Perfect Players - Die Liebe gewinnt - R. C. Boldt - E-Book

Perfect Players - Die Liebe gewinnt E-Book

R. C. Boldt

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Beschreibung

Was, wenn man nicht an die Liebe glaubt und den Traummann findet?

Ivy Hayes hat ein einzigartiges Talent, das sie zum Beruf gemacht hat - sie ist unschlagbar darin, für andere Schluss zu machen, ohne dass es böses Blut gibt. Ihre Trennungs-Agentur "Ditched" ist ein erfolgreiches Startup-Unternehmen, dessen Dienste sogar Prominente in Anspruch nehmen. Ivy glaubt nicht an die Liebe und lässt sich grundsätzlich nicht auf eine ernsthafte Beziehung ein. Doch als sie den Football-Star Becket Jones kennenlernt, gerät ihre Überzeugung, dass der Mann, der ihr Herz erweichen kann, nicht existiert, gehörig ins Wanken. So sehr Ivy auch versucht, einen Haken an Becket zu finden - es will ihr nicht gelingen. Er ist nicht nur unwiderstehlich heiß, sondern auch kinderlieb, fürsorglich und zutiefst romantisch. Doch so sehr sie sich insgeheim danach sehnen mag, ihre Überzeugungen über Bord zu werfen - an seiner Seite stünde sie im Rampenlicht, und dann wäre es nur noch eine Frage der Zeit, bis jemand ihre schmerzliche Vergangenheit wieder ans Licht zerren würde.

"Ein perfektes Buch mit einem perfekten Helden. Becket ist der ultimative Traumtyp!" SULTRY SIRENS BOOK BLOG

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Seitenzahl: 348

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Inhalt

Titel

Zu diesem Buch

Widmung

Prolog

1

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5

6

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Danksagung

Die Autorin

Die Romane von R. C. Boldt bei LYX

Leseprobe

Impressum

R. C. BOLDT

Perfect Players

DIE LIEBE GEWINNT

Roman

Ins Deutsche übertragen von Andreas Heckmann

Zu diesem Buch

Ivy Hayes hat ein ungewöhnliches Talent, das sie zum Beruf gemacht hat – sie ist unschlagbar darin, für andere Schluss zu machen, ohne dass es böses Blut gibt. Ihre Trennungs-Agentur »Ditched« ist ein erfolgreiches Startup-Unternehmen, dessen Dienste sogar Prominente in Anspruch nehmen. Ivy glaubt nicht an die Liebe und lässt sich grundsätzlich nicht auf eine ernsthafte Beziehung ein. Doch als sie den Football-Star Becket Jones kennenlernt, gerät ihre Überzeugung, dass der Mann, der ihr Herz erweichen kann, nicht existiert, gehörig ins Wanken. So sehr Ivy auch versucht, einen Haken an Becket zu finden – es will ihr nicht gelingen. Er ist nicht nur unwiderstehlich heiß, sondern auch kinderlieb, fürsorglich und zutiefst romantisch. Doch so sehr sie sich insgeheim danach sehnen mag, ihre Überzeugungen über Bord zu werfen – an seiner Seite stünde sie im Rampenlicht, und dann wäre es nur noch eine Frage der Zeit, bis jemand ihre schmerzliche Vergangenheit wieder ans Licht zerren würde.

Für meinen Vater –

du musst noch mindestens ein paar Jahrzehnte leben,

denn ich habe viele Romane für dich in der Pipeline;)

Für Matty –

danke, dass du nicht nur mein Happy End bist,

sondern auch meine Muse.

Und für A. –

ich liebe dich mehr, als du je wissen wirst,

aber ehrlich gesagt: Wenn du das liest,

leg den Roman weg und nimm ihn dir erst in fünfzehn Jahren wieder vor.

Prolog

Ivy

Super-Bowl-Sonntag

Miami Gardens, Florida

Nervös ringe ich die Hände, bis mir klar wird, dass mir das nichts nützt.

Die Footballfans im Hard Rock Stadion machen einen Höllenlärm. Ich betrachte meine Handflächen, strecke die Finger, balle sie zu Fäusten, während mich ängstliche Vorahnung erfüllt. Ich will das nicht, aber mir bleibt nichts anderes übrig. Es gibt keine Alternative.

Und doch bin ich mir sicher, dass es zu spät ist.

Ein Klaps auf die Schulter reißt mich aus meinen widerstreitenden Gedanken, und ich sehe Corbin Hartson in die Augen, dem Trainer der Jacksonville Jaguars.

»Alles klar?«, brüllt er, damit ich ihn trotz der lärmenden Menge verstehe.

»Alles klar!«, schreie ich weit überzeugter zurück, als mir zumute ist.

»Also los. Packen wir’s!« Wieder schlägt er mir auf die Schulter, diesmal so begeistert, dass es wehtut. Was soll nur das ewige Schulterklopfen von Trainern und Spielern?

Ich schließe die Augen, atme zur Beruhigung mehrmals tief durch und motiviere mich dadurch zugleich, meinen Plan zu verfolgen. Unwillkürlich staune ich darüber, wie all das Wirklichkeit geworden ist.

Meine Lider fliegen auf, und ich weiß: Es ist Zeit. Ich kann das.

Mit dem ersten Schritt auf das knackige Gras des Spielfelds zwinge ich mich, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Konzentriert bin ich allein auf den Gegenstand auf der Fünfzig-Yard-Linie.

Zum ersten Mal in meinem Erwachsenenleben setze ich auf das, was ich lange für kalt, bitter und unnütz gehalten habe.

Auf mein Herz.

1

Ivy

Wie alles begann

Letztes Highschool-Jahr,

Pigeon Forge, Tennessee

»Du bist großartig!«

Nach dieser Feststellung erstickt meine Pflegeschwester mich fast mit ihrer festen, unverhofften Umarmung und presst mein Gesicht an ihre Schulter. Bestimmt habe ich hinterher Druckspuren ihres langen blonden Haars im Gesicht.

Verlegen tätschle ich ihren Rücken, denn Zuneigung körperlich zu zeigen ist nicht so meins. Anschließend löse ich mich behutsam aus ihrer Umarmung und hole tief Luft, um wieder zu Atem zu kommen. Puh! Fast wäre ich erstickt.

»Ganz im Ernst, Ivy.«

Ich zucke nur die Achseln. Bei Komplimenten wird mir mulmig. »Keine große Sache.«

Darcy mustert mich mit großen, ungläubigen Augen. »Du ahnst ja nicht, wie sehr du geholfen hast.«

Sie hakt sich bei mir unter und führt mich über den Flur unserer Highschool. »Du hast mich gerade davor bewahrt, zum Gespött der ganzen Schule zu werden.« Sie senkt die Stimme zu einem Flüstern. »Jetzt muss ich nicht wie Angie die Klasse wechseln, und mein Name landet nicht wie der von Emma oder Michelle an der Schandmauer. Du weißt ja: Das ist ein Todesurteil.«

Sie stößt ihren halb erstickten Freudenschrei aus und verpasst mir dabei einen solchen Hüftstoß, dass ich fast die Bücher fallen gelassen hätte.

»Ich hab nachgedacht …«

Ihre Worte lassen mich aufhorchen. Denn wenn Darcy so anfängt, ist es zu neunundneunzig Prozent sicher, dass ich mit ihren Gedanken nicht einverstanden bin.

Wir bleiben vor ihrem Spind stehen. Beim Öffnen des Zahlenschlosses lässt sie mich warten, und ich wippe nervös auf meinen Chucks. Wenn Darcy zögert und nicht sofort erzählt, was sie beschäftigt, ist das kein gutes Zeichen.

Absolut nicht.

»Darce«, dränge ich sie ungeduldig.

Sie öffnet den Spind, mustert mich knapp mit einem Funkeln in den blauen Augen, nimmt, was sie braucht, schlägt die Metalltür zu und verstellt die Zahlenkombination. Nach einem Blick auf die paar Schüler, die nach dem Unterricht noch in der Schule sind und auf den Beginn von Sportkursen und Arbeitsgemeinschaften warten, beugt sie sich zu mir vor.

»Ich finde, du solltest deine Dienste verkaufen.«

Mit empörtem Gesicht schnelle ich zurück. »Spinnst du? Ich bin doch keine Nutte!«

Sie verdreht die Augen und schüttelt den Kopf. »So war das nicht gemeint, Ivy. Ich meine bloß«, sie beugt sich wieder vor und fährt flüsternd fort, »du solltest in Zukunft Geld für das nehmen, wodurch du mir geholfen hast.«

»Wie meinst du das?«, frage ich langsam, und die Räder in meinem Kopf beginnen sich zu drehen. Denn Geld bedeutet Sicherheit.

So ist das bei einem Pflegekind. Oder doch bei diesem Pflegekind.

»Ich meine«, sagt sie, während wir auf den Ausgang zuhalten, »das könnte was werden. Was Großes.«

»Ein lohnendes Geschäft?« Ich runzle innerlich die Stirn.

»Genau.«

Wir kommen aus der Highschool und stehen vor der fantastischen Kulisse von Pigeon Forge, Tennessee. Der atemberaubende Anblick der Great Smoky Mountains lässt mich die Szenerie stets aufs Neue bewundern.

Auf dem Weg zu unserem Auto hält Darcy mit mir Schritt. Auf diese Karre kann niemand neidisch sein, doch sie fährt und sieht nicht total unmöglich aus. Unser 1988er Honda Civic mag schon sechshunderttausend Kilometer auf dem Buckel haben, hält sich aber wacker. Für zwei Highschool-Absolventinnen ist diese Rostbeule das Beste auf Erden und wohl das größte Geschenk, das wir von unseren Pflegeeltern bekommen haben.

Darcy und ich lernten uns vor zwei Jahren kennen, als wir zu den Nadalsens kamen. Sie war bei ihren Pflegeeltern rausgeflogen, weil der Sohn der Familie behauptet hatte, sie habe ihn verführen wollen. Darcy hatte vehement erklärt, das sei gelogen, und ich habe ihr geglaubt. Darcy Cole ist die Letzte, die jemanden bitten muss, mit ihr intim zu werden.

Die Jungs umschwirren diese Bilderbuchschönheit mit langem blondem Haar und blauen Augen. Groß ist sie und von klassischer Erscheinung und hat obendrein die herrlichsten Kurven. Außerdem ist sie aufgrund ihrer Gene fit und straff – diese Gene sind fast das einzig Gute, was ihre leiblichen Eltern ihr mitgegeben haben. Ich weiß das nur, weil wir zusammen ein Zimmer bewohnen und sie Tortilla-Chips hortet – und widerliche Schokoladenkekse mit weißer Creme. Die Dinger sind Jahrtausende haltbar, das schwör ich.

Darcy ist also perfekt. Und ich? Tja, ich sicher nicht. Mein dunkelbraunes Haar ist langweilig, und mein Hintern ist beinahe so flach wie meine Brust. Lange habe ich gewartet, dass sich in puncto Oberweite etwas tut, aber inzwischen bin ich siebzehn und klug genug, nicht mehr damit zu rechnen. So traurig es ist: Ich habe sogar über Implantate nachgedacht, doch das waren nur Träumereien, denn auf keinen Fall würde ich gutes Geld für eine Brustvergrößerung ausgeben statt für eine Wohnung oder ein solides Auto.

Meine Größe ist das Schlimmste. Zwar ist Darcy nur zwei Zentimeter kleiner als ich, erscheint ihrer Schönheit wegen aber wie geschaffen für den Laufsteg. Und ich? Ich sehe aus wie eine Bohnenstange.

Eine Bohnenstange mit winzigen Brüsten.

Trotzdem ist das in Ordnung, denn ich bin schlau und habe große Pläne. Meinem Vertrauenslehrer ist aufgefallen, wie begeistert ich ein Referat über Psychologie gehalten habe, und er hat mir vorgeschlagen, mich für ein Programm zur Vorbereitung auf dieses Studium zu bewerben. Inzwischen habe ich so viele Leistungspunkte gescheffelt, dass ich mir das Einführungsjahr an der Universität von Louisiana in Shreveport sparen kann. Ein Studium dort ist meine Fahrkarte raus aus Pigeon Forge und weg von den Gerüchten, die mir aus meiner Heimatstadt Huntsville, Alabama, gefolgt sind.

Diese Universität glitzert für mich so, wie das perlenbesetzte Himmelstor für die schillern mag, die sich sehnlichst wünschen, in Gottes Reich aufgenommen zu werden.

Darcy setzt sich ans Steuer und öffnet mir die Beifahrertür. Wir fahren von der Schule direkt nach Hause, weil weder sie noch ich heute Abend in der Videothek arbeiten.

Als wir fast schon daheim sind, seufze ich auf. »Ich kann’s kaum erwarten, ab August mit dir zu studieren.«

Sie wirft mir einen Blick zu und achtet wieder auf die Straße. »Hör mal, was ich gesagt habe, meine ich ernst. Wir können zusammenarbeiten und Menschen helfen. Indem wir uns das zunutze machen, was wir gut können.«

Ihre Worte lassen mich verächtlich schnauben. »Ich bin gut darin, Leuten zu helfen, miteinander Schluss zu machen.« Mit einer Spiralbewegung hebe ich den Zeigefinger. »Wow!«

»Du bist gut darin, Menschen zu helfen, auf friedliche Weise getrennte Wege zu gehen. Ohne Dramen und emotionale Zusammenbrüche.« Sie biegt in unsere Einfahrt und hält auf dem für unser Auto vorgesehenen Platz. Beim Ausschalten des Motors sieht sie mich an. »Das ist eine Gabe.«

»Und du bist insgesamt gut mit Menschen.« Mit einer Geste bekräftige ich meine Worte. »Du kannst mit praktisch jedem reden. Das ist eine größere Gabe als … Was denn? Warum starrst du mich so an?« Ich betrachte sie argwöhnisch, denn um ehrlich zu sein: Sie macht mir gerade Angst.

Langsam beginnt sie zu lächeln. »Du kannst das.«

»Was kann ich?«, frage ich langsam und vorsichtig.

»Eine Agentur aufziehen.« Sie strahlt mich an. »Du und ich, wir können Menschen gemeinsam helfen.«

»Meine Güte!«

»Jetzt erkenne ich es.« Sie steigt aus, schlingt ihren Rucksack über die Schulter und wartet, bis ich meine Sachen genommen und die Autotür geschlossen habe. Ganz aufgeregt wippt sie auf den Füßen. »Ich gehe die Dinge vom sozialen Standpunkt aus an, und du analysierst sie und sorgst fürs Abservieren.«

»Fürs Abservieren.« Ich lasse mir ihre Formulierung durch den Kopf gehen und überlege, was sie bedeutet. Eine Agentur, mit der ich Leuten helfen würde, getrennte Wege zu gehen …

»Fürs Abservieren«, wiederholt Darcy, und ich muss zugeben, dass diese Vorstellung durchaus reizvoll ist.

Nie hätten wir geahnt, was die Zukunft für uns in petto hat.

2

Ivy

Universität von Louisiana, Shreveport.

Grundstudium

»Ich dachte, du kannst etwas länger bleiben …«

Seine fragend erhobene Stimme lässt mich den Rücken straffen, und meine Muskeln spannen sich.

Dass er mir den Kopf zuneigt, macht es nur schlimmer, und mit Unbehagen sehe ich seinen Mund näher kommen.

Nein, nein, nein. So läuft das nicht. Das weiß er.

Gute Güte. Ich wusste ja: Das ist eine schlechte Idee. Und habe die Anzeichen seiner wachsenden Zuneigung bemerkt. Aber ich musste mich fügen, denn tja …

Er ist echt gut im Bett. Wäre er etwas zu essen, dann ein perfekt zubereitetes Filet Mignon mit zartem Broccoli und Kartoffelstampf in Knoblauchbutter.

Welche Lust bereitet mir schon diese Vorstellung!

Rasch wende ich den Kopf ab und schiebe mich unter ihm weg, glitsche wohl eher davon, aber verzweifelte Situationen erfordern verzweifelte Maßnahmen.

Das ist mal wieder einer dieser Momente, die mir besser erspart blieben.

»Du weißt: Ich kann nicht.« Ich rolle zur Bettkante und nehme meine Sachen, die am Boden durcheinanderliegen. Ein Arm schlingt sich um meine Taille.

Ich drehe mich nicht um. Das schwere Gewicht seines Arms erweckt in mir den Wunsch, ihn unbedingt abzuschütteln.

»Kannst du nicht … oder willst du nicht?« Seine gesäuselten Worte bereiten mir heftiges Unbehagen.

»Beides.« Ich befreie mich aus Teegans Arm. Zum Glück gehört er zu denen, an deren großzügiges Schlafzimmer sich ein luxuriöses Bad anschließt. Starspieler eines Baseball-Teams zu sein, zahlt sich offenbar aus.

Kaum habe ich mich hergerichtet und angezogen, verlasse ich das Bad, schlüpfe in meine Flipflops und schnappe mir Kuriertasche und Handy. Schon klingelt mein Wecker und erinnert mich an den nächsten Termin.

»Höchste Zeit.« Ich schaue ihm in die Augen und muss mich beherrschen, um unter seinem warmherzigen Blick nicht zusammenzuzucken. Mich zu binden kommt nicht infrage, und geschmust wird auch nicht. Ich mag Sex – nur mit Gummi, damit das klar ist –, aber monogame Partner, die nicht auf die Idee kommen, sie müssten mit mir eine Beziehung haben, sind kaum aufzutreiben.

Seine verzweifelte Miene lässt mich aufseufzen und mit der Hand auf ihn und mich weisen. »Du weißt, das ist nichts für mich.« Ich streife mir den Riemen meiner Tasche über die Schulter. »Deshalb muss ich dringend los.«

»Das war’s also?« Teegan klingt matt, und ich empfinde ein wenig Mitleid mit ihm. Bis ich mir klarmache, dass ich von Anfang an offen und ehrlich zu ihm war.

Nichts hat sich geändert. Schließlich würde jeder, den ich kenne, bestätigen, er wäre der Letzte, der sich auf ein Mädchen wirklich einlässt.

»Du rennst also weg?«

Ich halte inne, wende mich ihm zu. »Das ist das Beste, denke ich.« Meine leise Antwort wird von dreimaligem Klopfen an seine Schlafzimmertür begleitet.

»Moment!«, ruft er, schwingt die langen Beine über die Bettkante, schlüpft in schwarze Nylonshorts und rückt den Bund zurecht. Während er noch damit beschäftigt ist, gönne ich mir einen letzten, dankbaren Blick, denn ich weiß: Nie wieder werde ich diesem sexy Baseball-Spieler so nah sein.

Bestimmt geht er nach seinem Studienabschluss unter die Profis und beschäftigt sich mit größeren, besseren Dingen. Mit Supermodels, großen Anwesen, Geld wie Heu. In diesem Moment aber gleitet mein Blick anerkennend über seinen muskulösen Oberkörper, über seine Brustwarzen, an denen ich oft geknabbert habe, über sein Tattoo aus geschwungenen chinesischen Schriftzeichen, das sich über die Bauchmuskeln bis fast zu seinem Schwanz schlängelt. Wie gern ist meine Zunge diesem Tattoo gefolgt …

»Willst du es dir wirklich nicht noch mal überlegen?«

Mein Blick springt aufwärts, und ich sehe, dass er mich wissend mustert. Erwischt, verdammt! Diese vollen Lippen sind über mich hergefallen und haben mich so erregt, dass ich mir sein Kissen an den Mund pressen musste, um meine Schreie zu dämpfen.

Liebend gern würde ich es mir anders überlegen, aber zum Glück siegt mein Verstand. Denn ich weiß, dass er sich ausmalt, ich würde bei Wettkämpfen sein Trikot tragen oder hinter der Spielerbank sitzen und unser Baby stillen.

Kotz.

Ich trete zu ihm, gebe ihm flüchtig einen letzten Kuss auf die Wange, lege kurz die Hand auf die feste Brust über seinem Herzen. Er hat ein gutes Herz. Bestimmt findet er eine Frau, die das Gleiche will wie er.

Nur dass ich diese Frau nicht bin.

Lächelnd zwinkere ich ihm zu. »Auf bald, Teegan!«

Er funkelt mich so leidenschaftlich an wie noch nie ein Mann, doch seine Züge sind voll Trauer. »Auf bald, Ivy!«

Ich gleite aus dem Schlafzimmer, nicke seinem geduldig im Flur wartenden Mannschaftskameraden zu, gehe zur Treppe.

Umdrehen tue ich mich nicht, obwohl ich die Last seines Blicks im Rücken spüre. Er wartet, dass ich einen Augenblick schwächle. Und mich umschaue.

Doch das tue ich nie.

Diese Aufgabe war so schlimm, dass ich am liebsten in eine Studentenverbindung eingetreten wäre, um literweise Bier ex zu trinken.

Keinesfalls hätte ich eine Klientin akzeptieren dürfen, die sich von einem Mann namens Marty trennen wollte. Einem Marty, der obendrein auf die Zurück in die Zukunft-Filme steht.

Ich muss mein Honorar wirklich raufsetzen.

Zu guter Letzt immerhin schlendert Marty zufrieden über den Campus davon, um ein neues Frauchen zu finden.

Stephanie setzt sich im Café am Südrand des Campus auf den Platz mir gegenüber und sinkt erleichtert zusammen. »Ich hätte nie gedacht, dass es klappt.«

»Das ist der erste Irrtum.« Ich tippe mir an den Kopf und werfe ihr ein tröstendes Lächeln zu. »Man muss alles mit Selbstvertrauen anpacken – denk immer daran.«

»Tausend Dank.« Sie stößt einen Seufzer aus. »Ohne dich hätte ich es nicht geschafft.«

Da hat sie recht: Mit ihrem Verhalten hätte sie sich nie aus ihrer Beziehung befreit. Stephanie hat alles falsch angefangen, aber dank meiner Anleitung konnte sie die Sache mit Marty auf eine Weise beenden, die ihn ernstlich glauben ließ, er habe ihr dafür zu danken, sich getrennt zu haben.

Es kommt allein auf Bedeutungen an. Und auf elementare psychologische Grundsätze. Richtig angewandt, lässt sich eine Trennung zügig und nahezu makellos herbeiführen.

»Bitte denk an mich, falls Freunde von dir ähnliche Hilfe benötigen.« Ich schiebe ihr meine Visitenkarte zu.

Rasch steckt sie sie unter ihren Pulswärmer. »Mach ich. Du warst das Geld wirklich wert.« Sie lächelt jetzt viel entspannter als bei unserem ersten Treffen.

»Mach’s gut, Stephanie!« Ich stehe auf und schiebe meinen Stuhl an den Tisch zurück. »Wir sehen uns.«

Sie geht mit mir zum Ausgang, winkt kurz und schlägt den Weg zu ihrem Wohnheim ein. Ich dagegen habe hinten im Lokal jemanden entdeckt. Vier übergroße Ledersessel mit runden Beistelltischen warten auf Studenten, die Bequemeres suchen als die harten Stühle mit ihren Metalllehnen.

Sein Blick hebt sich vom Biochemie-Lehrbuch, und selbst aus drei Metern Entfernung spüre ich das Interesse in seinen Augen. Es gleitet die Spaghettiträger meines schlichten schwarzen Baumwollshirts hinab zum schmalen Streifen nackter Haut oberhalb der tief sitzenden Cargohose. Wie er mich ansieht, ist einzigartig: allumfassend und durchdringend. Sein Blick nimmt meine Zehen wahr, und seine Mundwinkel zucken angesichts des neongrünen Nagellacks und der leicht verschmierten schwarzen Punkte, die eine beschwipste Darcy mir draufmalen durfte. Gemächlich gleitet sein Blick wieder nach oben, und er schaut mir in die Augen.

Ich gehe zu ihm, und er strahlt.

»In Anatomie kenne ich mich bestens aus, in Biochemie leider nicht.« So ein billiger Spruch! Aber ich lächle dazu selbstironisch, damit ihm klar ist, dass ich ihn anmache. »Ich hab weiter nichts als das«, fahre ich fort, werfe mich in Pose, greife mir mit der rechten Hand an den Hinterkopf, »aber wenn ich sagen würde: ›Besorg’s mir wie all deinen französischen Mädchen‹, fändest du das scharf?«

Er lächelt zu mir hoch, und seine Augen funkeln. »Rasiermesserscharf.«

Eigentlich müsste ich meine Examensarbeit beenden, aber das hat wohl noch etwas Zeit.

Der Wissenschaft zuliebe natürlich.

3

Ivy

Universität von Louisiana.

Hauptstudium

Erstmals vereinen wir unsere »Gaben«. Und ich bin nervös wie nie.

Sehr viel nervöser als bei meiner ersten inoffiziellen Aufgabe, als ich Darcy geholfen habe, die Beziehung zum Jahrgangssprecher unserer Schule zu beenden.

Bryce senkt das Kinn, neigt den Kopf zur Seite, sieht Loreen mit großen braunen Welpenaugen an. »Du brauchst jemanden auf deiner Wellenlänge, der eine Familie gründen und ein Haus mit weißem Zaun drum rum besitzen will. So einer bin ich nicht. Ich würde mich verraten, wenn ich so ein Mensch sein wollte. Darum möchte ich nicht, dass wir weiter zusammen sind, denn dann müsste ich dich hassen.«

Sei ehrlich und bring die Dinge auf den Punkt.

Bryce seufzt und fasst sein Gerede zusammen. »Du hast Besseres verdient: jemanden, der all das möchte, sich für Kunst begeistert, gern Wiederholungen von Sex and the City schaut und nicht allergisch gegen deine Katze ist.«

Er verzieht den Mund zu einem melancholischen Lächeln. »Jemanden, der dich und dein Talent schätzt, Popcorn in der Mikrowelle zu rösten, ohne dass es verbrennt oder Maiskörner am Boden zurückbleiben. Jemanden, der es toll findet, wie du dich um ihn kümmerst, wenn es nach Regen aussieht, und dafür sorgst, dass er immer genug Schnupftücher und Hustenbonbons in der Tasche hat. Jemanden wie …«

Führe Positives auf und sprich über das Gute, das dein Partner für dich getan hat.

Meine Finger krümmen sich in nervöser Erwartung. Das macht er prima. Nur noch etwas mehr …

»Vielleicht jemanden wie Ethan Filmore.«

Volltreffer. Erwähne einen attraktiven Studienkollegen, der womöglich Interesse hat. In Laurens Fall ist es Ethan, der demnächst seinen Abschluss in Kunst & Design macht und den Lauren seit zwei, drei Semestern aus Seminaren kennt.

Danke, Darce! Um dies einzufädeln, hat sie ihre Magie spielen lassen.

»Gut gemacht«, murmle ich, während ich das Paar über einige Tische weg im Innenhof des Cafés beobachte. »Jetzt, Darce«, flüstere ich ins Mikrofon meines Ohrhörers.

Schon taucht Ethan auf. Sein künstlerisches Auftreten ist klischeehaft, doch er hat Ausstrahlung, das muss ich ihm lassen – vor allem mit der Baskenmütze, die er immer trägt.

»Ach«, fängt Lauren an, »mach dich doch nicht schlecht, Bryce.« Sie umfasst seine Hand auf dem kleinen runden Tisch. »Du warst genau, was ich brauchte, aber wo du es jetzt sagst …« Sie verstummt nachdenklich.

»Du nimmst es mir also nicht übel?«, fragt er leise, drückt kurz und sanft ihre Rechte, entzieht ihr dann die Hand.

Genau wie wir es geübt haben.

Verlassen sollen sie sich besser fühlen als vorher.

Laurens Mund öffnet sich. Ihr Blick springt zwischen Bryce und Ethan hin und her, der sich dem Tisch nun nähert.

»Entschuldigt die Störung.« Ethan sieht verlegen drein, und sein Blick gleitet zu Bryce, ehe er ihn mit brennender Intensität auf Lauren richtet. »Ich wollte fragen, ob du am Freitag mit mir in die Ausstellung gehen magst.«

Sie errötet. »Ich, äh, ja. Sehr gern.« Jetzt ist sie knallrot.

Das geht ja echt leicht! Sicher, Lauren und Bryce waren nur vier Monate zusammen, aber laut Bryce begann ihre Entfremdung vor acht Wochen. Solche problemlosen Trennungen helfen uns, die weit schwierigeren durchzustehen. Jeder braucht mal eine Atempause, sogar ich.

Leuten beim Beenden ihrer Beziehung zu helfen ist anstrengender, als man denkt.

»Toll, eine Begleitung zu haben, die sich auskennt.« Ethan tritt von einem Fuß auf den anderen. Sofort straffe ich mich und versuche ihm telepathisch zu vermitteln, er solle selbstbewusst bleiben und das ausstrahlen. »Und obendrein eine Schönheit ist.«

Lauren macht große Augen und öffnet staunend den Mund. »Das ist echt total –«, beginnt sie, bremst sich aber, weil Bryce noch dabeisitzt.

Der lächelt sie freundlich an, zwinkert ihr zu, steht auf. »Macht ihr zwei mal hübsch Pläne fürs Wochenende.«

»Bye, Bryce!« Sie lächelt dankbar und konzentriert sich wieder auf Ethan, der sich sofort auf den leeren Stuhl setzt.

Bryce geht, wirkt erleichtert und schiebt sich hinter mir vorbei. Ein kurzes Nicken, schon ist er auf und davon, um das Singledasein einmal mehr zu genießen. Mein Blick ruht erleichtert auf Lauren und Ethan, die sich nun angeregt über mittelalterliche Kunst oder was auch immer unterhalten. Endlich kann ich entspannt durchatmen.

»Saubere Arbeit.« Darcys Kommentar in meinem Ohrhörer lässt mich zufrieden lächeln. »Fünfzig ehrlich verdiente Dollar.«

»Wir müssen die Preise raufsetzen«, sagt Leif, unser Techniker, der darauf besteht, immer mitzuhören – für den Fall, dass die Dinge aus dem Ruder laufen. Stets gelingt es ihm, nützliche Hintergrundinformationen über unsere Kunden und über die Leute zu recherchieren, von denen sie sich trennen wollen.

»Wir sind an der Uni. Da schwimmt kaum jemand im Geld«, raune ich.

»Wir sollten unsere Gebühren für potenzielle Kunden zumindest aufschlüsseln. Das wäre sinnvoll, zumal Darcy ihre vielfältigen Fähigkeiten nun offiziell in unser Unternehmen einbringt.«

Seufzend streife ich mir die Kuriertasche über. »Lass uns später darüber reden. Ich muss los.« Ich beende die Verbindung, stecke Handy und Ohrhörer in eine Seitentasche und kehre ins Wohnheim zurück.

Höchste Zeit, mich auf die Besprechung mit dem Betreuer meiner Examensarbeit vorzubereiten.

»Miss Hayes, ich bin etwas besorgt.«

Dr. Robicheaux bekommt schmale Augen, und zwischen den Brauen steht jene Stirnfalte, die stets Übles verheißt. Mein Magen zieht sich vor Anspannung zusammen, denn für mich hängt viel von meiner Abschlussarbeit ab, genauer: von der Zulassung meiner Arbeit.

»Ihnen ist sicher klar, wie abgebrüht der von Ihnen gewählte Ansatz wirkt?«

Abgebrüht? Ich beiße vor Anspannung die Zähne zusammen, bleibe aber cool und schaue ihn von meinem Stuhl vor seinem Schreibtisch an. »Bei allem Respekt: Nur weil ich nicht daran glaube, dass alle Welt dazu bestimmt ist, für alle Zeit im allein selig machenden Hafen der Ehe zu landen, bin ich doch nicht abgebrüht, Sir.« Ich stoße ein dumpfes Lachen aus. »Schließlich steht nirgendwo geschrieben, dass alle an dieses Disney-Szenario glauben müssen«, füge ich hinzu und hätte beinahe »an diesen Disney-Quatsch« gesagt.

»Aber falls Sie mit diesem Ansatz eine Praxis eröffnen wollen«, er hält inne, senkt den Kopf und sieht mich über seine dicke, dunkle Hornbrille hinweg an, »dürfte es schwer für Sie werden, Patienten zu finden.« Er schürzt die Lippen. »Und sie zu behalten.«

Ich muss mich beherrschen, um nicht mit der Wahrheit herauszuplatzen, dass ich mein Gewerbe schon längst ohne Approbation betreibe. Das würde nicht nur mich ruinieren, sondern auch Darcy und Leif schaden, und die beiden darf ich da nicht reinziehen. Vor allem Darcy nicht. Auf sie konnte ich mich immer unbedingt verlassen.

»Vielleicht sollten Sie eine Therapie machen«, fährt Robicheaux fort. »Das dürfte Ihnen nützen und helfen, dass Ihr Vorleben«, wie er das Wort ausspricht, jagt mir Schauer über den Rücken, »und Ihre Erfahrungen als Pflegekind nicht Ihre Ansichten beeinträchtigen.«

Ich verschränke die Finger und lege die Hände in den Schoß. Da sitze ich auf meinem bequemen Lederstuhl gegenüber dem riesigen Schreibtisch meines Betreuers Robicheaux, den ich ein Menschenalter zuvor unter dem Namen André kannte.

Höchste Zeit, das Offensichtliche nicht länger zu leugnen.

»Meine Erfahrungen als Pflegekind waren andere als gemeinhin vermutet. Ich wurde nie missbraucht.« Das stimmt. Meine schlimmsten Erfahrungen habe ich lange vor meiner Zeit als Pflegekind gemacht.

Nach der Verwandlung meiner Mutter.

Ehe ich fortfahre, versuche ich mich zu beruhigen. »Seit wann wissen Sie davon?«

Seit wann wissen Sie, wer ich bin?, soll das eigentlich heißen. Ich hatte gehofft, Robicheaux’ »Verwandtschaftsradar« nicht zu aktivieren. Zumal er von meiner Vergangenheit weiß.

Kaum habe ich meine Frage gestellt, bekommt seine Maske einen winzigen Riss, und er hebt die Mundwinkel auf jene jungenhafte Art, die ich aus langer Vorzeit kenne.

»Es ist schwer, Sie zu vergessen.« Seine leise Antwort erstaunt mich. »Ich wollte das nicht früher ansprechen, um Sie nicht zu verschrecken.« Er betrachtet mich mit tiefdunkelbraunen Augen, und seine Nachdenklichkeit ist nicht frei von Zuneigung. »Haben Sie hinterher in der Matheprüfung geschummelt?«

Diese Anspielung auf unsere gemeinsame Vergangenheit schnürt mir den Hals zu und lässt mein Herz unregelmäßig schlagen. Verzweifelt führe ich mir vor Augen, dass ich jahrelang keine Panikattacke erlitten habe und dies ein schlechter Zeitpunkt für einen Rückfall wäre.

Ich atme tief ein und zwinge mich, geduldig zu bleiben und einen lockeren Ton anzuschlagen. »Ja.« Ich nicke knapp und lächle angespannt. »Ihretwegen natürlich.«

Er verzieht den Mund zur Ahnung eines aufrichtigen Lächelns, und in seine Augenwinkel treten Fältchen. »Freut mich, dass ich helfen konnte.« Seine dunklen Augen mustern mich, aber nicht lüstern, wie ich das von Männern gewöhnt bin, sondern besorgt, fast brüderlich. »Es scheint Ihnen gut zu gehen.« Als ich schon antworten will, fügt er hinzu: »Ein rein äußerlicher Eindruck.«

Mit angestrengtem Lachen zeige ich auf mich und sage mit triefendem Sarkasmus: »Es hilft, anders auszusehen als mit acht. Meine Frisur ist nur eine zusätzliche Sicherheit.« Über Jahre hat meine Mutter mir eine Kurzhaarfrisur verpasst, aber nun trage ich es lang.

»Haben Sie«, er weist mit der flachen Hand auf mich, »über eine Therapie nachgedacht? Mit jemandem zu sprechen könnte –«

Nein. Auf keinen Fall. Ich habe schwer darum gekämpft, die Vergangenheit hinter mir zu lassen. Zwar haben unsere Wege sich nun wieder gekreuzt, aber ich habe kein Interesse, mit ihm einen Spaziergang auf der Straße der Erinnerung zu machen.

Also unterbreche ich ihn. »Falls es ein Verbrechen ist, in steriler Umgebung aufzuwachsen – und als steril habe ich fast meine gesamte Zeit als Pflegekind erfahren –, so dürfte es doch für diejenigen, die eine Therapie brauchen, kaum Behandlungstermine geben.«

»Hören Sie.« Er setzt die Brille ab, zwickt sich in die Schläfe. »Ich schlage nur vor, dass Sie Voreingenommenheiten abbauen, weil die Sie an einem gewissen Punkt stark behindern können.«

Diese Auseinandersetzung ist nicht zu gewinnen. Und ich weiß genau, wann ich klein beigeben muss.

»Ja, Sir.«

Er mustert mich eine weitere Sekunde, und ich fürchte schon, er will mich zwingen, Farbe zu bekennen, aber im letzten Moment nickt er, legt die Brille auf den Schreibtisch, schließt die Akte und spielt mit dem Zeigefinger an dem Blatt, das an den Ordner geheftet ist.

Es ist das Blatt, das seine Unterschrift erfordert. Sonst ist es Essig mit meinem Examen.

Mir stockt der Atem, und ich muss mich beherrschen, um mich nicht vorzubeugen; ängstlich warte ich darauf, dass er seinen Kugelschreiber nimmt und unterschreibt.

Mit seiner Zustimmung wäre ich meinem Ziel einen Schritt näher.

»Versprechen Sie mir, sich zu überlegen, was wir besprochen haben, Miss Hayes.« Seine braunen Augen sehen mich an, und seine Brauen sind sorgenvoll gerunzelt.

»Das verspreche ich.« Und es ist nicht gelogen: Er hat mich gebeten, mir die Sache durch den Kopf gehen zu lassen, und das habe ich getan.

Und seinen Vorschlag prompt verworfen.

Er mustert mich, als könnte er meine Gedanken lesen. Vielleicht kann er das ja angesichts seines Tätigkeitsfelds.

Endlich nimmt er den teuer aussehenden Kugelschreiber und kritzelt seine Unterschrift auf die Linie.

Vor Erleichterung schließe ich kurz die Augen.

Das wär’s also.

4

Ivy

Drei Jahre später

Jacksonville, Florida

»Gut gemacht!« Darcy und ich gratulieren uns mit strahlendem Lächeln und High five dazu, einmal mehr einen Kunden unserer Agentur Ditched glücklich gemacht zu haben.

»Und ich hab wieder das kürzere Streichholz gezogen«, meckert Leif im Scherz am anderen Ende der Leitung.

»Falls du je aus deiner Fledermaushöhle auftauchst, bekommst du zum High five noch eine Umarmung«, necke ich ihn. »Außerdem sage ich noch mal: Deine Behauptung, hier in Jacksonville sei es weniger heiß als in Shreveport, war gelogen.« Ich werfe mein Haar zurück und gehe mit Darcy zum Parkplatz, an dem ein paar Geschäfte liegen.

»Aber das ist so. Leider kam dann die Erderwärmung.« Ich höre das Lächeln in seiner Stimme. »Und meine Heimatstadt hat nach mir gerufen.«

Kaum ist unsere Dreier-Konferenz beendet, schiebe ich die Träger des Rucksacks zurecht und schließe den Brustgurt.

»Ich wünschte, du trenntest dich endlich von dem Ding.«

In gespielter Empörung rücke ich von Darcy ab. »Von dem Ding?« Kopfschüttelnd tätschle ich die Handgriffe meines geliebten Motorrads. »Niemals.«

»Ich hab einfach Angst, dass dein Hirn irgendwann auf dem Asphalt klebt. Vor allem, weil die Leute hier«, Darcy zeigt auf die vielen Passanten, »fahren wie die Henker.«

»Mir passiert nichts, Darce.« Ich setze den Helm auf, schließe ihn und schwinge mich aufs Bike. »Bis später?«

Darcy nickt, und ich klappe das Visier runter.

Nach dem Anlassen der Maschine genieße ich kurz das Vibrieren, winke Darcy zu und mache mich auf den Heimweg.

Motorradfahren ist für mich Zuflucht geworden. Meine Liebe zum Bike hat an der Uni begonnen, als ich einen Jungen kennenlernte, der eins fuhr. Kaum hatte er mich einmal mitgenommen, war ich am Haken. Im Fahrtwind über die Straßen zu gleiten, sich in die Kurven zu legen, das Röhren und Vibrieren des Motors zwischen den Schenkeln zu spüren …

In herrlich warmer Sommerluft fahre ich durch Jacksonville zu meiner Eigentumswohnung und parke das Bike im Baukomplex oberhalb des St. Johns River.

Dann nehme ich den Fahrstuhl zu meiner Etage, betrete die Wohnung und lege Helm und Schlüssel auf den Tisch gleich neben der Tür. Mit Schwung setze ich den Rucksack ab, stelle ihn auf den Stuhl im Esszimmer, hänge die Jacke über die Lehne, gehe den Flur entlang, um mich umzuziehen, und schlüpfe in eine Leinenhose mit Kordelzug und ein ärmelloses Shirt. Dann binde ich mir den Schopf mit einem Haargummi zu einem lässigen Dutt.

Anschließend gehe ich zur Terrassentür, schließe auf und schiebe sie beiseite. Sofort schlägt mir feuchte Luft entgegen, doch das ist mir nur recht – genau wie die leichte Brise vom Wasser unter mir.

Nach jedem erfolgreich beendeten Projekt sage ich Dank. Zwar weiß ich nicht, bei wem, denn ich habe nie eine Kirche betreten, keinen Gottesdienst besucht, doch das Bedürfnis zu danken ist da. Denn ich werde nie vergessen, woher ich komme. Und wie wenig ich einst besaß.

Ich umklammere die Balkonbrüstung und schaue auf den Fluss. Diese Wohnung und mein Motorrad sind die einzigen großen Anschaffungen, die ich mir seit Gründung der Agentur geleistet habe. Mein Auto zählt nicht, denn den gebrauchten Honda Accord habe ich billig bekommen und nutze ihn nur, wenn das Wetter zum Motorradfahren zu schlecht ist. Ein sicherer Ort zum Leben und ein fahrbarer Untersatz – beides hatte für mich immer Priorität, so wie Essen und Trinken. Schließlich durfte ich bei einigen Pflegefamilien nicht mal Nachschlag nehmen.

Und was manche auf den Tisch brachten, ließ sich kaum als Essen bezeichnen.

Trotzdem haben die Zeiten, wo ich hungrig zu Bett ging, mir nicht besonders geschadet. Von anderen Kindern hatte ich gelernt, dass es weit besser war, mit leerem Magen schlafen zu gehen, als einen der Pflegeväter erwischt zu haben, die ihren Pfleglingen ganz besonders »zugetan« waren.

Mein Handy vibriert, und sofort ist mir klar: Das ist Darcy. Ihre SMS lässt mich lächeln.

Darcy: Laut Wetterbericht regnet es am späteren Abend vielleicht. Also aufgepasst!

So eine Glucke. Immer am Bemuttern.

Ich antworte: Danke, Mami! Ich achte auf angemessene Kleidung.

Dann schiebe ich das Handy wieder in die Hosentasche. Die enttäuschende Vorstellung, auf dem Weg zu Darcy im Auto eingepfercht zu sein, entlockt mir einen wehmütigen Seufzer.

»Wie scharf ich darauf bin. Irrsinnig scharf.«

Darcy vibriert geradezu vor Aufregung, als wir uns dem Café nähern, wo es Joghurteis gibt. Wie sie es schafft, so schlank zu bleiben und doch fast alles zu essen, was ihr unterkommt, ist ihr unfaires Geheimnis.

Das ist unser Ritual: Wir ziehen unsere bequemsten Sachen an und belohnen uns hier nach jedem Erfolg. Das ist vermutlich auf unsere Kindheit zurückzuführen, darauf, dass wir damals nie schlemmen konnten.

Das Café ist unerwartet voll, obwohl es seit dem frühen Abend ergiebig regnet. Darcy und ich nehmen große Becher und gehen zu den Joghurteis-Spendern an der Wand gegenüber. Als Gewohnheitstiere folgen wir unserer Vorliebe für schlichte Geschmacksrichtungen. Darcy füllt ihren Becher mit Vanille, ich meinen mit Schokolade, dann machen wir uns über die Toppings her. Ich gebe Schokosplitter auf mein Eis und stelle mich in die Kassenschlange.

Wir setzen uns in eine kleine Nische. Kaum führen wir den ersten Löffel zum Mund, geht die Tür auf, und ich muss zweimal hinsehen.

Ihre Schwangerschaft steht dieser Brünetten großartig. Das dunkle Haar fällt lässig gewellt über ihre Schultern. Ihr modischer Aufzug – schwarzes, seidig glänzendes Kostüm – und die schlanke Gestalt mit dem leicht gerundeten Bauch verkünden geradezu: »Ich bin eine starke, selbstbewusste Geschäftsfrau.«

Sie trägt schwarze Schuhe mit schlichten Keilabsätzen, und kaum hat sie das Lokal betreten, schlingt der Mann hinter ihr die Hand um ihren Oberarm.

»Pass auf. Hier ist es nass.« In der anderen Hand hält er einen ramponierten, triefenden Schirm.

Die schöne Frau verdreht die Augen, kommt lachend näher und streift die Schuhe auf dem Abtreter ab; der Mann tut es ihr nach. »Ich habe schon Regen und nasse Fußböden erlebt, Knox. Keine Bange.« Sie betrachtet ihn mit unübersehbarer Zuneigung. Den Stimmen nach zu urteilen, stammen beide aus dem Süden.

Der, den sie Knox genannt hat, nimmt ihre Hand, führt sie an seine Lippen, setzt einen Kuss drauf. »Ich weiß, aber ich muss dafür sorgen, dass meine Lieben heil und unversehrt sind.«

Vor meinen Augen wedelt eine Hand, und als ich den Kopf drehe, sehe ich, dass Darcy mich amüsiert mustert. Sie beugt sich vor und flüstert: »Hör auf zu schwärmen.«

»Aber die beiden sind anbetungswürdig.« Ich wende mich dem Paar wieder zu.

»Sagt diejenige, die nicht an Beziehungen glaubt.«

Ich höre Darcy bei dieser Bemerkung geradezu die Augen verdrehen.

»In seltenen Fällen können sie funktionieren.« Ihrer entgeisterten Miene wegen setze ich hinzu: »Bei anderen.«

Kopfschüttelnd widmet sie sich ihrem Eis. Ich setze mich anders hin, um das Paar besser beobachten zu können, und wende mich ebenfalls meinem Eis zu.

Der Mann führt seine Begleiterin zu den Bechern, und ich mustere die beiden. Knox’ stechende grüne Augen sind umwerfend, sein in einem Maßanzug steckender Körper ist bestens trainiert, und der kleine Höcker auf seiner Nase ist eine liebenswerte Unvollkommenheit. Aber nicht das fesselt mich, sondern wie die beiden miteinander umgehen, mit der Ungezwungenheit eines Paars nämlich, das seit Jahrzehnten zusammen ist. Doch dafür sind sie viel zu jung.

Sie sieht ihm zu, während sie die Becher mit Joghurteis füllen. »Warum nimmst du Pfefferminz mit Schokolade?«

»Weil du diese Sorte magst und sowieso mehr von meinem Eis isst als von deinem«, erwidert er prompt und ohne jeden Vorwurf.

Sie protestiert freundlich und geht zu den Toppings. Er folgt dichtauf und legt ihr kurz die freie Hand auf den Rücken, während sein Schirm am anderen Unterarm baumelt.

Im nächsten Moment gleitet seine Hand tiefer, und er langt ihr an den Hintern.

»Knox!«

In gespielter Unschuld reißt er die Augen auf. »Oha!«

Darcy seufzt auf. »Das möchte ich auch erleben.«

Ich sehe sie an. »Was denn?«

»Na das.« Sie zeigt mit dem Löffel auf das Paar. »So eine Liebe möchte ich. So eine Beziehung.« Sie wirkt verzweifelt. »Dass mir jemand so süß an den Arsch fasst.«

»Ich dachte, mit Mister Soundso ist alles in Ordnung.«

Sie rümpft die Nase. »Eben nicht. Wenn er so farblos ist, dass selbst meine Schwester sich seinen Namen nicht merken kann, ist das wohl ein Zeichen.« Sie stopft die Serviette in ihren beinahe leeren Becher und steht auf. Ich tue es ihr nach und will unseren Müll in den Abfall werfen.

»Wow – Ihr Shirt ist toll!«

Der fröhliche Ausruf der Schwangeren verblüfft mich, und ich blicke an mir herab, um zu schauen, welches Oberteil ich angezogen habe.

Ich will einen Mann mit ausuferndem Wortschatz, dessen Vokabular mich immer wieder anmacht.

Grinsend schaue ich der Frau in die lächelnden Augen, und sie lacht.

»Tut mir leid, Sie erschreckt zu haben. Mein bester Kumpel würde dieses Shirt abgöttisch lieben.« Mit zur Seite geneigtem Kopf mustert sie mich von oben bis unten. »Single sind Sie nicht zufällig, was?« Sie schiebt sich einen Löffel Eis in den Mund und wartet auf meine Antwort.

»EJ, lass das.« Knox wirft mir einen entschuldigenden Blick zu.

»Äh …« Ich zögere, weil ich nicht recht weiß, wie ich es höflich sagen soll. Mit nervösem Lachen fahre ich fort: »Ich interessiere mich nicht … für Frauen.« Dabei winde ich mich fast vor Verlegenheit und höre Darcy ein Prusten unterdrücken.

Lachend wirft die Frau den Kopf in den Nacken, und ihre Augen funkeln vor Vergnügen. »Nicht doch – mein bester Kumpel ist ein Mann.«

Ihr Gatte seufzt vernehmlich. »EJ …« Sie tauschen einen Blick, als verständigten sie sich telepathisch.

»Aber diese Frau ist perfekt!«, protestiert sie.

»Ähm …« Mein Blick springt immer neugieriger zwischen den beiden hin und her. »Perfekt bin ich sicher nicht – das verspreche ich Ihnen.«

Offenbar lässt sie sich nicht beirren, lacht nun aber immerhin verlegen. »Tut mir leid. Wo sind nur meine Manieren? Ich bin Emma Jane, und das ist mein Mann Knox.« Sofort fügt sie hinzu: »Gut, ich habe also diesen Kumpel, und er ist wirklich der Beste und Süßeste –«

»Der Beste und Süßeste?«, unterbricht Knox sie und hebt theatralisch eine Braue.

»Der Zweitbeste und Zweitsüßeste«, korrigiert sich Emma Jane. »Wie dem auch sei, er ist umwerfend, und ich suche ein nettes Mädchen für ihn.«

»Eine nette Frau.«

Sie quittiert seine Richtigstellung mit einem Nicken. »Eine nette Frau.« Sie lächelt reizend. »Hätten Sie was dagegen, wenn ich ihm Ihre Nummer gebe? Vielleicht könnten Sie mit ihm plaudern und sehen, was sich machen lässt?«

»Ähm …« Damit habe ich wirklich nicht gerechnet. Ich schüttle den Kopf. »Ich denke nicht, dass –«

»Oh!« Unvermittelt legt sie die Hände an den Bauch.

Aufgestört öffne ich die Arme. »Alles in Ordnung?«

Knox legt einen Arm um ihre Taille. »EJ?« Seltsam, wie er sie anschaut.

Sie atmet aus. »Verzeihung. Wie war Ihr Name gleich?«

Als hätte ich den genannt! »Ivy«, erwidere ich gedehnt.

»Ivy«, wiederholt sie und lächelt froh. »Dann gebe ich Ihnen am besten seine Nummer, was?« Sie sieht mich erwartungsvoll an.

»Oh, aber ich bin nicht –«

»Heiliger Strohsack.« Wieder hält EJ sich den Bauch und verzieht nun vor Schmerz das Gesicht.

Großer Gott, lass mich nicht im Eiscafé Zeuge einer Frühgeburt werden!

»Ist wirklich alles okay?« Ich mustere sie skeptisch.

Diesmal atmet sie mehrmals durch, wie um den Schmerz zu dämpfen. »Mir geht’s gut. Puh!« Sie zwingt sich ein Lächeln ab. »Geben Sie mir doch bitte kurz Ihr Handy.«

Ehe ich das ablehnen kann, zieht Darcy mir das Mobiltelefon aus der Tasche, entsperrt es – meine verdammte Schwester kennt mich einfach zu gut – und gibt es ihr.

Verräterin.

Eilig tippt Emma Jane eine Nummer ein. Erschrocken sehe ich sie auf »Verbinden« drücken und das Handy ans Ohr setzen.

Das darf doch nicht wahr sein!

Auch Knox kann es nicht glauben. »Unser Joghurteis schmilzt, Emma Jane.«

Er wirft mir erneut einen entschuldigenden Blick zu, und seine Lippenbewegungen sagen: »Verzeihung.«

»Hallo, ich bin’s. Ich melde mich von einem fremden Handy, weil ich eine wunderbare Frau namens Ivy kennengelernt habe. Ihr zwei wärt was füreinander. Sie ist großartig und trägt das tollste Shirt. Ich hab dich lieb.« Nach kurzem Zögern setzt sie hinzu: »Aber mein Kind nenne ich trotzdem nicht nach dir.«

Nach dieser seltsamen Voicemail-Botschaft lächelt EJ zufrieden und tippt noch einige Ziffern ein. »Ich speichere nur eben die Nummer von B-«

Knox hüstelt vernehmlich.

Alle schauen ihn an, und er schenkt seiner Frau einen merkwürdigen Blick.

»Ach so!« Emma Jane bekommt große Augen, und ihr Lächeln klingt ziemlich nervös, doch sie tippt eilig weiter. »Entschuldigung! Er hat einfach viele Spitznamen; manchmal nennen wir ihn B.« Sie schaut ihren Mann fragend an. Er nickt fast unmerklich, und sie wendet sich wieder an mich und reicht mir das Handy. »Ich habe seine und meine Nummer für Sie gespeichert.«

Knox zieht sie sanft am Handgelenk. »Vielleicht können wir die Damen jetzt allein lassen. Immerhin hast du deinen Willen bekommen.«