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Auf in die Südsee! Pippi kann es kaum erwarten! Kapitän Langstrumpf kommt mit der "Hoppetosse", um seine Tochter mit auf die Taka-Tuka-Insel zu nehmen. Und weil Tommy und Annika krank waren und etwas Luftveränderung gut brauchen können, erlaubt ihre Mama ihnen, Pippi zu begleiten. Damit beginnt für die drei ein aufregendes Abenteuer, bei dem auch Piraten nicht fehlen! Mit den schwedischen Originalillustrationen von Ingrid Vang Nyman. Aktualisierte, überarbeitete Textfassung.
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Veröffentlichungsjahr: 2019
Pippi Langstrumpf, das stärkste Mädchen der Welt, lebt ganz allein mit ihrem Pferd und ihrem Affen in der Villa Kunterbunt. Doch eines Tages kommt Kapitän Langstrumpf mit der »Hoppetosse«, um seine Tochter mit auf die Taka-Tuka-Insel zu nehmen. Was für ein Glück, dass Tommy und Annika Pippi begleiten dürfen! Denn das Leben mit Pippi in der Südsee ist so voller Abenteuer, wie nichts sonst auf der Welt.
Der dritte Band der Pippi-Kinderbücher mit den schwedischen Originalillustrationen von Ingrid Vang Nyman
Erstes Kapitel
Die kleine, kleine Stadt sah sehr hübsch und gemütlich aus mit ihren gepflasterten Straßen, ihren niedrigen kleinen Häusern und ihren Gärten mit den Blumenbeeten. Jeder, der dorthin kam, musste finden, dass es sich hier ruhig und behaglich leben ließ. Aber viele Sehenswürdigkeiten gab es nicht. Nur zwei Sachen: ein Heimatmuseum und einen alten Steinhügel. Das war alles. Doch, es gab noch etwas! Die Menschen in der kleinen Stadt hatten ordentlich und deutlich Schilder angebracht, die den Fremden den Weg zu den Sehenswürdigkeiten zeigten.
»Zum Heimatmuseum« stand mit großen Buchstaben auf dem einen Schild, und darunter war ein Pfeil. »Zum Steinhügel« stand auf einem anderen Schild.
Es gab noch ein Schild. Und auf dem stand: »Zur Villa Kunterbunt«. Dieses Schild war erst vor Kurzem angebracht worden. Es war nämlich in letzter Zeit sehr oft passiert, dass Leute kamen und nach dem Weg zur Villa Kunterbunt fragten, ja sogar viel häufiger als nach den Wegen zum Heimatmuseum und zum Steinhügel.
An einem schönen Sommertag kam ein Herr in seinem Auto in die kleine Stadt gefahren. Er wohnte in einer viel größeren Stadt, und deswegen meinte er, dass er etwas Feineres und Besseres sei als die Menschen in der kleinen, kleinen Stadt. Nun hatte er aber auch so ein mächtig feines Auto und war selbst so ein prächtiger Herr mit blanken Schuhen und einem dicken goldenen Ring am Finger. Da war es vielleicht nicht verwunderlich, wenn er glaubte, dass er etwas äußerst Feines und Vornehmes sei. Er drückte heftig auf seine Autohupe, als er durch die Straßen der kleinen Stadt fuhr, damit die Leute hörten, dass er kam.
Als dieser feine Herr die Schilder sah, verzog sich sein Mund zu einem breiten Grinsen.
»Zum Heimatmuseum – nein danke«, sagte er zu sich selbst. »So weit geht meine Vergnügungssucht nicht.« – »Zum Steinhügel«, las er auf einem anderen Schild. »Das wird ja immer besser!«
»Aber was in aller Welt sind das hier für Albernheiten«, sagte er, als er das dritte Schild erblickte. »Zur Villa Kunterbunt – so ein Name!«
Er überlegte eine Weile. Eine Villa konnte ja nicht gut eine Sehenswürdigkeit sein wie ein Heimatmuseum und ein Steinhügel. Das Schild muss aus einem anderen Grund angebracht worden sein, dachte er. Schließlich fand er eine gute Erklärung. Die Villa war natürlich zu verkaufen. Das Schild war angebracht worden, um den Leuten, die die Villa vielleicht kaufen wollten, den Weg zu zeigen. Der feine Herr hatte schon oft daran gedacht, sich ein Haus in irgendeiner kleinen Stadt zu kaufen, wo es nicht so laut war wie in der Großstadt. Er würde natürlich nicht immer da wohnen, aber manchmal könnte er hinfahren, um sich auszuruhen. In einer kleinen Stadt merkte man auch viel besser, was für ein besonders feiner und vornehmer Mann er eigentlich war. Er beschloss, sofort hinzufahren und sich die Villa Kunterbunt anzusehen.
Man brauchte nur der Richtung zu folgen, in die der Pfeil zeigte. Der feine Herr musste bis zum äußersten Ende der kleinen Stadt fahren, bis er das fand, was er suchte. Und da, an einem sehr verfallenen Gartenzaun, stand mit Rotstift:
Hinter dem Zaun lag ein verwilderter Garten mit alten moosbedeckten Bäumen und ungemähtem Rasen und einer Menge Blumen, die wuchsen, wie und wo sie Lust hatten. Ganz hinten im Garten stand ein Haus – ach, ach, was war das für ein Haus! Es sah aus, als ob es jeden Augenblick zusammenfallen wollte. Der feine Herr starrte das Haus an, und plötzlich fing er an zu stöhnen. Da stand ein Pferd auf der Veranda! Und der feine Herr war es nicht gewohnt, dass Pferde auf Veranden herumstanden. Und deswegen hatte er gestöhnt.
Auf der Verandatreppe, mitten im Sonnenschein, saßen drei Kinder. Das Mädchen, das in der Mitte saß, war ein Mädchen mit vielen Sommersprossen im Gesicht und zwei roten Zöpfen, die vom Kopf abstanden. Ein reizendes kleines Mädchen mit blonden Locken und einem blau karierten Kleid und ein wohlfrisierter kleiner Junge saßen rechts und links von ihr. Und auf der Schulter des rothaarigen Mädchens saß ein Affe.
Der feine Herr überlegte. Er musste wohl an die falsche Adresse geraten sein. Es konnte doch wohl niemand auf die Idee kommen, so ein verfallenes Haus zu verkaufen!
»Hört mal, Kinder«, rief er, »ist diese schäbige Bude hier wirklich die Villa Kunterbunt?«
Das Mädchen in der Mitte, das mit den roten Haaren, stand auf und schlenderte zum Gartenzaun. Die beiden anderen kamen langsam hinterher.
»Kannst du nicht den Mund aufmachen?«, fragte der feine Herr, bevor das rothaarige Mädchen herangekommen war. »Ist diese Bruchbude nun wirklich die Villa Kunterbunt?«
»Ich muss mal überlegen«, sagte das rothaarige Mädchen und runzelte nachdenklich die Stirn. »Heimatmuseum – nein! Steinhügel – nein! Jetzt hab ich’s!«, schrie sie. »Es ist die Villa Kunterbunt!«
»Kannst du nicht ordentlich antworten?«, sagte der feine Herr und stieg aus dem Auto. Er wollte die Sache auf jeden Fall etwas näher betrachten.
»Man könnte die Bude natürlich abreißen und eine neue bauen«, murmelte er für sich selbst.
»Oh ja, wir wollen sofort anfangen!«, rief das rothaarige Mädchen und riss ein paar Bretter vom Hausgiebel ab.
Der feine Herr hörte ihr nicht zu. Er interessierte sich überhaupt nicht für kleine Kinder, und außerdem hatte er jetzt etwas zum Nachdenken. Der Garten sah trotz seiner Verkommenheit richtig einladend und nett aus, wie er da so in der Sonne lag. Wenn man ein neues Haus baute, den Rasen mähte, die Wege in Ordnung brachte und richtige Blumen pflanzte, dann würde sogar ein sehr feiner Herr hier wohnen können. Der feine Herr beschloss, die Villa Kunterbunt zu kaufen.
Er schaute sich um, um zu sehen, ob noch mehr Verbesserungen notwendig waren. Die alten moosbedeckten Bäume müssten natürlich weg. Missmutig betrachtete er eine breitstämmige, knorrige Eiche, die ihre Zweige über das Dach der Villa Kunterbunt wölbte.
»Die wird abgehauen«, sagte er bestimmt.
Das kleine reizende Mädchen im blau karierten Kleid stieß einen Schrei aus.
»Oh Pippi, hast du gehört?«, fragte sie erschrocken.
Das rothaarige Mädchen übte unbekümmert Hüpfen auf dem Gartenweg.
»Wie gesagt, die alte verfaulte Eiche wird abgehauen«, sagte der feine Herr zu sich selbst.
Das kleine Mädchen im blau karierten Kleid streckte ihm bittend ihre Hände entgegen.
»Ach nein, tun Sie das nicht«, sagte sie. »Das ist … das ist so ein schöner Baum, in dem man prima klettern kann. Und dann ist er hohl, da kann man auch reinkriechen.«
»Quatsch«, sagte der feine Herr. »Ich klettre nicht in Bäumen herum, das ist doch wohl klar.«
Der wohlfrisierte Junge kam jetzt auch dazu. Er sah besorgt aus. »Ja, aber im Baum wächst Limonade«, sagte er. »Und auch Schokolade. Immer donnerstags.«
»Hört mal, Kinder, ich glaube, ihr habt etwas zu lange in der Sonne gesessen«, sagte der feine Herr. »In euren Köpfen scheint alles durcheinanderzugehen. Aber das geht mich nichts an. Ich habe die Absicht, dieses Grundstück hier zu kaufen. Könnt ihr mir sagen, wo ich den Besitzer finde?«
Das kleine blau karierte Mädchen fing an zu weinen, und der wohlfrisierte Junge lief zu dem rothaarigen Mädchen, das immer noch Hüpfen übte.
»Pippi«, sagte er, »hast du nicht gehört, was er gesagt hat? Warum tust du nichts?«
»Tu ich etwa nichts?«, fragte das rothaarige Mädchen. »Ich hüpf hier, was das Zeug hält, und jetzt kommst du und sagst, dass ich nichts tue. Hüpf selbst, dann wirst du sehen, dass man was tut, wenn man hüpft.«
Sie ging zu dem feinen Herrn.
»Mein Name ist Pippi Langstrumpf«, sagte sie. »Und das hier sind Tommy und Annika.« Sie zeigte auf ihre Freunde. »Womit können wir Ihnen behilflich sein? Mit einem Haus, das abgerissen werden soll, oder mit einem Baum, der abgehauen werden soll, oder mit etwas anderem, was geändert werden soll? Sie brauchen nur ein Wort zu sagen.«
»Wie ihr heißt, interessiert mich nicht«, sagte der feine Herr. »Das Einzige, was ich wissen will, ist, wo ich den Besitzer des Hauses finde. Ich will es kaufen.«
Das rothaarige kleine Mädchen, das Pippi Langstrumpf hieß, war wieder zum Hüpfspiel zurückgekehrt.
»Die Besitzerin ist gerade beschäftigt«, sagte sie. Sie hüpfte mit großem Eifer, während sie redete. »Ganz furchtbar beschäftigt«, sagte sie und hüpfte um den feinen Herrn herum. »Aber nehmen Sie Platz und warten Sie ein bisschen, dann wird sie schon kommen.«
»Sie?«, sagte der feine Herr zufrieden. »Einer Sie gehört das elende Haus? Umso besser. Weibsleute verstehen ja nichts von Geschäften. Dann wollen wir hoffen, dass ich das Ganze hier zu einem Spottpreis bekomme.«
»Das wollen wir hoffen«, sagte Pippi Langstrumpf.
Da es keinen anderen Sitzplatz zu geben schien, setzte sich der feine Herr vorsichtig auf die Verandatreppe. Der kleine Affe schoss unruhig auf dem Verandageländer hin und her. Tommy und Annika, die beiden reizenden und wohlfrisierten Kinder, standen ein Stück entfernt und betrachteten den Herrn erschrocken.
»Wohnt ihr hier?«, fragte der feine Herr.
»Nein«, sagte Tommy. »Wir wohnen nebenan.«
»Aber wir sind jeden Tag hier und spielen«, sagte Annika schüchtern.
»Ja, damit ist es jetzt wohl vorbei«, sagte der feine Herr. »Ich will keine Kinder in meinem Garten herumlaufen haben. Kinder sind das Schlimmste, was es für mich gibt.«
»Finde ich auch«, sagte Pippi und machte eine Pause im Hüpfen. »Alle Kinder sollte man erschießen.«
»Wie kannst du so was sagen«, meinte Tommy gekränkt.
»Ja, eigentlich sollte man alle Kinder erschießen«, sagte Pippi. »Aber das geht nicht. Denn dann würden keine netten kleinen Onkel nachwachsen. Und auf die kann man nicht verzichten.«
Der feine Herr sah auf Pippis rotes Haar und beschloss, sich ein bisschen darüber lustig zu machen, während er wartete.
»Weißt du, was für eine Ähnlichkeit zwischen dir und einem frisch angesteckten Streichholz ist?«, fragte er.
»Nein«, sagte Pippi. »Aber das wollte ich immer schon wissen.«
Der feine Herr zog Pippi heftig am Zopf.
»Ja, siehst du, bei beiden brennt der Kopf! Hahaha!«
»Man muss sich viel anhören, bevor einem die Ohren abfallen«, sagte Pippi. »Dass mir das nicht eher eingefallen ist!«
Der feine Herr schaute sie an, und dann sagte er:
»Ich glaube wahrhaftig, du bist das hässlichste Balg, das ich je gesehen habe.«
»Ach«, sagte Pippi, »ich finde, du bist auch nicht gerade so bildschön, dass man vor Entzücken zusammenzuckt, wenn man dich sieht.«
Der feine Herr sah beleidigt aus, aber er sagte nichts. Pippi stand eine Weile still und schaute ihn mit schräg gelegtem Kopf an.
»Du«, sagte sie schließlich, »weißt du, was für eine Ähnlichkeit zwischen mir und dir ist?«
»Zwischen mir und dir?«, sagte der feine Herr. »Zwischen uns beiden gibt es ja wohl hoffentlich keine Ähnlichkeit.«
»Doch«, sagte Pippi. »Wir haben beide ein großes Mundwerk. Mit Ausnahme von mir.«
Tommy und Annika kicherten leise. Der feine Herr wurde ganz rot im Gesicht.
»Ach so, du willst frech werden!«, schrie er. »Das werd ich schon aus dir rausprügeln.«
Er streckte seinen dicken Arm nach Pippi aus, aber im selben Augenblick sprang sie zur Seite, und eine Sekunde später war sie mit einem Satz auf der hohlen Eiche.
Dem feinen Herrn blieb der Mund offen stehen vor Erstaunen.
»Wann wollen wir mit dem Prügeln anfangen?«, fragte Pippi und setzte sich bequem auf einem Ast zurecht.
»Ich kann warten«, sagte der feine Herr.