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mehrbuch-Weltliteratur! eBooks, die nie in Vergessenheit geraten sollten. Der junge Pionieroffizier Hermann, Sohn eines russifizierten Deutschen, lebt sparsam und bescheiden. Bei einer durchspielten Nacht erzählt ihm Tomski von seiner Großmutter, der Gräfin, welche vor Jahrzehnten in Paris das Geheimnis erfuhr, wie man drei Gewinnkarten beim Pharospiel voraussehen kann.
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Seitenzahl: 44
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Pique Dame
Alexander Puschkin
Waren die Tage trüb,
Nahmen sie vorlieb
Mit dem Spiel;
Setzten — Gott sei's geklagt —
Immer sehr gewagt
Und sehr viel;
Schrieben mit Kreide hin
Den Verlust und Gewinn,
Ohne zu warten.
So, wenn die Tage trüb,
War ihnen die Arbeit lieb
Mit den Karten.
Bei dem Gardekavalleristen Narumow spielte man eines Abends Karten. Die lange Winternacht war unbemerkt vorübergegangen; zum Abendessen setzte man sich gegen fünf Uhr morgens. Die Gewinner aßen mit großem Appetit; die übrigen saßen zerstreut vor ihren leeren Gedecken. Doch als der Champagner gebracht wurde, lebte die Unterhaltung auf, und alle nahmen an ihr teil.
„Wie ist es dir ergangen, Surin?“ fragte der Gastgeber.
„Ich habe verloren, wie gewöhnlich. Ich muß gestehen, daß ich kein Glück habe: Ich spiele Mirandole, rege mich niemals auf, nichts bringt mich aus der Fassung, und doch verliere ich immer!“
„Und du hast dich kein einziges Mal hinreißen lassen? Kein einziges Mal auf Route gesetzt? Deine Standhaftigkeit wundert mich.“
„Was sagt ihr aber erst zu Hermann?“ meinte einer der Gäste und wies auf den jungen Genieoffizier. „Noch nie hat er eine Karte in die Hand genommen, noch nie ein Paroli geboten und sitzt bis fünf Uhr mit uns zusammen und sieht dem Spiel zu!“
„Das Spiel interessiert mich sehr“, sagte Hermann, „doch ich bin nicht in der Lage, Unentbehrliches zu opfern, in der Hoffnung, Überflüssiges zu erwerben.“
„Hermann ist ein Deutscher — er ist berechnend, das ist alles!“ bemerkte Tomski. „Aber wenn ich jemanden nicht verstehe, so ist es meine Großmutter, die Gräfin Anna Fedotowna.“
„Wie? Was?“ riefen die Gäste.
„Ich kann einfach nicht begreifen“, fuhr Tomski fort, „warum eine achtzigjährige Frau nicht pointiert.“
„Ihr wißt also nichts über sie?“ „Nein! Wir wissen wirklich nichts!“
„Oh, hört also zu. Ihr müßt wissen, daß meine Großmutter vor etwa sechzig Jahren nach Paris fuhr und dort in großer Mode war. Alle liefen ihr nach, um la Vénus moscovite zu sehen; Richelieu machte ihr den Hof, und die Großmutter versichert, daß er sich wegen ihrer Unnahbarkeit beinah erschossen hätte.
Damals spielten die Damen Pharao. Bei Hof verlor sie einmal auf Ehrenwort sehr viel an den Herzog von Orleans. Als die Großmutter zu Hause angekommen war, löste sie die Schönheitspflästerchen vom Gesicht, schnürte den Reifrock los, teilte dabei dem Großvater ihre Spielschuld mit und befahl, sie zu begleichen.
Der selige Großvater war, soweit ich mich erinnere, eine Art Haushofmeister bei der Großmutter. Er fürchtete sie wie das Feuer; als er jedoch von solch einer entsetzlich hohen Spielschuld hörte, geriet er außer sich, brachte die Rechnungen, bewies ihr, daß sie in einem halben Jahr eine halbe Million verbraucht hätten, daß sich bei Paris weder ihre Moskauer noch Saratower Dörfer befänden, und lehnte eine Zahlung rundweg ab. Die Großmutter gab ihm eine Ohrfeige und legte sich zum Zeichen ihrer Ungnade allein schlafen.
Am nächsten Tag ließ sie ihren Mann rufen, in der Hoffnung, daß die häusliche Strafe nicht ohne Wirkung geblieben sei, doch er war unerschütterlich. Zum erstenmal im Leben ließ sie sich mit ihm in Erörterungen und Erklärungen ein; sie wollte ihm ins Gewissen reden, bewies herablassend, daß Schuld nicht gleich Schuld sei und daß es einen Unterschied zwischen einem Prinzen und einem Stellmacher gäbe. — Vergeblich! Der Großvater rebellierte. Nein und abermals nein! Die Großmutter wußte nicht, was sie tun sollte.
Sie war flüchtig mit einem außergewöhnlichen Mann bekannt. Ihr habt alle vom Grafen Saint-Germain gehört, von dem man sich so viel Wunderbares erzählt. Ihr wißt, daß er sich für den Ewigen Juden ausgab, für den Erfinder des Lebenselixiers, des Steins der Weisen und dergleichen. Man lachte über ihn wie über einen Scharlatan, und Casanova sagt von ihm in seinen Memoiren, er sei ein Spion; trotz seines geheimnisvollen Wesens hatte Saint-Germain übrigens ein sehr würdiges Aussehen und war in Gesellschaft ein äußerst liebenswürdiger Mensch. Meine Großmutter ist noch heute von ihm begeistert und wird böse, wenn man von ihm abfällig spricht. Meine Großmutter wußte, daß Saint-Germain über große Summen verfügen konnte. Sie beschloß, sich an ihn zu wenden. Sie schrieb ihm ein Billett und bat ihn, sie sofort zu besuchen.
Der alte Sonderling erschien unverzüglich und fand sie in tiefem Kummer vor. Sie schilderte ihm die barbarische Grausamkeit ihres Mannes in den schwärzesten Farben und sagte schließlich, daß sie ihre ganze Hoffnung auf seine Freundschaft und Liebenswürdigkeit setze.
Saint-Germain dachte nach.
,Ich könnte Ihnen mit dieser Summe dienen', sagte er, ,doch ich weiß, daß Sie keine Ruhe finden werden, bevor Sie mir das Geld zurückgegeben haben, ich möchte Ihnen aber neue Ungelegenheiten ersparen. Es gibt ein anderes Mittel: Sie können die Schuld im Spiel zurückgewinnen.' — ,Aber, lieber Graf, antwortete die Großmutter, ,ich sage Ihnen doch, wir haben keinerlei Geld.' — ,Geld ist hierbei nicht nötig', entgegnete Saint-Germain, ,hören Sie mich bitte an.' Und er eröffnete ihr ein Geheimnis, für das jeder von uns viel geben würde...“
Die jungen Spieler verdoppelten ihre Aufmerksamkeit. Tomski zündete sich eine Pfeife an, tat einen Zug und fuhr fort: