I. Die sinnliche Gewißheit;oder das Diese und das Meinen
II. Die Wahrnehmung;oder das Ding, und die Täuschung
III. Kraft und Verstand,Erscheinung und übersinnliche Welt
IV. Die Wahrheitder Gewißheit seiner selbst
V. Gewißheit und Wahrheit der Vernunft
VI. Der Geist
VII. Die Religion
VIII. Das absolute Wissen
Vorrede
Eine
ErklÄrung, wie sie einer Schrift in einer Vorrede nach der
Gewohnheit vorausgeschickt wird—Über den Zweck, den der Verfasser
sich in ihr vorgesetzt, sowie über die Veranlassungen und das
Verhältnis, worin er sie zu andern frühern oder gleichzeitigen
Behandlungen desselben Gegenstandes zu stehen glaubt—scheint bei
einer philosophischen Schrift nicht nur überflüssig, sondern um der
Natur der Sache willen sogar unpassend und zweckwidrig zu sein. Denn
wie und was von Philosophie in einer Vorrede zu sagen schicklich
wäre—etwa eine historische
Angabe der Tendenz
und des Standpunkts, des allgemeinen Inhalts und der Resultate, eine
Verbindung von hin und her sprechenden Behauptungen und
Versicherungen über das Wahre—, kann nicht für die Art und Weise
gelten, in der die philosophische Wahrheit darzustellen sei.—Auch
weil die Philosophie wesentlich im Elemente der Allgemeinheit ist,
die das Besondere in sich schließt, so findet bei ihr mehr als bei
andern Wissenschaften der Schein statt, als ob in dem Zwecke oder den
letzten Resultaten die Sache selbst und sogar in ihrem vollkommenen
Wesen ausgedrückt wäre, gegen welches die Ausführung eigentlich
das Unwesentliche sei. In der allgemeinen Vorstellung hingegen, zum
Beispiel was Anatomie sei, etwa die Kenntnis der Teile des KÖrpers
nach ihrem unlebendigen Dasein betrachtet, ist man überzeugt, die
Sache selbst, den Inhalt dieser Wissenschaft, noch nicht zu besitzen,
sondern außerdem um das Besondere sich bemühen zu müssen.—Ferner
ist bei einem solchen Aggregate von Kenntnissen, das den Namen
Wissenschaft nicht mit Recht führt, eine Konversation über Zweck
und dergleichen Allgemeinheiten nicht von der historischen und
begrifflosen Weise verschieden, worin von dem Inhalte selbst, diesen
Nerven, Muskeln und so fort, gesprochen wird. Bei der Philosophie
hingegen würde die Ungleichheit entstehen, daß von einer solchen
Weise Gebrauch gemacht, und diese doch von ihr selbst als unfähig,
die Wahrheit zu fassen, aufgezeigt würde.So
wird auch durch die Bestimmung des Verhältnisses, das ein
philosophisches Werk zu andern Bestrebungen über denselben
Gegenstand zu haben glaubt, ein fremdartiges Interesse hereingezogen,
und das, worauf es bei der Erkenntnis der Wahrheit ankommt,
verdunkelt. So fest der Meinung der Gegensatz des Wahren und des
Falschen wird, so pflegt sie auch entweder Beistimmung oder
Widerspruch gegen ein vorhandenes philosophisches System zu erwarten,
und in einer Erklärung über ein solches nur entweder das eine oder
das andre zu sehen. Sie begreift die Verschiedenheit philosophischer
Systeme nicht so sehr als die fortschreitende Entwicklung der
Wahrheit, als sie in der Verschiedenheit nur den Widerspruch sieht.
Die Knospe verschwindet in dem Hervorbrechen der Blüte, und man
könnte sagen, daß jene von dieser widerlegt wird, ebenso wird durch
die Frucht die Blüte für ein falsches Dasein der Pflanze erklärt,
und als ihre Wahrheit tritt jene an die Stelle von dieser. Diese
Formen unterscheiden sich nicht nur, sondern verdrängen sich auch
als unverträglich miteinander. Aber ihre flüssige Natur macht sie
zugleich zu Momenten der organischen Einheit, worin sie sich nicht
nur nicht widerstreiten, sondern eins so notwendig als das andere
ist, und diese gleiche Notwendigkeit macht erst das Leben des Ganzen
aus. Aber der Widerspruch gegen ein philosophisches System pflegt
teils sich selbst nicht auf diese Weise zu begreifen, teils auch weiß
das auffassende Bewußtsein gemeinhin nicht, ihn von seiner
Einseitigkeit zu befreien oder frei zu erhalten, und in der Gestalt
des streitend und sich zuwider Scheinenden gegenseitig notwendige
Momente zu erkennen.Die
Foderung von dergleichen Erklärungen sowie die Befriedigungen
derselben scheinen vielleicht das Wesentliche zu betreiben. Worin
könnte mehr das Innere einer philosophischen Schrift ausgesprochen
sein als in den Zwecken und Resultaten derselben, und wodurch diese
bestimmter erkannt werden als durch ihre Verschiedenheit von dem, was
das Zeitalter sonst in derselben Sphäre hervorbringt? Wenn aber ein
solches Tun für mehr als für den Anfang des Erkennens, wenn es für
das wirkliche Erkennen gelten soll, ist es in der Tat zu den
Erfindungen zu rechnen, die Sache selbst zu umgehen, und dieses
beides zu verbinden, den Anschein des Ernstes und Bemühens um sie,
und die wirkliche Ersparung desselben.—Denn die Sache ist nicht in
ihrem Zwecke
erschöpft, sondern in ihrer
Ausführung, noch
ist das Resultat
das wirkliche
Ganze, sondern es zusammen mit seinem Werden; der Zweck für sich ist
das unlebendige Allgemeine, wie die Tendenz das bloße Treiben, das
seiner Wirklichkeit noch entbehrt, und das nackte Resultat ist der
Leichnam, der sie hinter sich gelassen. —Ebenso ist die
Verschiedenheit
vielmehr die Grenze
der Sache; sie ist da, wo die Sache aufhört, oder sie ist das, was
diese nicht ist. Solche Bemühungen mit dem Zwecke oder den
Resultaten, sowie mit den Verschiedenheiten und Beurteilungen des
einen und des andern, sind daher eine leichtere Arbeit, als sie
vielleicht scheinen. Denn statt mit der Sache sich zu befassen, ist
solches Tun immer über sie hinaus, statt in ihr zu verweilen und
sich in ihr zu vergessen, greift solches Wissen immer nach einem
Andern, und bleibt vielmehr bei sich selbst, als daß es bei der
Sache ist und sich ihr hingibt. —Das leichteste ist, was Gehalt und
Gediegenheit hat, zu beurteilen, schwerer, es zu fassen, das
schwerste, was beides vereinigt, seine Darstellung hervorzubringen.Der
Anfang der Bildung und des Herausarbeitens aus der Unmittelbarkeit
des substantiellen Lebens wird immer damit gemacht werden müssen,
Kenntnisse allgemeiner Grundsätze und Gesichtspunkte zu erwerben,
sich nur erst zu dem Gedanken der Sache überhaupt heraufzuarbeiten,
nicht weniger sie mit Gründen zu unterstützen oder zu widerlegen,
die konkrete und reiche Fülle nach Bestimmtheiten aufzufassen, und
ordentlichen Bescheid und ernsthaftes Urteil über sie zu erteilen zu
wissen. Dieser Anfang der Bildung wird aber zunächst dem Ernste des
erfüllten Lebens Platz machen, der in die Erfahrung der Sache selbst
hineinführt, und wenn auch dies noch hinzukommt, daß der Ernst des
Begriffs in ihre Tiefe steigt, so wird eine solche Kenntnis und
Beurteilung in der Konversation ihre schickliche Stelle behalten.Die
wahre Gestalt, in welcher die Wahrheit existiert, kann allein das
wissenschaftliche System derselben sein. Daran mitzuarbeiten, daß
die Philosophie der Form der Wissenschaft näher komme—dem Ziele,
ihren Namen der
Liebe zum
Wissen ablegen zu
können und
wirkliches Wissen
zu sein—, ist es, was ich mir vorgesetzt. Die innere Notwendigkeit,
daß das Wissen Wissenschaft sei, liegt in seiner Natur, und die
befriedigende Erklärung hierüber ist allein die Darstellung der
Philosophie selbst. Die äußere Notwendigkeit aber, insofern sie,
abgesehen von der Zufälligkeit der Person und der individuellen
Veranlassungen, auf eine allgemeine Weise gefaßt wird, ist dasselbe,
was die innere, in der Gestalt, wie die Zeit das Dasein ihrer Momente
vorstellt. Daß die Erhebung der Philosophie zur Wissenschaft an der
Zeit ist, dies aufzuzeigen würde daher die einzig wahre
Rechtfertigung der Versuche sein, die diesen Zweck haben, weil sie
die Notwendigkeit desselben dartun, ja weil sie ihn zugleich
ausführen würde.Indem
die wahre Gestalt der Wahrheit in die Wissenschaftlichkeit gesetzt
wird—oder, was dasselbe ist, indem die Wahrheit behauptet wird, an
dem Begriffe
allein das Element ihrer Existenz zu haben—, so weiß ich, daß
dies im Widerspruch mit einer Vorstellung und deren Folgen zu stehen
scheint, welche eine so große Anmaßung als Ausbreitung in der
Überzeugung des Zeitalters hat. Eine Erklärung über diesen
Widerspruch scheint darum nicht überflüssig; wenn sie auch hier
weiter nichts als gleichfalls eine Versicherung, wie das, gegen was
sie geht, sein kann. Wenn nämlich das Wahre nur in demjenigen oder
vielmehr nur als dasjenige existiert, was bald Anschauung, bald
unmittelbares Wissen des Absoluten, Religion, das Sein—nicht im
Zentrum der göttlichen Liebe, sondern das Sein desselben
selbst—genannt wird, so wird von da aus zugleich für die
Darstellung der Philosophie vielmehr das Gegenteil der Form des
Begriffs gefodert. Das Absolute soll nicht begriffen, sondern gefühlt
und angeschaut, nicht sein Begriff, sondern sein Gefühl und
Anschauung sollen das Wort führen und ausgesprochen werden.