon lauter.
»Weiß nicht, wo es ist«, sagte Dimple. Es ärgerte sie, dass er ihr nicht vertrauen wollte.
»Du?« Kyron lachte. »Die ihr Telefon dauernd in der Hand hat? Du weißt nicht, wo es ist?«
Dimples Blick wanderte unwillkürlich ans andere Ende des Sofas, wo ihr Handy lag. Kyrons Augen folgten ihren, und er schnappte sich das Gerät.
»Entsperr es.«
»Nein.« Dimple versuchte, entschieden zu klingen, auch wenn sie sich fürchtete. »Ich hab dir schon gesagt, dass es da nichts zu sehen gibt. Kannst du mir nicht bitte einfach vertrauen? Was sagt es über mich, dass du denkst, ich hätte was zu verbergen?«
»Entsperr es!«
»Ich werde es nicht entsperren, Kyron!«
»Na schön«, sagte Kyron und warf das Handy quer durchs Zimmer.
Dimple zuckte zusammen, als es gegen die Wand knallte, und lief hin, um es aufzuheben. Verzweifelt legte sie den Kopf in den Nacken, als sie den riesigen Sprung auf dem Display sah, und schmiss es zurück auf das Sofa.
»Mit wem triffst du dich dann zum Ausgehen?«, änderte Kyron seine Angriffstaktik.
»Lass das! Ich hasse es, wenn du so bist, Ky!«
»Du hasst es? – Du bringst mich doch dazu, so zu sein, und das weißt du!« Kyron stürmte zu Dimple und hielt ihr den ausgestreckten Zeigefinger dicht vors Gesicht.
»Zeig nicht so in mein Gesicht, Kyron«, sagte Dimple mit zitternder Unterlippe.
In diesem Moment, dem wahrscheinlich denkbar schlechtesten, klingelte es an der Haustür.
»Ah, jetzt kommt dein Neuer vorbei, stimmt’s?« Kyron machte auf dem Absatz kehrt und rannte zur Haustür. »Siehst du, wusst’ ich’s doch.«
Er riss die Haustür auf, bereit, dem Mann vom Lieferdienst, der da vor ihm stand, eine reinzuhauen.
»Äh, guten Abend … Sir«, sagte der Pizzabote. »Pizza für Sie?«
»Gib schon her, Mann«, knurrte Kyron und schnappte sich den Pizzakarton. »Und jetzt verpiss dich.«
Kyron marschierte durchs Wohnzimmer und warf den Pizzakarton auf die Küchentheke. Dann widmete er sich wieder der immer noch zitternden Dimple, die dort lehnte.
»Du könntest es dir leichter machen, wenn du einfach an dein Telefon gehen würdest.«
»Du machst mir gar nichts leicht«, sagte Dimple mit leiser Stimme.
»Was war das?«, fragte Kyron. »Red lauter! Wenn du mir was zu sagen hast, dann sag es!«
»Ich habe gesagt … du machst mir gar nichts leicht«, wiederholte Dimple nur ein wenig lauter.
Da verwandelte sich Kyron, wie er das immer tat, von einem Dämon im Nike-Trainingsanzug in einen emotional zugänglichen süßen Jungen, der wahrscheinlich jeden Sonntag seinen Kirchenchor gratis auf dem Schlagzeug begleitete.
»Die Liebe ist nun mal keine leichte Sache, Babe«, sagte er, trat einen Schritt auf sie zu und nahm ihr Kinn sanft in seine große Hand. »Und weißt du, wenn ich dich nicht so sehr lieben würde, dann würde ich mich ja nicht so aufregen, wenn es zwischen uns schiefläuft.«
Kyron hob Dimples Gesicht an und beugte sich herab, um sie auf jede Wange zu küssen.
»Lächel für mich«, sagte er. »Lass mich diese Grübchen sehen.«
Das war ein todsicherer Trick von Kyron (er wusste genau, was er tat), denn ungefähr neunzig Sekunden später saß Dimple rittlings auf ihm auf dem Sofa. Ihr Slip war durchs Zimmer geflogen, seine Trainingshose und Boxershorts waren an die Knöchel gerutscht.